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13804 «rs-ail-n k-». «Mn. vachda»»-;- Fertige Bücher. 2SK. 2. November 1912 „MW: Ä stM (in lMks KM, ks Werk eiiin mfkii, tekiitciiilkii AMtzMiliWI" so endigt die nachfolgende Besprechung über „Kai Frikdrich, Es ist eine Lust zu leben, Roma» von Eilhard Erich Pauls" in den „Lübeckischen Blättern" (Organ der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit). „Wer Eilhard Erich Pauls' Schaffen verfolgt hat, der wird mit gespanntem Interesse seinen neuesten Roman zur Hand nehmen. Schon der Untertitel deutet an, daß Pauls diesmal einen »euxN Weg versucht hat. Durch seine bisher bekannt gewordenen Dichtungen klingt herb und ernst das Lied vom Leid. Ihre Grundstimmung ist durchaus die einer feierlichen Resignation. In seinem Sai Friedrich findet nun Pauls für die alte, schwere Melodie, die aus seinem innersten Wesen heraus klingt, eine neue Wendung, die alle Freunde seiner Kunst mit inniger Freude erfüllen muß Durchs Leid hindurch zum vollen starke» Erlebnis der Schönheit und des Reichtums dieser Welt. Das ist das Problem, das Pauls in seinem neuesten Roman zu lösen versucht hat. Der innere, eigentliche Held ist das Leben selbst. Von diesem Gesichtspunkte aus, glaube ich, muß man die Dichtung betrachten, wenn man Pauls gerecht werben will. Eine gewaltige, tricbvoll reiche Zeit — Pauls wählt das beginnende 18. Jahr hundert — schwillt uns entgegen. Überall Spannung, Gärung, Kampf. Junkertum gegen Bauerntum, Weltsinn gegen religiöse Schwärmerei, scholastische Theologie gegen humanistisches Poetenwese», Bücherstaub gegen frische, gesunde Lebenslust. Und dies alles ineinander verwoben, sich fördernd und hemmend, nach Klärung und Gestaltung ringend. Diese Fülle schaffender und zer störender Kräfte sollen wir in uns wie etwas Gegenwärtiges erleben, sollen nntertauchen in dem heißen Kampsgewühle und sollen doch aus dem Getümmel, aus Leid und Tod, herausjubeln hören: Es ist eine Lust z» leben. Wen» ich ihn recht verstehe, hat Pauls die starken, besahenden Tendenzen des Lebens im Helden Kai Friedrich, das Schwere, Mystische, leidvoll Herbe im Reiterbube» Briedel sammeln wolle». Indem Kai Friedrich die Seele seines Knabe» erschaut, werden ihm, dem frohen Junker, die Augen ausgctan sür die inneren, tieferen Reize und Werte des Lebens. Auf dem Leibenspsade seines Knaben geht er durch Schmerz und Tod hindurch zur starken Bejahung des Lebens. Schon diese kurze Skizzierung macht deutlich, daß das äußere Geschehen in diesem Roman ganz hinter dem inneren znrücktritt. Geistige Strömungen, Stimmungen, Leidenschaften machen so sehr den eigentlichen Inhalt der Dichtung aus, daß sogar der Held von ihrer Fülle oft geradezu verschluckt wird. Der Geist des Jahrhunderts ist eben gewaltiger als der einzelne. Das weiß uns Pauls mit einer ganz wundervollen Eindringlichkeit zum Erlebnis zu gestalten. Die äußere Handlung ist mit wenigen Worten erzählt. Kai Friedrich, ein holsteinischer Junker, hält sich mit seinem Reiterbuben Briedel in Ersurt aus, um dort zum Doktor zu promovieren. Cr verliebt sich in Elsulei», die Tochter des alten Hans von Rohda, lernt die Bauernbewegung kennen, hilft, nachdem er den Doktorhut erlangt hat, den Bauernausstand in Erfurt dämpscn, verliert dabei seinen Briedel, nachdem ihm auch Elsulei» durch einen religiösen Fanatiker entfremdet worden ist. Diese an sich unscheinbaren Begebenheiten sind nun in eine solche Fülle von dichterischen Reize» gehüllt, daß es wirklich schwer ist, einen Begriff von ihnen zu geben. Man muß Pauls kennen, um zu empfinden, wie unmittelbar seine Eigenart als Künstler und Mensch in seiner Sprache zum Ausdruck kommt. So schreibt einer, dem das Erlebnis sich unmittelbar zu Worten verdichtet, bei dem der Rhythmus des Erlebens unmittelbar zum Rhythmus der Sprache wird. Und mit welch blühender Bild- kraft weiß Pauls uns seine Gesichte vors Auge hinznstcllen! Ein paar kurze Sätze — und seine Gestalten stehen festumrifsen und sicher und eigenwillig vor uns da. Für jede Situation findet er mit wenige» Worten die erlösende Formel oft mit geradezu verblüffender Prägnanz. So schreibt eben Pauls. Er hat seinen ureignen, persönlichen Stil. Und diese Anschaulichkeit und Eindringlichkeit seiner Sprache wird durchströmt von einem bewegte», warmen Gefühle, das uns zum Nachdenken zwingt und befähigt. Wie weiß er uns die Seelennot und Verwirrung der Bauern nahezubringen: Jst's nicht, als sllhlten wir in der nächtlichen Scheune das Gespenst des Bauernkrieges vorausspuken? Und das Fest unter der Linde? Wie ein lebendig gewordener alter Holzschnitt mutet mich die Szene an. Man glaubt ordentlich das Stampfen der tanzenden Bauern zu höre». Und wie sein entschleiert uns Pauls z. B. im zweiten Teile die Psyche der Masse! Er zwingt uns zuerst in die Situation, in die Gefühle der alten Barbara hinein, und wenn wir bann in ihrem Dachkämmerlein und in ihrem Herzen ganz heimisch sind, dann stößt er uns mit ihr mitten in den tollen Trubel und Jubel hinein, so daß wir ihn wie unsere eigene Angelegenheit miterleben. Ich müßte bas Buch Seite und Seite vorllberblättern, wenn ich aus alle seine dichte rischen Reize und Werte hindeuten wollte. Mag nur noch auf die Stellen hingewiesen werden, an denen Pauls in ergreifenden Worten sein Gefühl sür unsere Ostseeheimat ausströmen läßt. Wirklich: ein starkes, reiches Buch, das Wert einer reifen, bedeutenden Dichterpersönlichkeit.!" Von Eilhard Erich Pauls ist bisher erschienen: Vom Leid. Novellen. Geb. 4 Frau Christel. Ein Novelle. Kart. 1 ^ 80 Der Freiheit Hauch. Roman aus der Franzosen- Kai Friedrich. Es ist eine Lust zu leben. Roman, zeit. Geb. 4 ^6. ! Geb. 4 ^ Gustav Schloeßmanns Verlagsbuchhandlung (Gustav Fickh Hamburg 36