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2612 .1'- 162, 15, Juli. Nichtamtlicher Theil. für als echtes Erzeugnis! ihres Ortes, wenn ich nicht irre, eine! riesige Schöpskeule (von Pappe) überreicht. Durch solchen Umgang wart ich, obschon nicht im Stande an den geistvollen Unterhal- I tungen init Antheil zu nehmen, sondern bescheiden im Hintergründe weilend, in das Leben nnd Treiben der Gelehrten und Künstler eingelreiht und hatte vielen Gewinn davon. Ich ward dadurch zu höherer F ortbildung angeregt und zugleich auf die oft besprochenen Werke Schillert, Goethc's, JeanPaul's >c. nach ihrem Inhalte nnd ! wichtigsten Stellen, überhaupt aus die neueste belletristische und ar tistische Literatur näher hingcwicjen, die ich zwar buchhänblerisch s nach Ausgabe», Preis re., auch wohl nach kritische» Urtheilcn ober flächlich kannte, deren ausgewähltc Lectürc ich aber, mich bisher mehr mit wissenschaftliche» Fächern beschäftigend, zu wenig beachtet hatte. In dem von der Familie Campe bewohnten Grundstücke be- falls sich ein sehr geschmackvoll augclegter Garten, mit Gängen und , Jlischilsten mit Weisheitsrcgeln, die sich aus die menschliche Lauf bahn bezogen. So führte z.B. ein blumenreiärer Pfad erst gradaus, gleich der Jugendzeit, bis an dessen Ende ein in's Freie führendes Eittcrlhor ihn unterbrach und den Wanderer seitwärts zu gehen nk.lugte, wo manche Um- und Irrwege weiter führte». „Die Lebensweise geht" — so besagt die Inschrift an jenem Thore — „wie dieser Weg in gerader Richtung erst durch Blumen hin, und hell und lachend ist cs riugs umher; doch bald schiebt man dem Sohne der Natur ein Gatter vor; das hemmt seinen Laus in Gottes schöne, weite, freie Welt!" Weiterhin heißt es: „Nun krümmt sich sein Psad, und ungern oder gern folgt er, wohin ihn Zwang, wohin ih» Neigung zieht!" Und so boten sich zahlreiche ähnliche Wcisheitssprüche auf jenen Pfaden dem Wanderer dar. An einer Stelle hatte Campe sin bereits seine Grabstellc bezeichnet, sowie er auch schon lange vor meiucr Ankunft gegen de» Wille» der Familie sich einen Sarg fer tige» und i» einer Bodenkammer ausstellen ließ, obschon cs ihm an Munterkeit und Lebenslust nicht mangelte, wenn auch zuweilen eine hypochondrische Laune sich cinsand. — Einst nahm er mich zu einer Promenade in seinen Garten mit und belehrte mich über nöthige Sparsamkeit. Ich hatte ihn nämlich um Erhöhung des Gehalts er sucht, da derselbe (100 Thlr. nebst freiem Logis und 120 Thlr. Kost geld) bei dem dortigen Iheuren Leben, vielem Stunden-Honorar und ähnlichen nölhigen Ausgaben nicht zulangen wollte; Campe, über haupt etwas genau und daher auch zu Reichthnm gelangt, erzählte mir von seiner Sparsamkeit in der Jugend und wie er den ausgcge- benen Groschen vorher bedacht, sich djc Kaffeebohnen zugezählt habe und dergleichen und suchte mir das leichte Auskommen mit meinem Gehalte zu beweisen, welches sich jedoch auch bei den, besten Willen nicht anssühren lassen wollte, obsckon die gute» Lehren auch später in meinem Gedächtnisse verblieben. Die Geschichte des Robinson hatte Campe, wie er oft schilderte, durch Rousseau's Schriften aus das englische Original auf merksam gemacht, zuerst den Zöglingen seines Erziehungs-Insti tutes bei Hamburg in den Abendstunden im Freien nach und nach erzählt und dabei auf der Kinder Aeußerunge» und Fragen genau Acht gehabt und sie in die später gedruckte Erzählung mit verwebt, welcher damals sehr ansprechenden Methode er die außer ordentliche Verbreitung der Schrift in hunderttausend Eremplaren und in viele Sprache» überseht zuschrieb. — Campe starb 1818, 72 Jahre alt, leider etwas geistesschwach geworden. Der Privatgelehrte llr Berndl, mit welchem ich wegen Autogra phen 40 Jahre später von neuem in Bekanntschaft - gelangte (später Professor und Bibliothekar in Bon», und besonders als Heraldiker bekannt), bearbeitete mit Campe die letzten Bände seines großen, äußerst mühevollen „Deutschen