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4 Tobias und dis Schwalbe. stiftete, abgesehen von seinen Verdiensten in metrischer Beziehung, mehr Schaden als Nutzen an. Von Natur nicht zum Dichter, sondern zum nüchternen, kalten Verstandesmenschen geschaffen, wußte er sich gleichwohl durch außerordentlich feine Diplomatie zum Diktator des deutschen Parnaß emporzuschwingen, freilich zeigt sein Gesetzbuch, das „Büchlein von der deutschen Poeterei" nur in allzu hohem Grade seine ganze Trockenheit und Mangel an dichterischem Genie. Die einseitige VsrstandeSrichtung der ersten schlesischen Dichter schule suchten die Pegnitzschiifer Klai und Harsdörfser und ihren Gedanken weiter entwickelnd die Vertreter der zweiten schlesischen Schule HossmannSwaldau und Lohenstein durch zügellose Phantasie zu paralysieren; durch Schilderung der Leidenschaften wollten sie auf das Herz einwirken, aber nur zu bald wurde dis psychologische Richtung durch rein sinnliche Momente verdrängt, die sich in der Lüsternheit ihrer Schilderungen bis zur Gemeinheit steigerten. Lange freilich konnte dieser krankhafte Zustand nicht währen, und bald san den sich auch Geister, die diesem zügellosen Treiben ein gebieterisches Halt zuriesen und auf deren Banner das hoffnungsvolle Losungswort: „Natürlichkeit" prangte — Christian Weise und seine Anhänger. Bald aber arteten auch ihre Bemühungen aus in eins trostlose prosaische Nüchternheit, die ihnen den Spottnamen „Wasserpoeteu" zuzog. So berührten sich dis Extreme, ein Mittelweg schien unmöglich zu sein und erst einer späteren Zeit war cS vergönnt das erlösende Wort zu sprechen. — Unsere Litterarhiftoriksr haben sich daran gewöhnt ein hartes Verdammungsurteil über die dichterische Thätigkeit Christian Weises zu fällen und es gehört gewissermaßen unter ihnen zum guten Ton verächtlich von dem Wasserposten in der Schulmeisterperrücke zu sprechen. Zum guten Teil aber läßt sich diese Ungerechtigkeit daraus erklären, daß der Zweck und dis Absicht, in der Christian Weise seine Schriften verfaßte, ganz und gar verkannt wird. Weise war mit Leib und Seele Pädagog, er war einer der besten Schulmänner seines Jahr hunderts und niemand wird ihm seine Verdienste in dieser Beziehung schmälern. Aber eben, well die Schule das Territorium seiner Wirk samkeit bildete, war auch seins Muse der Schule gewidmet und nicht wundern darf eS uns, wenn wir überall pädagogische Tendenzen auf tauchen sehen, wenn gegenüber dem äeleotaro das xroäeeeo ein unge bührliches Übergewicht hat. Daraus ergiebt sich die unabweisbare Not-