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»«. Slr. I«« DtenStao,«. «pr« i»so Lraht«»Ick»r1ft: Nachricht«» Dresden sternIvrecher-Sammelnummer: »ü»1t Kur lür NachlgelprLche: Nr. LOOlt «chrtslleitung n. HauvlgeIch»N«steU«: Dresden - A. t. Marienftraße LS/1» »«j-glged«», dm» t. «« »». >prü w«> bei «Lglich »»«tmaliger Zustetlung Iret 1.70 «r. PoIU>e«ug»pretS Nie Monat «prtl ».10 Mk. etnlchl. US PIg. Postgebühr lohne P-stjusteUungSgebühr». Mnselnmnmer »0 »I». außerhalb Dresden» 15, PIg. «nzetgenpreile: Dt« «Njeigrn werden nach Goldmark berechne«: die etnlpallige »0 mm breite Zelle »L PIg., für auswürt« so PIg. gamilirn- an,eigen und Steilengeluche ohne Rabatt t» Psg., außerhalb »ü PIg., die «0 mm breite ReNameseile LW BI»., außerhalb »L0 Big. Ollertengebühr so PIg. Auswärtige Aulträge gegen VorauSbesahlung Druck «t. Verlag: Ltevlch ck Reichardt, Dresden. Poftichcck-tlio. lvS» Dresden Nachdruck nur mit deutl.Quetlcn-ngabe lDreSdn. Nachr.l sulästig. Unverlangte Echrtltstücke werde» nicht aulbcwahrt Einigung über -ie Agrarhilfe MMießmte Bemtmig am NleaAaa „Große Seele" vraktrnnlckans »a»«r»r Berlin, 7. April. Das Netchskabinett hielt heute nach mittag eine Sitzung ab, in der cs sich mit dem Agrarpro- gramm beschäftigte, das der neue Ncichscrnährungsminister Schiele dem Kabinett vvrgelegt hat. Zu abschltcßen - - e u Ergebnissen ist das Retchskabinctt heute noch nicht gekommen. Es wird in der über die Kabinettssitzung auS- gegebenen amtlichen Mitteilung lediglich scstgestellt, das; man eine „grundsätzliche Einigung" erzielt habe. Wie diese grundsätzliche Einigung aussieht, darüber liegen bis her noch keine Mitteilungen vor. Diese sollen erst nach der morgtgcn Kabinettssitzung gemacht werden. Man wird aber die heute erzielte Einigung im Grundsätzlichen auch schon des halb bcgriisicn dürfen, weil von den an der Negierung be teiligten Parteien, besonders der demokratischen, starker Widerstand gegen das Programm des Ernährungs ministers Schiele ausging, in dem man besonders eine Gefährdung der H a n d e l s i n t e r e s s e n erblickte. Das von Schiele vorgelegle Programm hat die Jahrcsdnrchschnittsprcise für Wetzen und Roggen mit den Sätzen von 200 bziv. 230 Mk. beibehalten. Retchs- ernährungsmtnister Schiele hat dann noch de» Vorschlag gemacht, von der letzten Zollregclnng vom März d. I. inso fern abzuwctchcn, als für Weizen, Roggen, Gerste, Hafer und Erbsen dem Rcichsernährungsmintster eine Vollmacht gegeben werden soll, die Zölle beliebig herauf- und hcrunterzusesten, wenn dies die Entwicklung der Wirtschaftslage notwendig er scheinen läßt. Wieivctt das Kabinett diesen Wünschen des Reichscrnährungsministers entsprochen hat bzw. entsprechen wird, steht im Moment allerdings noch dahin. Von Wichtig keit dürfte auch die Forderung des Reichsernährungsmintsters SorUnvr Sotzrtttloltnng sein, die zollfreie Einfuhr von Gefrierfleisch vom 1. Juli ab einzustcllen. Besondere Bedenken habe, wiederum bei den Demokraten, die Forderung Schieles ausgelöst, die Ein- fuhrschetne über den bisherigen Nahmen auszudchnen, vor allem deshalb, weil nach den Wünschen des NeichScrnah- rungsministers künftig keine Werts« st setzung für Einsuhrscheine im Gesetz getroffen werden soll. Der Neichs- ernährungsmtntster hat dann u. a. noch die Einführung -öS DeimahlungSzwangeS gefordert. Diese Forderung spielte bekanntlich schon bei den Agrarhilfsmastnahmen des Kabinetts Müller eine Nolle. Man hatte schon damals von Sachverständigen prüfe» lassen, inwieweit ein Beimahlungszmang von Roggenmchl zu Weizenmehl geeignet sein könnte, den Noggenverbrauch zu vermehren und aus diesem Wege zur Verbesserung der Nvggenprcisc zu gelangen. Das Kabinett Müller hat allerdings einen Bei mahlungszwang nicht für gangbar