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Sonntag, iv. Novemver 1922 Leite 1 tntlssr- ft 88 «kilvlr- ^IvIItz- >vember '^be, ,^. "'»univtt. Mlunq ! «r, ieuwah,. !,S», zu > erbeten die Ge- 262S S8Z ölülll tsa bvi olä ne «7 US«,. SN 837 !kl8tt »agv. !?!8 ll° 858b P-7 !t k.i.i. Ar. »4« 81. Jahrg. F«n,p»eqer: ««-aktton 32723 - Geschästnftell« 32722 Postscheckkonto i Dresden Nr. 1479? Sledaktion und Geschäftsstelle: Dresden «A. IS» Holbetnstraße 4V DI« Sächsiich» Boikr,«iv,na erlidelnt zurzeit dreimal wöchentlich. BeznoSvrelS für November durch die Poll 175 -«r. Anzeiqenvrels, Die eingelvailcne Petiizeiie IS Mr Familie,,- uud Veceiulaizeiaen. Steil->>< „nd . h- ,:x Die Peltl-!>!eIIamezeiie im redalltoneUe» Teil. 8» mm drei,, 40 -V. Für Inserate mit besonderer Plazier»,iflSvorschrtit an! obige Preise 2S Brozea, ,'tnschlaa. 0fserienaebii-r: ,i>r Selbllabhoier i de, ileberse.,d„ng vn: a tue zioa anberdem Poriozuschlag. In, Falle höherer Gewalt oder beim Ausbleiben der Papierlteseninge,, und. erlischt >eoe Berpslichtmig aus Lieferung der Zeitung sowie Lrslillung von Anzeige,i-Auslr,,ge» und Lsislung oa» Schutenors lsj. Einzelnummer 15 2N. Sprechstunde der Redalllo»: ll—»> Uhr nachm. Nlchl ausdrücklich zurkckverlangte und m>, Rückporto nicht veriehene rinsendungena» dieRedaktio» werden nicht aufbewahr:. Für »»deutlich geschriebene sowie durch Fernivrccher anigegebene Anzeige» lönne» wir die Beraniwortlichkelt ,ür die Richligle» des Textes nicht übernehmen. Annahme von GeschüttSanzcigen bis It» Uhr. l>o» Familie»»,,,eigen bis I I Uhr vormittags. — Annahmestellen IN Dresden, Schmidt'sche Buchhandlung. Inhaber P. Beck Schlogilratze 5. in Äanhen, Fran, Knrsnt An d-c Pe!r>!Irche Tagesschau NuntiltS Msgr. Paccelli wird dem Vernehmen nach die Lei tung der Berliner Nuntiatur übernehmen. An seine Stelle wird Msgr. Wassnllo nach München berufen. Der bayerische Ministerpräsident Dr. von Knill.ng richtete bei seiner Amtsübernahme ein Schreiben an den Reichspräsiden ten, worin er die Pflege der guten Beziehungen Bayerns zr>m Reiche betonte. Der Reichspräsident gab in seiner Antwort der Versicherung Ausdruck, die beiderseitigen Beziehungen sorgfältig zu pflegen. Ter Vorsitzende des StaatsgerichtshofeS zum Schutze der Republik, Scnatspräsident Dr. HagenS, ist von seinem Amte zu- rlickgctrcieu. Als sein Nachfolger wird Senatspräsidcnt Schmidt genannt. I» Brannschwcig fanden vor dem Ministerium und vor der Markthalle TeucrungSkundgebungen statt. Der VrilährungS- mi,listcr sagte Berhaudlungen mit den Gewerkschaftsführern zu. Der italienische Kammerpräsident de Nicola trat infolge Wortwechsels mit dem Faszistenfiihrer de Bccchi zurück. Neue Männer —Mlter Aurs! ** Die Zentrumsfraktion des Reichstages hat nach dem Rücktritt des Kabinetts eine Erklärung erlassen, daß nach der innerpolitischen Entwicklung der letzten Tage der Zentrums- partei keinerlei Initiative bei der Neubildung des Kabinetts zufalle. Und jetzt heißt es in außenstehenden Kreisen, daß die Stellungnahme der Zentrumspartei, die es ab- lehnt, aus ihren Reihen den neuen Kanzler zu stellen, die Lösung der Krise nicht erleichtere. Warum hat man es denn aber erst zu dieser Krise kommen lassen, die, wie auch von anderer Seite betont, höchst überflüssig war? Die Zentrumspartei tut nur zu gut, wenn sie an der Auffassung festhält, daß diese Krise von ihren Urhebern zunächst und in erster Linie zu lösen ist. An dem Kurse der Politik, die sie vertreten Hai. ist diese Negierung in der Tat gar nicht gescheitert, sie ist nur über Zwirnsfäden gestolpert — wie die „Germania" sagt, die parteipolitisches Ränkespiel über ihren Weg gezogen hatte. Nach der Einigkeit von der Vereinigten Sozialdemokratie bis ein schließlich der Deutschen Volksparte! in der letzten Note an d>c NeparatiouSkommission kam doch mehr als deutlich der