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„1/ 23, 29, Januar 1914, Redaktioneller Teil, Vereins-Kollektib-Reklame hat hoffentlich auch in diesem Jahre gute Erfolge gezeitigt. Das eine Inserat »Gute Bücher sind die besten Weihnachtsgeschenke« war 9 em hoch, zweispaltig, mit kräf tiger Umrandung gefetzt; das andere, vom Vorstand des Württem- bcrgifchen Buchhändler - Vereins Unterzeichnete, in glei- chem Umfange, hatte folgenden Wortlaut: »Bücher bedarf für Weihnachten, Wir machen das bücher kaufende Publikum hierdurch darauf aufmerksam, datz die festen Ladenpreise für neue Bücher jeder Art, also auch für Jugendschristen, Bilderbücher, Prachtwerke und Geschenk-Litera tur in allen deutschen Buchhandlungen gleich sind und eingehal ten werden müssen. Alle Angebote zu ermäßigten Preisen — ,Statt so viel, nur so viel' —können also stets nur antiquarische Bücher oder solche betreffen, deren frühere Preise allgemein herab gesetzt oder erloschen sind, so datz sie überall, wo vorrätig, zu gleich billigen Preisen käuflich sind,« Auch das bekannte Buchhändler- Plakat war vielfach zu sehen. Es ist dringend zu wünschen, datz die buchhändlerischen Vereine diese gemeinsame Reklame in wachsendem Umfange Pflegen, und daß der Artikel »Bücher« mehr als früher gegenüber den Artikeln der übrigen Geschäftswelt hervortritt. Man wird dadurch auch bei der Presse bzw, den Zeitungsberlegern erreichen, daß sie den Redaktionen mehr Platz für Bücherbesprechungen einräumen, als es jetzt geschieht. Diese öffentliche Reklame ist eines der Mittel, um die den Büchern gleichgültig gegenübcrstehcnde große Menge in die Sortiments läden zu locken; Schaufenster, Kataloge und Besprechungen allein tun es noch nicht. Zum Kapitel »Schaufenster«, das Richard Forst in München im Bbl, 1913, Nr, 280, behandelt hat, möchte der Briefschreiber auch einen Beitrag liefern. Das Sortiment Richard Keutel hatte nämlich, im Gegensatz zu den übrigen hiesigen Firmen, nur eine verhältnismäßig kleine An zahl Bücher in seinem Schaufenster ausgelegt. Ein feines Blumenarrangement gab den Fenstern ein fest liches Gepräge, nicht minder ein eigenartiges Stoff gewebe, das den Schaufenstergrund bedeckte und auf dem die Bücher unregelmäßig, wie etwa auf einem Salontische, ausgc- legt waren. Allerdings fehlte es auch hier an den von Herrn Foest verlangten Plakaten, die zum Besuch des Ladens und zu Einkäufen aufgefordert hätten. Ob nicht auch vielfach unsere Schaufenster, von Weihnachtsliteratur natürlich abgesehen, ein zu gelehrtes Gepräge zeigen? Die gute Volksliteratur für den ge meinen Mann ist neuerdings doch Wohl gar zu sehr ins Hinter treffen geraten. Noch ein Kuriosum! Vor Jahren hat Loewes Ver lag ein Pfefferkuchen-Buch auf den Weihnachtsmarkt gebracht. Ein Gegenstück dazu — auch ein Beweis für die literarische Luft des Schwabenlandes — konnte man in einem Metzgerladen sehen. Dort lag eine Attrappe in Form eines Buches in Lexikon-Oktav mit dem Titel »Das Buch für Alle« und dem wenigen Text »Guten Appetit«, der sich auf einige die Einlage bildende Würste bezog, »Verlag von , , ,, Fleisch- und Wurstwarengeschäft,« Nicht vergessen sei, daß auf der Weihnachtsmesse wiederum zwei Buden des Landesverbands zur Bekämpfung der Schund literatur aufgestellt waren, die von Holland L Josenhans ver waltet wurden. Aus einem Artikel »Der Verlegereinband auf dem Weih nachtstisch« in der ersten Nummer des hiesigen »Allgemeinen An zeigers für Buchbindereien« möchte ich einiges hervorheben, Ter ungenannte Verfasser verwirft die in den letzten Jahren immer mehr aufkommenden Pappbände, namentlich für umfangreichere Werke, weil sie nicht haltbar genug seien. Er tadelt die Anbrin gung des Namens und Wohnorts der Verleger auf dem Rücken von Einbänden, ferner verwirft er die Verwendung von Weißen oder leicht cremesarbigen Vorsätzen für Halblederbände, nament lich Kalbleder, und Plädiert für bunte und reicher wirkende Pa piere, <Dazu fei bemerkt, daß die hiesige lithographische Anstalt von Emil Hochdanz schon seit Jahren sehr geschmackvolle moderne Vorsatzpapiere fertigt, die man auch bei manchen Leipziger Ein bänden sieht,) Rohleinenbände werden als ein zwar originelles, aber wenig praktisches Material bezeichnet. Die Frage: »Ver legereinband oder Handeinband, die in Fachkreisen eigentlich nie zur Ruhe kommen sollte«, läßt der Verfasser