Volltext Seite (XML)
Nichtamtlicher Teil. 229, 1. Oktober ISIr. Sammlung ist gegenwärtig in Turin öffentlich ausgestellt und wird während der dort im nächsten Jahre stattfindenden Jahrhundertfeier zu Ehren Bodonis die Aufmerksamkeit der Buchdrucker- und Buchhändlerwelt aus sich ziehen. Wie vielleicht bekannt, wurde G. B. Bodoni 1740 zu Sa- luzzo geboren und starb 1813 zu Parma. Sein Vater war ebenfalls Buchdrucker und hat seinem Sohne die Anfänge der Typenkunst gelehrt. Als 18jähriger Bursche begab sich Bodoni nach Turin, und einige Jahre später zog er nach Rom, wo er sich hauptsächlich der Holzschneidekunst widmete. Seinen angeborenen Neigungen folgend, suchte und fand er Betätigung in der Schriftgießerei der Propaganda Fide. Hier erwarb er sich in kurzer Zeit die Gunst des Vorstehers der damals als unerreicht gellenden, in den Gelehrtenkreisen der katholischen Welt so überaus bedeutungsvollen typographischen Anstalt der Propaganda Fide, des Kardinals Spinell!, der Bodoni zur Erlernung der arabischen und hebräischen Sprache verhalf. Er erhielt von dem genannten Kardinal den Auftrag, die heute noch als meisterhaft geltenden arabisch-koptischen Typen zu schneiden, mit denen dann ein Missale in den ge nannten Sprachen gedruckt wurde. In seinem Eifer, die Gießerei mit immer neuen Typen zu versorgen, schnitt er ein tibetanisches, sowie andere Alphabete verschiedener Sprachen. Durch diese eifrige und anstrengende Arbeit wurde seine Ge sundheit angegriffen, so daß er Rom verlassen mußte. Als er in Parma sich zu seiner Erholung niederließ, stellte ihn der spanische Botschafter Azara dem Herzog vor, durch dessen Für sprache Bodoni zum Direktor der dortigen königl. Druckerei ernannt wurde. Hier fand sein Schaffensdrang in einer Reihe neugestochener Typen und der Herstellung einer großen Anzahl von Meisterwerken der Buchdruckerkunst ein weiteres Arbeitsfeld. Mehr als hundertfünfzig fremdsprachliche Alpha bete gingen aus seinem Grabstichel hervor, und die Lun all ckiVaoito.va kerusalsmme, I-o oporo cki Vir- AiIio, I- o kavolo von Lafontaine — um nur die meist- gefchätzten Werke zu nennen — errichteten ihm ein unver gängliches Denkmal als Meister der Buchdruckerkunst. Galt es doch damals, Frankreich zu überbieten und den Kampf mit Didot aufzunehmen. Frankreich selbst erkannte Bodoni die goldene Medaille zu und stellte seine Büste in das Pan theon. Alsieri widmete Bodoni ein Exemplar seiner »Tra« gedie«, die bei Didot erschienen war, mit der eigenhändigen Bemerkung, daß man vergebens ihn in der Buchdruckerkunst zu llbertrefsen suche. Der italienische Buchhändler- und Buchdruckerverein (Losooiarions VipoAr.-I-ibreris. Italiana) fühlt das Bedürfnis, nach einem mehr als dreißigjährigen Bestehen, seine Satzun gen zu ändern und sie den heutigen Verhältnissen anzupassen. Bei der ersten Lesung des betreffenden Entwurfs meldete aber ein Beirat die Vorlage eines Gegenentwurfs an, nach dem der Verein nur die Interessen der Buchhändler zu vertreten hat, während die Buchdrucker ganz unabhängig ihre Inter esse», die doch von denjenigen der Buchhändler oft sehr ab weichen, durch einen eigenen, selbständigen Verein wahren sollen. Die neuen Satzungen werden in der nächsten General versammlung durchberaten. Infolge der bestehenden Ver hältnisse ist die Scheidung zwischen Buchhändlern und Buch druckern höchst wünschenswert, da sonst ein neuer, ausschließ lich aus Buchhändlern gebildeter Verein zur kräftigeren Wah rung des Buchhändlers gegen Preisschleuderei, Hochrabattie rung an Private seitens gewisser Verleger usw. gegründet werden müßte. So mancher Sortimenter dürfte gewiß manchmal um Rat angegangen worden sein, wie man im Auslande den Grundstock zu einer kleinen italienischen Bibliothek bilden kann. Hierzu muß man zuerst