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13452 vörsenblatt s. d. Dtschn. BiichhLnbrl. Nichtamtlicher Teil. ^ 259, 8. November 1910. die Jugend schreiben», Geltung haben sollte, so wären die Prüfungsausschüsse in ihrer jetzigen Zusammensetzung erst recht nicht die berufenen Kritiker, denn die Verwertung ist doch naheliegend, daß gerade in Lehrcrkreisen Neigung be steht, »fiir die Jugend» zu schreiben und ebenso »für die Jugend Geschriebenes» zu bevorzugen. Den Katalog des Gemeinnützigen Vereins zu Dresden kenne ich nicht. Ob er als mustergültig bezeichnet werden kann, wenn er nach den Grundsätzen der Pillsnugsausschüsse zusammengestellt wurde, muß ich von meinem Standpunkt aus selbstverständlich bezweifeln. Es mag nach Herrn Köhler Kataloge »in Hülle und Fülle» geben, die von Buchhändlern und Pädagogen ge meinsam herausgcgeben werden; wie ich aber oben gezeigt habe, ist entschieden die Neigung vorhanden, den Buchhandel auszuschallcn. In dem mir bekannten Fall ist dies auch tat sächlich geschehen; man kann daher wohl annehmen, daß dies auch anderwärts schon vorgekommen ist. Von dem obersten Forum bei Beurteilung von Jugendschristen durch die Volks- schullehrerschast sind wir also gar nicht mehr so weit cntsernt. Wenn es richtig ist, daß durch die Tätigkeit de, Prüfungsausschüsse der Zug ins Warenhaus gehemmt und dadurch dem Buchhandel genützt wird, so erleidet letzterer auch wieder Einbuße durch die von Lehrern gegründeten Buchhandlungen. He,r Kollege Köhler meint, es seien nicht mehr als 30 Prüfungsausschüsse, die ein selbständiges Verzeichnis herausgeben. Ich halte diese Zahl für zu niedrig gegriffen Jedenfalls ist die Zahl derer, die Bücher zur Begutachtung verlangen und jedenfalls auch eiholten, um das mehrfache größer. Der Borschlag, nur an diejenigen Prüfungsausschüsse Bücher zu senden, die selbständige Verzeichnisse herausgeben, ließe sich ja hören; wenn die Herausgabe eines Verzeichnisses zur Bedingung der Abgabe von Büchern gemacht wird, so dürste sich aber die Zahl der Ausschüße, die Verzeichnisse heraus geben, in kürzester Zeit sehr vermehren, zumal der Buch handel sich dem Verlangen nach finanzieller Unterstützung willlährig zeigte. Der früher beklagte Mißstand würde also nur zu bald wieder aufireten. Aus den letzten zwei Tagen liegen bei mir nicht weniger als 5 Gesuche im Gesamtbetrag von etwa 200 ^ allein von konfessionellen Vereinigungen vor. Daß eine Vereinigung sich Ze»tral-Jugendschristen-Kom- mission des katholischen Lehrerverbandes des Deutschen Reiches nennt und nicht weniger als je fünf Exempla e von Jugendschristen wünscht, hält andere katholische Lehrervereine keineswegs ab, selbständig wieder ihre Freiexemplare in nicht zu bescheidener Zahl zu verlangen. Für die Beschickung von Ausstellungen werden nicht nur für eine ganze Reihe eine und dieselbe Neuigkeit verlangt, sondern auch die neuen Auflagen, die — bei Jugendschristen wenigstens — textlich meist gar nicht geändert sind. Ob sich überall ein Sor timent finden wird, die Ausstellungen mit Exemplaren zu versehen, erscheint mir zweifelhast. Wir wollen auch dahingestellt sein lassen, ob ein von der öffentlichen Meinung als maßgebend anerkanntes kri tisches Forum zu einem wesentlich anderen Urteil gelangen würde als die Lehrer-Prüfungsausschüsse; jedensalls wäre es sehr viel wert, eine einseitige Begutachtung zu vermeiden. Verlag und Sortiment sollten sich zusammenschließsn zu gemeinsamer Abwehr, und crstcrer möge nicht zu sehr von der Sorge sich leiten lassen, durch Verweigerung von Frei exemplaren sich zu schädigen. Daß das Buch dann mehr als kostbare Ware geschätzt wird, wird manchen vielleicht entgangenen Gewinn wieder einbringen. In erster Linie wäre es aber an den Jugend schristenverlegern, unter sich einig zu werden; an einem Erfolg könnte es dann nicht fehlen. München. Georg W. Dietrich. Joseph Christian Freiherr von Zedlitz. Ein Dichterbild aus dem vormärzlichen Österreich von Gskar Kellmamt, 8°. 