lang er strebte Gedanke der großen Koalition zum Ausdruck. In dieser auf breitester Grundlage beruhenden Note liegt ganz unzweifelhaft das außen- und, wenn man will, auch das inner- politische Programm der weiteren Zulunft ausgezeichnet, an das jede neue Negierung klugerweise anknüpfcu wird. In dem Au- gcnblicke also, wo es der Negierung Wirth gelungen war, die größtmögliche Anzahl der deutschen Volksvertreter aus ihren Kurs zu einen, da muß man sich den „Luxus einer gro ßen parlamentarischen Kri,se leisten, einer Krise, die ma» sehr gut hätte vermeiden können", wie eine demokratisch gerichtete Zeitung sagt. Ueber die Persönlichkeiten des neuen Kabinetts ist augenblicklich noch wenig bekannt. Der Reichspräsident Hai dem parteipolitisch nicht festgelegten Generaldirektor der Hamburg-Amcrika-Linie Dr. Cuno die Noutbildumg des Kabinetts übertragen, der in den letzten Tagen schon als Kandidat des Außenministeriums genannt worden war. Dr. Wilhelm Cuno ist 1876 in Suhl in Thüringen geboren, trat 1910 in den Staatsdienst beim Neichsschahamt, wo er vorwiegend in gesetzgeberischen Vorarbeiten und als Regierungsvertreter in: Reichstage tätig war. Während des Krieges leitete er als erster Vorsitzender die Reichsgetreidestelle, schied aber am 1. November 1917 aus dem Ncichsdienste aus, uni in die Direktion der Ham- burg-Amerika-Linie einzutreten, deren Vorsitzender er nach dem Tode Albert Vallins :m Dezember 1918 wurde. Cuno ist Katholik und steht dem Zentrum nahe. Wie der „Berliner Lokalanzeiger" schreibt, hofft man, daß die bürtrefflichen persön lichen und geschäftlichen Beziehungen Ennos zu vielen In dustrie-, Schiffahrts-, Handels- und Finanz, leuten Amerikas und Englands, wo er in aller Stille die geschäftlichen Verbindungen für die Hapag — als erstes das bedeutsame Harr yman-Abkom men — wieder anknüpste, seiner auswärtigen Politik sehr zugute kommen werden. Es wird freilich abzuwarten sein, wie viel wirtschaftlicher Weitblick, den man Cuno uachrühmt, die großen politischen Probleme zu mei stern vermag, die eben gerad? von Frankreich noch lange nicht als wirtschaftliche Probleme erkannt, sondern stets nur von der einseitigsten politischen Seite angesehen wurden. Man kann freilich nur hoffen, daß uns die nächsten Monate recht bald in ein besseres Fahrwasser bringen, was allerdings nach den neuesten Andautl-ngen, die aus Frankreich hcrüberklingcn in Form Poin- eqxisti scher Selbstgespräche, nicht gerade sehr der. heißungsvoll erscheint. Die neue Tiabinettbildung Die Zenirumsfraktion und die Abdankung des Kabinetts Wirth Die Zenirumsfraktion des Reichstages hat folgende Erklä rung einstimmig beschlossen: Die Zentrninssraktion des ReichStayes hat sich mit der durch die Demission des Kabinett-Z Wirth geschaffenen Lage beschäftigt. Die Fraktionen des Zentrums, der Tcmokraten, der Deutschen und der Bayerischen Vollspnrtci haben ange sichts der außenpolitischen nnd innenpolitischen Erfordernisse die große Koalition verlangt, für welche der Boden durch die vornngegangene gemeinsame politische Arbeit geebnet war. Die vereinigte Sozialdemokratie hat diese politische Notgcmcinschaft abgclchnt. Die einmütige Auffassung der Zenirumsfraktion geht dahin, daß durch diese innenpolitische Entwicklung der letzten Tage der ZentruniSpgrtci keinerlei Initiative bei der Neubildung des Kabinetts zufällt. Dem bisherigen Reichs kanzler Dr. Wirth haben die Zenirumsfraktion des Reichs tages und die übrigen Parteiinstnnzen noch kürzlich ihr volles Vertrauen ausgesprochen. Daran hat sich nichts geändert. Vielmehr hat die letzte außenpolitische Tat der Negierung Wirth, namentlich die letzte Note an die Nrpnrationskommisfion vom 13. d. M-, wiederum die ungeteilte Zustimmung der yan- zen ZcntrumSfraktion wie überhaupt die Billigung der Frak tionen von der Deutschen VolkSpartei bis einschließlich