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ZwrtteSZBlatt Sächsische BolkSzeituxg vom 24. Juni 1S1V Nr. 142 Rekrutenfürsorge. Ein wichtiger Zweig in der Jugendarbeit ist die Sol datenfürsorge. Ihre Wichtigkeit dürfte ohne weiteres er sichtlich sein. Mit dem Beginne des Soldatenlebens beginnt für den jungen Rekruten eine ganz neue Zeit. Es kommt mit einem Schlage für ihn eine doppelte Veränderung. Er vertauscht sein bisheriges ruhiges Leben im Elternhause mit dem unruhigen Soldatenleben in einer großen Stadt. Dort wird sein religiöses und sittliches Leben von einer Unmenge gefährlicher Einflüsse, Beispiele und Gelegenheiten bedroht, die er bisher kaum geahnt, geschweige erfahren hat. Und während auf der einen Seite die Gefahren wachsen, verliert er auf der anderen Seite den bisherigen Schutz. Bis jetzt wie ein Kind der Familie, über das die Liebe von Vater und Mutter wachte, wird er jetzt sein eigener Herr. Da muß die Jugendarbeit sich ihm wieder als treuer Freund zeigen und ihm helfend und ratend beistehen. Nun ist die Vorbereitung auf die Soldatenzeit die beste Soldatenfürsorge. Diese wird naturgemäß in den letzten Monaten vor Eintritt in die Kaserne im Jugendverein cinsetzen. Praktische Vorübungen im Turnen, Schwimmen, Schießen usw. müssen mit belehrenden und erzieherischen Vorträgen abwechseln. Die Unterrichtsstunden sollen sein ein Stück Soldatenleben: hier wird geturift. geschossen, gesungen und exerziert. Hier sollen die künftigen Rekruten lernen, das Ungewohnte der ersten Zeit des Soldatenstandes leichter zu überwinden, und stolz und freudig diesen Stand antretelr. Hier soll in ihnen der Vorsatz aufkommen, ein mal tüchtige Soldaten zu werden mit Leib und Seele. Der Rekrutenkursus soll ihnen zeigen, wie sie den Soldatenberuf auffassen müssen als eine Schule fürs Leben, wie sie gerade in ihm ganze Männer werden können, daß sie glücklich die Gefahren überstehen, die ihr religiöses und sittliches Leben traußen in der Welt gefährden könnten. Gerade die Arbeit an den künftigen Rekruten wird im Jugendvereiu zu den dankbarsten gehören. Darum werden alle beteiligten und interessierten Kreise freudig das Erscheinen eines Büchleins begrüßen, das ihnen zeigt, wie ein Nekrutenvorbildungs- kursus praktisch und mit Nutzen abgehalten wird. Dieses Büchlein ist im Volksvereinsverlag erschienen unter dem Titel: Wie man einen Rekrutenvorbildungskursus einrichtct. Vorschläge und Erfahrungen nebst einem praktischen Lehr gänge und Skizzen zu Vorträgen (48 Seiten, 1 Mark). Das Büchlein bietet Stoff für mehrere Jahre. Ver einsleiter, Lehrer usw. können je nach den Verhältnissen und der Zeit in der Großstadt und im kleinsten Dorf aus den einzelnen Teilen eine Auswahl treffen. Es eignet sich aber auch als Lesestoff für die angehenden Rekruten, die ihn sicher mit großem Nutzen genießen werden. Aus Stadl und Land. (Fortsetzung au! dem Hauptblatt.) Fraueustcin, 22. Juni. In der Nacht vom Montag zum Dienstag sind in hiesiger Gegend strichweise die Kar« löffeln erfroren. Gleichwohl war Dienstag die beste Heu witterung. Hartenstein, 22. Juni. Das zweijährige Töchterchen des Fleischers und Restaurateurs Werschy glitt vom Wasch kesseldeckel ab und fiel in das kochende Wasser, so daß es stark verbrüht wurde. Heidenau, 22. Juni. Heute mittag ist daö direkt an der Bahnlinie Dresden—Pirna gelegene große Fabrik gebäude, in dem die Kilzhutsabrik von Friedemann L Riedel betrieben wird, bis aus die Umfassungsmauern nieder gebrannt. Im Trockenraume kamen gegen ^12 Uhr Spiritusdämpfe durch Selbstentzündung zur Explosion und binnen kurzem stand das ganze Gebäude in Hellen Flammen. Obwohl mehr als 20 Feuerwehren zur Hilfeleistung herbei eilten und auch die Dresdner Automobildampsspritze erschien, war doch bei der schnellen Ausdehnung