Volltext Seite (XML)
V000O000O0V00O000000V Seite 4««. Belletristische Beilage zu den „Dresdner Nachrichten" Haar, ein feines, dunkles Bärtchen, das weder nach oben, noch nach unten quält wurde, und ein gut geschnittenes Gesicht, — nur war es für einen gen, Mann zu ernst im Ausdruck. Oft lag geradezu etwas Melancholisches Blick dieser grauen Angen, — ein Blick, wie ihn auch Christine zuweilen hatte. Bei di ei er konnten ihn die Angehörigen allenfalls verstehen. Mein Bott, das Mädchen war nicht mehr so ganz jung und hatte absolut keine Ver ehrer und Courmacher, gar keine Aussicht, einen Mann zu bekommen. Sie Vielte keine Rolle, weder in noch anher dem Lause, überall wurde ihr die lungere Schwester selbstverständlich vorgczogcn, so daß sie dieser eigentlich nur zur Folie diente. Wenn Christine sich das zu Herzen nahm, so hals es ihr freilich nicht das Geringste, allein man konnte es ihr wenigstens nicht ver- argen. Dagegen Friedhelm! Wozu hatte der wohl melancholisch auszusehcn? Gei und, begabt, mit gutem Namen und guten Aussichten, immerhin nicht schlecht situirt und im Rus eines tüchtigen Offiziers stehend . . . was konnte ihm denn fehlen? Er behauptete auf direktes Befragen auch jedes Mal, es Me ikmi nichts, er wisse von keinem heimlichen Leiden, und für den Ausdruck kemer Augen könne er nichts. Etwaige Neckereien wegen unglücklicher Liebe, verschmähter Leidenschaft u. s. w. waren allmählich verstummt, da der junge Mann sie nur schwer vertrug und. sonst die Mäßigung und Selbstbeherrschung in Person, leicht ausbrausen konnte, wenn man ihm dergleichen andichtcte. Einen guten Gesellschafter konnte man Friedhelm nicht nennen, dazu war er Zu ernst, zu still. — die Kameraden schworen aber aus ihn: „Bischen Spieß bürger. büchen Philister, — aber 'n Prachtkerl und riesig tüchtig!" So lautete das summarische Ürtheil über ihn. Sein Vater, ein strammer, breitschulteriger Herr, dem man, zu seiner dmigen Genugthuung. den einstigen Militär auf fünfzig Schritt Distanz ansah, steifte sich etwas zu sehr darauf, ein Mann „von altem Schrot und Korn" zu sein. Er führte seinen Kaiser, sein Vaterland, seinen Patriotismus beständig im Munde. — Disziplin war ihm Alles, er verkündete überall, daß er seine Familie fest im Zaum halte, namentlich „die Frauenzinimer" müßten strengstens Ordre pariren, was aber, ihm gegenüber, nicht schwer solle, denn er verstehe es aus dem Grunde, aut zu kommaudiren. — Nun war es damit keineswegs so gefährlich. Namentlich Hede umging die väterlichen Kommandos mit großer Geschicklichkeit, und die Disziplin dieser jungen Dame ließ erheblich zu wünschen ubrrg. Sie war aber klug genug, stets vor Anderen zu betonen, Papa leide «inen Widerspruch, Papas Anordnungen müßten strikt befolgt werden, — und dazu strich sich Papa vergnügt den martialischen, bereits stark ergrauten Schnauzbart und fühlte sich ganz auf der Höhe der Situation. „Abendessen fertig?