zu den zeitgenössischen Schriftstellern! greifen, darunter: De Amicis mit seinen beiden Werken Vita dijlitare und Ouoro. Dann kämen in Frage: D'Azeglio mit Lttoro Vieramosea und dlieeolö äs Iwpi, Grösst mit seinem Aares Viooonti, Cordelta mit Liocvli orvi, Pellico mit Iw mik grigioni, Manzoni mit I promsssi sgosi, Stoppani mit II bol prwso und Collodi mit Iw awenturo cki Uinooodio, die ich be sonders für jugendliche Leser empfehle. Diese Werke können ihres Inhaltes und ihrer sprachlich vollendeten Form wegen sowohl als Erholungs- als auch als Studienlesestoff sehr gut dienen und jedem ohne sittliche Be denken in die Hände gegeben werden. Andere gute Bücher, die einem gebildeten Publikum empfohlen werden können, sind folgende: Abba, 8toria ckei nulle; Barrili, Lanta Oeilio. II merlo bianeo, Vapitan Dockoro; Bonomelli, Vre mesi al cki In (teile LIpi; Carcano, LnAiola dloria; De Marchi, vsinetrin Vianelli; Fogazzaro, Daniele Oortis; Fucini, Iw veZIis cki blsri; Nicvo, Lnßelo cki dontä; Russin!, II votiere Lntonio. Von ausländischen Schriftstellern sind Ohnet, Greville, Marlitt, Werner, Heimburg, Feuillet u. a. m. auch in guten italieni schen Übersetzungen und meist in billigen Ausgaben zu 1 Franc erschienen. Wie man sieht, fehlt in der obigen Aufzählung D'Annun- zio, aber seine Werke sind ja nicht einem jeden zu empfehlen; nur vorurteilsfreien Lesern kann die Lektüre angeraten werden. Dagegen bilden die Romane von Salvatorc Farina einen genußreichen Lesestoff für Erwachsene. Der Sortimenter darf aber unsere Klassiker wie Dante, Manzoni, Leopard!, Alsieri, Giusti, Prati, Aleardi, und die zeitgenössischen Dichter wie Carducci, Pascal!, Stecchetti, sofern sein Kunde für gute Poesie empfänglich ist, nicht vergessen. Durch Empfehlung der hier genannten Werke ist der ausländische Sortimenter sicher, eine gute Sammlung italienischer Werke in die Hände seiner Kunden zu legen. Wie bereits in Nr. 142 berichtet, wurden seitens der Druckereibesitzer Mailands die bestehenden und bis Ende dieses Jahres noch geltenden Lohnverträge für sämtliche Kategorien der graphischen Gewerbe gekündigt. Beide Teile, Arbeitgeber nnd Arbeitnehmer, waren mit der Kündigung einverstanden. Worüber sich aber leichterklärlich ein Einverständnis nicht so schnell erreichen lassen wird, ist der neue Tarif. Die Hand setzer, die heute I-. 5.20 erhalten, verlangen ab 1. Januar I-.7.— pro Tag, während die Drucker eine Lohnerhöhung von 10 bis 50°/» verlangen. Außerdem stellen alle im Buchdruck beschäftigten Arbeiter noch folgende Ansprüche: Einführung der sogenannten Jntegralwoche, mit anderen Worten: am Feiertag wie am Werktag bezahlt zu werden — aber nur vormittags zu arbeiten; Einführung des »englischen Sonn abends«, d. h. Kürzung der Arbeitszeit um vier Stunden bei Bezahlung des vollen Tages; dreitägiger Urlaub ohne Vor enthaltung des Lohnes; fünf Minuten Spielraum bei Be ginn und Schluß des Arbeitstages; bei Veränderung des Druckereibesitzers eine Entschädigung für jedes Dienstjahr im Betrage von je einem Wochenlohne; Abschaffung des Schieds gerichtes. Die bei den Tagesblättern angestellten Arbeiter, die höhere Löhne beziehen und einen vollbezahlten fünftägigen Urlaub genießen, verlangen Lohnerhöhungen bis zu 80°/», Verminderung der Arbeitsstunden und einen vollbezahlten achttägigen Urlaub. Die Buchdruckereibesitzer erklärten sich mit der Bedingung der »Jntegralwoche« einverstanden und stimmen auch einer Lohnerhöhung von 4—10°/» zu. Dagegen sollen das Schiedsgericht beibehalten und gewisse Normen ge schaffen werden, um sich gegen Überrumplung durch die Ar- beiter zu sichern. Die Dauer des Tarifs wurde von den Ar beitern mit drei, von den Druckercibesitzern mit sechs Jahren vorgeschlagen. Die Durchberatung soll demnächst beginnen. 1S12»