des Feuers nichts mehr zu retten. Nur das Maschinenhaus blieb erhalten. Im Fabrikgebäude waren etwa 200 Personen beschäftigt, die das Gebäude fluchtartig verlassen mußten. Dabei wurden neun Personen verletzt, unter diesen vier sehr schwer. Zu den etwa 200 brotlos gewordenen Arbeitern kommen noch etwa 50 Heimarbeiter, die ihren Verdienst verlieren. Meißen, 22. Juni. Der Wein steht jetzt in voller Blüte. Die Stöcke weisen fast überall sehr reichen Be hang auf. Oederan, 21. Juni. Das hiesige priv. Bürgerschützen- korpS begeht am 20. bis 29. Juni daS 175jährige Jubi läumsfest. Ueber 30 Schützengilden aus der Umgebung haben ihre Teilnahme an den Festlichkeiten zugesagt. Pirna, 22. Juni. In einem Steinbruche in Rott werndorf wurden durch niederstürzende Lehmschichten die Arbeiter Malysak und Surniak verschüttet und schwer ver letzt. Malysak erlag am Abend seinen Verletzungen. Sohlaud (Spree), 22. Juni. Seit dem 4. d. M. wurde das 4jährige Töchterchen des Arbeiters Liebsch aus dem nahen Neugrafenwalde vermißt. Alle Nachforschungen der Polizei mit Hilfe eines Dresdener Spürhundes waren erfolglos. Vorgestern nachmittag ist nun daS Kind von einer Frau, die auf einer 20 Minuten vom Orte entfernten Wiese Futter holte, tot aufgefunden worden. Das Mädchen lag unter einer über einen Wassergraben führenden Brücke. Die Kleider waren dem Kinde über dem Kopfe zusammen gebunden. Werdau, 22. Juni. Die Lohnbewegung der Bau- und Modelltischler ist beendet. Zwischen der Tischler-, Glaser- und Drechsler-Jnnung und der hiesigen Zahlstelle des Deutschen Holzarbetterverbandes ist ein am 1. Juli d. I. in Kraft tretender neuer Lohn- und Arbeitsvertrag ab- geschlossen worden. Zehren, 22. Juni. Das dreijährige Söhnchsn des Straßenwärters Sch. siel in einen mit Regen gefüllten Wassertrog und ertrank. Wulften, 2l. Juni. Das fünfjährige Söhnchen eines Ziegeleiarbeiters, das sein lU/z jähriges Schwesterchen im Wagen mit sich führte, zog diesen unter einer geschlossenen Bahnbarriere hindurch. Im nächsten Augenblick brauste der Personenzug heran, erfaßte den Wagen und zermalmte daS kleine Mädchen. Der Knabe wurde zur Sette ge- schleudert uud so schwer verletzt, daß er bald darauf starb. Gemeinde- und Vereinsnachrichten. 8 Dresden. Der Verein katholischer erwerbs tätiger Frauen und Mädchen veranstaltet am Sonntag den 26. d. M. einen Ausflug nach dem „Reichsschmied", Obergorbitz. Treffpunkt: 3 Uhr. ..Schusterhaus". Nach zügler wollen in der gelben Elektrischen bis Wölfnitz fahren, von wo aus noch 10 Minuten zu gehen ist. Recht zahlreiche Beteiligung erbittet der Vorstand. 8 Dresden. Am Sonntag veranstaltete der Verein ka tholischer Wenden „Jeduota" Dresden einen vom herrlich sten Wetter begünstigten Ausflug. Zahlreiche Teilnehmer, darunter viele Mädchen in der kleidsamen wendischen Na tionaltracht, fuhren am Nachmittage per Dampfschiff nach Kemnitz, von wo eine Fußwanderung nach dem Gasthause Merbitz stattfand. Hier vereinigten sich die Teilnehmer zu einem fröhlichen Beisammensein, das durch Gesang und Tanz zu einem recht abwechselungsreichen gestaltet wurde. Auch der „Serbska reja" wurde, wie immer, lebhaft zuge- sprochen. Besondere Freude erregte cs, daß auch viele Mit glieder des Brndervercins „Czerneboh" anwesend waren. Dieselben brachten der „Jednota ein begeistertes dreifaches „Hoch", das dem Bruderverein dankend erwidert wurde. Nach 10 Uhr wurde die Heimfahrt angetretcn. Die Ver- einsabende der „Jednota" finden regelmäßig jeden Diens tag >/.!) Uhr abends in Barths Gasthaus, Töpferstraße 8, statt, an welchen Landsleute jederzeit herzlich (vollkom men sind. Soziales. 