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Erscheint Dte«»ta-, Donnerstag und Sonnabend abends mit dem Datum deS folgenden Tages, v-,«--Preis r Vierteljährlich 1 Mt. SS Pf-, (ohneBestellgeld). Post-Bestellnummer 659b». bei außerdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-Preisliste. Kinzeknurnrrrer 10 Unabhängiges Organ für Wahrheit, Areiheit und Hlecht. Neaaktisn vnL SrrchLMrtelle: vrerLei». ?Nlniirer Zttarre 4Z. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzcile oder deren Raum mit 1v Pfg» berechnet, bei mindestens 9maliger Wiederholung Rabatt. Bestellungen hierfür nehmen an.: Heschästsstelle Zktllniher Straße 4L, sowie die Buchdruckerei von Awin Nache, Ziegelstraße 18, Fernsprecher Nr. 3702. Nr. 4«. Wgen des auf Sonnabend fallenden hohen kirchlichen Feiertages erscheint die nächste Nummer erst am Diens tag abend. Für November und Dezember kann die dreimal wöchentlich erscheinende „Sächsische Wolkszeilung" bei jeder Postanstalt für 84 -Mk (ohne Bestellgeld) abonniert werden. Wir bitten unsere Leser, in Bekanntenkreisen für die weitere Verbreitung unseres Unternehmens nachdrücklichst tätig zu sein. Für die bisherige Mitarbeit und Tätigkeit sagen wir allen unseren Gesinnungsgenossen den herzlichsten Bank. von sleitag. Len 24. Oktober an. befindet sich die Redaktion und Geschäftsstelle unseres Blattes Villnitzer Straße 43. Bestellungen von Inseraten, geschäftliche und redak tionelle Sendungen und Zuschriften bitten wir von genanntem Tage an dorthin gelangen zu lassen. Redaktion und Geschäftsstelle der ^Sächsischen ValksMLung". Allerheiligen — Allerseelen. Jnteressenpolitik! Das ist die Anklage, die man heute im öffentlichen Leben so häufig hören muß. vielfach mit Unrecht, nur zu oft aber auch mit vollem Rechte. Mit Unrecht, wenn eine hart bedrängte Volksschicht, die — sei es nun auf dem Lande oder in den Städten — hart um ihre Existenz ringen muß und nun sich abmüht, um wieder bessere Lebensbedingungen und größere Sicherheit für die Zukunft ihrer Familie zu erlangen. Mit Recht aber erhebt sich jene Anklage gegen diejenigen, die. mögen sie noch so sehr vom äußeren Glücke begünstigt sein, doch immer weiter jagen und drängen, unbekümmert um die Gebote der Liebe und Ge rechtigkeit, rücksichtslos ihre Nebenmenschen zur Seite werfend, kalten Herzens über das Los derjenigen, die bei dieser wilden Jagd nach einem falschen Glücke zu Boden gestoßen und zer treten werden. Nur zu sehr ist leider dieses Hasten und Jagen, diese rücksichtslose Verfolgung der eigenen materiellen Interessen die Signatur unserer Zeit. Man hat sie — oder genauer die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts — das materia listische Zeitalter genannt. Heute scheinen wir freilich einem Wendepunkte nicht mehr so fern oder doch in einem Übergangsstadium uns zu befinden. In der Wissenschaft, in der wahren Wissenschaft hat der platte Materialismus ab gehaust, und nur ein ärmliches Epigonentum verteidigt noch die von Größeren überkommenen Götzenbilder gegen wirklich Freitag, den 31. Oktober 1902. freie und weitblickende Geister, die zur Erkenntnis gelaugt sind, daß der Materialismus, der allzu lange sich als der Weisheit höchsten Schluß preisen ließ, tatsächlich nur eine Verkümmerung des menschlichen Denkens, ein Blei gewicht für die Entfaltung und Aufwärtsentwickelung jeder echten Wissenschaft darstellt. In der Literatur, in der Kunst ist der Bankerott des materialistischen Naturalismus eine nicht mehr hinwegzulcngnendc, von den Modernsten der Modernen selbst anerkannte Tatsache. Auch in der Politik macht sich immer mehr ein Sehnen nach Befreiung von dem Übermaße und der Alleinherrschaft der materiellen Interessen geltend. In der Sozialdemokratie sogar sucht man nach einer neuen philosophischen Grundlage des Systems, einer neuen Religion, wobei freilich der Haß gegen das Christentum die Suchenden in die Irre führt und zu den absonderlichsten Vorschlägen gelangen