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WMchMch Tharandt, Nossen, Jiebentehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 44. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnemenipreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montag» und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 91 Dienstag, den 11. November 1884» Bekanntmachung. Bei der heute in Plauen bei Dresden erfolgten Ermittelung des Ergebnisses der am 28. October dieses Jahres im VI. König!. Sächs. Wahlkreise stattgefundenen Wahl eines Reichstagsabgeordneten hat sich herausgestellt, daß in diesem Wahlkreise Herr Heheimer Hofrath in Dresden mit 9099 Stimmen von 15655 abgegebenen Stimmen zum Abgeordneten für den deutschen Reichstag gewählt worden ist, was hiermit öffentlich bekannt gemacht wird. Dresden, am 1. November 1884. Der König! Commissar für die Reichstagswahl im VI. sächsischen Wahlkreise. vr. Schmidt. Donnerstag, den 13. dieses Monats, Nachmittags 6 Uhr öffentliche Stadtgemeinderathssitzung. Wilsdruff, am 10. November 1884. Der Stadtgemeinderath. - Ficker, Brgmstr. Bekanntmachung. Sonn- und Feiertagsarbeiten, insoweit solche nicht gesetzlich gestattet sind oder dazu besondere obrigkeitliche Erlaubniß nicht ertheilt worden ist, werden nach H 366 unter 1 des Reichsstrafgesetzbüches «nnachsichtlich mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder entsprechender Haft belegt. Wilsdruff, am 10. November 1884. Der Bürgermeister. Ficker. Bekanntmachung. Nachdem von der Königlichen Kreishauptmannschaft zu Dresden das Statut für die gemeinsame Gemeindekrankenversicherung im Amtsgerichtsbezirke Wilsdruff genehmigt worden ist, so machen wir auf Grund des Schlußsatzes in tz 2 des Gesetzes vom 15. Juni 1883 andurch bekannt, daß nach dem gedachten Statute, also auch für die Stadt Wilsdruff, der in ß 1 des angeführten Gesetzes statthabende Versicherungszwang auch mit auf die Handlungsgehilfen und Lehrlinge, Gehilfen und Lehrlinge in den Äpotheken sowie auf die in der Land- und Forstwirthschaft beschäftigten Arbeiter, was die Letzteren anbelangt, bei einem Arbeitsverhältniß, das über sechs Wochen dauert, ausgedehnt worden ist. Hiernächst haben wir noch zu bemerken, daß die oberwähnte Gemeindekrankenversicherung am 1. December ds. Js. eröffnet wird. Wilsdruff, am 8. November 1884. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. LageSgefchichte. Wer will es leugnen, daß die große Majorität des deutschen Volkes sich am 28. Oktober in einer der kaiserlichen Sozialpolitik günstigen Weise ausgesprochen und damit ein vernichtendes Urtheil über das jeder positiven Sozialreform abgeneigte Manchesterthum gefällt hat? Im Ernste wohl Niemand; regt sich doch schon in der sogenannten liberalen Presse eine Strömung, welche die Forderung aufwirft, das sozialreformatorische Programm der kaiserlichen Botschaft vom 17. Nov. 1881 nicht mehr allein durch negirende Opposition, sondern durch positive Gegenvorschläge zu bekämpfen und dabei der Regierung womöglich den Weg abzulaufen. Bereits schon die drei liberalen Fraktionen des vorigen Reichstages haben diesem Gedanken einmal Rechnung getragen, indem sie eine positive Lösung der Unfall versicherung zu bieten suchten. Vergebliches Bemühen! ihr diesbezüg licher Gesetzentwurf zeigte die völlige legislatorische Unfruchtbarkeit dieser Richtung auf sozialpolitischem Gebiete und man bereitete ihm durch Verweisung an eine Kommission ein „Begräbniß zweiter Klasse". Jetzt, wo die nationalliberalen Kräfte fehlen, welchen damals das verhältnißmäßig Beste an dem Entwürfe zu danken war, sind, so schreiben die „B. P. Nachr.", die Aussichten auf gesetzgeberische Leistungen der Deutsch-Freisinnigen vollends auf den Nullpunkt herabgesunken. In dem Bewußtsein der legislatorischen Impotenz