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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. .1/ 154, 6. Juli 1916. für die Zukunft des Buchhandels außerordentlich viel davon ab- hängcn, ob ein solcher Aufschwung eintritt oder nicht. Unter Zukunft versteht der Redner die Zeit einige Jahre nach dem Kriege, also nicht unmittelbar nach Fricdensschluß, da ja vor läufig erst daran gegangen werden muß, wieder die Fäden an zuknüpfen, die der Krieg zerrissen hat. Jedenfalls wird aber diese Zukunft für die drei Zweige des Buchhandels verschiede» sein, und sie wird auch keine gleiche sein sür alle Betriebe des einzelnen Zweiges; sic wird eine wesentlich andere sein für Spe zialgeschäfte und sür solche, die sämtliche Wissenschaften führen. Für die Zukunft des Sortiments hegt der Vortragende große Befürchtungen. Schon vor dem Kriege war die Lage des Laden- buchhandels keine sehr günstige, und cs ist kaum anzunchmen, daß sie nach dem Kriege sich vorteilhafter gestalten werde. Es wäre aber sehr zu bedauern, wenn das deutsch« Sortiment, um das uns alle übrigen Völker beneiden, nicht aufrecht erhalten werden könnte. Während im Ausland wirklich« Sortimente nur in den Großstädten zu finden sind, haben wir in Deutschland das Glück, in jeder größeren oder auch kleineren Stadt mindestens einen Vertreter des Buchhandels zu wissen, der dank dem Kon- ditionsgeschäft imstande ist, de» Bücherliebhabern des Ortes zu dienen und ihnen auch zu ermöglichen, vor dem Kauf Kenntnis von dem Inhalt der Bücher zu nehmen. Die Schwierigkeit, die wirtschaftliche Lage des Ladenbnchhandels zu bessern, liegt auch darin, daß man stets, sowie eine kleinere Besserung der Ver hältnisse sich zeigt oder vermutet wird, mit dem Zuströmen neuer Elemente in das Sortiment rechnen muß. Der Krieg hat die Lage des Sortimenters noch verschlechtert; unzählige gute Kun den sind gefallen; viele in Vermögcnsverfall geraten; andere wurden dem Buch entfremdet; alle aber wurden leidend unter der herrschenden, ganz außerordentlichen Teuerung, die Wohl kaum je wieder ganz verschwinden wird. Der Redner befürchtet, daß alle Einzelnen und alle Betriebe, die schon vor dem Kriege auf schwachen Füßen standen, durch diesen Krieg dem Untergang geweiht sind. Er fürchtet, daß auch im Buchhandel diese schwachen Existenzen dem Ansturm nicht gewachsen seien, und er würde be dauern, wenn dies zuträfe, da kein Warenhaus imstande ist, den deutschen Sortimenter zu ersetzen. Es ist also eine gebieterische Notwendigkeit, den Sortimenter zu erhalten. »Es gibt kein Opfer, welches der Staat nicht bringen müßte, um diesen Stand sich zu erhalten, diesen Stand, um welchen uns alle Länder der Erde, soweit sie ihn genauer kennen, beneiden.« Als ein solches Mittel und als das einzige glaubt der Vortragende lediglich staatliche Zwangsmaßregeln empfehlen zu können; »Ausscheidung des Sortiments aus der Liste der freien Berufe, Einführung der Bedllrfnisfrage, des Befähigungsnachweises, der drakonischen Bestrafung für Rabattverfehlungen«. Er verweist auf Österreich, wo sich das Sortiment ganz Wohl befinde und wo das Publikum nicht schlechter fahre. Der Redner wandte sich darauf zu der Zukunft des Verlags. Er glaubt, daß die Herausgabe der schönen Literatur nach dem Kriege Schwierigkeiten haben wird, sich zu behaupten, daß da gegen der wissenschaftliche Verlag — wenigstens in einzelnen Zweigen — auch von dem Auslande nicht entbehrt werde» kann. Das Billigerwerden des belletristischen Buches nützt auf die Dauer weder Verlag noch Sortiment; aber es wird schwer sein, von dem einmal betretenen Wege zurückzukommen. Ob also der belletristische Verlag ohne Schädigung aus dem Weltkriege hervorgeht, ist zweifelhaft; der wissenschaftliche wird aber auf die Dauer höchstens nur gering geschädigt werden, da dem deut schen wissenschaftlichen Buche die ganze Welt gehört. Auch die jenigen, die heute Deutschland als Feinde gegcnübcrstehen, werden das deutsche wissenschaftliche Buch nicht entbehren können, wenn sie eben Weiterarbeiten wollen. Natürlich wird der Krieg auf die verschiedenen Wissenschaften nicht die gleiche Wirkung aus üben, ebenso auf deren Verlag. Nicht jeder Wissenschaft bedarf das Ausland in gleicher Weise; aber ganz ohne das deutsche Buch wird in keiner Wissenschaft das Ausland auskommen