läßt. Ebensowenig ist natürlich auch in den anderen Volks schichten, in den gelehrten und gebildeten Kreisen, sofort das Finden des rechten Weges aus der Wüste des Materialismus zu erwarten. Noch mancherlei Irrwege wird der menschliche Geist, der begangene Jrrtümer nie gern anerkennt, cinschlageu, bevor er den einzigen, wirklich rettenden Weg, d. i. den Rück weg zum Christentum, findet. Aber die Beobachtung läßt sich doch kaum mehr übersehen, daß der Mensch wieder an fängt. sich auf seine Seele zu besinnen und sich vorzu halten, daß er nicht bloß dazu da ist, um Geld zu machen, zu essen, zu trinken und eine Jagd unedler Vergnügungen als Erholung zu betrachten. Die Erkenntnis dämmert wieder, daß der Mensch außer und über diesem armseligen irdischen Leben, das den meisten nichts bietet als eine Hetzjagd nach Geld und Genuß, aber voller Enttäuschungen und Elend, noch ein höheres, ein geistiges, das körperliche Dasein über dauerndes Leben haben muß. Ans die Überkultur ist die Dekadenz gefolgt; diese aber erzeugt Ekel und Überdruß an sich selbst und an dem ganzen Sinnenleben; daraus erhebt sich dann, wie der Phönix aus der Asche, die Sehnsucht, die uralte, die unsterbliche Sehnsucht des Menschcnherzcnö nach seiner ewigen Heimat! Wir sind im Wechsel der Tage wieder in jene Phase eingetreten, in der sich dieser Wechsel der Zeiten gleichsam wiederspiegelt. Die berauschende Lust des Sommers, die doch auch so manche Enttäuschung gebracht hat. liegt hinter uns, wir haben zum Übermaß die Gaben des Sommers und die Früchte, die er reisen ließ, genießen können. Nun folgt der Rückschlag. In der Natur hat sich das Leben überlebt, Blätter und Blüten sinken hin, fahl und welk, dem Moder, dem Grabe entgegen. Und wie wir dies kurze Leben begraben, erhebt sich in uns bang, aber auch verlangend und sehnsuchts voll die Frage: Soll nun dem Tode alles auf immer ver fallen sein oder verhüllt sich hinter seinen grauen und dunklen Schleiern nur ein neues, ein köstlicheres Leben'? Die Ant wort auf alle diese ernsten Fragen gibt uns die katholische Kirche mit den zwei Worten: Allerheiligen — Allerseelen! Es sind mahnende und warnende Worte voll tiefen Ernstes, aber auch erhebende, stärkende und tröstende Worte voll beseligender Hoffnung. Sie weisen uns hin auf jenes höhere, ewige Leben, das der Geist unserer Zeit nach einer langen Nacht voller Irrung und Sünde sehnsüchtig 1. Jahrgang. sucht. Sie zeigen dem skrupellosen Egoisten, wie das miß achtete Gewissen sich rächt. Sie geben aber auch Stärke dem Schwachen und stellen Alle, die sich hinausretten wollen aus der Enge und Öde des materialistischen Jammertales in höhere und reinere Sphären, in ein wahres und dauerndes Glück, leuchtende Vorbilder vor Augen, denen wir nacheifern sollen und können. Denn Friede dem, der guten Willens! So mögen uns denn jene Worte, welche die so sinnreich zeitlich verbundenen Fest- und Gedenktage der Kirche im Herbste bezeichnen, Leitsterne sein für unser ganzes Leben, mögen sie auch außer uns alle Menschen, die an der Festigkeit des tönernen Kolosses materialistischer Weltanschauung zu zweifeln beginnen, lehren den Blick zu erheben zu ewiger Klarheit: dorthin, wohin die Türme unserer Gotteshäuser zeigen; wo die verklärten Gestalten derjenigen, deren irdische Üeberreste unsere Altäre bergen. Gott anschauen und preisen; und wohin mit heißer'Sehnsucht, von unseren Fürbitten be gleitet, alle jene Seelen verlangen, die uns lieb und teuer sind, die jetzt »och sich läutern müssen von den Schlacken des Erdenlcbens. Dort, ja dort oben wollen wir uns Wiedersehen! Der Klofterskandal in Tours. Die akatholischen Zeilungen beeilen sich, wohl alle Skandal- geschichten zu bringen, welche gegen die katholische Kirche erfunden werden, mit dem Widerruf derselben aber lassen sie sich Zeit oder sie veröffentlichen ihn gar nicht, um nicht als blamierte Europäer dazustehen. So ist'S mit dem von allen Blättern ge brachten Klosterskandal in TourS, der