^ rief er jetzt mit Stentorstimme herüber. Hede trippelte die Stufen der Veranda herunter, um sich besser verständ lich zu machen. „Jawohl, Papachen, und zwar seit fast zehn Minuten. Wenn sich aber der Herr Oberst in eigener Perion verspäten —" „So ist es immer der Herr Oberst, verstanden, Tu Gelbschnabel? Ter Höchstkommandirende steht allemal über der Kritik, wenn Tu daS noch nicht weißt! Also, meine Herren: bemächtigen Sie sich der vorhandenen Damen und. bitte — zu Tisch!" Ta war nicht viel zu bemächtigen l Hedes rnnden Arni batte Vetter Wintcrfeldt wie selbstverständlich durch den ieinigen gezogen, Horst von Schelling führte die Hausstau und für den älteren „Klingsberg" blieb nur Christine übrig, der er mit etwas säuerlicher Miene den Arm reichte. Ihm wäre die Mutter lieber gewesen. — mit der lohnte sich's doch, einen Scherz zu machen, sie kokettirte noch ganz tapfer und hatte ein hiibiches Verständlich für seine zuweilen etwas gewagten Erzählungen. Mir Christine, dieser „dürren Hopfen stange". wußte er nichts anzufangen. „Das" war nicht wiyig, „das" verstand »icht zu ftirtcn, nicht zu lachen, — „das" war zu gar nichts l" „Aha!" sagte der Oberst jetzt und machte vor dem stramm dastehenden August Sperber Halt. „Ter neue Bediente. Hab' ihn neulich nur flüchtig gesehen. Wie war doch schon der Name?" „August Sperber. Herrn Oberst zu Befehl!" „Wo gedient?" „Erstes Garde-Füsilier-Rcgiment zu Fuß — Berlin — Herrn Oberst zu Befehl!" „Servicen schon gewöhnt?" „Befehl. Herr Oberst!" „Gut! Rechtsum Kehrt! Abtreten!" August nahm nochmals die Hacken lznsammen und schwenkte mit einer Präzision, daß die Geräthe auf dem Servirtisch klirrten. Ter Oberst setzte sich mit befriedigter Miene an den Tisch, faltete seine Serviette auseinander und steckte sie hinter die Halsbinde. Ta kam es in zwei stolpernden Sätzen die zur Halle emporführenden Stufen herauf, schnaufte vernehmlich, prallte gegen eine der weit zurück- «schlagenen Flügelthüren, stand einen Augenblick in evchreckcnder Länge und Breite auf der Schwelle und knickte dann unvermuthet, wie ein Rieienklapv- mcffer, zusammen, mit einer Vehemenz, als sollten fämmtliche Gliedmaßen «ach allen vier Richtungen der Windrose auseinandergestreut, werden. „Vetter Kenneweg!" Ter Oberst hob drohend sein Meyer empor. „Wir Laben uns wieder 'mal erheblich verspätet! Wann werd' ich Ihnen militärische Pünktlichkeit angewöhnen tonnen ?" „Ich — ja — Gott — lieber Vetter — 'S ist so 'ne Sache — aber der Klee —" „Was Klee — Klee! Disziplin und über Alles! Na. Gott woll' cS bestem! bekannt, lieber Vetter!" Ter liebe Vetter versuchte, ei» Rundkompliment zu riskiren, das dm ganzen Tisch in's Schwanken brachte und einen Aufschrei der Damen ver ursachte, — dann ließ er sich vorsichtig auf seinen chm bestimmten Platz nieder, zog vorerst ein roch- und weißgeblümtes Baumwolltaschentuch hervor und rieb stch heftig damit das schweißtriefende, röche Gesicht. „Vergiß doch nur nicht. Deine Nast mitzunchmen, Onkel Franz!" mahnte Hede im sanftesten Ton. Subordination in meinem Hause Die Herrschaften sind Ihnen ja alle Alles lachte. Ter jüngere Schelling hob das Tafeltuch auf und spähte aufmerksam darunter. „Was suchst Du, Horst?" fragte sein Vater. „Ist irgend etwas auf die Erde gefallen?" „Das nicht, Papa! Ich wollte blos konstatireu, ob Onkel Franz zufällig i alle seine Gliedmaßen beieinander hat!" Ter Gefoppte stimmte lärmend und gutmüthig in das allgemeine Gelächter ! ein. rückte seine» Stuhl herum und lud sich eine mächtige Portion Fleischsalat .von der Schüssel herunter, die August Sperber ihm hinhielt. „Haben Sie jetzt ein passendes Pferd für sich gefunden, Herr Kennewcg?" ! fragte „Klingsbcrg", der Vater. „Dank' schön für güt'ge Nachfrage!" entgegnest der Administrator