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Str. L4L ^— V. Jahrga«», Freitag -eu L4 Juni 1VLV MchsischkNolkszettung Erscheirit tiglich «ach«. mU iluSnahmc der Sonn- und Jksttage. «»«aabr 1., Mit.Die Zeit in Wort und Bild- vierteljährlich 2,1« ^ In Dresden durch Voten »,4a In gan, Deutschland stet Haus 2 8» «»SaaSe Ohne illustrierte Beilage diertclj. 1,80 In Dresden d, Boten »,1« ^5. In ganz Deutschland frei Hau« »,2» - «inzel-Nr. 10 4- - 8-tlungSpretSI. Nr. «888. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die «gespaltene Pctitzeilc oder deren Raum mit 18 4, Rcllamen mit litt ^ die Zeile berechnet, bet Wiederholungen entsprechenden Rabatt. Buchdr«ikerel, Redaktion und Geschäftsstelle > Dresden. Pillnttzer Strafte 4». — Fernsprecher ISS» Für Rückgabe unverlangt. Schriftstücke keine Verbindlichkeit RedakttonS. Sprechstunde: I I—1» Uhr, ^s'fi'isoksnci unci labend Oi'eclo-^isbssk'ssi Vi pfuncj 18 ^fsnnißs. dilscksi'lstzu., In s»«n Starlttvllsn. ttld Für das S. Quartal LVLO abonniert man aus die „Sächsische Bolkszeitnng" mit der täglichen Roman beilage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise von 1.80 Mk. (ohne Bestellgeld), durch den Boten ins Haus 2.10 Mt. Bezugspreis auf die Ausgabe ^ mit der illustrierten Unterhaltungsbeilage „Die Zeit in Wort und Bild" erhöht sich um 10 Pfennige. Gegen den Aulomobttunsug. Dresden, den 29. Juni 1910. Die Prinz-Heinrich-Fahrt brachte wieder eine leb hafte Erörterung, ob eine solche Parforcejagd durch Deutsch land zu gestatten sei. In den deutschen Einzellandtagen wurde wiederholt scharfer Protest gegen diese Tourenfahrten erhoben. Der Landwirt jammert über die Unsicherheit der Landstraßen, der friedliche Spaziergänger schimpft über die Luftverpestung, die Gemeinden klagen über die hohen Reparaturkosten der Straßen — alles verursacht durch die Tourenfahrten. Auf das allgemeine Drängen hin wurde ein Reichsgesetz beschlossen, das eine weitgehende Haftpflicht der Fahrer festsetzt. Der Bundesrat hat Ausführungs bestimmungen gegen das zu schnelle Fahren erlassen: Alles vergebens! Die Tourenfahrten finden trotzdem statt. Das Automobil ist ein modernes Verkehrsmittel und kein vernünftiger Mensch wird dagegen sich auflehnen; seine Unannehmlichkeiten muß man in Kauf nehmen, wie man ja mach die Nachteile anderer Fortschritte sich gefallen läßt. Was aber die vorhandene Opposition immer wieder zu neuer Kraft emporwachsen läßt, sind die Tourenfahrten. Wettrennen finden nicht auf offener Straße statt. Man hat für die Radfahrer und Pferderennen eigene Rennbahnen gebaut: nur der Menschen und Tiere gefährdende Kraft wagen beansprucht für sich das Sonderrecht, eine Straße ausschließlich für sich benutzen zu wollen, den Verkehr abzusperren und viele hundert Staatsbürger in ihrem Er werbsleben zu schädigen. Dagegen erheben sich gewichtige Stimmen nicht nur aus dem Publikum, sondern auch aus den Kreisen der Auto mobilfahrer selbst. Geheimrat R i e h le - Berlin hat diese Renn- und Tourenfahrten für den größten Feind der Aus bildung des Automobilwesens erklärt; ihm schließt sich der Automobilfahrer H ü t t i g - Dresden an. Mit allem Nachdruck geht nun der vereidigte Sachverständige für Automobilwesen Privatdozent Dr. Diedrich Helfen berg gegen die bisherigen Prinz-Heinrich-Fahrten vor. Er kritisiert ungemein scharf die bisherigen Veranstaltungen und möchte sie auf einen ganz neuen Boden stellen. Das Rennen will er prinzipiell ausschließen, ebenso alle ver kappten Rennwagen. Weiter sollen Vertreter von Fabriken zur Fahrt nicht zugelassen, sondern nur solche Automobilbesitzer, welche jahrelang schon einen eigenen Kraftwagen geführt haben. Die Sperrung der Straßen soll aufhören, die Abfahrt der 60 bis 60 Kraftwagen sich