8 Schutz den jugendlichen Arbeitern. Die Frage der Beschäftigung jugendlicher Arbeiter und Arbeiterinnen in Werkstätten mit Motorbetrieb wird gegenwärtig im preußischen Handelsministerium lebhaft erörtert. Die Ge- werbeinspektorate wurden beauftragt, ein bezügliches Gut achten zu erstatten. Das Gutachten verlangt einen höheren Schutz der Lehrlinge in Betrieben mit weniger als fünf Arbeitern. Für Arbeiterinnen im Alter von unter 16 Jahren soll eine mindest llstündige Ruhezeit gesetzlich sestgelegt werden. Vermischtes. V Janssens Ge sch i ch tsw e r k. Zu den merk würdigsten Blüten, welche die vom Evangelischen Bunde in Szene gesetzte Protestbewegung gegen das letzte päpstliche Rundschreiben getrieben hat, gehört auch ein Urteil über Joh. Janssen und seine Geschichte des deutschen Volkes, welches der natürlich liberale „Mannheimer General- Anzeiger" vom 14. Juni seiner von „Besitz und Bildung" strotzenden Leserschar aufzutischen sich gestattete. Im An schluß an ein Urteil des sozialdemokratischen „Hamburger Echo", welches Janssens Geschichte ein „Meisterwerk" zu nennen sich gedrungen fühlte, schreibt das Mannheimer Jutelligenzblatt mit kalter Stimme, daß genanntes Werk „bekanntlich eine einzige Fälschung im großen Stile" sei! Da weiß man schon nicht mehr, was man sagen soll! Auf alle Fälle darf man bezweifeln, ob einer der Leser jenes - 32 - Das sagte sie in dem Augenblicke, als die anderen drei Herren herbei- gekommen waren und stellte nun den Redakteur und den Engländer vor, die sich denn ohne viele Umstände zu der Brünetten und der Blonden gesellten. Doktor Hildebrandt aber sagte ganz perplex: „Nanu, Fräulein Winterhanscr, ich bin ja ganz erstaunt, daß Sie mir meine Pflicht, die Herrscl>aften vorzustellen, bereits abgenommen haben. Wo her kennen Sie denn diese Herren?" „Geheimnis, Doktorchen — tiefstes Geheimnis!" Damit mußte sich der Doktor für diesmal begnügen, denn von den drei Paaren, die sich so unerwartet wieder zusammengefunden hatteji, nahm nie mand mehr von ihm, noch von Fräulein Eva Hartung Notiz, so daß diese an der Seite des Doktors dahinschritt, nicht minder erstaunt als dieser. Diese Dame war in diesen heiligen Hallen einer Kaltwasserheilanstalt eine äußerst seltene Erscheinung — eine wahre Walkiirenfigur — noch größer als die Schauspielerin und viel voller, als die große schlanke Blondine, die heute morgen des Redakteurs Aufmerksamkeit erregt hatte — ja, sie war fast frauen haft und dabei doch Wohl proportioniert. Ihr Haar war flachsblond und ihr frisches Gesicht trug den Ausdruck fast männlicher Entschlossenheit. Sie war ai ch in der Tat nicht zur Kur, sondern mehr zur Erholung auf Leonorenberg. Vierundzwanzig Jahre alt, hatte sie ein sehr großes, ausgedehntes Landgut ganz allein, nur mit Hilfe eines Inspektors, seit dem vor zwei Jahren er folgten Tode ihres Vaters bewirtschaftet. Um ihre männliche Energie, ihre enorme Körperkraft, die selbst den Knechten und Tagelöhnern imponierte, und ihre Nerven von Stahl hatten ihr die Lösung dieser, für eine Dame geradezu kolossale» Aufgabe ermöglicht. Nun hatte sic aber im Jahre vorher verschie dene Verbesserungen und Vergrößerungen vorgenomme», die Arbeit während der Ernte war diesmal ungleich größer gewesen und sie hatte sich recht, recht müde gefühlt. So hatte sie denn vor einigen Tagen Leonorenberg ausgesucht, um dort auf 14 Tage auszuspannen. „Können Sie mir vielleicht dieses Rätsel lösen, meine Gnädigste —? Die Damen sind den Herren bekannt — ohne daß ich wüßte woher —" „Keine Ahnung!" erwiderte die Riesin achselzuckend. „Nach einigen An deutungen scheinen sie die Herren heute morgen drüben im Seebade getroffen zu haben!" Indessen war bei den anderen die Unterhaltung schon in lebhaftem Gange — mit Ausnahme des Engländers und der Brünetten — die fast ganz schweigend neben einander daher schritten. „Na, meine Gnädigste, mein Verehrtestes Fräulein Lohengrin," sagte der Onkel, „Sic haben eine Meisterschaft