von A bis Z erlogen ist. Der „Köln. Vz»g." wird über die angeblichen Zustände in dem Kloster Notes Varus äs Olmritä geschrieben: „Vor etwa 14 Tagen erschien der StoaiSanwalt in dem Kloster, begleitet vom ersten Polizeikomnnssar. Eine frühere Insassin des Refuge (Zuflucht für Gefallene) hatte eine Anzeige beim SiaatSanwalt erstattet und daraufhin ist letzterer uner wartet erschienen und hat daS HauS von unten bis oben, biS in die dunkelsten Winkel, einer einaehenden Untersuchung unter zogen und alle Zöglinge, alle Insassen sich vorführen lassen und sich alle Mühe gegeben, von diesen etwas zu erfahren, was viel leicht ein behördliches Eingreifen hätte nolwendig erscheinen lassen. Nichts wurde gefunden, das ein solche« Ein schreiten begründet hätte. Die Räume sind zwar keine Salons, aber alle sind von einer peinlichen Sauberkeit: die Aufent- haltSräume, die ArbeitSstuben, die Speisesäle, die Schlafzimmer. Der Staatsanwalt erkundigte sich bei vielen Zöglingen, ob sie zufrieden seien, ob sie vielleicht den Wunsch hätlen, auszutreten. Aber alle, ohne Ausnahme, erklärten zufrieden zu sein und bleiben zu wolle». Wie wir früher schon mitteilten, handelt es sich um erwachsene Mädchen. Ferner sei hervorgehoben, daß die Fragen in Abwesenheit von Schwestern gestellt wurden. Selbstverständlich ist das Waisenhaus von dem Refuge voll ständig getrennt. Die erwachsenen Mädchen beschäftigen sich mit häuslichen Näh- und Gartenarbeiten. Im Waisenhause befinden sich Kinder im Alter von 4—13 Jahren; es sind wirk liche Waisen oder verlassene Kinder. Im Refuge befinden sich außer den Gefallenen oft solche, welche bereits gerichtlich bestraft sind und die nun nach Ableistung ihrer Strafe oder bei Stellen losigkeit bei den Schwestern ei» Obdach gefunden haben. Das Waisenhaus umfaßt 180 Zöglinge, von denen die meisten auf öffentliche Kosten untergebracht sind. Die Stadt zahlt für ihre Waisen pro Kopf und Jahr 100 FrS., das Drpartement für die seinigen 120 Fis. Für diese geringe Entschädigung haben die I Schwestern den Kindern alles zu liefern: Wohnung, Kost, Klei- Kenrrortta Dolores. Roman von H. Schreibershosen. (S0. F»rts«tzung und Schluß.) (Nachdruck verboten.) Ludwig warf einen Blick auf die Tote und schrie in ver- zweiflungsvollem Jammer auf, indem er die Arme emporstreckle. „Mir war sie der Himmel auf Erden, für ein Lächeln, einen freundlichen Blick, ein Wort von ihr hätte ich alles getan. Ich kann nur noch sterben. Es ist alles zu Ende für mich!" Er stürzte vor dem Lager nieder, barg sein Gesicht in der weißen Decke und schluchzte leidenschaftlich auf. — Stumm blickte Kersock auf ihn hin. Konnte es ihn überraschen, seinen Schmerz von anderen geteilt zu sehen? . . . Nur einen kurzen Augenblick loderte eine eifersüchtige Flamme in ihn, auf — ein Blick in das stille, ernste Antlitz dämpfte das unedle Gefühl. Sanft legte Alfred seine Hand auf Ludwigs Schulter. „Wir haben sie beide verloren, wir wollen sie zusammen betrauern; wir verstehen einander." * * * In der Mittagsstunde stand Alwine mit ihrem Vater an Evas Totenlager. Mit liebkosender Hand strich sic über das braune, glänzende Haar, das kraus und lockig über der weißen Stirne lag, und drückte einen Kuß darauf. „Ich hätte dir das reichste Glück gegönnt, du wärest seiner wert," murmelte sie unter heißen Tränen und legte einen Strauß von Myrten und Orangenblüten auf die kalten, übereinandcr- liegenden Hände. Ihr Vater, der, durch den Draht von dem Unglück in Kenntnis gesetzt, sofort zurückgekommen war, sah mit ernster Trauer auf die Tote nieder, deren schönes Antlitz Ehrfurcht gebietend in der Majestät deS TodeS vor ihm lag. „Ein solches Ende wiegt alles Erdcnglück auf. Was könnte ihr die Welt Herrlicheres bieten! Das Leben für andere hingeben, ist die Erfüllung des höchsten Gebotes. Wir dürfen sie beneiden, nicht beklagen." Am Tage nach Evas Beerdigung reisten Waldeggs ab. „Die Hochzeit auf unbestimmte Zeit verschieben, weil Eva!..." sagte