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Nachdem die Verhandlungen in Bezug auf den Zollanschluß von Bremen zu einem befriedigenden Resultate geführt haben, stellte der Bundesbevollmächtigte für Bremen in der am Donnerstag Nach mittag stattgehabten Bundesrathssitzung den formellen Antrag, Bremen in den deutschen Zollverband aufzunehmen. Der Antrag wurde ein stimmig angenommen. Der Anschluß soll zur selben Zeit, die der Hamburgs, also im Jahre 1888, erfolgen und den Zuschuß, den das Reich zu den Kosten dieses Anschlusses beizusteuern hat, soll sich auf 12 Millionen belaufen. Der Gesammtkostenbetrag ist auf 25 Mill, veranschlagt. Dem Reichstag wird in Bälde eine diesbezügliche Vor lage zugehen. In England ist es dem Bemühen einer menschenfreundlichen Agitation bekanntlich gelungen, ein Gesetz gegen die „schwimmenden Särge", gegen schlechte und überladene Schiffe durchzubringen. Ein am 1. d. veröffentlichter parlamentarischer Ausweis über die Wirkung des britischen Kauffahrtei-Schifffahrtsgesetzes dürfte zur Genüge be weisen, wie dringend der Erlaß eines derartigen Gesetzes für England geboten war. Von den seit der Jnkrafttretung der Akte als mangel haft angemeldeten 563 Schiffen wurden nur 9 für sicher und 544 für unsicher befunden, während bei dreien die Untersuchung noch schwebt und in 5 Fällen die Fahrzeuge ohne hinreichenden Grund zurückgehalten wurden. Von den als überladen denunzirten 341 Schiffen wurden nur fünf für sicher und die verbleibenden 336 für unsicher befunden. Wie viele Menschenleben ohne dies wohlthätige Gesetz geopfert worden wären, läßt sich kaum ermessen. Vaterländisches. Wilsdruff, am 5. November. Die heutige von Mitgliedern und Gästen sehr zahlreich besuchte Sitzung des landwirthschaftlichen Vereins für Wilsdruff und Umgegend eröffnete der Vorsitzende, Herr Rittergutspachter Andrä in Limbach, damit, daß er den Herrn Pro fessor Dr. Heiden aus Pommritz, sowie die anwesenden Gäste herz lich begrüßte; derselbe machte hierauf Mittheilung von verschiedenen Eingängen, bestehend in 1. einem Vortrag des Herrn Oberlehrer Roth in Döbeln, gehalten im landwirthschaftlichen Verein zu Hainichen; 2. einer Mittheilung des Kreisvereins, daß mit dem Aufhören des Pachtverhältnisses Herrn Semmigs in Oberkunnersdorf auch die von demselben eingerichtete Lehrmeierei aufgehört habe. Hieran knüpfte der Herr Vorsitzende die Bemerkung, daß der Kreisverein für die Lehrmeiereien bedeutende Unterstützungen gewähre und sicherte Em pfehlung zu, wenn sich Jemand von der hiesigen Gegend zur Errich tung einer solchen nützlichen Anstalt bereit finden sollte; 3. einer Einladung zur Benutzung der Altersrentenbank; 4. einer Erklärung des Kreisvereins, daß sich die Theilnehmer an den viermonatlichen Kursen im Hufbeschlage zunächst an die Veteri- närfchule und nach bestandenem Examen wegen Unterstützung direkt an das Kgl. Ministerium des Innern zu wenden haben; 5, einer Mittheilung, daß die Besteuerung des Einkommens vom Walde eine bisher nicht gerechte, vielmehr eine doppelte gewesen sei. Hier stellte der Herr Vorsitzende das Ersuchen, in hiesiger Gegend bekannt werdende derartige Fälle bei ihm anzumelden; sodann machte der Herr Vorsitzende die Anwesenden mit dem Wort laute der an die Kgl. Amtshauptmannschaft zu Meißen wegen Abstel lung des Lärmens, überhaupt unanständigen Betragens der jungen Leute beim Nachhausewege von der Rekrutirung eingereichten Petition bekannt, empfahl ferner den Ankauf des vom