erachtet. Der frühere NeichsernährungSmInister und jetzige Wirtschastsminister Dietrich beschränkte sich infolgedessen anf die Ein bringung eines Brotgesctzcö, daS von der Erwägung auS- ging, daß das Roggenbrot wegen feiner besonderen Bekömmlichkeit und höhere» Schmackhaftigkeit schon von selbst bevorzugt werden würde, wenn es in guter Zusammensetzung und fehlerfreiem Back zustand den Verbrauchern angebotcn werden würde. Es dürfte sich nun am Dienstag, an welchem Tage die ab schließenden Beratungen des Kabinetts über diese Agrarvorschläge stattsinden sollen, zeigen, inwieweit das Kabinett die Vorschläge Schieles akzeptiert hat. Skemlandmt au» im Mstw Mahmude Worte des SbervrMenten der Meinvrovim Düsseldorf. 7. April. Der 77. Rheinische Provinzial landtag wurde heute mittag mit einer Ansprache des Ober- Präsidenten der Rhcinprvvinz Dr. h. c. Fuchs eröffnet. Der Redner führte u. a. ans. die wachsende Belastung aus den von der Provinz ansgenommenen Anleihen, durch welche die Vorkricgsschuld bald um das Doppelte überstiegen werde» dürste, lasse cs kaum »och zu, die Beschaffung von Mitteln auf dem Anleihewegc fortzusetzcn. Von den Schulden und Ausgaben der Provinz entfielen 50 Millionen Reichs mark auf den Straßenbau und im vorliegenden Hanshaltplan würden für Straßenbau und Straßcnuntcrhaltnng wieder 34 Millionen Reichsmark beansprucht. Zum Nachteil der Rhcinprvvinz greise immer mehr die Auffassung um sich, sie sei wieder eine wohlhabende Provinz. Man scheine schon jetzt zu vergessen, was sie in der Nachkriegszeit an Sondcrlastcn getragen habe. Welche Not sei allein in dem Heere der 300 000 bis 400 000 Arbeitsuchenden der Rhcinprvvinz verkörpert! Die im Rcichshanshalt für 1030 eingesetzten 20 Millionen Reichsmark für das sogenannte Wcstprogramm könnten nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie als ständig wiedcrkchrcndcr Posten für eine Reibe von Jahren im Haushalt gesetzlich festgelcgt würden. Neben der Hilfe von Reich »nd Staat sei Selbsthilfe zu üben, so z. B. mit Aufträge» an die rheinische Stcinindnstric, mit dem Verzicht auf den amerikanischen Weizen usw. Ein so verarmtes Volk wie das deutsche müßte in erster Linie an die nn- mittclbare Ausrechtcrhaltung seiner eigenen Wirt schaft denken. Die Provinz freue sich, dast bald der letzte Bcsatzungssoldat deutschen Boden verlasse, womit ein großer Schritt auf dem Wege zur Ltguidicruug des Weltkrieges getan sei, die aber leider noch lange nicht beendet sei. Die finanziellen Lasten, die uns für Generationen anfcrlcgt seien, würden uns nach der Befreiung von der Besatzung noch stärker zum Bewußt- sein kommen. Der Redner schloß mit dem Hinweis auf die Worte Hindenburgs, die man nicht nur an die Mauern heften, sondern sich tief in die Herzen grabe» solle: „Wir müssen wieder eins werden in dem Gedanken: Deutschland über alles!« Eine Kampfreöe gegen Berlin Der rheinische Landeshauptmann Horiou gegen Berlins Vorherrschaft Berlin, 7. April. Auf dem rheinischen Provinziallandtage hielt der Landeshauptmann Horton, ein fühlender Zen- trumömann, eine scharfe Kampfrede gegen Berlin. Berlin könne nicht leugnen, baß es bevölkerungspolitisch und wtrtschastSpoltttsch von der Arbeit des ganzen übrigen Deutschland lebe und ernährt werde. Die Zahl der Stcrbe- sälle in Berlin übersteige die Zahl der Geburten. Berlin würde allmählich ausstcrbcn, wenn nicht das übrige Deutschland für Berlin ständig Men schen großzöge, ernährte und ausbildcte, die dann in den Jahren, wo sie wirtschaftliche Werte schassen und Steuerzahler sind, nach Berlin zögen, die draußen gesammelte Kraft Berlin zugute kommen ließe» und so den Rückgang der Berliner Be völkerung verhinderten: aber noch mehr lebe Berlin wirt schaftlich von der Provinz. Die