der Bereinigten Sozialdemokratie gefunden. Das einzige Erfreu liche an der gegenwärtigen verworrenen politischen Lage ist diese außenpolitische Klnrhcit. Allerdings besteht leider die Gefahr, daß die außenpolitischen Erfolge durch die innerpoli tischen Schwierigkeiten, für welche die Zenirumsfraktion keiner lei Verantwortung trifft, stark beeinträchtigt werden könnten. Cuno mit der Kabinettsbildung betraut Berlin, 16. Nov. Der Reichspräsident hat dem Direktor der Hamburg-Amerika-Liiftr, Cuno, den Auftrag zur Bildung des Kabiuettcs übergeben. Cuno hat angenommen. Berlin, 16. Nov. Generaldirektor Cun« hat bereits heute nachmittag mit den, Reichstags-Präsidenten Löbe uud den Ver tretern der Deutschen Volkspartei, der So,>aldemolrciten, des Zentrums und der Demokraten verhandelt. Cuno reist heute nacht »ach Hamburg ab, um sich mit oer Hapag ins Einvernehmen ,u letzen. Er wird morgen abend wieder in Berlin zurllckecwau.ct. ^n parlamentarische» Kreisen verlautet, daß daS neue Kabi.en d's das Kabinett der Arbeit repräsentieren wird, Anfang i 1 --er Woche gebildet sein wird. Mit Rücksicht auf die Neubildung! der Negierung uud auf die schlesischen Wahlen wird ftch dev Reichstag auf einige Zeit vertagen. Cuno steht seit langem mit dem Reichspräsidenten Ebert in freundschaftlichen Beziehungen. Er steht aus dem Boden des Wirtschaftsprogramms, das sowohl von der Deutschen VolkSpartei wie von den Demokraten angenommen worden ist. Berlin, 17. Nov. Die sozialdemokratische Fraktion des Reichstages faßte gestern abend nach zweistündiger Beratung einen Beschluß, der dahin geht, daß die Fraktion keinen Wider spruch dagegen erhebt, daß Cuno de» Versuch einer Kabinetts bildung unternommen hat. Damit soll, wie von sozialdemokra tischer Seite verlautet, nicht gesagt sein, daß die Soz aldemokratcn au sich bereit wären, in ein Kabinett Cuno ohne weiteres eiuzu- treten. Der neue Reichskanzler Berlin, 18. November. Gegen die Person des in Aussicht genommenen Reichskanzlers sind von keiner Partei Bedenken er hoben worden, auch mit dem in großen Umrissen bekannten Pro gramm Ennos ist man in allen Lagern einverstanden. Auf sozialdemokratischer Seite zeigt mau augenblicklich noch ein zurückhaltendes Mißtrauen. Die Tätigkeit in der Leitung eines großkapitalistischen Unternehmens sei in den Augen der Nrbeitermassen keine Empfehlung, bemerkt der „Vorwärts", aber dennoch: Die Sozialdemokratie wird sich den Mann, sein Programm und das von ihm vorgeschlagene Kabinett genau ansehen nnd dann sagen, wie sie sich zu ihm stellt. Das wird freilich nicht ohne gewisse Schwierigkeiten abgehen. Schon jetzt gebärdet man sich in diesem Lager energisch ablehnend gegen über der Bemühung Dr. Ennos, den Führer der Deutschen Volks partei Dr. Stresemann als Außenminister in sein neues Kabinett aufzi.-nehmen. Es ist nur zu wünschen, daß die Krfte möglichst bald ihre Beendigung finden möge, wo dock» von Tag zu Tag unsere wirtschaftliche Lage bedrohlicher wird und immer lauter nach Klärung verlangt. Wir haben keine Zeit in unnützen tmrlamentarischen Spielereien zu verlieren. Es wäre aus die sem Grunde auch von großem Nachteil, wenn die Reparation?- kouunission die noch von Dr. Wirth Unterzeichnete Note nicht mehr anerkennen wollte, obwohl sich doch vorläufig in dieser Hin sicht a» dem Stande der Dinge nichts geändert hat. Uebrigens dürfte» einzelne Kreise nun endlich ihren Wunsch erfüllt sehen, das augenblicklich das Steuer des Reiches nich: mehr in „alemannischen" Hände ruht, daß nun "er Wind nicht mehr aus der „vielgchaßtcn Südwcstccke" des Reiches über den Schwarztvald herüberweht nach Berlin, sonder» aller Voraussicht nach wird in Zukunft eine kräftige Secbrise vom Nordsecslrand die Segel des Rcichsschiffes schwellen lassen. Möge die Fahrt unserer Rettung und einer besseren Zukunft eutgegengehen, dam« ist