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Orscheid U^tch früh S^/. Uhr. »I-Ocklm »t Lmedw», Jvhauur-gastk 33. M«chß»w» »n tttdettw,: vormittag« 10- .2 Uhr. Nachmittags 4—« Uhr. »er für die nächst- Nummer bestimmten u» Wochentagen vis <r wuchmtttags. a« Sonn- »-efttagen früh Vis '/.V Uhr. I» »e» Fsttate» fltr Zas. Laaahme: Ltt» Nie««. UniversttLtSstr. 22. ttuts Lösche, Latharmenstr 18.P. uur vis Uhr- UchMtr.TllgMM Anzeiger. Organ str Politik, Localgeschichte, HaudtlS- Md Grschistrvcrkehr. AusUrge 1K.L0O LV»am»t»M»re1« viertelt. 4 V. KL incl. Bringerlvhn b ML. tmrch die Post bezogen V MN Jede einzelne Nummer 2L P» Belegexemplar 10 Pf Gebühren für Exttabeilageu hne Postbefvrdenmg 3k ML 1t Postbesvrderung 4b ML 3astrale Sgesp Petttzetle 20 Pf Größere Schriften laut PrriSverznchlliß — s ' Satz »ach höherem Ter. Teriamea »ater de» NrdactteaajttM die Spaltzeile 40 Pf. Jukerate sind stet« an d. Eepedttte, zu seud«i. — Rabatt wich aichi gegeben Zahlung prasanmaeaaS« c durch Pop " ' oder ostvorfchu» Z 32«. Freitag den 22. November 1878. 72. Jahrgang. Arne' vor dem Kenn und mach' Dich frei! Aicht glänzt die Erde mehr im Blüthcnkleive, Nicht prangt die Rose mehr an ihrer Brust, Sie legte ab ihr goldenes Geschmeide, Entsagte längst der heitren Blumenluft. In Nebelschleiern hat sie sich verhüllet, Als ob selbst eine Büßerin sie sei, Laut aus der Glocken Ton die Mahnung quillet: Knie' vor dem Herrn und mach' Dich endlich frei! Noch hält die Weltlust Deine schwachen Sinne Sirenengleich in ihrer süßen Haft, Noch opferst Du am Altar schnöder Minne, Und hast die Gluth zu löschen keine Kraft. Jetzt sollst Du mannhaft Dich zum Streite rüsten, Vernichten falscher Götter Zauberei, Und Dich befrei'n von allen eitlen Lüsten: Knie' vor dem Herrn und macb' Dich endlich frei! Ernst ist die Zeit, — und deutsche Zucht und Sitte Will fast im wilden Strudel untergehn, Fast siehst Du im Palast wie in der Hütte Kein hehres Ideal mehr segnend stehn, Durchbrochen werden frech die heil'gen Schranken . — Daß nicht die goldne Zeit vorüber sei, Erfüll' Dein Herz mit lautren Bußgedanken: Knie' vor dem Herrn und mach' Dich endlich frei! Kehr' um, wenn Du auf falschem Pfad gewandelt, Die Glocke ruft, verschließ' ihr nickt Dein Ohr, Und hast Du als verlorner Sohn gehandelt, Der Reue öffne Deines Herzens Thor. Laß nicht Dein Herz im EiS der Welt erkalten, So Deine Menschenwürde nicht entweih'; Laß wieder deutsche Zucht und Sitte walten: Knie' vor dem Herrn und mach' Dich endlich frei! Dann wird erst wieder in den deutschen Gaum Ein holder Lebensfrühling blühen auf, Dann wirst Du wahren Frieden wieder schauen, De- Glückes Sonne steigen sehn herauf. Befreie Dich von schmachvoll falschen Schranken, Daß dieser LebenAenz kommt bald herbei Erfüll' Dein Heq mit lautren Bußgedanken: Knie' vor dem Herrn und mach' Dich endlich frei «Hermann Uh. parlamentarische Lage in Serlin. Berlin, 20. November DaS Finanz- exposS des Minister- Hobrecht in der heutigen Sitzung de« Abgeordnetenhauses erfreute sich keiner entgegenkommenden Aufnahme, womit aller dings nicht gesagt sein soll, daß die Person de- Finanzminister« daran Schuld trügt Der ehe malige Oberbürgermeister von Berlin ist kein Redeminister, und die beiden Häuser de- Landtags werden sich nolens rolens an seine etwa- stockende Vortragsweise gewöhnen müssen. Nach den sieben fetten Jahren und den mühelosen ExposSS Camphausen's ist eS eben für den neuen Fmanzminister kein geringe« Unternehmen, mit