Herrn Buchhändler Päßler in Dresden herausgegebenen landwirthschaftlichen Vereins-Ka lenders L 50 Pfennige, bat weiter, Versuche zu machen mit der Cam bridge-Walze Herrn Friedrich Dähnes in Halberstadt und erklärte schließlich, daß er den speziellen Bericht über den Ausfall der Kar toffelanbauversuche erst später erstatten könne, da ihm die einzelnen Ergebnisse noch nicht alle zugegangen seien. Nachdem noch drei neuangemeldete Mitglieder in den Verein Aufnahme gefunden hatten und ein Antrag des Herrn Mühlig-Hof mann hier, dahin gehend: „Etwaige Anträge von Mitgliedern des landwirthschaftlichen Ver eins sind bei Eröffnung der Versammlung einzureichen und vom Vor sitzenden sofort vorzutragen, doch dürfen diese Anträge erst vor Schluß der Sitzung zur Debatte kommen" angenommen worden war, hat Herr Professor Dr. Heiden den ange kündigten Vortrag über rationelle Stallmistbehandlung gehalten. Der selbe besprach in eingehender Weife folgende Punkte Wie ist der Stallmist beschaffen? Wie soll der Mist im Stalle behandelt werden? Was für Slreumaterialien sollen wir anwenden? Wie lange soll der Mist im Stalle bleiben? Was für Verluste an Mist entstehen beim Lagern auf der Dungstätte? Wie ist der Mist auf dem Felde zu behandeln? Hierbei hob der Herr Vortragende besonders mit hervor, daß er als Einstreumittel nicht Kainit, sondern hauptsächlich Superphosphat- gyps empfehlen könne, sprach sich mit über richtige Anlegung der Dungstätten und Jauchengruben aus, betonend, daß die Jauchengruben geräumig und etwas tiefer als die Dungstätten anzulegen feien, da mit der Mist nicht in die Jauche zu stehen komme und empfahl, bei großer Trockenheit den Dünger mit Jauche zu übergießen; ferner hielt er gründliches Festtreten des Mistes auf der Dungstätte für unbedingt nothwendig und verwarf endlich, daß der Dünger in kleineren Haufen auf das Feld gebracht werde und so längere Zeit stehen bleibe; Setz ung von großen Haufen auf dem Felde könne er nur dann für zu lässig erklären, wenn die Dungstätten fehlen. Der Herr Vorsitzende sprach dem Herrn Vortragenden für den gehörten interessanten und lehrreichen Vortrag den verbindlichsten Dank aus. An der hieran sich reihenden lebhaften Debatte betheiligten sich die Herren Vorsitzender Andrä, stellvertretender Vorsitzender Kopier, Dr. Kohmeier, Schüpahn aus Freiberg, Schubert aus Blankenstein und Körner aus Kausbach. Bei dieser Gelegenheit beantwortete der Herr Vortragende noch einige Anfragen, insbesondere, daß er Lohe als Streumittel, nicht empfehlen könne und daß als Düngemittel Fisch guano zwar warm zu empfehlen, aber zu theuer sei. Schließlich genehmigte man noch den Antrag des Herrn Ritter gutspachter Risse in Klipphausen, die Vereinssitzungen in der Zeit vom November bis mit März schon Nachmittags 4 Uhr abzuhalten, und beantwortete eine im Fragekasten vorgefundene Frage. Wilsdruff. Auf den in heutiger Nummer unseres Blattes ab gedruckten Aufruf zur Betheiligung an dem in der Ephorie Meißen gegründeten „Kreisverein für innere Mission" machen wir an dieser Stelle noch besonders aufmerksam, wünschend, daß in Anbetracht des wahrhaft christlichen Zweckes sich recht Viele aus unserm Leserkreise diesem Vereine anschließen möchten. — Von den aus dem Plauenschen Grunde an der bergmän nischen Expedition nach Angra-Pequena Betheiligten liegen dem „Glück auf" mehrere Briefe vor, denen wir folgendes entnehmen: Am 18. September, Abends 10 Uhr, erscholl vom Mastkorbe aus der Ruf: