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7. Iah..iaug Nr. 38. Sonnabend den 13. Februar IV08 «erben die «gestialt. PettlzeUe ob deren Raum mtt lk ekta«en mit die ßetle berechn., bei Wtederb- bedrut.Rabai vu^imlkeret. Rebaktto« »nd Geschäft-steiler Dre-de« dtlluttz^r «tea«re 4». — Fernsprecher Nr. IS«. I Unabhängiges Tageblatt snr Wahrheit, Recht ».Fkkihkit > rrUÄeln'. iäqltch riavirv. m.! e.udü^hme der Senn- und ifeNtauc- kirruxr: v»^ie . f<i> I »»<» ^ -«chne Bestrüg-ldl, für Qe'ier« ! ei-^ ü »> ü:-i d. Bei a a P»IIan!laUen I gettuiizS?rcl?I!lli- e«r ! r»in»l'in!>nun>'r !» Pi ^ed»kriünk.Trk»cr!'«l!nl> tt »' ». Die Generaldebatte über den Entwurf eines Kirchen- und Schulsteuergesehes- Jn den Sitzungssaal des neuen Landtagsgebäudes flutet das Tageslicht ungehindert. Keine schmalen Fenster verwehren ihm mehr den Eingang, wie es im alten Stände haufe der Fall war. Auch schien es uns manchmal, als ob ein liberalerer Geist — im wahren Sinne genommen — dort herrschen würde. Der jetzigen Regierung können alle fortschrittlich gesinnten Männer — auch wieder im guten Sinne gesprochen — das Zeugnis ausstellcn, daß sie die Führung übernommen hat, um die Ständekammer auf die freien, lichten Höhen des modernen Kulturfortschrittes zu bringen. Wir erinnern nur an den Wahlreformentwurf: zur Ebnung der Schwierigkeiten besonders im konservativen Lager mutzte die Regierung ihren ganzen Einfluß aufbieten und eine Art Mittelpartei protegieren, um die Freunde alt- erbgesessener Rechte zu überzeugen, daß es ihr mit der Durchdringung des Kernes der Vorlage wenigstens bitterer Ernst ist. Ob und wie weit die Kommissionsorbeiten dies bezüglich gediehen sind, das entzieht sich der Kenntnis der Oeffentlichkeit, da ein dichter Schleier über die werdende Gestalt der Wahlreform gelegt ist, den zu durchdringen wir nicht in der Lage sind. Wir fassen uns in Geduld und hoffen das Beste. Das ist ja die Verpflichtung eines jeden ordentlichen Staatsbürgers, der auf die Energie seiner Re gierung volles Vertrauen setzt. Dem Kultnrfortschritt zu vcrsucht die Negierung Sachsens Staatsbürger auch auf dein Gebiete der konfessio- nellen Gesetzgebung zu führen. Die Landesstände haben wiederholt eine Reform der bestehenden Parochial- l a ft e n g e s e tz ge b u n g vom 8. März 1838 für nötig an erkannt. In der Thronrede vom 26. Oktober 1905 wurde bereits eine solche angekündigt. Petitionen von seiten des kath. Bürgervereins in Dresden und der Schulbehörden der Erblande waren wiederholt Gegenstand der Beratung im Hause und gaben der damaligen Negierung Gelegenheit, ausdrücklich die Mängel des Parochiallastengesetzes anzu erkennen, welches bestimmt, daß zu den Lasten der konfessio nellen Mehrheit der ganze im Gemeindebezirke gelegene Grundbesitz, also auch der Grundbesitz der konfessionellen Minderheit, beitragspflichtig sein soll. Auch die Abgaben bei Besitzveränderung, ebenso von juristischen Personen, fallen nur der Kasse der Mehrheit zu. Diese Bestimmungen treffen ganz vornehmlich die Katholiken, weil sie in den Gemeinden der Erblanden überall die Minderheit bilden und in der Oberlansitz nur in einigen Orten eine Mehrheit besitzen. In dem der Zweiten Kammer von der Regie- , rung unterbreiteten Entwürfe eines Kirchen- und ? Schulsteuergesetzes sind diese drückenden Bestimmungen aufgehoben, so daß in Zukunft die konfessionelle Minderheit nicht mehr zu den Kirchen- und Schul- lasten der Mehrheit beizutragen haben würde. Der Ent wurf trägt noch die Unterschrift des verstorbenen früheren Kultus- und Unterrichtsministers von Schlicken, der sich damit ein Denkmal jener Gereechtigkeitsliebe gesetzt hat. die er stets in seinem Leben betätigte. Und Se. Erzellenz der Herr Kultusminister übernahm das Vermächtnis seines Amtsvorgängers, wie er sagte, um die „Ungerechtigkeit der veralteten