178 S. m. 9 Bild nissen. Glogau und Leipzig, Verlag Hcllmann. 4 geb 5 ^ ord. Vor Kurzem wurde an dieser Stelle die verhältnis mäßig große Zahl schriftstcllernder Buchhändler aufgesührt; heute mag diese Zahl um den Verfasser des vorstehend ge nannten Werkes, Oskar Hellmann in Glogau, vermehrt werden, der sich, wie vorweg bemerkt sei, mit dieser Ver öffentlichung, eins beachtenswerte Stellung in der Reihe jener Kollegen gesichert hat. Sein Held, Joseph Christian Frei herr von Zedlitz, ist zwar keiner der führenden Geister, kein Dichter von eigener Ursprünglichkeit, der psadfindend, wegweisend gewirkt hätte; weder seine »Totenkränze», noch sein »Soldatenbllchlein», finden heute noch viele Leser, und wenn sein Name nicht durch die stimmungsvolle »Nächtliche Heerschau» ans den Lesebüchern unserer Generation im Gedächtnis hastete, so würde auch er der Vergessenheit verfallen sein. Aber indem der Verfasser die mit viel Mühe gesammelten Nachrichten über des Dichters Werdegang mit erkennbarer Liebe zu einem Lebensbilds ver arbeitet, vermittelt er uns zugleich einen kulturgeschichtlichen Ausschnitt aus dem vormärzlichen Österreich, der in seiner frischen Anschaulichkeit und kritischen Benutzung des Quellen- Materials bei den Literaturfreunden, namentlich in Österreich, wie bei den zünftigen Literarhistorikern gleichmäßigem Inter esse begegnen dürfte. Außer einer Studie von Castle im »Jahrbuch der Grill parzer-Gesellschaft für 1907« ist über Zedlitz noch keine größere Arbeit erschienen. Oskar Hellmann hat zuerst das weitverstreute Material, wie aus den weit über zweihundert Quellennachweisen ersichtlich ist, mit großem Fleiße zusammen- getragen und dabei mancherlei Neues entdeckt. Im vor liegenden Buche gibt er die erste ausführliche Darstellung vom Leben und Wirken des Dichters. Im Gegensätze zu Castle erblickt der Verfasser in Zedlitz" »Totenkränzen» den Höhepunkt seiner dichterischen Entwicklung, ein Standpunkt, den auch Karl Goedeke u. a. einnehmen, und der ihn mir Recht veranlaßt, der Kenn zeichnung Zedlitz' als »Dichters des Soldatenbüchleins» als die wichtigere die des »Dichters der Totenkränze» gegenüber zustellen. In acht Abschnitten werden seine verschiedenen Entwicklungsstufen als Mensch, Dichter und Publizist, wie seine Beziehungen zu den literarischen und politischen Per sönlichkeiten der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts beleuchtet, wobei Grillparzer, Alexander Graf von Auersperg, Adalbert Stifter, Hammcr-Purgstall, August von Binzer, Cotta Vater und Sohn, Metternich und Gentz, besonders in den Vordergrund treten. Zahlreiche ergänzende Anmerkungen sind zweckmäßig an den Schluß des Buches verwiesen. Die Schilderung, wie Zedlitz, nachdem er sein Vermögen verloren Halle, der Regierung Metternichs seine Feder zur Verbreitung und Vertretung »ihrer guten Absichten» in der Presse gegen feste Besoldung mit Eifolg zur Verfügung stellte, trägt den Charakter einer Ehrenrettung, die aus der ganzen Lebens führung des Dichters heraus wohl zu erklären und darum nicht etwa kurzerhand abzulehnen ist, wenn dieser Schritt Zedlitz auch die Freundschaft Grillparzers gekostet hat. Das Buch ist mit dem Faksimile eines Gedichtes für das Schiller-Album, vier Bildern des Dichters aus ver schiedenen Lebensalter», des Fürsten Metternich, in dessen