nicht mehr an einem Tage vollziehen. Die einzelnen Tages touren sollen kürzer werden, die Fahrtdauer dagegen soll 4— 6000 Kilometer umfassen und die Maschinen vor der Abfahrt plombiert werden. Mit diesen Vorschlägen wird die breite Öffentlichkeit vollkommen einverstanden sein. Der Automobilist darf auf den öffentlichen Straßen keine Ausnahmestellung ein nehmen, sondern er muß sich in den allgemeinen Verkehr einreihen. Wer aber Rennsport treiben will, der verlege seine Tätigkeit auf diö Rennbahnen. Gott hat jedem Men schen so viel Vernunft gegeben, daß er entscheiden kann, ob es der Mühe wert ist, wegen eines unsinnigen Rekordes sein Leben ans das Spiel zu setzen. Wer trotzdem sein Genick und seine gesunden Glieder riskiert, legt sein eigenes Leben in die Wagschale. Aber das Leben anderer Leute hat das Gesetz zu schützen. Dafür haben allerdings manche Auto mobilisten kein Verständnis: sie halten sich für die Herren der Landstraßen. Im Automobil im grenzenlosen Tempo dahinzurasen oder einen Berg im Tempo eines Blitzes be zwingen zu wollen, das ist eine Krankheit, wenn nicht Ver rücktheit. Bei den jetzigen Tourenfahrten kommt auch kein sicheres Resultat über die Güte der Fahrzeuge heraus; ein mal siegt diese Fabrik, ein andermal eine andere, es ist das reinste Würfelspiel Sollten die Automobilfahrer nicht die Kraft in sich haben, selbst für normale Zustände zu sorgen, so ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Reichstages, ein Reichsgesetz zu erlassen, welches solche Tourenfahrten prinzipiell ver bietet und dadurch den Wünschen der großen Mehrheit des deutschen Volkes Rechnung trägt. Der Kaiserliche Auto mobilklub wird zwar dagegen wieder furchtbar anstürmcn; er wird in hohen Kreisen Verbündete finden. Aber der Un wille gegen diese Rennfahrten ist in weiten Kreisen des Volkes und selbst in den Kreisen der Fahrer stärker, als daß das Sportinteresse einiger Hundert und das Spekulations fieber der Fabriken den Sieg der Vernunft hindern könnten. Politische Rundschau. Dresden, den 23. Juni 1910. — Der Kaiser ist um 12 Uhr 40 Minuten auf dem Altonaer Hauptbahnhof eingetroffen. Er fuhr, von einer großen Menschenmenge aufs herzlichste begrüßt, durch die geschmückten Straßen AltonaS und Hamburgs bei schönem Wetter mit dem Grafen Götzen im Automobil zur Wohnung des Generaldirektors Ballin, wo daS Frühstück eingenommen wurde. Der Kaiser begab sich um ^4 Uhr an Bord der Hohenzollern. Um 4 Uhr machte sich die Hohenzollern loS und ging elbabwärts unter den Hurrarufen der Menge, für die der Kaiser wiederholt aufs freundlichste dankte. Die Hohenzollern wird etwa um 11 Uhr in Kiel eintreffen. — In der Zweiten hessischen Kammer erklärte Staats- minister Dr. Ewald auf eine Interpellation, daß die hessische Regierung dem neuen preußischen Entwürfe über die Schiffahrtsabgaben ihre Zustimmung erteilt habe. — Beileid de» Reichskanzlers. An die Witwe des verstorbenen Zentrumsabgeordneten Schmidt sandte der Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg eine herzlich gehaltene BeileidSdcpesche. — BerwaltnngSreform in Preußen. Der Wechsel im Ministerium des Innern bringt auch eine Verschleppung der Verwaltungsreform mit sich. Nach dem bisherigen Stande der Vorarbeiten war es so gut wie sicher, daß dem Landrate die Aufgaben der Steuerbehörden abgenommen werden sollten. Wie der neue Minister zu dieser Frage sich stellt, ist sehr zweifelhaft, zumal die konservative Presse von einer solchen Schmälerung der Zuständigkeit des LandrateS nichts wissen will. — Die „Nordd. Allg. Zeitung" erklärt mit Bezug auf die Zweifel, die gegenüber ihren Mitteilungen über die Erledigung de» Enzyklika-Streitfälle» in einem Teile der Presse geäußert worden sind, von diesen Mitteilungen habe