Parochiallastengesetzgebnng ans der Welt zu schaffen". Derselbe Gesetzentwurf bringt der evangelischen Lan deskirche auch die Erfüllung mancher längst gehegten Wünsche. Vor allem nennen wir die Selbständigmachnng der Kirchengemeinden auf finanziellem Gebiete, indem ihnen die volle Selbstverwaltung eingeränmt und sie von der Schule getrennt werden. An zweiter Linie nennen wir das Aufgeben des Patronats- und Kollatnrrechtes über die evangelischen Kirchgemeinden von seiten jener katholischen Besitzer, die es bisher besaßen. Die Landessynode vom 29. Oktober 1906 bezeichnete die Aushebung des Patronates Andersgläubiger als wünschenswert. Die Negierung nennt in der Begründung des Gesetzentwurfes die Anzahl der in katholischen Händen befindlichen Patronate nicht. Es dürf- ten aber immerhin annähernd 100 Kirchgemeinden sein, die in den Erblanden und der Oberlausitz katholische Patronatsherren haben. Abgeordneter Pastor Starke suchte diese freiwillige Gegenleistung von katholischer Seite als eine ideale zu bezeichnen, die zu dem materiellen Vorteile für die Katholiken nicht im Verhältnis stehe. Wir erinnern den Herrn nur an die Klagen, wenn eS einmal ein katho lischer Patron als seine Pflicht betrachtet, bei Besetzung der Seelsorgerstelle auch für einen gläubigen Pastor Sorge zu tragen und den auf liberalen Boden stehenden nicht zur Mahl dorznschlagen. Das ist doch wohl ein sehr reeller Einfluß, den der Patronatsberr aufzugeben sich entschließt. Der Evangelische Bund hat erst im vorigen Jahre diesbe- zügliche Resolutionen gefaßt und anerkannt, wie schmerz lich er es sieht, daß ein Andersgläubiger Patron einer elxiilgelischen Kirchgemeinde ist. Der Abgeordnete Kockel, der einzige Katholik in der Zlveiten Kammer, rief der Län- desboten zu: „Jetzt haben Sie die Erfüllung Ihrer sehn- licken Wünsche auf dem Präsentierteller. Sic brauchen bloß dem Negierungsentwurfe zuzilstiinmöu!" In der Begründung des Entwurfes suchte der Herr Kultusminister den Einwand abzuschneiden, die Kirchen- und Schulsteuergesetzgebung sei mit der Regelung der Ge meindesteuerreform in Verbindung zu behandeln. Im Na- men der Regierung erklärte er, daß fortdauernd die Absicht bei ihr bestehe, drei Steuerreformentwürfe vorznlegen, je einen betreffend die Gemeindesteuern, die Kirchen- und Schulsteuern und die Grundsteuer. Eine ganze Reihe von Vorschriften in den heute vorgelegten Entwürfen solle dem Zwecke dienen, ini Interesse des einzelnen Steuerzahlers einen möglichst engen Anschluß der Schulsteuecn an die poli tischen Gemeindesteuern herbeizuführen, so namentlich die, daß grundsätzlich die Schulgemcindevertretnng den von der politischen Gemeinde benutzten Stenerfuß wählen soll, daß der politischen Gemeindevertretung das Recht znsteht, zu der Stenerordnung der Schulgemeinde Zustimmung zu er teilen oder zu versagen, und daß überhaupt die Gemeinde- steuergesetzgcbung in wesentlichen Bestimmungen sinngemäß auf die Schnlsteuern verwendbar sein soll. Diese Grund sätze sollten weiter auch für die Kirchensteuern gelten. Wenn die Negierung die Reform der Kirchen- und Schnlsteuern vorweg genommen habe vor der Reform der Gemeindesteuer und der Grundsteuer, so seien die Gründe meist praktischer Art. Die jetzigen drei Entwürfe ständen mit den beiden anderen Neformentwürsen nicht in direktem Zusammen- lwng, sie wollten ja keine finanzpolitischen Grundsätze fest legen: denn Grundsteuer, Wertzuwachssteuer, Steuerpro- grcssion nsw. blieben hier außer Betracht und völlig den Ge meinden überlassen. Komme ein Gesetz über die Gemeinde- steuerreform zu stände, so sei durch die Fassung der jetzigen Entwürfe dafür gesorgt, daß seine Grundsätze ohne weiteres auf die Kirchen- und Schnlsteuern Anwendung fänden. Nach Mitteilung des Ministers des Innern beabsichtigte dieser, dem nächsten Landtage einen Entwurf über die