auf dem Gebiete der positiven Sozialpolitik ist denn wohl auch die Ursache der in der Wahlbewegung von deutsch-freisinnigen Führern, u. A. von Herrn v. Bunsen in Hirschberg, aufgestellten Behauptung zu suchen, daß die Alters- und Jnvalidenversorgung undurchführbar sei. Aus solchen Aeußerungen erhellt, daß die arbeitenden Klassen der Bevölkerung von den Linksliberalen in Bezug auf die Beseingung der Folgen der Ar beitsunfähigkeit genau ebenso wenig zu erwarten haben, wie in Bezug auf die Vermehrung und Verbesserung der Arbeitsgelegenheit und des Arbeitsverdienstes durch eine kräftige Wirthschafts- und Kolonialpolitik. Die Einberufung des Reichstags soll etwa zum 20. Novbr. zu erwarten sein. Unter den Vorlagen, die demselben alsbald zugehen werden, dürften sich neben dem Staatshaushalt die Gesetzentwürfe über Postsparkassen und Dampfersubventionen befinden. Aus Elsaß-Lothringen, 6. November. Die letzten Reichs tagswahlen haben die betrübende Erscheinung zu Tage treten lassen, daß die Sozialdemokratie nunmehr auch in den elsässer Jndustrie- bezirken festen Fuß gefaßt hat. Den im Wahlbezirke Mühlhausen für den Großindustriellen Dollfus abgegebenen 8600 Stimmen standen ' ls 3000 Stimmen aeaenüber, welche sich auf einen Sozialdemokraten vereinigten. Dieses Ergebniß ist um so bemerkens- werther, als es fast ohne vorhergegangene Wahlagitation seitens der Sozialdemokraten erreicht worden ist, und ein Kandidat aufgestellt war, der gar keinen Namen hatte. Es hat sich also gezeigt, daß auch eine umfassende Fürsorge für die Arbeiter, wie sie seitens der elsässer Fabrikanten von jeher an den Tag gelegt worden war, das Eindringen und Umsichgreifen der sozialdemokratischen Irrlehren nicht verhindern kann. Im Uebrigen bezeichnet auch das amtliche Blatt, die „Els.- Lothr. Landes-Zeitung", den Ausfall der Wahlen als einen nicht erfreulichen, und ist der Ansicht, daß derselbe für Elsaß-Lothringen einen Stillstand, wenn nicht einen Rückschritt in seiner politischen Ent wicklung bedeute. Hamburg, 5. November. Mit welcher Findigkeit es die So zialdemokraten verstehen, die verbotenen Schriften einzuschmuggeln, erhellt aus dem jüngsten Wahlakt. Die Polizei hatte ein wachsames Auge auf die Führer und die vom Jnlande ankommenden Sendungen. Es wird, wie dem „Hann. Kour." von hier geschrieben wird, erst jetzt bekannt, daß die zumeist in Stuttgart bei dem Buchdrucker Dietz hergestellten Wahlaufrufe in leere Cigarrenkisten verpackt und in einem kleinen Orte bei Stuttgart zur Beförderung nach Hamburg ge langten. So sollen durch diese Kistensendung, in welcher Niemand Drucksachen vermuthen konnte, 200,000 Exemplare hierher gelangt sein, und gelang es erst bei der zweiten Sendung, einen Theil der inzwischen auch verbotenen Drucksachen abzufassen. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." hört, hat vor einigen Tagen auf Beschluß des Berliner Amtsgerichts I. bei dem Verlagsbuchhändler Junge eine Durchsuchung nach unzüchtigen Schriften durch die Sitten polizei stattgefunden, welche das erstaunliche Resultat der Beschlag nahme von ca. 96,000 Druckexemplaren unsittlicher Schriften verschiedener Arten ergeben hat. Der „Reichsfreund", das Organ Eugen Richter's, zieht die Bilanz der Wahlen für die freisinnige Partei wie folgt: „Dreißig freisin nige Abgeordnete sind gewählt. Fünfzig freisinnige Kandidaten befin den sich in der Stichwahl zwischen heute und künftigen Freitag. Acht undneunzig Abgeordnete zählte die Partei bei Schluß des Reichstages. Auf sechszig bis siebenzig Abgeordnete werden wir wieder kommen. Vierundvierzig Abgeordnete zählten die beiden jetzt vereinigten Parteien in der Wahlperiode 1878 bis 1881. Die Hälfte unserer Eroberungen von 1881 werden wir also behaupten, trotz des heftigsten Ansturmes von allen Seiten."