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1366 Börsenblatt j, d. Dtsch». Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. psx 25, 1. Februar 1910. Nichtamtlicher Teil. Darniederliegen des belletristischen Buch handels und seine Ursachen. (Vgl. Nr. 19 b. Bl.) Es war die höchste Zeit, daß ein Verleger im Börsen blatt einmal richtig zum Ausdruck brachte, wo der Haupt- schadeu beim belletristischen Verlag liegt und warum sich eine Reihe größerer Verleger von der Belletristik überhaupt abgewendet hat. Aber nicht nur die belletristischen Ver leger und die jüngeren belletristischen Autoren leiden unter den angeführten Umständen, sondern ebenso die Verleger populärer wissenschaftlicher Literatur und die Zeit schriften. Es sind für den Verleger in den letzten Jahren alle Herstellungskosten und Spesen erheblich gestiegen; dagegen sind die Ladenpreise der Bücher durchweg zurück gegangen, und das Risiko ist bei der immer noch steigenden Überproduktion größer als je. Es grenzt deshalb an ge schäftlichen Selbstmord, wenn sich die Verleger mit Honoraren gegenseitig überbieten oder wenn sie den immer mehr üblich werdenden Drohungen der Autoren: »Wenn du nicht mehr zahlst, gehe ich zu einem anderen« allzuleicht uachgeben. Es ist ja nun leider Tatsache, daß, wenn ein belle tristisches oder sonst populäres Werk oder eine Serie ein schlägt, sofort eine ganze Reihe anderer Verleger sich auf den gleichen Stoff stürzt und die Idee des Urhebers bzw. ersten Verlegers mehr oder weniger geschickt nachahmt. Das erste ist dann, daß versucht wird, die Autoren dem vor bildlichen Verlage abspenstig zu machen. Es werden höhere Honorare geboten, ohne zu bedenken, daß es mit diesen allein nicht getan ist, sondern daß der nachahmende Verleger außer den höheren Honoraren meist auch noch eine bessere Aus stattung und eine zwei- bis dreimal so große Reklame zu machen hat, als der erste Verleger, der bereits festsitzt. Ein weiterer Übel stand, der dann dazu kommt, ist ein geradezu sinnloses Rabattunterbieten. Es wird mit Probeexemplaren und Derartigem darauf los gewirtschaftet, was die Bücher von vornherein in den Augen des Sortimenters entwertet. Das Ende aller solchen Unternehmen ist das Ballenlager, das Warenhaus oder der Ramsch. Wer mit den Verhältnissen einigermaßen vertraut ist, wird wissen, welches Riesenlager augenblicklich nicht nur an Belletristik, sondern auch an populärer Literatur vorhanden ist, und man kann nur mit Schrecken daran denken, wenn in den nächsten Jahren alle diese Bücherschätze auf den Markt geworfen werden, und dies ist unausbleiblich. Bei den Honorarforderungen, die die Autoren an neue Verleger oder an eine Konkurrenzzeitschrift stellen, kommt dann auch noch der Umstand hinzu, daß in dieser Beziehung zu viel geflunkert wird. Der Schreiber dieser Zeilen hat kürzlich den Fall erlebt, daß ein Autor sagte, der und der Verleger hätte ihm ein Angebot gemacht, ferner die und die illustrierte Zeitung hätte ihm für einen Aufsatz von vier Seiten einige hundert Mark gezahlt, usw. Man verliert nun einen Autor nicht gern, und da der Name von einem angesehenen Verleger und einer ebensolchen Zeitschrift genannt wurde, kam es auch in diesem Falle zu einer Honorarerhöhung. Nachher aber hatte ich Gelegenheit, sowohl mit dem anderen Verleger, als mit dem Zeitschriften verlag zu sprechen, und da stellte sich heraus, daß jener gar kein Angebot gemacht hatte und daß es diesem nie ein gefallen ist, ein so