darin, sich in mystisches Dunkel zu hüllen. Eben haben Sie wieder die schönste Gelegenheit zunichte gemacht, Sie kennen zu lernen, da der Doktor so gefällig sein wollte, uns vorzustellen —" „Nicht wahr, das l>abe ich allerliebst verhindert?" lachte sic schalkhaft. „Na, Fräulein Winterhauser," erwiderte der Onkel cttvas süßsauer, „wenn nicht alles, alles, was Sie tun, allerliebst wäre, so möchte ich hier eine kleine Einschränkung machen — denn — um Gottes willen! — waS haben Sie uns denn da für eine Suppe eingebrockt? Mußten Sie denn hier gleich brüh warm erzählen, was ich da vom „Tollhaus" fallen ließ —?" „Aber natürlich," lachte sie übermütig, „das wird sich Loch so gehören! Strafe muh einmal sein, das wissen Sie doch —" — 29 — „Nun," sagte der Doktor," cs tut mir leid, daß Sic cS gerade so getrof fen, gleich die Bekanntschaft der sonderbarsten von meinen Gästen gemacksi zu haben. Diese Herrschaften sind allerdings ein wenig schwer zu behandeln. Allein kennt man sie erst einmal, so sind sie völlig harmlose, liebenswürdige Menschen. Ta ist zunächst der Herr Korvettenkapitän — der hat dreierlei Eigenheiten — erstens kann er die Engländer nicht ausstehen —" ,Um Gottes willen!" rief der Onkel mit komischem Entsetzen, „da werden Sie sich von ihm fernhalten müssen, Mr. Felton —" „Uell," sagte dieser sehr seelenrnhig, „ucrd ich mich von ihm halten fern." „Sodann soll man sich hüten, mit ihm ein Gespräch über militärische und Marincsachen anzufangen — denn da wird er bei der ersten Ge legenheit sehr grob." „Uerden Sie sich auch halten müssen von ihm fern — Mr. Galleiske." „Werd ich selbst besorgen." entgegnete dieser lachend, „habe noch von vorhin genug —" „Endlich ist er etwas schwerhörig, aber man darf ihn nicht ahnen lassen, daß man es weiß oder gemerkt hat." „Na, das ist denn ja ein angenehmer Herr," schaltete Herr Galleiske ein, „und Nummer Zwei?" „Das ist der Tenorist, Herr Brachvogel — ein reizender Mensch, wenn er nicht seine Mücken kriegt. — Tann läßt er sich aber glücklicherweise nicht sehen von niemanden, anßer von mir. Eine kleine Schwäche an ihm ist: man muß sich hüten, in seiner Gesellschaft ein Gespräch über Wagner auzn- sangen. Fängt er selbst an, so muß man zu allem Ja und Amen sagen, denn der kleinste Widerspruch, der geringste Mangel an Enthusiasmus für seinen vergötterten Meister bringt ihn in Harnisch!" „Uerden Sie sich müssen von ihm halten fern, Mr. Galleiske." sagte der Engländer schmunzelnd. „Natürlich, natürlich," rief der Onkel eifrig, „0, dieser Wagner!" „Sodann ist da ein Fräulein Emma Elansen, eine .Klavierlehrerin — ei» armes, im höchsten Grade mit Anämie behaftetes Wesen. Bei den wein- gen Gesangübnngen, die ich meinem Tenor gestatte, damit er nicht ganz ans der Uebung komme und sein schönes Organ nicht einroste, begleitet sie ilm auf dein Klavier. Sie ist sanft, gut uud liebenswürdig. Nur kann sie nicht leiden, wenn man gegen Herr» Brachvogel etwas sagt — und — gegen Eugen d'Albcrt." c „Na, Gott sei Tank," meinte Galleiske, „da ist doch eine, mit der ich mich getrost unterhalten kann, ohne mit ihr in Konflikt zu kommen — denn ich kenne den Herrn Eugen d'Albert überhaupt nicht —" „Um GotteS Willen!" sagte der Doktor, „das dürfen Sie sich gar nicht merken lassen — das würde sie Ihnen geradezu als ein Verbrechen auslegen!" „Na »u — aber was soll man denn da —" „Zu allem mit überzeugtem Kopfnicken Ja sagen, was sie über ihn vor bringt. Tann kommt Nummer Vier — ein etwas schwieriger zu behandeln der Herr. DaS ist des Doktor Haus Elmblatt, ein junger Schriftsteller. Na turalist strengster Observanz. Bei ihm darf man kein Wort davon fallen lassen, daß der Naturalismus nicht das schönste und höchste in der Kunst sei, oder gar schon abgewirtschaftet habe —" ilTHnurrige Käuze."