in seinem breiten pommersch mecklenburgischen Dialekt. „Für meine Figur ist das immer nicht so ganz leicht!" i „Warum nicht, Onkclchen?" siel Hede theilnchmend ein. „Na, Kind, weil ich doch lo groß und stark gerathen bin, — ja, nun lachen Sie wieder Alle! Ich will blos sagen, d'rum that's mir so leid um mein' alten, lieben Schimmel! Ter könnt' mich und der trug mich, dem war ich nicht zu schwer, wir deid' waren wie zwei gute Kameraden zuiamm'! Na. jetzt Hab' ich 'n Fuchs, — n starkes Thier, 'n sogenanntes Brauerpferd, — schwerer Schlag. — wenn Sie 'n 'mal anseh'n woü'n, Herr von Schelling —" „Natürlich! Aber nur, wenn Sie d'raufsitzeu!" „Warum blos dann?" „Ja, Herr Kcuneweg, Sie müssen doch Las sein, was man 'n eleganten Reiter nennt!" „Ach wo! Gott bewahr'!" versicherte Onkel Franz treuherzig, zum Gaudium der Tafelrunde. „Davor fehlt mir erstens schon 'mal die Figur —" „Na, potztausend, Onkel!" fiel Sylvester von Winterfcldt ein. „Wenn Tu nicht 'ne Figur hast, da möchk' ich aber wissen, wer sonst!" ! „I ja, ja. mein Jüngschen, erigur ist schon da. — aber blos: sie ist auch darnach!" ! Ties ehrliche Bekenntniß erregte stürmische Heiterkeit, selbst Christine § stimmte in das allgemeine Lachen mit ein. „Bist Du mit diesem Schnitt Klee zufrieden, Onkel? Und meinst Du, ihn gut hereinzubringen?" Cs war die erste Frage, die keine Anzüglichkeit und keinen Hinterhalt barg, und sie kam von Friedhelm. , „Tank' Dir. mein Jüngschen, — na, es geht! Da hinten beim Weizen, weißt Tu wohl, an der kleinen Brücke, da ist er man dünne, aber sonsten steht er seinen Mann, — i ja! Und hereinbringen ? Ja, da mußt Tu unser'm Herrgott 'n gut Wort geben, daß er's bei schön' Wetter läßt —" „Oder Eurem srominen Herrn Pfarrer!" warf Horst von Schelling ein. „Ich weiß ja, der steht mit dem lieben Herrgott auf 'nein ganz besonders intimen Fuß!" „Na. uns' Geistlicher ist woll' 'n braver Mann!" sagte Vetter Kenneweg, auf beiden Backen kauend. „Tank' Dir auch vielmals, mein Jüngschen!" Ties letztere galt Friedhelm, der den riesigen Glaspokal vor des Onkels Teller mit schäumendem Bier füllte. „Brav — brav! Ja. das ist so 'n allgemeiner Begriff!" ließ sich der Oberst vernehmen. „Ich will ja dem Mann, meinem Pfarrer, gewiß nicht abstreiten, ^daß er das ist, was man so gemeinhin „ein guter Mensch" nennt! Aber als Seelsorger ist er mir doch bedenklich! Frömmigkeit muß sein, — Gebet muß sein, — Kirchenbeinch muß sei», . . . natürlich! Wo käme der Staats in ohne diese drei — dieie drei —" „Säulen!" half Sylvester mit Betonung nach. „Diese drei Säulen! Ganz recht, Sylvester! Säulen! Aber der gute Alaun, mein Pfarrer, der übertreibt das! Der gebt mir entschieden zu weit! Kinderlehre und Kalechismusstunde und Konfirmanden-Unterricht und Bibel- slunde und Choralübungen, die Eltern klagen ja Stein und Bein! Sie brauchen ihre Kinder zur Arbeit, und der Pastor braucht sie zum Beten, — wer hat nun Recht? So 'n vierzehnjähriger Schlingel, der ist ia schon famos auf dem Feld zu gebrauchen, und 'ne zwölf Jahr' alte Mariell, na, die kann zu Hause auch schon 'was leisten und Muttern beispringen bei kleinen Kindern und Wäsche trocknen, und was weiß ich, — Hab' ich Recht, Sibylla?" „Natürlich hast Tu Recht, lieber Heinrich, Du bist ja ein so einsichts voller Mann. Aber in dem Punkt ist mit Deinhardt gar nicht zu reden. Die