hohes Honorar für einen Zeitschriften artikel zu bezahlen. Ich hörte aber auch andernteils, daß weitere, und zwar allererste Verleger auf derartige Manöver (man kann sie machmal als gelinde Erpressungsversuche be zeichnen) hereingefallen sind. Es wäre deshalb im allseitigen Interesse, wenn wenig stens unter einer bestimmten Anzahl von Verlegern eine Art Zusammenschluß statlfinden würde. Dieser Verband hätte aber nicht nur gegen unbillige Forderungen einen Damm zu bilden, sondern er müßte auch dazu beitragen, das Ver trauen der Autoren in den Verlag zu stärken. Es zweifeln z. B. viele Autoren an der Richtigkeit der Angaben ihrer Verleger über Auflagenhöhe, Absatz rc., denn die Autoren überschätzen eben die Absatzmöglichkeiten ihrer Bücher ge waltig und sind nur schwer vom Gegenteil zu überzeugen. Allerdings darf auch nicht verschwiegen werden, daß in dieser Beziehung es schon vorgekommen sein soll, daß ein zelne Verleger ungenaue, verschleiernde Angaben machten. Es müßte also auch in dieser Beziehung eine Vereinigung darauf dringen, daß den Autoren eine Art Kontrolle über die Höhe der Auflage, so wie sie z. B. in Frankreich und, soviel ich weiß, auch in England segensreich wirkt, eingeführt und von der künftigen Verlegervereinigung durchgeführt ' würde. Zum Schluß schlage ich vor: diejenigen Verleger, die sich für eine Vereinigung auf dieser Grundlage interessieren, mögen sich in diesem Blatte dazu äußern oder ihre Meinung dem Verfasser des Börsenblattartikels in Nr. 19 vom 25. Januar durch die Redaktion des Börsenblatts zur Kenntnis bringen, damit er sich mit ihnen in Verbindung setzen kann. Ein Verleger populärwissenschaftlicher Literatur. Schutz der Jugend vor Gefährdung der Sittlichkeit durch Schrift und Bildwerke. (Fortsetzung zu Nr. 22, 24 d. Bl.) Verhandlungen der Bürgerschaft zu Hamburg am 1., 15., 22. und 29. Dezember 1909. (Nach dem stenographischen Bericht.) 39. Sitzung, Mittwoch den 22. Dezember 1909, abends 7 Uhr. (Schluß dieser Sitzung.) (Fortsetzung der Beratung vom 1. u. 15. Dezember 1909.) Bericht des Ausschusses (Nr. 36) zur Prüfung der Frage, durch welche Maßregeln die Jugend auf öffentlicher Straße vor Schrift- und Bildwerken, die die Sittlichkeit gefährden, bewahrt werden kann. vr. Popert (sortfahrend): Also »leichtherzig« hat Herr vr. Wolff- son gehandelt. Und ist ihm eine solche Art des Vorgehens auf einem Gebiet der in dieser Sache wichtigsten Rechtsfragen unwiderleglich nachgewiesen, dann, m. H., glaube ich in der Tat Zweifel in Ihnen erregt zu haben, ob noch irgendeiner von Ihnen es vor sich selbst verantworten kann, sich — wie Herr vr. Mönckeberg das ja als selbstverständlich vorausgesetzt hat — Herrn De. Wolfssons juristischem Machtspruche: »Ich halte den Antrag des Ausschusses in Rücksicht auf die Reichsgesetzgebung für unzulässig« blindlings zu beugen. Und nun, m. H-, glaube ich, werden Sie die Möglichkeit haben, mir in den Argumenten zu folgen, die ich Ihnen für die reichsgesetzliche Zulässigkeit der Ausschußanträge vor legen werde. Es würde mir das sehr viel leichter sein, und ich würde mich viel kürzer fassen können, wenn die Herren Gegner, die Herren vr. Wolffson, vr. Knauer und vr. Philippi sich die Mühe gemacht hätten, die Momente, die schon im Ausschußbericht geltend gemacht sind und überhaupt die Arbeiten des Ausschusses, die das Re sultat langen und ehrlichen gemeinsamen Nachdenkens sind, irgend wie zu würdigen, wenn die Herren nicht im wesentlichen einfach