Konzentration der Verwal tungen des Reiches und Preußens und die Konzentration der Verwaltungen großindustrieller und sinanzicller Unter nehmungen in Berlin bringe eine außerordentliche Steuer- krast aus der Provinz nach Berlin. Es würde daher der Gerechtigkeit durchaus entsprechen, wenn die Steuereinnahmen Berlins zu einem großen Teile dem übrigen Deutschland zugute kommen. Wenn bei dieser Sachlage die Stadt Berlin aber noch be sondere Berücksichtigung auf Steuereinnahmen, etwa aus der Krastfahrzeugstcuer, verlange, durch die sie g ü n st i g e r als andere Städte gestellt würde, oder Berücksichtigung bei der Verteilung von S t a a t s d o t a t i o n c n, so könnte» solche Ansprüche, die auf Kosten der übrige» Provinz gehen würden, nicht scharf genug znrückgcwiesen werden. Man dürfe die Provinz schließlich wegen sparsamer Steuerwirt schaft nicht noch geradezu bestrafen. Aoefch bei Brian- Vralttdsrlvdt noooroo parlsor Koriv8ponckvnloo Paris» 7. April. Wie die deutsche Botschaft mitteilt, hatte der deutsche Botschafter v. Hoesch heute nachmittag eine Unterredung mit Briand. Zu den Fragen, die man be sprochen hat, gehört unseres Wissens nicht nur die Frage der Internationalen Bank und der Mobilisierung -er ersten Tranche der Trtbutobligationen, sondern vor allem die Frage der Räumung der dritten Zone des Rhcinlandcs, über die sich Tardien in seiner Rede vor dem Senat aus führlich geäußert hat. Es scheint, daß der Botschafter be sonders die von Tardicu in seiner Rede erwähnten Zer störungen deutscher B e f c st t g n n g s w e r k e in der entmilitarisierten Zone zur Sprache gebracht hat. In der Sitzung -es Ministerrats, die heute vormittag stattgcfuudcu hat, hat Briand ausführlich über die Londoner Verhand lungen berichtet. Der Ministerrat hat seine Haltung ein stimmig gebilligt, und Briand wird morgen früh nach London znrückfahren. Sowohl aus dem, was man über Briands Bericht im Ministerrat vernimmt, wie aus Acußernngcn der maßgeben den französischen Kreise in London geht hervor, daß die fran zösische Delegation ihre bekannten Forderungen bisher un eingeschränkt aufrechterhalten hat. Für den Fall, daß eine Einigung Uber Frankreichs Sichcrhcttswünsche mit England zustande kommt, will man eine ganz geringfügige Herabsetzung der Gesamttonnage zugestchen. nämlich von 640 000 auf 615 000 Tonnen. Aber auch diese Herabsetzung dürfte wahrscheinlich nur auf dem Papier vollzogen werden. Auf den Landstraßen Indiens, über denen eine glühende Hitze lastet, zieht eine seltsame Schar ihres Weges. Männer in weißen Gewändern. In ihrer Mitte der Meister, den sie wie einen Heiligen verehren. Er ist alt, notdürftig gekleidet, entsetzlich mager, säst ein Skelett, seine Ohren sind groß und abstehend, seine Gesichtszüge häßlich. An seiner Erscheinung liegt nichts, was ihn von den Aermstcn seiner verhungerten Landsleute unterscheiden würde. Seine Jünger aber be nennen ihn mit dem Namen der Ehrfurcht Mahatma, „große Seele", und säst die ganze Welt kennt ihn unter seinem Familiennamen Gandhi. Er ist der Führer des indischen Nationalismus. Sein Einslutz ans sein Volk ist gewaltig. Ein zweiter Buddha, so zieht er mit seinen Schülern seine Straße und lehrt sie seine Gesetze. Obwohl er keine neue Religion gründen will, sind seine politischen Ziele eng mit religiösen und weltanschaulichen Idealen verbunden. Er lebt in freiwilliger Armut. Ursprünglich ein sehr vermögender Rechtsanwalt, hat er all seine irdischen Giitcr den Bedürftigen gegeben. Kärglich ist seine Nahrung. Etwas Milch, eine Handvvll Reis und einige Früchte. Fleisch ist verboten. Kein Lebewesen darf getötet werde». Der Mahatma ist ein frommer Hindu, der täglich den vorgcschriebencn Religivnsübuugeu und dem Studium der heiligen Schriften