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1. Beilage zum „Riesaer Tageblatt". Ra-llaiMdm« «» Berta« —a «anger t «»„«„,,» w -Mrd- «»»Mo,, ommMooRU«, «rthur - «hn«l tu «»,,». IS. Doaaerstag, IS. Jaauar 1911, abeadS. «4. Jahrg. Rede des Herrn Bürgermeisters vr. Scheider bei der Einführung der Stadtverordneten am 12. Januar 1S11. Meine hochgeehrten Herren! Wenn wir uns gewohntem Gebrauche gemäß heute hier eingefunden haben, um mit der Einweisung der! erneut gewählten Herren Stadtverordneten unsere ge meinsame Tätigkeit für unsere liebe Stadt Riesa zu be ginnen, so begrüße ich Sie hierzu alle mit dem herz lichen Wunsche, daß das neue Jahr für Sie alle und die Jhackgen, für unsere Einwohnerschaft wie für unsere Stadt ein Jahr reichen Segens werden, und daß unserer Arbeit der Lohn einer erfreulichen VorwärtScntivickelung unse res Gemeinwesens nicht versagt bleiben inögc. Den Herren, die durch das Vertrauen der Bürger schaft wieder in das Stadtvcrorductenkollegium berufen worden sind, rufe ich einen besonderen, herzlichen Will kommengruß zu und weise sie in ihre Aemter als Stadt verordnete Hiermit wieder ein. Beim Rückblick auf das vergangene Jahr und im Hinblick auf die ganz erhebliche Arbeitsleistung, die das neue Jahr von uns erheischt, darf ich gewiß die an Sie alle, meine hochgeehrten Herren, gerichtete Bitte aus- sprochem, bei unserer gemeinsamen Tätigkeit sich nur von dem Ihnen doch allen eigenen Gerneinsinn leiten zu lassen und alle Ihre Entschließungen lediglich in Rücksicht auf das allgemeine Wohl, welches allein zu fördern Sie wie ich berufen sind, zu treffen. , Möge das Verhältnis zwischen den beiden Kollegien und deren Mitgliedern untereinander bei aller Verschie denheit der Auffassung im Einzelnen im Allgemeinen doch iminer wie bisher von gegenseitiger Hochachtung und gegenseitigem Sichverstehen sowie von der festen Ueberzeugung getragen sein, daß jeder von uns der Stadt Bestes nach Kräften erstrebt, daß nur der in un getrübtem, herzlichen Einvernehmen geleisteten Arbeit die Kraft zu gesunder Borwärtsentwickelung unseres Gemein wesens innewohnt und daß auch nur solche Arbeit wahr hafte Befriedigung auszulösen , vermag. Möge das Vertrauen unserer Bürgerschaft unserem' redlichen Bemühen nicht fehlen; vor allem möge des Allmächtigen Segen auf unserem Arbeiten ruhen. — An Veränderungen innerhalb der städtischen Kolle gien sind im Berichtsjahre folgende vorgekommen: Herr Stadtrat Bretschncider, der seit März 1892 das Amt eines unbesoldeten Ratsmitgliedes bekleidet hat, trat zu Anfang dieses Jahres erneut bis Ende 1915 in das Ratskollegium ein. Neu eingetreten ist, und zwar eben falls auf die Zeit bis Ende 1915, Herr Stadtrat Schnauder. In das Atadtverordneten-Kollegium traten mit Be ginn des Berichtsjahres als auf die Zeit bis Ende 1912 wiedergewählt die Herren Schönherr, Bergmann, Langen- feldt. Keßer und Oswald Müller, als neugewählt die Herren Otto Müller (bis 1912), Richard Richter (bis 1911), Paul Müller und Roßberg (bis Ende 1910) ein. Auch in unserem Beamtenkörper sind verschiedene Veränderungen vor sich gegangen. Durch den Tod wurde uns in Herrn Sparkassenkasjierer Schuster am 5. Mai 1910 ein treuer Beamter entrissen. An seine Stelle trat Herr Kchsenkontrolleur Reißbach, dessen Amt Herrn Stadtkassenbuchhalter Lcutert übertragen wurde. Herr Kaschitzky wurde aus dem Gas- und Wasserwerk in des letzteren Stelle berufen. Zum Buchhalter des Gas- und Wasserwerkes wurde Herr Weichelt gewählt. In