Gemeinde- steuerresorm vorzulegcn. Da aber nicht gesagt sei, ob er schon im nächsten oder infolge Verweisung an eine Zwischen deputation erst im übernächsten Landtage Gesetz werde, auch die jetzt cingebrachten Entwürfe noch der Zustimmung der Synode bedürften, so seien sie schon jetzt vorgelegt worden, um ihre Verabschiedung zu erleichtern. Der innere Grund für ihre Einbringung sei die Beseitigung der Ungerechtig keiten, die sich aus dem Parochiallastengesetze ergeben haben und die beseitigt werden sollten. So bündig und klar die Begründung tvar, so ließen sich die Parteiredner doch nicht in ihrem Konzept irre machen und betonten immer wieder, sie ständen nnt ihren Polit. Freunden auf dem Standpunkte, daß die Behandlung in Verbindung mit der Gemeindesteuerreform notwendig sei. Sowohl der Abg. Opitz, wie der nationalliberale Dr. Vogel erklärten dies. Vizepräsident Opitz brachte außer dem eine „ganze Legion Schwierigkeiten" vor. Er gab wobl im Namen seiner Partei zu, daß der Grund für den Ent- > Wurf in gewissen Härten des geltenden Gesetzes gegen die katholischen Glaubensgenossen liege. Trotzdem aber werde sie nur unter der einen Bedingung für den Entwurf zu haben sein, daß nämlich die für die Katholiken heraussprin genden Vorteile nicht ausgewogen würden durch erhebliche Nachteile für die evangelische Kirche. Zwar habe die Ne gierung 30 000 Mark vorgeselxm zur Entschädigung ärme rer Kirchgemeinden für den Ausfall, aber Redner meint, daß der Schaden viel größer sei, als die von der Negierung ini Entwürfe angegebene Summe von 57 000 Mark: das sei nur eine oberflächliche Schätzung. Kultusminister Dr. Beck widerlegte diesen Angriff auf die Regierung mit der prä zisen Erklärung, daß die Ziffer nicht auf Grund einer ober flächlichen Schätzung, sondern gewissenhafter Erhebungen , im Jahre 1901 gewonnen wurde. — Der Abgeordnete Opitz meinte auch, es sei schmerzlich, auf der einen Seite das Wohlwollen der Staatsregierung gegen die katholische Kirche zu sehen und dabei empfinden zu müssen, daß die evange- lische Kirche nicht in demselben Verhältnisse wohlwollend behandelt worden sei. Das begründete er mit einer wün schenswerten Gehaltsaufbesserung der evangelischen Geist lichkeit, die jährlich ungefähr 200 000 Mark aiismachen würde. Hiervon könnten 50 000 Mark durch Besteuerung von Pfründen gedeckt Norden. Der Kultusminister antwor tete, er sei gern bereit, der Frage der Regelung der Be- soldungsverhältnisse der evangelischen Geistlichkeit nahe zu treten, obwohl er st 1906 eine Neuregelung statt gefunden habe, und den Wünschen entsprechend eine Vorlage zu befürworten, durch welche die Einkommensverhältnisse der Geistlichen in daS richtige Verhältnis gebracht würden. Die preußische Zentrumsfraktion hält an dem Grundsätze fest, sich in die Angelegenheiten der Landeskirche nicht ein zumischen. Auch wir tun es nicht. Wir l)aben keine Veran lassung, zu Prüfen, ob der Mindestgehalt 2100 oder 2500 Mark betragen soll, und freuen uns, lvenn die Geistlichen ihrer akaademischen Bildung entspreck^end besoldet werden. Se. Exzellenz der Herr Finanzminister Dr. von Rüger liatte es leicht, den Vorwurf des Vizepräsidenten, daß die Regierung für die evangelische Landeskirche zu N-enig tue, durch Anführung der Beitragssunuuen zu widerlegen: dar nach erhalten die evangelisck^en Kirchen jährlich drei Millio nen Mark, während der katholischen Kirck>e bloß 115 000 Mark zngewendet werde. Ohne diese Zahl in Bezug auf ihre Zusammensetzung einer Nachprüfung unterziehen zu wollen, lveisen wir dar auf hin, daß durch eine Regelung im Sinne des Negie rungsentwurfes die Notwendigkeit eines großen staatlicheil Zuschusses entfallen würde. Wir kommen auf diesen Punkt später noch einmal zurück. Kultusminister Dr. Beck hatte in seiner Begründung auch hingewiesen auf die Nachbarstaaten, die ebenfalls den Grundsatz