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Riesaer Tageblatt 8«. Jahr« 14S. Drahtanschrift: Lageblatt Riesa. Fernruf Nr. 20. Postfach Nr. 52. Postscheckkonto: Dresden 153Ü. Tirokasse:. Riesa Nr. 52. 50°/ A^Ncklaa^^estt Tarifs Bewilliattr Rabatt erlischt, wenn der Betrag verfällt, durch Klag« «ingezogen werden mutz oder der Auftraggeber m Kontur« gerat. Zahlung«, und WS"-,- Rotationsdruck und Derlag: Langer t Winterlich, ^Ri.sa/»esch»f1»ft«»«: »«etheftr.de 5». Verantwortlich für Redaktum: H.rurrch Uhlemann, Riesa; für LnzeigenteU: W.lhelm^Dittr^ch^Rwsa^ und Anzeiger lSlbeblatt mü> An-eigerf. Das Riesaer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Großenhain, des Amtsgerichts und der Amtsanwaltschaft beim Amtsgericht Riesa, de- Finanzamts Riesa und des Hauptzollamts Meißen behördlicherseits bestimmte Blatt. Sonnabend, 24. Juni 1933, irbenvs ' Kolk kUkgkiM8l öder verlla. lieber kein Keglerungsvlettel von klugrensen einer dlrber nacb nlclit serebeaea Izsps klvgblSlter mit reinverrien vereblmplungea ller Kelklirreslernng »dgevorlen. oemseblimllr lllinmscbl in ller Lull de«leren. Freffagnachmikkag erschienen über Bern« auslän dische Flugzeuge von einem in Deutschland unbekann ten Typ und warfen über dem Regierungsviertel und im Osten Flugblätter mit einem die Reichsregierung be schimpfenden Inhalt ab. Da die benachrichtigte Luflpolizei eigene Apparate nicht zur Verfügung hatte und die sonstigen auf dem Flughafen vorhandenen Sportslugzeuge die Schnel- kigkeik der aufgetauchken ausländischen Flugzeuge nicht er reichten, konnten diese unerkannt enlkümmen. Dieser Vorgang beleuchtet schlagartig die unhalt bare Lage, in der sich Deutschland zur Zeil befindet. Flugzeuge eines bisher in Deutschland nicht gesehenen Typs können ungehindert über den Gebäuden der Reichsregle- rung erscheinen und hier Flugblätter mit unerhörten Le- schimpfungen des Deutschen Reiche, abwersen. Heute sind es noch Flugblätter, morgen können es schon Gas- oder Brandbomben fei«, die Tod und Vernichtung bedeuten. Mit Recht wird überall in der deutschen Oeffentlichkeit die Frage gestellt: wozu habe« wir eigentlich eine Luftpoli- zei? Iss e- nicht da, natürlichste, aazuaehmen, dah diese Lufipolizel in der Lage wäre, sofort einzugreisen, und die feindlichen Angreifer an ihrem verbrecherischen Tun zu hin dern? Veit gefehlt — Deutschland besitzt zwar eine Luft- polizei, aber diese heißt nur so. weil sie aus Flughäfen als aufsichtführende Instanz tätig ist. Deutschland besitzt nicht ein einziges Polizeiflugzeug, und warum nicht? — weil da» Gebot der Feind- bundmächte Deutschland zur Ohnmacht gegen jeden Rebergriff innerhalb seiner Lufthoheit verdammte. Jeder Vogel darf sich wehren, wenn sein Rest angegrif. seu wird. Rur Deutschland mutz mit gestutzten Schwingen und stumpfen krallen zuschäuen, wenn sein Rest beschmutzt uud demnächst vielleicht sogar zerstört wird. Das deutsche Volk verlangt Schuh vor moralischer Ver giftung, die sich morgen in materielle Vernichtung umwan- deln kann. Das deutsche Volk fordert von einer verantwor- tungsbewußten Regierung unverzüglich Maßnahmen, um die nunmehr unerträglich gewordene Schutzlosigkeit de, deut- scheu Luftraumes zu beseitigen, wir fragen da, Luftfahrt- Ministerium, von dem anerkannt werden muß, daß e, ge wiß schon viele, auf dem Gebiet der zivilen Luftfahrt in Zusammenarbeit mit den anderen Völkern geleistet hat: was gedenkt das Lustfahrturipisicrinm hiergegen zu tnn. Videant «mfutest ZN Brige WMW M Mlin. Berlin. (Funkspruch.s Zu -em gestrigen Erscheinen kommunistischer Propagandaslngzeugc über Berlin wird von maßgebender Seite erklärt, daß die Reichsregierung selbstverständlich diesem Vorfall die allerernsteste Bedeutung vermißt und die «utsprechewben Maßnahmen ergriffen hat. Infolge der Wetterlage war eS nicht möglich, Genaueres über Typ, Herkunft und Ziel der Maschinen festzustellen. Man konnte lediglich sehen, daß es sich um Doppeldecker mit verschieden gestellten Dragbecke« handelte. Bemerkenswert ist, daß 80 Minuten vor Eintreffen der Flieger in Berlin in Eottvus