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graphenlager von Otto August Schulz in Leipzig und veranstaltete rasch nacheinander eine Reihe von Autographen-Auktionen, die vorzüglich cinschlngcn, namentlich auf den Gebieten der deutschen Literatur und Musik. Dem rastlos Schassenden genügte das noch nicht, er zog die englischen und französischen Farbstiche des achtzehnten Jahrhunderts in seinen Bereich und hatte auch hier entsprechenden Erfolg. Kühn wagend und rasch handelnd, wie sein Naturell ist, steht ihm zweifellos noch eine aussichtsvolle Zukunft bevor. Das etwas Burschikos-Treuherzige seines We sens, verbunden mit sächsischer Dialektfärbung, macht ihn zu einer liebenswürdigen Persönlichkeit, mit der nur die Unterhal tung durch Schwerhörigkeit etwas getrübt wird. Wo man hintappt, trifft man auf Gestalten, die Wohl Erwäh nung verdienten. Da steigen die Autographenhändler Spitta in Berlin und Otto August Schulz in Leipzig vor meinen Augen auf. Beide, kenntnisreiche Männer und Erscheinungen, würdig, von einer Künstlerhand wie der Spitzwegs verewigt zu werden. Spittas Autographenlager ging aus demjenigen des alten Künzel hervor. Ich habe ihn einmal besucht in seiner Arbeitsspitze, die reich mitsauberen unpolierten Tannenholz-Schub fächern angefüllt war, in denen er seine Schätze barg. Die über Mittelgröße hinausragende Gestalt war in einen schwarzen Geh rock gekleidet und hatte etwas Protestantisch-Pastorenhaftes. Weißer Vollbart und Haupthaar vermehrten das Ehrwürdige der Erscheinung. Er besuchte zu dieser Zeit noch eifrig die Berliner Autographen-Auktionen, kaufte aber fast nie etwas, notierte nur gewissenhaft die Preise und erzählte, wenn man mit ihm speiste, zu welchen Ansätzen er diese Sachen vor soundsoviel Jahren verkauft habe, mit einem Augenaufschlag und einer Handbewegung, die unnachahmlich waren. Sein Gegenstück in bezug auf die Gestalt war O. A. Schulz; klein, untersetzt, sächsisch höflich, ein wenig verschlagen und immer besorgt um seine Gesundheit, betrieb er unermüdlich sein Geschäft, früher säst der einzige seines Spezialfachcs. Ich sehe uns beide, er klein, ich lang, im Menschengewühl des Foyers des Leipziger Gewandhauses, Schulz als Leipziger von Stolz geschwellt über das Juwel seiner Vater stadt; er liebte, wie ich auch, nach einem Auktionstage einen Kunstgenuß am Abend. Schulz, obgleich Witwer, war eigentlich typischer sächsischer Junggeselle mit seinen Schwächen und Vor zügen, der für seine Anverwandten gütige Onkel, dabei natürlich ein gründlicher Kenner seines Faches. In lebhaftem geschäft lichen Verkehr mit Schulz stand der rührige Dresdner Antiquar Richard Bertling aus Danzig, der es verstand, aus Künstlcrkrcisen namentlich wertvolle Musik-Autographen in den Handel zu bringen und durch sauber gearbeitete Kataloge sich einen Namen zu machen. Da ich Dresden einmal berührt habe, möchte ich nicht unterlassen, des würdigen Hofrats R. v. Zahn zu gedenken, der noch jetzt ungebeugt von hohen Jahren ans den ihn interessierenden Versteigerungen zu treffen ist. Unter den Provinzial-Antiquaren wäre noch mancher Kollege erwähnenswert, der sein größeres oder kleineres Geschäft in un auffälliger Weise treibt, nicht in der Lage ist oder den Mut nicht hat, große Sammlungen zu erwerben, sondern sich begnügt, seine Kunden zu bedienen und sein Brot zu verdienen. Höchstens daß der oder jener durch eine charakteristische Persönlichkeit aus der Menge hervorragt. Auch die bedeutenden reinwijsenschaft- lichen Antiquariate, namentlich die Berliner und Leipziger, kann ich hier nicht anführen, da mir persönliche Beziehungen zu ihnen fehlen. Doch ich mutz, bevor ich Abschied von den Buch-Antiquaren nehme, noch einiger Kollegen gedenken, die unbedingt in den Kreis der nennenswerten gehören. Da ist unser trcuverbllndctes Öster reich-Ungarn, und hier gibts nur eine Kaiserstadt, es gibt nur a' Wien. Wien besitzt eine ganze Reihe tüchtiger Antiquare, aber sie alle tragen lokales, mindestens rein österreichisches Ko lorit. Als in ihren Erfolgen weit über die gelb-schwarzen Goenz- pfähle reichend, ist eigentlich nur die Firma Gilhofer L Ransch- burg zu nennen. DerSchövfer derGröße dcsGeschäfts war Hein rich Ranschburg, der kleine Rabbinerssoyn aus Ungarn. Er hat es verstanden, durch Sachkenntnis (er war ein Lehrling des Hauses Baer L Co.), Benutzung der günstigen