die ab 1. Oktober 1910 neu errichtete Stelle eines Steuerkassen- Registrators trat Herr Kontrolleur UhlMann aus Lengen feld ein. Durch die mit dem 1. April 1910 durchgesührte Abschaffung des veralteten Institutes der Wachmänner machte sich die Anstellung von vier weiteren Schutz leuten nötig, eine Maßnahme, die sich völlig bewährt hat. An Stelle des noch immer erkrankten Schuhmanns Frauendorf mußte auf Zeit 1 Hilfsschutzmann eingestellt werden. Was die wirtschaftliche Lage im Berichtsjahre an langt, so kann man wohl im Großen und Ganzen sagen, daß das Jahr gehalten hat, waS man von ihm erwartete. Inlands- wie Auslandsgeschäft in Handel, Industrie und Bankwesen haben gegenüber dem Vorjahre eine Steige rung erfahren und der gleichfalls nicht unerheblich ge steigerte Güterverkehr auf den deutschen Dahnen deutet auf eine Aufwärtsbewegung unseres Wirtschaftslebens ebenso hin wie die befriedigende Ernte, die, wenn auch teilweise zivischien Donner und Blitz, Hagel und Regen cin-'.itragen, der deutschen Landwirtschaft vergönnt gc- wrseu ist. Freilich wäre die Lage wohl noch wesentlich günstiger geworden, wenn nicht durch große Ausstäfnde und Aussperrungen unser Wirtschaftsleben schweren Stö rungen und Schädigungen ausgesetzt gelvesen' tväre. Wie schwer solche Schädigungen sind, haben wir gelegentlich der LouarbeiterouSsperrung, die viele Wochen des Bc- richt-jahreS hindurch andauerte, ja auch in unserer Stadt empfunden, wenn zur Zeit auf den meisten Gebieten des Wirtschaftslebens die Aussichten für das begonnene Jahr nicht ungünstig sind, so wollen wir nur wünschen, daß diese Hoffnungen nicht fehlschlagen. Der Elbumschlagsverkehr, über welchen genaue Zah len Ku erhalten, mir leider bis heute nicht möglich ge worden ist, hat sich im Allgemeinen auf der Höhe des Vorjahres erhalten. Ein Ausfall gegenüber dem Vorjahre wird aber im Getreide-Import wohl festzustellen sein. Die Bautätigkeit hat im Berichtsjahre naturgemäß auch! bei uns durch die bereits.erwähnte Bauarbeiter aussperrung gelitten. Wenn sie trotzdem etwas reger ge wesen ist als im Vorjahre, so kann dies immerhin noch nicht zufriedcnstellen. Demgegenüber möchte ich aber mit Befriedigung auch an dieser Stelle des Umstandes ge denken, daß wir den industriellen Unternehmungen un serer Stadt durch die Errichtung einer Glasfabrik seitens des Herrn Enril Menzel ein weiteres Glied angesügt sehen können. Sie werden sich gern mit mir in dem Wunsche zusammenfinden, daß dieses junge Unternehmen zu kräf tiger Blüte sich entfalten möge. Betonen muß ich auch dieses Jahr wieder, daß dem bestehenden Mangel an Wohnungen, insbesondere auch an Kleinwohnungen, noch nicht abgeholfen worden ist. Hier ist noch große Hilfe nötig. Der hiesige Spar- und Bau verein will an seinem Tieile und nach seiner Kraft gern auch weiter mit dazu beitragen, diesem Mangel zu steuern und hat zu diesem Zwecke bereits im Berichtsjahre ein 41/2 Acker großes Areal an der Pausitzer Straße erworben. Aber er bedarf zur Durchführung seiner Pläne auch der anderwärts gern gewährten Mithilfe der Gemeinde, die ja an Beseitigung des beregtcn Mißstandes das vitalste Interesse hat. Sie, meine hochgeehrten Herren Stadt verordneten, werden darüber, ob Sie dem Vereine diese Hilfe gewähren und damit seine Tätigkeit fördern wollen oder nicht, in allernächster Zeit sich zu entschließen haben. Ich hoffe in dieser Beziehung das Beste; denn daß „die Gemeinde- an die Spitze der Wohnungsreform gehört", habe ich kürzlich