sie kein Jota zurückzunehmen. ES sei festzuhalten, daß der Päpstliche Stuhl den von der preußischen Regie rung gestellten Forderungen entsprochen habe. DaS in der Note de» Staatssekretärs gebrauchte Wort ämpiaoors sei zutreffend mit Bedauern übersetzt worden. Ob die päpst lichen Anordnungen an die Bischöfe, daß die kirchenamt liche Veröffentlichung der Enzyklika in den deutschen Diö zesen zu unterbleiben habe, schon vor der Erhebung der preußischen Forderung ergangen seien oder nicht, sei für die Bedeutung dieses Schrittes unerheblich. Daß der Ab schluß des Konfliktes das evangelische Empfinden befriedigen dürfte, sei nach der Veröffentlichung durch die „Nordd. Allg. Zeitung" vielfach zum Ausdruck gekommen. Zu einer Aenderung dieser Ausfassung liege nicht der mindeste Grund vor. — Von de» neuen Ministern. Minister v. Dallwitz hat sein neues Amt bereits übernommen; er hat sich den Beamten seines Ressorts vorgestellt und um eifrige Unter stützung durch dieselben gebeten. Freiherr v. Schorlemer hat ani Mittwoch die Dienstgeschäfte übernommen. Die Unzufriedenheit der Nationalliberalen mit den neuen Männern ist geradezu krankhaft; die Nationalliberalen und der ganze Freisinn sind in schärfster Opposition, trotzdem aber fordern sie, daß nicht nur nach ihren Rezepten regiert würde, sondern daß auch die Minister aus ihrer Mitte ge nommen würden. Was würden die Herren erst verlangen, wenn sie in den Parlamenten die Mehrheit hätten? — Helgoland endgültig Preußen ungegliedert. Am 1. Juli d. I. hören alle Privilegien auf, welche Helgoland im Jahre 1890 durch den Vertrag mit England erhielt. Schon vor 10 Jahren erlosch das Recht, Trauungen ohne Aufgebotsurkunden zu vollziehen. Die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches machte den Schnelltrauungen ein Ende. Nunmehr fallen die beiden letzten Privilegien, Helgoland war bisher Zollausland; jetzt wird es der deutschen Zollunion angeschlossen, so daß die deutschen Be sucher Helgolands bei der Heimreise ihr Geväck nicht mehr den Zollbehörden vorzuzeigen haben. Am 1. Juli hört auch die Befreiung der Helgoländer von der Wehrpflicht auf, so daß schon am 1. Oktober die ersten Helgoländer, d'. h. alle jene, die nach dem 1. Juni 1890 geboren sind, in die Marine eingestellt werden können. Damit ist Helgoland endgültig an Preußen und damit dem Reiche angegliedert. Wie ganz anders beurteilt man heute den Helgolandvertrag als vor 20 Jahren, als er geschlossen wurde. Danials war allge meiner Unwille über diesen Vertrag, der in erster Linie auf die Initiative des Kaisers zurückzuführcn war. Wir mußten bekanntlich ein großes Stück Ostafrika daran geben, aber der Kaiser hat in diesem Falle einen weitschauenden Blick gezeigt; denn heute könnten wir Helgoland von den Engländern nicht mehr haben, auch wenn wir alle unsere Kolonien als Gegengabe bieten würden. Würde bei der modernen Entwickelung unserer Schiffsbaukunst Helgoland noch in englischem Besitz sein, dann würde ein befestigtes Helgoland genügen, um im Ernstfälle nicht mir unsere Flotte langsam abznnnirksen, sondern den ganzen deutschen Scehandel mit ein paar Panzertürmen und einigen Kreuzern lahm zu legen. Nunmehr haben wir den strategischen Wert Helgolands erkannt, es wird ein Kriegshafen für kleinere Schiffe daselbst angelegt und Der Indianeraufstand in Rlexito. Die Alarmnachrichten von dem blutigen Aufstande der Mayas, der Indianer von Uucatan, die die Stadt Vallado lid verwüstet und die Beamten und Truppen getötet haben und nun gegen Merida ziehen, erfahren eine besondere Be- leuchtung durch ein kürzlich erschienenes Buch, in dein die englischen Reisenden Arnold und Frost ihre Beobachtungen über die Zustände auf Uucatan niedergelegt haben. Die Mayas, die einst auf der