Väter und namentlich die Mütter sind selbst zu ihm gegangen und haben ihn gebeten, etwas weniger Beschlag auf die Kinder zu legen. — es half nichts! Nun dachte ich bei mir: solch' ein gewöhnliches Weib versteht nicht zu reden, faselt ihm vielleicht nur etwas vor und läßt den Kern der Sache unberührt, — Tu wirst es also 'mal in eigener Person versuchen. Ich ging denn neulich zu ihm hin. — ja, er war eircl Salbung und Gottseligkeit, aber von seinen Ideen nur um Zollbreit abgehen . . . nicht rühr' an! Wenn die Eltern die Körper- kräfte ihrer Kinder brauchten. — Gott der Herr brauche die jungen Seelen erst recht, und er. ihr geistlicher Führer, fühle sich verantwortlich für diese Seelen, die alle dereinst von ihm gefordert werden würden! Ta hatte ich meinen Bescheid und konnte abziehen!" Ter Oberst nahm einen großen Schluck Bier und räusperte sich kräftig. „Ich werde nächstens mal hingehen und dem guten Mann, meinem Pfarrer, ein Licht aufstecken, dann wird er schon andere Register spielen lassen. Damen fassen immer Alles mit Handschuhen an, das taugt hier nichts! Sub ordination und stramme Disziplin mm; sein, . . . wofür war' man sonst Palronatsberr?" „Tas ist recht. Papa, nimm Du die Sache in die Hand. Du hast die nöthige Energie dazu!" rief Hede niit Ueberzeugung, — zu ihrer Mutter gewendet, fügte sie hinzu: „Wie sieht es denn eigentlich bei Deinhardt's aus? Ich bin seit langen Jahren nicht mehr in's Haus zu ihnen gekommen, — höchstens 'mal in den Garten." „Ach. schrecklich einfach und altmodisch, — immer noch dieselben Möbel, die sie, die Psarrerin, als Mädchen mit in die Ehe gebracht hat. Ich weiß nicht. — die Stelle ist doch amu aut dotirt, die Leute haben blos drei Kinder, Belletristische Beilage zu den „Dresdner Nachrichten". Seite 467. und für die Tochter sorgt noch obendrein seit Jahren die reiche Tante, — daß Tcinhardt's auf gar keinen grünen Zweig kommen können!" „Liebe Cousine." sagte Vetter Kenneweg sehr ernst, „der Pfarrer thut un menschlich viel Gutes an seinen Nebemnenschen, — ich weiß das! Ter ent behrt selber Allerlei, um geben zu können —" „Ja, ja, ich weiß!" entgegnete Frau von Küster ungeduldig. „Jeden betrunkenen Kerl und jeden arbeitsscheuen Bettler nimmt er zu sich in's Haus, beschenkt ihn mit Geld und setzt ihn womöglich bei Tisch neben sich. Der renitenteste und saulste Knecht im Torse findet bei ihm immer noch Unter stützung, — er entschuldigt und versteht Alles! Ob das die richtige Auf fassung des Christenthums genannt werden kann —" „Ach, Tantchen, lassen wir doch die richtige Auffassung des Christenthums und überhaupt den ganzen würdigen Mann auf sich beruhen!" mischte sich Sylvester mit seiner einschmeichelnden Stimme in's Gespräch. „In dem -ganzen frommen Gebäude ist doch sicher nichts Interessantes zu finden —" „So? Wissen Sie das so genau, lieber Hauplmann?" fragte der ältere Schelling dazwischen. „Sie sind doch noch zu kurze Zeit hier bekannt, um die hiesigen Verhältnisse jo kurzer Hand beurtheilen zu können. Ter Gottes- mauu hier aus Lubcnow hat etwas, das ihm Viele Menschen streitig machen werden: Eine bildhübsche Tochter!" Mit der Miene eines Menichen, der einen schönen Trumps ausgcspielt hat, lehnte sich der gut unterrichtete Herr in seinen Stuhl zurück, setzte das Monocle ein und wischte sich die Lippen. Es entstand ein großes