zu meiner großen Freude auch in einem Artikel einer hiesigen Zeitung gelesen, die auch, das Or gan des hiesigen Hausbesitzervereins' ist. Man darf also wohl annehmen und dankbar anerkennen, daß auch in Riesa die Herren Hausbesitzer einer „volkstümlichen, weit süchtigen Wohnungspolitik der Stadtgemcinde" freund lich gegenüber zu stehen breit siud. Den Herren, die den Artikel übersehen haben soll ten, empfehle ich dessen nachträgliche freundliche Beach tung. Er ist übrigens auch in anderen Zeitungen ab gedruckt gewesen und gibt Auslassungen des Ulmer Ober bürgermeisters wieder. Unsere Finanzen haben sich auch in dem Berichts jahre weiter günstig entwickelt. Insbesondere haben wir den Grundsatz, Fonds zu bilden, um damit die sonst un vermeidlichen Stöße auf die Gleichmäßigkeit unseres Budgets abzuwehren, uns noch mehr wie bisher zu eigen gemacht durch Begründung eines Pensionsfvjnds' und eines Atrahenpflasterfonds, sodaß wir außer über den Sparkasseirreservefonds in Höhe von etwa 920000 M. im laufenden Jahre über Betriebsfonds von insgesamt rund 544 000 M. verfügen können. Wenn wir bei Aufstellung des Haushaltplanes den Anlagen-Dedarf der Stadthaupt kasse für 1911 um 22000 M. höher einstellen mußten als für 1910, während wir für Schul- und Armenkasse weniger brauchen, so habe ich Ihnen die Gründe hier für bei Beratung des Haushaltplanes schon angegeben (Pensionsfonds, Tälonsteuer, Bezirkssteuer, Pflasterfonds usw.). Ebenso hatte ich Ihnen schon angedeutet, daß wir hoffen dürfen, auch in diesem Jahre wie in den vorher gehenden mit einem müßigen Steuerzuschlage auszu kommen. Das schuldenfreie Vermögen der Stadt ist von 3025075 M. Ende 1908 auf 3508612 M. Ende 1910 ge wachsen. Nach diesen mehr allgemeinen Ausführungen wollen Sie niir noch einige in's Einzelne gehende Mitteilungen gestatten: Daß der Umfang der zu erledigenden Verwaltungs geschäfte auch im verflossenen Jahre wieder gewachsen ist, geht daraus hervor, daß die Zahl der Registranden- nummern trotz verschiedener, aus Geschästsvereinsachung und Abminderung der Negistrandeneinträge abzielender Anordnungen bei den 23 Rcgistranden (darunter 7 Kvn- tenrcgistranden) um rund 600 gewachsen ist, Md daß nach dem Ortsbuche und dem Postbuche rund 2000 Sachen mehr zum Abgang zu bringen waren als im Jahre 1909. Das Ratskollegium erledigte in 47 Sitzungen 1570 Beratungsgegenstände, das Stadtverordnetenkollegium in 19 Sitzungen 205 Sachen. In 4 gemeinschaftlichen Sitz ungen des Nates und der Stadtverordneten wurden vier Gegenstände behairdclt. Außerdem haben 97 Ausschuß sitzungen init 623 Beratungsgegenständen stattgefunden. Für die außerordentlich umfängliche Arbeit, die hier nachwieder von den im Ehrenamt stehenden Herren Rats mitgliedern und Stadtverordneten zu leisten gewesen ist, an dieser Stelle wärmsten Dank zürn Ausdruck zu bringen, ist mir eine besonders angenehme Pflicht. Die am 1. Dezember 1910 stattgefundene Volks zählung brachte uns eine freudige Ueberraschung durch die Feststellung von 15253 Einwohnern, nämlich 8450 männlichen und 6803 weiblichen. Eine freudige Ueberraschung muß man dieses Ergebnis, meine ich, des wegen nennen, weil die hier bestehende chronische Woh nungsknappheit die Hoffnung aiis ein wesentliches Wachs tum eigentlich darnieder gehalten hatte. Die Zunahme liegt hauptsächlich in den letzten 2Vs Jahren. Gegenüber der fortgeschriebenen Bcvölkerungszisfer vom 31. Dezem ber 1909 beträgt der Zuwachs 380 Personen. Die bei der Volkszählung