unerörtert, sie ist ja auch m, E, durch die Forderungen der Praxis bereits ent schieden, Bei der heutigen Massenproduktion kann der Maschinen- Einband gar nicht mehr entbehrt werden. Wie weit sich daneben die Liebe der Bücherfreunde handgearbeiteten Einbänden zu wenden wird, ist zum Teil auch von dem Bemühen des Klein buchbinders abhängig, sich in der Buchb ind ekunst zu vervoll kommnen, anstatt sich mehr und mehr zum Auch-B uchhändler zu entwickeln. Die neu eröffnete Königliche Kunstgewerbcschule in Stutt gart, beim Weitzenhof, bietet zu dieser Vervollkommnung gute Gelegenheit, Das neue stattliche Gebäude war in den Tagen des 26, bis 28, Dezember der öffentlichen Besichtigung sreigegeben. Was man dort sah, erweckte die besten Hoffnungen für eine kräf tige weitere Förderung des so blühenden und in der vaterländi schen Industrie einen so hohen Rang einnehmenden Stuttgarter Kunstgewerbes. Uns interessiert hier besonders die Fachabteilung für die graphischen Künste und das Buchgewerbe, deren Leitung bei Professor I, V. Cissarz in bewährten Händen liegt. In der Abteilung für Buchbinderei amtiert als Fachlehrer W, Schlemmer, Mustergültig eingerichtete Werkstätten bieten Meistern und Gehilfen Gelegenheit, sich durch praktischen und theoretischen Unterricht auf allen Gebieten des Gewerbes technisch und künstlerisch weiter aus zubilden, Die in der Anstalt eingerichtete Buchdruckerei-Abtei- lung, die ebenfalls wie die Buchbinderei mit Maschinen und Werk zeug reichlich ausgestattet ist, ermöglicht es, die Entstehung des Buches von Anfang an kennen zu lernen. Als Fachlehrer für Buchdruckerei wirken W, Grönmeyer und I, Heilenmann, Der 84 Seiten starken Jubiläums-Nummer des Stuttgarter Neuen Tagblatts vom 13, Dezember möchte ich auch an dieser Stelle gedenken, weil sie verschiedenes enthält, was für den Buch handel von Interesse ist. In der Rubrik »Presse und Tagblatt im zeitgenössischen Urteil«, in der sich auf Aufforderung der Redaktion die verschiedensten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens unse rer Stadt über die Bedeutung der modernen Presse ausgesprochen haben, finden sich auch die Namen Carl Engelhorn und Egon Werlitz, Elfterer zitiert Schillers Wort: »Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben!«, ein Wort, das ja ohne weiteres auch aus den Buchhandel übertragen werden kann, und dessen gewich tige Bedeutung dem Buchhändler angesichts der Liste der verbote nen Bücher in Nr. 13—15 d. Bl, besonders bewußt wird. Es bil det wohl auch den Grundton des Artikels »Dem neuen Jahr ent gegen« in Nr. 1 d, Bbl, Auch Egon Werlitz weist auf die Ver antwortlichkeit der Presse hin. Unter »Dichtung und Bühne 1843 -1913« von Paul Wittko lesen wir: », , , Das ist das trübe Zeichen unserer Zeit: Alle Welt verschlingt mit Wohlbehagen eine kurze Spanne Zeit die angeblichen Meisterwerke des Tages, die »ach ein paar Monaten bereits von ihren Nachfolgern auf Nim merwiedersehen verschlungen werden. Die jungen Poeten von heute, die im Solde von Theater- oder Literatur-Managern sich befinden, verdienen zwar ein Heidengeld, aber die Knute ihres Brotgebers läßt fast keines ihrer Werke voll ausceifen. Daraus resultiert hauptsächlich der Tiefstand der modernen Literatur, Vor 70 Jahren darbten die Dichter freilich auch nicht mehr, Berthold Auerbach gelangte durch seine Schwarzwälder Dorfgeschichten nicht nur zu Weltruhm, sondern auch zu Reichtum, Und ein smarter Leipziger Verleger kaufte sich damals den jungen Wil helm Jordan, d, h, er schenkte ihm ein eigenes Häuschen, und Jor dan mußte sich kontraktlich verpflichten, seine gesamte literarische Produktion, deren Art ihm sogar vorgeschriebe« wurde, dem Verleger zu überlassen. Heute ist diese Gestalt des Verhältnisses zwischen literarischem Produzenten und literarischem Eugrosverschleißer in Berlin auf dem Wege, die allgemein übliche zu werden. Aber ebenso wenig wie die, schönste Talente zerstörende Verleger-Hetze von heute kannte die damalige Zeit die Verhimmelungen bestimmter Ver lagsautoren durch bestimmte Zeitschriften, denen die Weltstadt- Menge blind zu erliegen Pflegt, Von solchen üblen Auswüchsen hat sich der altberllhmte Stuttgarter Verlagsbuchhandel ebenso rein zu halten gewußt, wie die schwäbische Presse und das schwä bische Publikum von der kritiklosen Nachbetung des auswärts verkündeten Tagesruhmes.« 143