Stimmendurcheinander. „Wo hat er das her?" — „Kann Jeder sagen — erst Beweise!" — „Wird nicht so schlimm sei»!" — „War gar »icht besonders hübsch vor drei, vier Jahren!" bis sich endlich die scharfe Stimme des jüngeren Schelling Bahn brach: „Na. in dem Punkt ist mein Herr Papa aber kompetent, pflegt auch nicht vorschnell zu urlheilen. Beichte 'mal, verehrter Vater! Da bin ich aber wirklich^ selbst neugierig! Cr hat mir nämlich von dieser Thatsache noch nicht 'ne Silbe mitgelheilt!" „Also erzählen, Herr von Schelling!" — „Schießen Sie los. lieber Nach bar!" — „Von wannen kommt Euch diese Wissenschaft ?" „Sehr einfach, — ich Hab' das Mädchen gesehen, wie ich neulich in der Residenz war!" „Nun sch' ein Mensch den alten Duckmäuser!" — „Und davon erfährt keine Seele ein Sterbenswort!" — Ja, weiß der Himmel, der kommt überall zu Maaß!" „Wie ich also in den letzten Tagen des März nach der Residenz hcrüber- gcfahren war, — ich hatte da nämlich zu thnn — Horst von Schelling ließ ein trockenes Hüsteln vernehmen und blinzelte Friedhelm mit dem linken Auge zu. „Hatte da also zu thun," wiederholte der ältere Herr uubesaugcii, „und ging natürlich des Abends häufiger in die verschiedenen Theater. Im Opern haus wurden Wagner's „Meistersinger" gegeben, — sehr gute 'Ausführung natürlich —" „Seit wann interessirst Du Dich denn eigentlich für Wagncr'sche Opern?" fragte der Sohn dazwischen. „Mein liebes Kind, der Mensch ist nie zu alt, um nicht noch Geschmack an einer Kunstrichtung zu gewinnen, die ihm in früheren Jahren nicht sym pathisch war. Wird Dir später auch noch so ergehen, denke an mich!" „Zur Ordnung!" betonte der Oberst. „Man unterbreche den Redner nicht und bringe ihn nicht durch Nebcnfragen vom Thema ab!" „In der kleine» Seltenloge, in weicher ich saß. waren außer mir nur noch sieben Personen vorhanden. Unter ihnen sielen mir alsbald zwei Damen aus. — eine ältere und eine sehr viel jüngere, und ich suchte zu erfahren, wer sic wären, da ich mich in der That für sie intereffirte." „'Auch für die ältere?" kounie sich Sylvester nicht enthalten, cinzuwcrseu „Auch für die ältere!" gab Herr von Schelling würdevoll zurück. „Sie hatte ein ungewöhnlich gescheidtes Gesicht, sah originell aus, — Haare kurz geschnitten. — Kneifer, — kam mir auch so meckwürdig bekannt vor —" „Aya!" „Aber meine Bekannten, die ich interpellirte, konnten mir nichts über die Damen sagen, ebensowenig der Esel von einem Logenschließer. Sie sprachen in den Pausen angelegentlich zusammen, aber so leiic, daß ich, der ich nicht 'mal dicht hinter ihnen iaß, fast nichts verstehen konnte. Sie schienen nur Leben hätt' ich sie nicht wieder erkannt! Wie sie aussah ? Gott» daS beschreibt ich schwer, — ich bin ja auch nicht so geübt in solchen Dingen —" Widerspruch von allen Seiten I Eine Zeit lang herrschte ein solcher Lärm, daß der Redner sich resiguirt in seinen Stuhl zurücksinken ließ und halb die Augen schloß. „Nein, Freundchen, das gilt nicht!" drang endlich der Oberst durch. „Sie sehen, wir Alle trauen Ihnen in dieser Beziehung die umfassendsten Kennt nisse zu! Also schützen Sie nicht länger faliche Bescheidenheit vor. sondern bekennen Sie Farbe, und rechtfertigen Sie das von allen Seiten in Sie gesetzte schöne Zutrauen!" Herr von Schelling sah nachdenklich in das geleerte Glas. „Was will das nun sagen, wenn man