ebenfalls unbekannte Flugzeuge gesichtet wurden. Zeitlich würde es möglich sein, -aß es sich um dieselben Maschinen handelt. Ebenso kann es sich bei den in späteren Abendstunden in Mannheim «nd der Pfalz gesichteten i« Oft-Wcst-Richtung fliegenden Maschine« um die gleiche« Flugzeuge handel«. Selbstverständlich ist cs auch schwer, zu sagen, ob wirklich ein Zusammenhang zwischen diesen Appa raten und der Ueberfliegung Berlins besteht Sicher ist, daß dieser Lnftanschlag auf Berlin wohl vorbereitet war und Beziehungen zn irgendwelchen Kreise« in der Reichshaupt stadt selbst hat. Das geht schon daraus hervor, daß znr gleichen Zeit, als die Flieger über der Stadt erschienen, von dem Berolina-Hochhaus am Alexanderplatz Flugblätter an deren Inhalts abgeworfe« wnrden. Wenn nun in -er Oeffentlichkeit eindringlich die Frage aufgeworfen wird, wie derarttge Vorfälle zu verhindern stn-d da man ja auch damit rechne« mnß, daß einmal nicht WWW «MW U »M MMWklt. Neue Gesetze In der Ministerbesprechung am Freitag berichtete der Reichsaußenminister Freiherr von Neurath als Führer der Londoner Delegation über die Arbeiten der Weltwirt schaftskonferenz, wozu der Reichswirtschaftsminister und auch der Reichsbankpräsident von sich aus nähere Darlegungen machten. Dr. Schacht sprach insbesondere auch über feine persönlichen Verhandlungen-mit den kurz- und langfristigen Gläubigern, die teilweise bereits zu einem Ergebnis geführt haben. Eine besondere Rolle spielte in der Kabmetl ^b -ng ein Gesetz zur Aenderung des Gesetzes zur Wiedertzerfte«»»» »es «er«k»»eDWteiOms vom 7. April 1933. Ls wird dadurch der Reichsregieruvg die Möglichkeit gegeben, ohne jede Rücksicht jeden einzelnen Beamten in den Ruhestand zu verletzen, mich wenn er nicht dienstnastihig Ul. Diese Versetzung kann auch ohne Rücksicht auf seine potRtzche Haltung erfolgest. Da, wird insbesondere notwendig sei«, wenn bisher bestehende Behörden überflüssig sind und abge- baut werden. Der Reichsregierung wird do« Recht gegeben, bisher i« de« Wartestand versetzte Beamte endgültig durch ihre Versetzung in den Ruhestand au» dem Veamleakörper auszuscheiden. Da das Gesetz sich auch auf die Landesbehöc- den und auf Wahlbeamte uud sonstige Beamten der Ge meinden und Gemeinde verbände in leitender Stellung bezieht, gibt e, praktisch kaum Beamte in Deutschland, die nicht in den Ruhestand verseht werden können. Den Gemeinden wir- im Interesse der politischen Gleich schaltung durch diele« Gesetz noch da, »echt gegeben, die freiwerdenden Stellen ne« zu besehen. Die Auswirkung ist ziemlich erheblich, denn die Gemeinden können nunmehr ohne Zustimmung der Betroffenen alle Bürgermeister, Stadträte und sonstige mit der politischen Richtung de, neue» Deutsch land nicht übereinstimmende Beamte in den Ruhestand «er- letzen und ihre Stellungen neu besehen. Damtt findet la den Gemeinden da» Zeitalter der Kommissare sein Ende. Auf Wahlbeamte der Gemeinden und auf leitende Ge meindebeamte, die im Interesse des Dienstes m den Ruhe- stand versetzt werden, findet die Bestimmung, daß ihre Stel len nicht mehr besetzt werden dürfen, keine Anwendung. Die Verfügungen müen bis spätestens am 31. März 1934 zugc- stellt sein. Ferner wurde der Entwurf eines Gesetzes üb« die AAtzebm»» »er tm Sampl Br die imttomüe Erheb«»» ertttterren Dieaititralea und sonstige Maßregelungen verabschiedet. Das Gesetz be sagt u. a.: Soweit für Handlungen oder Unterlassungen, die im Kämpf für die nationale Erhebung des deutschen Volkes vor dem 21. März 1933 begangen sind, Dienststrasen verhängt worden sind, werden sie nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen aufgehoben. Wegen gleicher Handlungen oder Unterlassungen anhängige Verfahren werden eingestellt. In den Personalakten sind die Vermerke über die genannten Dienststrafen zu streichen. Geldstrafen, Kosten des Verfah rens und Stellvertreterkosten, die der Beamte bezahlt hat, sind zurückzuzahlen. Strafversetzungen gelten als ordentliche Versetzungen. Beträge, die sich infolge einer als Strafe ver- yangten Verminderung des Dienfteinkömmens ergeben, find