festgestellte Zahl der selbständigen Haus- haltpngen betrug 3336. Das Bürgerrecht haben 1910 47 Personen er worben gegenüber 64 im Jahre 1909. Im Standesamt wurden im Jähre 1910 beur kundet: 426 Geburten gegen 424 im Jahre 1909, 123 Aufgebote gegen 109 im Jahre 1909, 125 Eheschließungen gegen 106 im Jähre 1909, 216 Siterbefälle (darunter 40 im Krankenhaus) gegen 269 (darunter 44 im Kranken haus) im Jahre 1909. ' Die Zahl der im ersten Lebensjahre gestorbenen Kinder betrug 47 gegen 83 im Jahre 1909. Das Gemeindeanlagensoll betrug 1910 242 581 M. 83 Pf. gegenüber 203185 M. im Jahre 1909. Die Reklamationen gegen die Anlageneinschätzungcn sanken im Berichtsjahre auf 145 von 179 im Jahre 1909. Das Ata«tsein kvmm enste uc rsoll dcS Jah res 1910 betrug 236 461 M. gegenüber 216997 M. im Jahre 1909. Das Steuersoll für die Ergänzungssteuer betrug 15186 M. gegenüber 14187 M. im Jahre 1909. Ferner wurden 1910 erhoben an: Staatsgrundsteuer 9479 M. gegenüber 9342 M. im Jahre 1909, Brandvers.- Beiträgen 26 431 M. gegenüber 25 538 M. im Jahre 1909. Auf den Grundstücken der gesamten Flur ruhen zur Zeit 235222 Steuereinheiten (1909 : 232061), die Brand versicherungswertsumme der Gebäude in der Stadt be trägt zur Zeit 24 441930 M. mit 1018 372 Bcitragsein- hcitcn (1909 : 23915 320 M. mit 993 603 Beitrags einheiten). Zahlungsaufforderungen brauchten nur 4338 erlassen zu werden, gegenüber 5090 im Jahre 1909. Man hat also im Berichtsjahre seiner Steuerpflicht im allgemeinen wesentlich bereitwilliger entsprochen als im Vorjahre, was wir zusammen mit dem Rückgänge der Reklamationen als eine erfreuliche Erscheinung begrüßen können. Auch das städtische Bollstreckungsamt hat im Jahre 1910 wesentlich weniger Aufträge (nämlich 2437) zu er ledigen gehabt als 1909 (2739). Dieser Rückgang um 312 trotz des nicht unwesentlichen Steigens aller Steuersoll- sumnien läßt einen günstigen Schluß auf die Steucrkraft der Stadt sowohl wie auf das maßvolle Walten der die Einschätzung besorgenden Organe zu. Die Besitzveränderungsabgaben haben entsprechend der Besserung der Verhältnisse auf dem Grundstücksmarktc eine steigende Tendenz gehabt. Es konnten im Jahre 1910 14 764 M. bei 67 Eigcntumsübertragungen vereinnahmt werden, während die entsprechendem Zahlen im Jahre 1909 sich auf nur 8953 und 41 beliefen. Die Hundesteuereinnahme wuchs von 3356M, im Jahre 1909 auf 3425 M. Die Biersteuer brachte nur 9680 M., dagegen im Jahre 1909 noch 10100 M. An Kosten bezw. Gebühren einschl. Strafgel dern wurden vereinnahmt 11496 M. gegenüber 10250 Mark. Die Schulgelder stiegen bei der Volksschule von 40960 M. im Jahre 1909 auf 42 680 M., beim Rcal- pro gymnasi um von 33600 M. im Jahre 1909 aus? 37 029 M. Die Schlachthofs gebühren betrugen 56 590 W, (gegenüber 51 083 M. im Jahre 1909). Der Wass erzinS stieg von 43411 M. (im Jahre 1909) auf 44 200 M. Dagegen sank hauptsächlich infolge der Einführung des 8 Nhr-Ladenschlusses die Gaszinseinnahme von 31337 M. im Jahre 1909 auf 30 700 M. An Veteranen-Fürsorge wurde Folgendes geleistet: 12 (11) ehemalige Kriegsteilnehmer erhielten (Verlags- weise für das Reich) je 120 M. Ueberdies gewährte die Stadtgcmeindc aus Anlaß der 40. Wiederkehr des TageS von Sedan an 62 Veteranen am 2. September je 25 M. Ehrensold, also insgesamt 1550 M., und an die Kämpf- genossenvereinigung an von 12 Veteranen nhcht erhobe nen Ehrensold 300 DL. Baupolizeiliche Entschlietzungeu waren im Jahre 1910 zu fassen 482 gegenüber 407 im Jahre 1909.