Land! Land! Alles jubelte auf dem Schiffe und sah nach dem Lande, welches sich unsern Augen durch ein flackerndes Lichtchen präsentirte; es kam dies vom Leuchtthurm auf der Robbeninsel, einer kleinen vor dem Hafen von Kapstadt liegenden Insel, bald aber zeigten sich uns mehr Lichter, bis wir das erleuchtete Kapstadt vor uns sahen. Nach 21tägiger Fahrt, von Plymouth aus gerechnet, warfen wir am 19. September früh '/2I Uhr Anker im Hafen von Kapstadt. Nachdem wir glücklich ans Land gekommen, wurde ich in einem deutschen Hotel untergebracht. Ich war froh, in der Verpflegung wieder Abwechselung zu haben, denn die englische Kost auf dem „Trojan" war zwar keine dürftige, aber für uns Deutsche eine fast ungenießbare. Halbrohes Fleisch, ohne alles Gewürze, wie es die englische Küche mit sich bringt, mundete uns gar nicht, und so haben wir uns auf dem Schiffe fast nur von Kartoffeln rc. genährt. Kapstadt liegt am Fuße des Tafel- und Löwenberges. Von den ca. 40,000 Einwohnern dieser Stadt sind ungefähr 15,000 Schwarze, 5000 Deutsche, darunter viel Sachsen, die Andern aus dem übrigen Europa. Von den hier anwesenden Engländern wurden uns keineswegs freundliche Gesichter gezeigt, so bald sie erfahren hatten, daß wir nach Angra-Pequena reisten, dagegen waren die hier anwesenden Deutschen ganz begeistert für unsere neue Kolonie. Alle Welt beneidet uns um unser Engagement. Am 28. September Abends haben wir trotz der Gefahren, die eine Besteigung des Tafelberges mit sich bringt, denselben bestiegen. Zu unserer Ab reise nach Angra-Pequena ist Alles geordnet, 4 Hottentotten, nette Kerle, sind gemiethet als Fuhrleute für unsere 4 Gepäckwagen. Letztere werden mit je 8 Ochsen bespannt. Auch haben wir einen Koch ge miethet, einen Afrikaner. Kapitän Piester versicherte uns, daß an der ganzen Küste vom Oranje River (der größte Fluß) kein Hafen, keine Bucht anzutreffen sei, wo ein Schiff anlegen und uns Wasser- und Nahrungsmittel zustellen könnte. Unglaubliche Schwierigkeiten entstehen dadurch, daß der Oranje River unschiffbar sein soll, die Brandung soll zu heftig und die Barrenvorlagen sollen selbst für Schiffe mit geringem Tiefgang zu groß sein. Alle unsere Bedürfnisse werden da her von Angra-Pequena aus befriedigt werden müssen. In der Süß wasserfrage dürste ein entscheidendes Unheil bald fallen, da bereitsein Ingenieur mit allen nöthigen Instrumenten, Bohrern, Röhren, Pum pen rc. ausgerüstet, nach Angra-Pequena abgegangen ist. — Nach einer vorläufigen Zusammenstellung, die von der Wirk lichkeit nur wenig abweichen wird, sind im Königreich Sachsen bei der Reichstagswahl am 28. Oktober im Ganzen etwa 333,000 Stimmen abgegeben worden. Von dieser Stimmenzaht entfallen etwa 205,000 auf die gejammten Ordnungsparteien, 128,000 auf die sozial demokratische Partei. Damit hat letztere Partei wieder, nachdem sie 1881 um 40,000 Stimmen zurückgegangen war, ihren Bestand von 1877—1878 erreicht. Die 205,000 Stimmen der Ordnungsparteien vertheilen sich mit etwa 82,000 Stimmen auf die nationalliberale, mit etwa 83,000 Stimmen auf die beiden konservativen Parteien und mit etwa 40,000 Stimmen auf die deutschfreisinnige Partei. — Die Zahl der Fabrikarbeiter in Chemnitz betrug nach der amtlichen Zählung vom 1. Mai 1884 an diesem Tage 18,008 männ liche und 8277 weibliche Arbeiter. Diese waren insgesammt in 453 Betrieben beschäftigt. Die Mehrzahl der männlichen Arbeiter, nämlich 9883, kommt auf die Metallverarbeitung und Fabrikation von Ma