von einer jungen Dame behauptet, sie habe eine schöne Gestalt? Hauptsache ist doch immer, — nicht wahr? — wie sie damit umgeht. — ich meine, wie sie sich hält und trägt. — mit einem Wort, ob Grazie vorhanden ist. Nun, meine verehrten Herrschaften — hier war Grazie vorhanden, — ein heut' zu Tage selbst bei hübschen Mädchen ziemlich rarer Artikel. Nehmen Sic dazu ei» kleines, feines Köpfchen, zwei lrahlende, eigenthümlich schillernde blaugraue Alugen. ein feines Profil, ein sehr stolzes, sehr charakteristisches Mündchcn und einen Teint — ach, einen Teint," — er gcricth in Feuer, küßte seine Fingerspitzen und warf den Kuß in die Luft — „wie die duftigste, zarteste Knschblüthe so mattweiß, wisst» Sic, solch' eine pikseine, dabei gesunde Blässe, — nichts Marmornes, nict is Bleiches, sondern eben, — ach, das beschreibt inan cinsach nicht! Das sicht man und das empfindet man!" „Na," sagte Sylvester von Wintcrfeldt und strich seinen weichen, kleinen Lippcnbart mit zwei Fingern nach oben, „man wird ja hoffentlich Gelegen heit haben. Ihre Beobachtungen, mein weither Herr von Schelling, zu prüfen und, will's Gott, zu bestätigen. Sehr srominc Pfarrer sind wenigstens ver pflichtet, hübsche Töchter zu haben, und cS freut mich aufrichtig, daß daS in Rede stehende Individuum seine 'Ausgabe so gut begriffen hat. Mieze — Mieze. — klingt so kosig, so gcmüthlich, gar nicht nach 'ncr unnahbaren Gleischerjungsrau!" ' „So Hai sie auch nicht ausgeschen!" vcrthcidigte sich Herr von Schelling eistig. „Ich traue ihr sogar recht viel Temperament zu, aber leicht wird Der es nicht haben, der es bei ihr wecken will!" „Trifft das Juwel nicht schon morgen in Lnbenow ein?" fragte Hcde mit etwas spöttischer Betonung. „Jawohl, morgen 'Nachmittag!" bestätigte Christine. ..Woher weißt Tu denn das so genau ?" fragte Frau von Küster mit scharfer Betonung. „Frau Pfarrer Deinhardt lyst es mir erzählt!" lautete die gelassene Antwort. „Ich hoffe. Tu bist nicht hingcgangcn. Christy! Das wäre entschieden gegen meinen Wunich! Du mußt nur wissen, lieber Sylvester," — wandte sich die Dame an ihren Neffen — „es bestund in früheren Jahren eine Art Umgang, io ein zwangloser Verkehr zwischen uns und Psarrrcs: warum auch nicht, da es ia wirklich gebildete Leute sind ? Das hat aber auigchört, da sich eben verschiedene Differenzen eingestellt haben, die sich »icht gut ausgleichcn ließen. Ich gehe nur noch hi», wenn ich geschäftlich etwas- Wichtiges mit den Leuten zn erledigen habe, was sich schriftlich durchaus nicht abthu» läßt!" „Es wäre wünscheiiswertb. diesen Kriegszustand einstweilen^ aufzuhcbcii, io lange die reizende Mieze im Hanse ist!" schlug Horst von Schelling vor. und zu Hedes Acrger stimmte Sylvester mit einem lebhaften: „Ach ja, bitte!" bei. Friedhelm verhielt sich passiv. ^ „Na, wolle» sehe», was sich thnn läßt!" lachte der Oberst. „Ich für meine Person hätte nichts dagegen, — meine 'Angen sehen auch gern 'was Hübsches, und wenn das junge Mädchen uns Besuch macht, dann kann Rath dazu werden. Vor Allem soll 'mal der Gärtner morgen ein schönes Bouguet zurcchtmachen, Mamsell soll ne Sandtorte oder sonst 'was Gutes backe», — und das wird gegen Abend zum Empfang hingeschickt." „Viel zu viel Höflichkeit und Entgegenkommen, lieber Heinrich!" „Damit verwöhnst Du die Menschen blos. Papa!" „Liebe Kinder," — der Oberst