Verhältnisse und durch geschäftlichen Unternehmungsgeist großzügig ein Geschäft aufzubauen, daß man ihn ruhig als österreichischen »Quaritch« bezeichnen kann. Eine Reihe hervorragender Versteigerungen sind mit seinem Namen verkniipst, und er bildete in Deutschland wie im Ausland« einen Faktor auf den Auktionen, mit dem man rechnete. War er bei Laune, was von seinen Magenverhältniffcn abhing, so fand man in ihm einen sehr anregenden Gesellschafter, sarkastisch, witzig; er konnte aber auch, wenn schlecht Wetter bei ihm war, leicht gereizt und ärgerlich werden. Wie oftmals habe ich ihn in lebhaftem Wortgefecht mit seinem Freunde Nebe- hay gesehen, wobei sich beide in unverfälschtem Wiener Dialekt die Wahrheit sagten, um dann brüderlich Arm in Arm nach Hause zu wandern. Der schaffensfreudige Mann wurde, erst in der Milte der Fünfzig stehend, schnell abberufen. Das Geschäft wird von dem Sozius vr. Ignaz Schwarz seit dem Tode Ranschburgs geleitet, einem vielfach auf literarischem und bibliophilem Gebiete hervor getretenen Manne; ich erinnere nur an die von ihm herausge gebene kritische Neu-Ausgabe der Wiener Ansichten von Janscha- Ziegler. — Neben ihm treten noch in den Vordergrund die Brüder S. u. E. Kende, von denen namentlich der jüngere E. Kende durch geschäftliche Rührigkeit hervorsticht und durch seine Ver steigerungen Wiener Genres bekannt wurde. Ich berührte auf einer Geschäftsreise kürzlich Cöln; auch hier kann man aus ein Antiquargeschlecht von drei Generationen Hinweisen, das leider, was das Geschäft anbetrifft, im Erlöschen zu sein scheint. Der Großvater Lempertz kaufte seit dem Jahr« 1808 viele Bibliotheken der damals aufgelösten Klöster und begründete damit sein über hundert Jahre bestehendes Ge schäft I. M. Heberle (Lempertz). Er war wie viele ältere Anti quare auch selbst Sammler, und aus dieser Liebhaberei erwuchs sein Werk: »Bilderhefte zur Geschichte der deutschen Literatur«; einen großen Teil seiner auf das Buch bezüglichen Sammlungen besitzt die Bibliothek des Börsenvereins. Unter seinen beiden Söhnen erhob sich das Geschäft zum ersten Miktions-Institut Deutschlands und hat Jahrzehnte diese Stellung innegehabt. Große Kunst- und Antiquitäten-Sammlungen sind durch die Firma versteigert worden. Ich erinnere nur an die Reihe der Versteigerungen der Sammlungen »Hammer«, »Bourgeois« und vieler anderer. Dann starben die beiden Brüder, freilich in langen Zwischenräumen von einander. Verwandt in seiner Tätigkeit, namentlich auch als Auk tionator, und durch seine Kölnische Lebenslust, ist Hanstein (Lempertz) in Bonn und Cöln. Auch den badischen Hofantiquar in Heidelberg Albert Carlebach möchte ich noch erwähnen, der das vom Vater gegründete Geschäft Ernst Carlebach so er folgreich weiter zu spezialisieren bestrebt ist und das Interesse für die Mannheimer Künstler des achtzehnten Jahrhunderts ge schäftlich zu beleben verstanden hat. Hiermit möchte ich den Reigen der Buch- und Autographen- Antiquare schließen, um noch einzelner Gestalten aus dem Kunst- Antiquariat zu gedenken. Unter den Kunst-Antiquariaten nimmt dasjenige von H. G. Gutekunst in Stuttgart einen besonderen Platz ein insofern, als es seit ungefähr 1868 die führende Stel lung in Deutschland hatte, soweit es sich um alte Graphik und frühe Handzeichnungcn handelte. Das Geschäft wurde von dem erst vor wenigen Jahren verstorbenen Kommerzienrat Gute- kunst gegründet, dessen beide Söhne auch Kunsthändler geworden sind, aber sich in London niedergelassen haben, der ältere als Teilhaber der Firma Colnaghi, der jüngere unter eigener Firma Richard Gutekunst. Vor etwa fünf Jahren erwarb der langjährige Mitarbeiter Wilh. Gaffer die Stuttgarter Firma, der leider vor wenigen Monaten so plötzlich dahingerafst wurde. Noch gehörte zu der Familie der jüngere Bruder des Kommerzien rats Georg Gutekunst, der vor ungefähr 20 Jahren im 56. Le bensjahre dahinschied. Die Firma Gntekunst hat nie Preiskata loge herausgegeben, sondern die sehr vielen und kostbaren Samm lungen, die sie erwarb, nur durch Auktionen verwertet, eine große Reihe von Versteigerungen in einer Qualität wie die Sammlun gen von »Durazzo« bis »Lamra«; die Ständigkeit der Güte des Gebotenen ist der Grund, weshalb die Stuttgarter Mai-Auktionen in Fachkreisen stets als die angesehensten gegolten haben und nicht nur von deutschen Museums-Vorständen, Liebhabern und