Hochhalten, daß Andersgläubige zu den Abgaben für die evangelisä)en Kircl>en- und Schulzwecke nicht heran gezogen Norden sollen. Darauf erwiderte Vizepräsident Opitz, daß in Oesterreich die Andersgläubigeil ausnahmslos ! für die katholischen Kirchen herangezogen würden. Der Herr Abgeordnete befindet sich hier in einem Jrrtume. In Oesterreich gibt es nur allgemeine Staatssteuern, keine kon fessionellen Steuern für Kirchen und Schuleil. Die öster reichischen Protestanteil können also speziell nicht für die Be dürfnisse der katholischen Kirche und Schule herangezogen werden. In Sachsen ist das Gegenteil der Fall. Hier wer den die Abgaben ans dem katholisck>en Grundbesitze, den Besitzveränderungen und katholischen juristischen Personen direkt den evangelischeil Kircl)en- und Schulkassen zugeführt. Die österreich. Volksschulen sind überhaupt lnterkonsessio- nell. Wenn Herr Opitz uns eiunxmdet, daß aber aus den allgemeinen Staatssteuern konfessionelle Bedürfnisse be stritten werden, weisen wir auf den Neligionssonds hin. ! Aus diesem allein nx'rden die Bedürfnisse des katholischen Kultus und des Klerus gedeckt. Was ist aber der Neligions- sondS? Das unter Kaiser Joseph ll. konfiszierte Vermögen der aufgehobenen Klöster, vermehrt durch die hohen jähr- lickx'n Abgaben von dein Vermögen der Kirchen, Klöster und Pfründen. Aus diesem Neligionssonds bestreitet der Staar die Zuschüsse zu den Gehältern ärmerer Kirckx'ii, deckt die Regie und Barauslagen nsw. In der Begründung dieses Gesetzes über den Neligionsfonds vom 7. Mai 1871 lehnt der Staat ausdrücklich jede Verpflichtung als paritätisck>er Staat ab, die katholischeil Bedürfnisse aus der Staatskasse zu decken, und schrieb datier Steuern auf das dem Kirchen- vermögen entsprechende Einkommen aus. Ein Vermögen von 10 000 Kronen zahlt jährlich 50 Kronen, ein Vermögen von 800 000 Kronen jährlich 8000 Kronen Beitrag an den Neligionssonds. Herrn Abgeordneten Opitz können wir Nxüter Mitteilen, daß die Pfründen, die in Sachsen steuerfrei sind, wie er uns selbst mitteilt, in Oesterreich sehr scharf herangezogen werden. Wie streng die Parität in Oesterreich gewahrt wird, möge man daraus ersehen, daß eine politische Gemeinde nicht das Recht bat, aus ihrem Einkommen katholische Kir chenbauteil aus konfessionellen Gründen zu errichten oder zu subventionieren, sobald ein andersgläubiges Gemeinde- mitglied dagegen Protest erhebt. Wir erinnern nur an Wien, wo der Jude Sebastian Brunner vom Oberlandes gerichte in einer Klage gegen die Stadtgemeinde recht be hielt, weil diese in einem Arbeiterviertel der Stadt auf eigene Kosten eine Kirche bauen wollte. Der EinNxind. daß das katholische Oesterreich voll Andersgläubigen für katho lische Kirchenbedürfnisse Stencrgcld verwendet, ist also in dem voll Herrn Abgeordneten Opitz angeführten Sinne hinfällig. Die beiden konservativen und nationalliberalen Red ner. Opitz und Dr. Vogel, empfahlen offenbar der Regie rung zu Liebe eine gründliche Beratung der Vorlage in der Gesetzgebungsdeputation, aber sie lehnten eine Erledi- ^ gung der Vorlage in dieser Landtagssession mit ziemlich ! klaren Worten ab. Letzterer Redner begründete dieses Hin- auSschieben durch die NotNxmdigkeit, daß das Kirchengesetz, Nxllches mit dem Entwürfe des Kirchen- und Schulstenerge- setzes zugleich zur Beratung vorgelegt worden ist. erst noch der Zustimmung der evangelisck>en Landessynode bedürfe, diese aber erst nach vier Jahren wieder tage, man habe daher noch im nächsten Landtage Zeit, eine gemeinsame, vollstän dige Reform der ganzeil bierkler gehörigen Gesetzgebung eintreten zu lasten. Wenn nur das Kirchengesetz der Zu stimmung der Landessynode bedarf, so könnte doch daS Kir chen- und Schnlsteuergesctz schon in dieser Session der Er ledigung zugeführt tnerdcn. Der konservative?kbgeordncte Herr Behrens zeigte