setzte seine Herrschcrmienc ans. — „der gute Mann, mein Pfarrer, soll eben scheu, daß wir einen Unterschied zu machen wissen. Ihm würde ich i» meinem ganzen Leben keinen Kuchen und keine Blumen schicken, — und das weiß er recht gut! Gegen die weibliche über die Over zu reden und ungemein musikverständig zn sein. Beim Hinaus---^ » , ichi-- „„d in ie cm ebcmag. L ' dä e. acben bemerkte ick. daü iick, ein kleiner, alter Herr. der in, Parkett aeie cn 77"^ ^rnyardl avcr ycwe icy >»cyis. uno m >c»cin^"lsmaugen ^ wu,r,. gehen bemerkte ich, daß sich ein kleiner, alter Herr, der im Parkett gesessen haben mochte, ihnen anichloß, und ich hörte, wie sie davon sprachen, noch in den „Landesvatcr" zu gehen, um dort Abend zu essen. Ta es mir gleichgiltig war. wo ich ivupirte, so ging ich gleichfalls in den „Landesvatcr" und setzte mich in die Nähe der Damen!" „Ist das da ein hübsches Lokal und speist man dort gut?" fragte Friedhelm. „Es geht an, — nach meinem Geschmack Alles etwas zu solide, zu gediegen. Na. lassen wir das! Einen alten Bekannten traf ich aber dort an, der zwar meine zwei Damen auch nicht persönlich kannte, aber wenigstens wußte, wer sie waren: die ältere Dame Fräulein Charlotte Reimann, Haibichwester des Lubeuower Pfarrers Deinhardt. — die junge Fräulein Maria Deinhardt, des cbengenannten Pfarrers leibliche Tochter." „Wie sah sie denn nun eigentlich aus?" fragten Frau von Küster und Hede zu gleicher Zeit, und Letztere setzte hinzu: „Als Kinder haben wir ja viel zusammen gespielt, die Mieze und ich. aber damals sah sie so aus, wie hundert andere nette Mädchen auch!" „Das eben kann man jetzt nicht mehr von ihr behaupten!" entgegnete Herr von Schilling bedächtig, schluckte den Rest aus seinem Glase und wischte sich von Neuem sorgsam die Lippen. „Die hundert anderen netten Mädchen würden heute unfehlbar neben ihr verliere», — will sagen, sie würde sich mitten unter ihnen hervorheben. Aus Kindern werden eben Leute, mein liebes Fräulein Hedchen! Ich entsann mich ja selbst, die Mieze Deinhardt dann und wann gelegentlich hier in Lnbenow bei Ihnen gesehen zu haben, wenn sie auf's Schloß kam, mit Puppen zn spielen ... in meinem ganzen steckt mm 'mal der Kavalier, der vor Jugend und Schönheit die Waffen streckt !" „Bravo, lieber Oberst!" — „Gut gesprochen, Onkel!" Sylvester sah mit einem blitzschnelle», lächelnden Seitenblick ans Hede nieder, die bemüht war. ihren sehr nchtbaren Acrger niederzukäinpsrn. 'Auch Frau von Küster schien unzufrieden zu sein, sie verstand sich aber besser auf die Selbstbeherrschung, wie ihre Tochter. „Eine Erklärung sind Sie uns »och schuldig geblieben, mein bester Here von Schelling!" wandte sie sich scheinbar heiter gegen ihr rin-ü-vis. „Tie meinten, die ältere Dame sei Ihnen bekannt vorgckommen —" „'Allerdings, meine Gnädigste! Ich habe Fräulein Charlotte Rciinami einmal in Paris kennen gelernt!" „Das ist gewiß schon sehr lange her, nicht wahr?" fragte Hede mit harm loser Miene. „Da das Alter einer unverhcirathctcn Dame hierbei in's Spiel kommt, so möchte ich lieber keine nähere Auskunst crthcilcn!" versetzte der ältere „K lingsbera" gewandt. „Die meisten Damen lieben cs nun einmal nicht, das ominöse Wort „Aller" aussprechcn zu hören!" „Und manche Herren auch nicht!" murmelte Hcde» während ihre Mntm die Tafel aushob. (Foröetzun- r«»!>lrrt»i 1