Halbinsel ein mächtiges Reich be saßen, sind seit der Eroberung Mexikos durch die Spanier der Gegenstand unaufhörlicher blutiger Verfolgungen und grausamer Unterdrückung gewesen. Daß von der einst so mächtigen Rasse ein Rest sich bis heute erhalten konnte, kann fast als ein Wunder gelten. Denn die Mexikaner haben das Unterdrllckungssystem gegen die Mayas in skrupelloser Weise fortgesetzt. Der Keim der heutigen Unruhen liegt nicht allzuwekt zurück. Da die Mayas von den Mexikanern als Halb sklaven behandelt werden, wandten sich die Mayas mit ihren, bescheidenen Handel immer mehr an die zentralamerikani schen Nachbarstaaten, da sie von den Mexikanern systematisch übervorteilt und betrogen wurden. Schon damals ent standen Reibungen, in denen die Mexikaner die Engländer von Britisch-Honduras beschuldigten, den MayaS heimlich Waffen zu liefern. - . In Mexiko suchte man seit langem nach einem Grunde, um gegen die Indianer einzuschreiten. Nun erteilte man großen Gesellschaften das Recht, in den großen, den In dianern gehörigen Forsten Holz zu schlagen. Die Forste von Uucatan sind berühmt und die Haupterwerbsquelle der einst kriegerischen MayaS. Was folgte, war leicht voraus zusehen. Die Mayas protestierten gegen das Vorgehen der Gesellschaften, und als das nichts fruchtete, drohten sie mit Gewalttätigkeit. Die Warnungen wurden absichtlich überhört und schließlich kam es zur Niedcrmetzelung eini ger Holzfäller. Das war eS, was man gewollt hatte. Unter dem Vorwände, unerhörte Grausamkeiten zu rächen, und nachdem man allerlei Märchen von Kannibalismus und an deren Scheußlichkeiten verbreitet hatte, begann Mexiko einen systematischen Ausrottungskrieg gegen die Mayas, der fast zehn Jahre lang getobt hat und heute nun zu dem großen Aufstande der bedrückten Indianer führte. Dieser Krieg wurde in der feigsten Weise betrieben. Von Zeit zu Zeit umzingelten nachts Regierungstruppen einzelne Ansiede- lunger der Indianer, und am Morgen wurden dann alle, Männer, Frauen und Kinder, erbarmungslos und ohne Gnade niedergemetzelt. Welche Erfolge man dabei erzielte, konnten wir selbst in Chansonete mit ansehen: die Siede- lung, in der früher Hunderte von Indianern friedlich belebt hatten, zählte bei unserem Besuche nach dem Ueberfakle nur noch 30 Bewohner. Ueberall in Uucatan verfolgte man langsam und zäh die gleiche Methode. Anfangs fanden einige Kämpfe auf offenem Felde statt, aber dabei erlitten die Mexikaner blutige Schlappen. Dieses Versagen der Truppen hat nicht nur seine Ursache in der Unfähigkeit des Generals Bravo, der den zehnjährigen Krieg leitet und da bei zum mehrfachen Millionär geworden ist, sondern vor allem auch in der Zusammensetzung der Truppen. Aus Sparsamkeitsrllcksichten reiht Mexiko Sträflinge in die Gefechtslinie ein und diese schlimmsten Elemente der menschlichen Gesellschaft werden dann zu den Feinden, aller. Das ist die Horde, die seit zehn Jahren auf die Mayas los gelassen wird und gegen die die Indianer nun einen regel rechten Krieg eröffnen. Es ist nicht der erste Mayaaufstand, den Mexiko zu bestehen hat, und stets war auch Valladolid der Punkt, an dem die unterdrückten gepeinigten Indianer zusammentrafen, um ihren Rachekrieg zu beginnen. Sie sind heute gewiß ein grausamer Volksstamm und schon oft haben sie blutige Repressalien ausgeübt. Aber dazu sind sie erzogen und getrieben worden, nicht nur durch die blutige Gewaltherrschaft der Spanier, sondern auch durch die Ver folgungen, die die heutigen Mexikaner mit gleicher Grau- samkeit und Unerbittlichkeit seit Jahrzehnten ausgenom men haben. Die Indianer, die heute in blutigem Derzweifelungs- kämpfe Rache zu nehmen suchen für all das, waS sie in den letzten Jahren erduldet Huben, sind die letzten Abkömmlinge