schinen, Werkzeugen und Instrumenten, einschließlich der Gießereien. Die Mehrzahl der Arbeiterinnen, 7136, auf Spinnereien und die Fabrikation von Web- und Wirkwaaren. Unter den männlichen Ar beitern befanden sich 14,133 im vollendeten 21. Lebensjahre und darüber. Was die Menschen Alles essen. Bei Wahl seiner Nahrung läßt sich der Mensch durchaus nicht von seinem Verstände allein leiten, denn dann würde eine ganz an dere Lebensweise bei uns herrschen, sondern hier giebt den Ausschlag der Instinkt. Man sollte nun meinen, daß dieser Naturtrieb doch alle Menschen gleich leiten und bei allen Menschen gleich sein sollte. Das ist aber bei weitem nicht der Fall. Es ist erstaunlich, was die Men schen in den verschiedenen Zonen, Klimaten und Ländern nicht Alles essen. Der Bewohner kälterer Erdstriche muß das ganze Jahr hindurch im Schweiße seines Angesichts arbeiten, um für Kleidung, Obdach, Vorräthe an Lebensmitteln für den Winter zn sorgen. Bei der schwer ren Arbeit und rauheren Luft muß er mehr und öfter essen, als z. B. ein Südseeinsulaner. In den heißen Ländern ist mäßiger Genuß von Speisen eine Nothwendigkeit aus körperlichen und klimatischen Rück sichten. Der zarte Hindu am Ganges, in der bengalischen Tiefebene, wäre eine Beute des Todes, wenn er dem Tartaren und Mongolen nachahmen wollte, der bei einer Mahlzeit drei bis vier Pfund Fleisch verzehrt, ohne irgend welche Verdauungsbeschwerden dabei zu empfin den. Die Eskimo's und Kamtschadalen bedürfen zum Schutz gegen die Kälte fetter Speisen, d. h. Speisen, die viel Kohlenstoff enthalten, welcher auch die Körpermaschine am besten heizt. Sie trinken über Alles gern Wallfischthran, genießen Wallfischfett und Fischthran als Suppe, und Talglichter dünken ihnen die kostbarsten Leckerbissen zu sein. Auch in Polen und Rußland verzehrt man bekanntlich noch gern ein Talglicht zu einem Stück Brod und ist seelenvergnügt dabei. Die Syrier, Araber und Aegypter wußten den Heuschrecken Ge- schmack abzugewinnen. Die alten Prygier in Kleinasien aßen gewisse Arten von Würmern, und einzelne Jndianerstämme Amerika's thuen dasselbe heute noch. Die alten Griechen verspeisten mit Vorliebe die Tatzen des Löwen und die Füße des Kameels und die römischen Schlemmer der Kaiserzeit sahen auf ihren Tafeln ganze Schüsseln mit Nachtigallenzuugen. In Afrika verzehren verschiedene Negervölker das Fleisch von Schlangen. Der Kalmücke aus Hmter-Asien verzehrt Mause, Ottern, Raubvögel, Füchse, Wölfe, alles Thiere, die wir schon wegen ihres Geruches fliehen, aber seltsamer Weise verschmäht er das Fleisch von Hunden, Katzen und Wieseln. Der Jakute in der asia tischen Tartarei läßt sich das Fleisch des Aasgeiers wohlschmecken, würde aber Frösche und Schweine nicht anrühren. In Tonkin, be kannt durch die Kriege der Franzosen, werden Löwen und Tiger ge gessen, und die Bewohner der Baschiinseln kennen keinen größeren Leckerbissen als einen Ziegenmagen mit seinem vollständigen Inhalte. Die Neger genießen Elephantenfleisch, Strauße, Krokodille und Fluß pferd, die Buschmänner und Hottentotten in Südafrika essen Ameisen und Holzwürmer, Am Orinoko in Südamerika giebt es Jndianer stämme, welche Thonerde genießen, nachdem sie dieselbe mit Schild krötenfett beträufelt. So wechseln in den verschiedenen Ländern der Erde die Speisen je nach Bedürfniß und Laune des Menschen. Denn als Laune muß angesehen werden, wenn man z. B. bei uns Schnecken genießt und in Frankreich aus Maikäfern mit Essig, Oel und Zwie-