uns jeder Wind rechtt Aus dem Ausland Amerika und der neue Kanzler Berlin, 17. November. In amerikanischen Kreisen wird die Kandidatur Dr. Ennos als eine besonders glückliche bezeichnet. Man legt Wert darauf. daß Cuno bei seinen wiederholten Be- suchen in Amerika und vor allen Dingen bei seinen Begegnungen mit dem Präsidenten Harding eine so genaue Kenntnis der ame rikanischen Verhältnisse und der amerikanischen Psyche bekundet hat, daß man sich von einem Zusammenarbeiten mit dem jetzigen deutschen Botschafter in Washington, Wiedfeld, sehr Ersprieß liches verspricht. Weitere 55 Millionen Goldmark bezahlt Paris, 15. November. Die Reparationskommission ver öffentlicht einen offiziellen Bericht, wonach heute die Kriegs- lastenkommission in Paris Schatzwechsel im Werte von 55 Mil lionen Goldmarl auf Grund des Beschlusses der NeparationSkom- Mission vom 31. August 1922 überreicht hat. Die am 15. Novem ber fällige Barzahlung beträgt an nnd für sich 60 Millionen Goldmark. Die Differenz zwischen dieser Summe und dem er wähnten Betrage von 55 Millionen ist zum Teil durch gewisse an die Kommission bereits crbgeführte Summen gedeckt. Das Ergebnis der englischen Wahlen Paris, 17. November. Das Ergebnis der englischen Wahlen ist nunmehr ans 606 Wahlbezirken bekannt. Aus den zehn ent ferntesten stehen die Resultate noch aus. Fest steht, daß tue Kon servativen mit 341 Mandaten eine Mehrheit von rund 8V Sitzen gegenüber der Gesamtsumme der anderen Parteien anfweisen werden. Die Nationallibcralen und Unabhängig-Liberalen gehen geschlagen aus dem Wahlkampfe hervor. Lloyd George soll in dessen geäußert haben, daß seine Organisation kein besseres Er gebnis erwartet habe. Die Arbeiterpartei hat einen Gewinn von ungefähr 70 Sitzen zu verzeichnen. Sie kommt mit einer doppelt so großen Anzahl von Abgeordnete», wie bisher in die Kam,»er. Neue Erdstöße in Chile Paris, 17. November. AnS Santiago de Chile wird tele graphiert. daß gestern neuerlich zwei Erdstöße, sowie eine Spring flut in der Nähe von Eoguimbo beobachtet worden sind. Die Osterinsel, die zu Chile gehört, ist im Meere versunken. Porneare verlangt ein Vertrauensvotum ^ Paris, 17. November. In der Kammer wird heute die In« terpebationsdebaite fortgesetzt. Poincarä wird ein Vertrauens votum verlange», um bei seiner bevorstebenden Zusammenkunft mit Lord Eurzon und Mussolini die nötige Unterstützung für seine Politik zu finden. Der Sultan soll vor einen Staats^erichtshof gestellt werden Paris, 17. November. Ans Konstantinopel wird gemeldet: Die Nationalversammlung hat einen Vorschlag ihres Präsidenten Mustafa Kemal angenommen, wonach der Sultan und feine Mi nister vor einen Gerichtshof gestellt werden sollen. Eine scheiduiig darüber, wie der Beschluß durchgesührt werden soll, wird erst später gefällt. Italiens Außenpolitik Rom, 17. November. I» seiner großen Programmrede in der Kammer erklärte Mussolini: Er verlange unbeschränkt« Voll macht, weil er auch die ganze Verantwortung übernehmen wolle. Das Land sei mit ihm lind warte. „Wir werden ihm," sagte Mussolini, «keine Worte, sondern Taten bieten. Wir übernehmen die formelle Verpflichtung, das Gleichgewicht im Budget wieder herzustellen und wir werden es wieder Herstellen. Wir wollen eine auswärtige Politik des Friedens, der Würde und der Festig, keit treiben. Kein Gegner macht Och über die kurze Dauer «ck» sercr Macht Illusionen. Unsere Regierung hat eine ungeheuer breite Grundlage im Bewußtsein des Volkes und wird von den Besten und Jüngsten unterstützt. Und ohne Zweifel hat man ln den letzten Tagen einen Riesenschritt in der Richtung der Eini gung der Geister vorwärts getan. Jetzt möge Gott mir helfen» meine schwierige Aufgabe zu lösen." Die vollbesetzte Kamm« und die überfüllten Tribünen avplaudierien an einer Reihe vsiN Stellen der Rede außerordentlich lebhaft.