Frau von Waldegg und schlug die Hände zusammen. „Was werden die Leute sagen! Das ist ja, als sei sie deine Schwester gewesen." „Das war sie mir auch ..." „Ich bin einverstanden," unterbrach sic Herr von Waldcgg, „und du wirst cs auch sein, Helene, wenn du bedenkst, daß wir dann Alwine noch bei uns behalten können." Er reichte seiner Tochter die Hand und sah ihr liebevoll in die Augen. „Ihr wäret jahrelang Schwestern, und Treue ist die edelste Empfindung des Herzens. Handele ganz nach deinem Gefühle, mein Kind, es wird dich richtig leiten." „Aber Alfred!" rief die Mutter aus, doch Alwine war hinausgegangen und überließ es ihrem Vater, ihr auscinandcrznsetzen, daß sie und Alfred keine Einmischung wünschten. Er liebte seine Tochter und sah, sie bedurfte der Ruhe und Stille nach der tiefen Erschütterung durch Evas plötzlichen Tod. In der Einsamkeit ihres Zimmers las Alwine wieder und wieder die kurzen Abschiedszcilen, welche sic soeben von Kersock erhalten. Er teilte ihr seine sofortige Abreise nach Nom mit und deutete den nachhaltigen Eindruck an, den das jähe Ende Evas auf ihn gemacht. „Erlischt ein Licht, eine Flamme plötzlich, so hat die Dunkelheit oft Schrecken, die erst überwunden werden müssen. DaS Auge muß sich erst an das Fehlen des Glanzes, der Helle gewöhnen." Mit der wortreichsten Erklärung hätte Kersock nicht deutlicher und verständlicher für Alwine sein können. Aber sie dachte nicht daran, ihm zu zürnen. In ihrem Herzen hatte nur unsägliches Mitleiden uno tiefste Teilnahme Platz. * * * Aus einer Roscnfülle erhebt sich ein schlichtes weißes Marmor kreuz, auf dem Evas Name eingegraben ist. Ihre Grabstätte ist nicht vergessen, sie liegt nicht einsam und öde zwischen den Denkmälern treuen, liebevollen Gedenkens. Kinderhände schmücken daS weiße Kreuz regelmäßig mit frischen Kränzen, sund jede Woche steht Therese Wcllhöfer an dem Roscnhügel, den sie mit unermüdlicher Sorgfalt hegt und pflegt. Alljährlich an Evas Todestag kommt Alwine und besucht das Grab. — „Ich betrauere eine Schwester, eine unvergeßliche Schwester," sagte sie einst auf die Frage eines alten Mütterchens, daS in der Nähe an einem Grabsteine betete. Als die Rosen zum dritten Male blühten, war Alwine nicht mehr allein, in ihrer Begleitung stand Alfred an dem duftenden Hügel. Oberflächlichen Beobachtern konnte er unverändert erscheinen, tiefer Blickende erkannten wohl die scharfen Linien in seinem Antlitze, den ernsten Ausdruck seiner Augen, der von schwerem Kampfe und endlich errungener Erkenntnis, die zum Siege führt, zeugte. Auch ein wehmütiger Zug um den Mund verriet, wie tief er gelitten hatte. Alwine war indes; auch verändert. Das Leid, das ihre Seele erschüttert, hatte de» Bann gebrochen, der ihr Empfinden nach außen gefesselt. Ihr Wesen ließ jetzt die Wärme und die Innigkeit erkennen, von denen es stets erfüllt gewesen ivar, denen sie aber keinen Ausdruck hatte verleihen können. Mit feuchten Augen sah Kersock ans das Kreuz, das Evas Namen trug. Da legte Alwine sanft ihre Hand auf die seine. „Wir wollen sie nie vergessen, ihrer immer im Herzen gedenken." Kersock zog ihre Hand an seine Lippen, indes sie mit der anderen eine Rose pflückte und ihm reichte. Sein Blick ruhte voll inniger Liebe ans ihr. Seine Stimme bebte, als er sagte: „Ich werde Eva nie vergessen, schon weil ich erst durch sie erkannt habe, was ich an dir besaß. Laß mich dir einmal nur sagen, daß selbst in Evas Nähe das Sehnen nach deiner Teilnahme, deiner Liebe nicht schweigen wollte. Die Rose berauscht durch ihren Duft, doch sieh" — er wies auf den Epheukranz am Kreuze — „der Ephcu bleibt sich immer gleich in Sturm und Wetter, in Hitze und Kälte. So hat sich mir deine Liebe bewiesen, ein unverdientes Geschenk, dessen unschätzbaren Wert ich endlich erkenne." .HW Ein sanfter Windhauch strich über die blumigen Hügel, Nosenduft erfüllte die Lust und umfing die nun völlig Vereinten wie ein segnender Gruß der verklärten Freundin.