nachzuzahlen, Beamte, die mit Dienstentlassung bestraft war- den sind, haben von dem Zeitpunkt ihrer Entlassung an rück wirkend die rechtliche Stellung eines beurlaubten Beamten. In der Begründung zu dem Gesetz wird darauf hinge- wiesen, dah von den früheren Regierungen an Beamten we gen ihre« Eintritt, für die nationale Erhebung begangene Unrecht unbedingt wieder gulgemacht werde« mutz und daß die zur Bestrafung führenden Vergehen kein dienstwidriges Verhalten darstellen. Da« Gesetz ist erlaßen worden, west die Amnestie vom 21. Miez diese Vergehen auheracht lieh; e« ist «lassen worden, um alle diese Beamten restlos zu rehabilitieren. Es wird daraus aufmerksam gemacht, daß vielfach bei Strafversetzungen die Rückkehr de, Beamten in seine frü here Stellung nicht durchführbar ist «ad übermäßig hohe kosten verurmchen würde. Das Reichskabinett genehmigte ferner die Errichtung eine, Unternehmen, ReichsmllsdMol Darnach wird die Reichsbahnaesellschaft ermächtigt, zum Bau und Betrieb eine« leistungsfähigen Rehes von Kraft fahrbahnen ein Aweigunternehmen zu «richten, d« den Ra inen »Reichrautobahnen" trägt. Die Kraftfahrbahnen find öffentliche Wege und aae- schließlich für de« allgemeinen Verkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt. Der Reichskanzler bestellt einen GeneralinspsKor für da« deutsche Strahenwefen, der die Linienführung und Ausgestaltung der Reichsautobahnen bestimmt. Die Ver waltung «nd Vertretung des Unternehmens übernimmt die Reichsbahugesellschafk. Für die Benutzung der Relch-auto- bahaeu werden Gebühren erhoben. Der Reichsinspektor ist mit all«, notwendigen Vollmachten ausgerüstet, für da« neue Unternehmen ist auch da« Enteignungsvecht vorgesehen. Im Zusammenhang hiermit wird ein ae, e, Reich «- wegegesetz ertasten weckten. Dieser plan ist bekanntlich auf die persönliche Initiative de, Reichskanzlers zurückzu führen. Ls wird in Durchführung de« beschlossenen Gesetze» in Deutschland ein Antostraßennetz errichtet werden, wie « bi^er i» der West noch nicht existiert. In diesem großzügigen Plan kommt der Glaubean die wirtschaftliche Zukunft Deustchland« und an eine gewaltige Entwicklung des Sraftwagenverkehr, sichtbar zum Ausdruck. Die geplante» Autobahnen, mit deren Bau unverzüglich begönne« werde« soll, werden der deutschen Verkehrswirtschaft gewattige Impulse und der deutschen Landschaft eia völlig neu«« Bild gebe«. Sie werden das kraftvolle Sinnbild de, politischen Zeitalters für spätere Ge nerationen sein, das mit der Regierung Hiller begonnen Hal. Die Auswirkungen de, gigantischen Straßenbanpro- jette, werden sich nicht nur in neuen »eschüftigung-mögllch- keilen größten Umsang« zeigen, sondern auch zu einer völ ligen Reugestaltung der Treibstoffwirtschaft und zu einein gewaltigen Aufschwung der nationalen Produktion, insbe sondere auch in de« deutsche« Treibstoffen führen. Schließ lich werden sich i« Verfolg dieser Pläne auch ganz neue Per spektive« für die handetspolittk eröffne«. nur Flugblätter, sondern anch Spreng- «nd Gasbomben ab geworfen werde« können, so muß dem leider, wie in unter richteten Kreisen erklärt wird, geantwortet werden, daß die Möglichkeit irgendeine« Schutzes in der Luft für uns nicht vorhanden ist. Deutschland ist das einzige Land, das ange sichts seiner völligen Entwaffnung in -er Lust nicht in der Lage ist, den Luftraum über sich zu schützen. Wen» wir in dem gestrigen Falle mit Maschinengewehren ausg rüste e Polizeislugzcuge zur Verfügung gehabt hätten dann wä e es wahrscheinlich ein leichtem gewesen, die geheimnisvollen Flieger zur Landung zn zwinge«. Tic deutschen Vertreter auf der Abrüstungskonferenz in Gens haben immer wieder bei ihren Forderungen nach Herstellung der Gleichberechtigung auch darauf hingewiesen, daß die anderen Mächte in der Lust abriisten müssxn, wenn mau überhaupt von einer Gleichberechtigung sprechen soll. Das gestrige Attentat kann für die deutsche Regierung nur der unmittelbar letzte Anlaß sein, bei den nächste Woche wieder beginnenden Verhandlungen in Genf mit allem Nachdruck die Gleichberechtigung zu fordern.