Wörterbuches". Während dieser langen Zeit hatte Berndt mich ganz außer Acht gelassen und als er die später von mir herausgegebenen Schriften kennen lernte, hatte er oft gedacht, das kann doch unmöglich der junge Sachse, (so ward ich damals wegen meiner sächsischen Mundart öfters genannt) in der Campe'schen Handlung sein, der damals nicht die mindeste Hoffnung gab, je in dieser Hinsicht öffentlich aufzutretcn. Dies gab später zu einem scherzhaften Briefwechsel, zu Schriften- Austausch und Autographen-Erlangung Veranlassung. Uebrigens war meine Stellung in Braunschweig im Vergleich mit der Leipziger weniger nach meinem Sinne, da sie mehr unter geordnet, meist auf Beschäftigung mit den Verlagsartikeln und Comptoirarbeiteu beschränkt und überhaupt mit zu wenig selbstän diger Geschäftsführung verbunden war. Der Hang zum selbstän digen Wirken und Handeln lag aber einmal in meiner Geistes- richtung. Zur Erlangung einer andern Stelle war in jenen beweg te» Zeiten keine Hoffnung und bei dem Mangel an Vermögen an ei» eigenes Etablissement noch weniger zu denken. Da ich nun zu gleicher Zeit von meine» Eltern dringend gebeten ward, in ihr Ge schäft und zwar in angenehmeren Verhältnissen als früher (Nicht- bcziehen der kleineren Märkte re.) zurückzukehren, jo gewährte ich ihren sehnlichen Wunsch und gedachte es also nochmals zu Hause zu versuchen. Mit frohem Lebensmuthe verließ ich, durch Reisegeld von den Elter» unterstützt und von Campe, der mich auch später noch durch freundschaftliche Briefe erfreute, mit sehr günstigen Zeugnissen entlassen, Braunschweig zu Johanni 1811 und kehrte nach einer fast dreimonatlichen Fußreiße durch Westphalen, Nieder sachsen, Holstein, Mecklenburg tc. mit manchen Kenntnissen und Erfahrungen bereichert gegen das Ende des September nach Hause zurück. Damit war Prcuskcr's buchhändlerische Lebensepisode geschlos sen. lieber seine später» Lebensschicksale sei noch mitgetheilt, daß es ihm in den neu aufgenommenen Verhältnissen keineswegs behagte. Als nach der Schlacht bei Leipzig von Rcpnin ei» Ausruf an die Sachsen zur Erhebung gegen das französische Joch erging, faßte Preusker rasch den Entschluß, sich bei dem Centralausschuß für Landesbewaffnung zu melden; er wurde an genommen und zu Büreau- arbeiten bei der Organisation verwandt und später zum Brigadc- secretär bei deni sächsischen Oberst von Tettenborn ernannt. Am 81. März >8l3 erhielt Preusker die Stellung eines Regiments- Quartiermeisters (Rechnungsführer) beim 5. Landwehrregiment, später gleiche Stellung beim 2, Schützenbataillon. Als diese Posten 1824 aufgehoben wurden, bekam er die Stellung als Rcntamtmanu zu Großenhain, die er bis 1858 bekleidete, um alsdann in denRuhe- stand zu treten. Außer seiner schriftstellerischen Thätigkeit zeichnete sich Preus ker noch durch seine Liebhaberei für Autographenaus; er bezeichnet sich zwar selbst als den ersten Autographensammler in Deutschland, da er seine Sammlung von 1806 an anlegte, indcß dürfte Wohl Goethe der erste Autographensammler zu nennen sein, denn in einem Briefe vom 2Ü. März 1807 an Eichstädt (Goethc's Briefe an Eichstädt. Bert. 1872, Hcmpcl. Nr. 181) erwähnt derselbe seine Sammlung von Autographen berühmter Männer und ersucht um Beiträge zur Vermehrung derselben. In seinen Ruhetagen befaßte sich Preusker außer der Abfassung der Selbstbiographie hauptsächlich noch mit seinen Autographen, die bei seinem Tode über 4000 Num mern umfaßten. DerAustausch von Doublettcu meiner Sammlung brachte mich mit ihm in brieflichen Verkehr; dadurch interessirtc mich die Selbstbiographic, bei deren Einblick ich die Entdeckung machte, daß Preusker auch dem Buchhandel näher gestanden, als nur in schrrststellerischer Beziehung. Diese Lebcuscpisode schien mir des Interessanten so viel zu bieten, daß ich eine Mittheiluug derselben im Börsenblatt-, dem Archive der Geschichte des Buchhandels, sür alle die, welche die Selbstbiographie nicht selbst lesen wolle» sür