seines Volkes mehrere Stunden widmet. Aber auch einer andere» Beschäftigung obliegen er und seine Anhänger Tag für Tag mit gleichem Eifer. Sic spinnen und weben ihre Kleidung selbst mit dem uralten Spinnrad und dem Webstuhl ihrer Vorfahren. Aus politischen und sozialen Gründen. Die 350 Millionen Inder leben, dicht zusammen gedrängt, in den fruchtbaren Flußniederungen ein ärmliches Leben. Seit die Engländer durch ihre billige Fabrikware alle Hausweberci verdrängt haben, ist den Bauern, deren Arbeitskraft durch ihre Zweigwirtschaft nicht ausgefüllt wird, eine bitter nötige Nebenbeschäftigung geraubt worden. Des halb verlangt der Mahatma, daß kein Inder mehr englische Stoffe tragen dürfe. Das Spinnen und Weben wird zu einer nationalen Pflicht erklärt. Und Gandhi und seine Jünger gehen hier, wie stets, mit gutem Beispiel voran. Ihr großes politisches Ziel ist Selbstverwal tung für Indien. Sie fordern die gleichen Rechte wie die englischen Dominions, Australien, Kanada und Südafrika. Als letzte Frist war der 1. Januar 1030 gesetzt. England hat zwar die Selbstverwaltung versprochen, aber über den Ter min ihrer Einführung will cs nicht mit sich reden lassen. So hat Gandhi, wie bereits im Jahre 1022, einen neuen Feld zug d c s b ii r g e r l i ch c n Ungehorsams gegen die eng lische Verwaltung ins Werk gesetzt. Ein ausgcbildetcs Snstem des passiven Widerstandes, gekennzeichnet durch die Schlag- wvrte: coopoiritian, no losistaneo, no violeneo! s.Kcine Zusammenarbeit, aber auch keinen Widerstand und keine Ge walt!) Englands Herrschaft darf nicht durch gewalt sames Vorgehen gebrochen werden, cs darf kein Blut vergossen werden, denn das ist nach Gandhis religiöser Auf fassung die schwerste Sünde. Auch Haß soll den Kamps gegen Großbritannien nicht vergiften. Feindeöliebe fordert der Mahatma. Er kämpft gegen die Ungerechtigkeit in jeder Form. Eine solche Ungerechtigkeit gegen sein Volk sicht er in der Herrschaft der Engländer über Indien. Als etwas Ungerechtes betrachtet er auch das englische Salz- Monopol. Deshalb hat er soeben seinen Zug an das Meer veranstaltet, um unter Zuwiderhandlung gegen das Gesetz Salz an der Küste zu gewinnen. Aus dem Wege dorthin lehrte er in allen Städten und Dörfern Ungehorsam gegen die fremden Gesetze, forderte die indischen Beamten auf, ihre Aemter zu verlassen, und ermahnte seine Landsleute, jede Zusammenarbeit mit den Engländern zu vermeiden. Am Sonntagmorgcn hat er unter feierlichen Zeremonien die sym bolische Handlung der Verletzung des Salzmonopols durch geführt. Er hatte erwartet, die englische Polizei würde ihn verhaften. Aber England ist klug. ES wußte, daß dieses Märtyrertum nur die Bewegung des passiven Widerstandes verstärken würde. Auch ist der Körper des Mahatma durch Strapazen und durch Fastcnübungcn so geschwächt, daß es fraglich wäre, ob er das Gefängnis lebend überstündc. Schon 1022 erkrankte er im Gefängnis aus den Tod und mußte des halb vorzeitig entlassen werden. England hat den geheimen Wunsch des Mahatmas, ihn zu verhaften, nicht erfüllt. ES hat sich darauf beschränkt, seine Anhänger an anderen Orten, die das Salzmonopol brechen, ins Gefängnis zu werfen. Natürlich liegt der Wert des Zuges Gandhis an das Meer hauptsächlich in der symbolischen Geste und der propagandisti schen Wirkung. Ernster können sich die Dinge für England gestalten, wen» der Mahatma an die zweite Etappe seines BefrciungSplaneS geht und zur Verweigerung anderer ungerechter Steuern auffordcrt. An dem Mahatma ist für den Europäer vieles fremd, romantisch, ja schrullenhaft. Man darf aber nicht vergessen, daß seine Person auf seine Landsleute einen faszinierenden Einfluß auSübt, der sich fast mit der Wirkung der alten Religionsstifter des Orients vergleichen läßt.