können. Das Antiquariat ist nach den Ausführungen des Vortragen de» der größte Exporteur auch von neuen Büchern, und es wären alle Antiquare zugrunde gerichtet, wenn der jetzige Zustand zu 886 einem dauernden würde. Freilich wird der amerikanische Markt dein Antiquar verbleiben; doch ist dies nicht für alle Wissenschaften in gleichem Matze der Fall, und der Antiquar wird versuchen müssen, auch mit den jetzt mit uns im Kriege stehenden Rationen nach Friebensschluß wieder zu erträglichen Verhältnissen zu komme». Daß das Antiquariat die höchste Stufe in der Welt in Deutschland erreicht hat, dürste überall zugegeben werden, wenn es auch tüchtige Antiquare im Auslande gibt. Die deut schen Kataloge sind mustergültig und gehören zu den bibliogra phischen Hilfsmitteln, die schlechterdings kein Bücherkäufer ent behren kann. So wird auch das Ausland mit dem deutschen Antiquariat, wenn es sich auch zu Anfang etwas sperren wird, wieder in Verbindung treten. Es wird von ihm beziehen müssen entweder direkt oder durch Mittelspersonen; aber gänzlich ausschalten kann es das deutsche Antiquariat nicht. Der Vortrag, von dem ich hier nur eine ganz kurze Skizze geben konnte, wurde mit großer Aufmerksamkeit angehört und löste eine lebhafte Besprechung aus. Freilich blieben nicht alle Behauptungen des Redners unwidersprochen, und namentlich war man sich darüber einig, daß die Gewerbefreiheit nicht ange tastet werden dürfte und daß man es auch ferner der Geschick lichkeit und dem Eifer des Einzelnen überlassen müßte, ob ec ein Geschäft mache oder nicht. Für die Konzessionierung des Buchhandels in Deutschland fand sich keine Stimme. Jedenfalls bot der Vortrag sehr viel Anregendes, und der Redner verstand cs, aus dein reichen Schatz seines Wissens und seiner Erfah rungen den Zuhörern viel Neues zu bieten. Bereits Ostermessc 1915 war die Wahlzeit des der Berliner Vereinigung entnommenen Vor standes des Verbandes der Kreis- und Ortsvereine ab gelaufen. Da sich kein Kreis- und Ortsverein fand, der die Last der Geschäfte auf sich zu nehmen bereit war, ist «in Zusatzpara graph der Satzung des Verbandes beschlossen worden, nach dem die Bestimmung des 8 7K der alten (K 4b der neuen) Satzung, der di« Amtszeit des Vorstandes auf höchstens sechs Jahre festsetzt, sür die Dauer des ge genwärtigen Krieges außer Kraft tritt. So wurde 1915 der bisherige Vorstand noch für ein Jahr weitergewählt und hat auch die Wahl angenommen, allerdings in der sicheren Erwar tung, daß für das nächste Jahr ein anderer Verein bereit sein würde, die Vorstandsgeschäfte zu übernehmen. Der bisherige Vorstand hat auch das Seinige getan; er hat sich an die ver schiedenen Vereine in Rundschreiben gewandt und hat auf der Goslarer Tagung wiedertim die Sache angeregt. Um die Wahl zu erleichtern, ist aus der Goslarer Tagung der Antrag ange nommen worden, den Kreis der zu wählenden Personen satzungs- mätzig dadurch zu erweitern, daß «in Verein, dem es nicht ge lingt, sämtliche Vorstandsämter mit Mitgliedern seines Vereins zu besetzen, auch Mitglieder anderer Vereine zur Wahl heran- zichen darf. Hatte man nun gehofft, daß die Frage der Vorstands wahl in der Goslarer Tagung endgültig erledigt sei, so sollte dis lange Dauer des Krieges diese Hoffnung zuschanden machen. Obwohl der ß 4ä der neuen Satzung des Verbandes, welcher laiitet: »Ist ein Verein nicht imstande, die Vorstandsgeschäfte zu übernehmen, oder ist der gewählte Verein nicht in der Lage, sämtliche Vorstandsämter mit Mitgliedern seines Vereins zu besetzen, so können die einzelnen Personen des Vorstandes auch aus verschiedenen Vereinen gewählt werden.« in der ordentl. Abgeordneten-Versammlung am Sonnabend vor Kantate angenommen worden, konnte sich doch kein Verein ent schließen, die Vorstandsgeschäfte zu übernehmen, und so war es wieder der alte Vorstand, der Wohl oder übel seine Ämter noch ein Jahr fortführen muß. Daß ein solcher Zustand kein ge sunder, kein wünschenswerter ist, dürste klar sein, und ich möchte auch an dieser Stelle an die Vereine die Bitte richten, sich schon jetzt zu fragen, in welcher Weise zur nächsten Kantate-Versamm lung der Vorstand des Verbandes zusammengesetzt werden soll. In dieser Ostermesse ist ein lange gehegter Wunsch des deut schen Sortiments endlich zur Erfüllung gelangt: das Sortiment