einem Deficit von 73 Millionen Mark eine entgegenkommende Stimmung im Abgeordneten hause zu finden. Hat doch die Situation bei nah« etwa- Komische- an sich, wenn zur Herstellung des finanziellen Gleichgewichts im großen preußischen Staate gewissermaßen ein Drahtseil zwischen dem oberen und unteren Ende der Leipziger Straße gezogen wird und der Finanz- minister mit der Balancirstange hinaufsteigt, um mit dem Kunststück einer Anleihe vorläufig zu decken, was später da- Reich mit indirekten Steuern und höheren Zollcinnahmen in regelmäßige Bahnen zu lenken hat. Herr Hobrecht versinn bildlichte selbst diese Lage mit dem Schlagen einer Brücke zwischen den beiden gesetzgebenden Körper schaften. die zu einer Verständigung führen soll. Da- Bild, welche- der Fmanzminister weiter über die gegenwärtige und wahrscheinlich künftige Lage der Staatsfinanzen entrollte, machte nicht nur die linke, sondern auch die rechte Seite de- Hauses etwa« stutzig. DaS Znrückgehen der Einnahmen verschiedener Berwaltung-zweige wurde durch Ziffern belegt, welche recht drastisch die Noth« wendigkett der geplanten Wirtschaft« - und Steuerreform Nachweisen sollen, mit welcher Fürst Bismarck vor den nächsten Reichstag zu treten Willen- ist. So producirte sich der Finanzminister nur als ein intellektueller Zurseitesteher der eigent lichen Kinanzaction im Reichstage, indem er mit einem gewissen sentimentalen Anstrich zuge stand, daß die direkten Steuern nicht mehr anzu spannen sind. Er maß theilweise die Schuld an de» Deficit der Aufhebung der Mahl- und Schlacht- steuer, der Zettungsstempcksteuer rc. bei, wodurch eine Mindereinnahme von 35 Millionen Mark entstanden sei, und fetzte nur eine schwache Hoff nung aus Mehreinnahmen durch die Wiederbele bung de- Verkehrs. E« werden sich selbstverständlich an manche Po sition de« Etat-, der heute Nachmittag in die Hände der Abgeordneten gelangte, bedeutsame po litische Debatten knüpfen. Ob die- auch bei dem Eisenbahnetat der Fall sein wird, hören wir bezweifeln, trotzdem sich der Finanzminister in etwa- vorsichtiger Weise für den Uebergaug zum Staats« bahnshstem ausgesprochen hat. Gestand er doch zu, daß die BetrichSüberschüsse der StaatS- dahnen keinen großen Gewinn brächten. Leider bestätigt sich die- nur allzu sehr durch die letz ten Monat-au-weife der östlichen Staatsbah nen, die meisten- Mindereinnahme» enthalten Wenn Herr Hobrecht annimmt, d«ß ein wohl feiler Betrieb und Verwaltung von Staatsbahnen herzustellen ist, so hat diese Hoffnung noch nirgend- der Wirklichkeit entsprochen. Endlich wird sich die Erwartung, daß kostspielige Unternehmungen Unter lasten werden, kaum realisiren, denn man weiß, welche Anforderungen maßgebende Regionen in Betreff der Vervollständigung eine- strategischen Bahnnetze- stellen. Alle- in Allem genommen: die vielverkündele Finanrreform de- gegenwärtigen Leiter- dieses Ressorts in Preußen hat in seinem heutigen Expos- kaum einen anderen AuSdruck ge funden , al- jenen der Verlegenheit de« Moment« und der Hoffnung auf die Hülfe durch das Reich. Ob durch Streichungen einiger Positionen die Verlegenheiten gemindert und die Hülfe des Reich« weniger dringlich wird, glaubt man in Ab- georduetenkreise« bttweifeln zu müssen; der Etat und seine Annexe, sowie einige andere Gesetzvor lagen sind gestern und halte in die Hände der Ab geordneten gelangt. Borau-fichtlich wird die Berathuug ves Etat« eine geraume Zeit in Anspruch nehmen, weil zu keiner Zeit da« Inter esse für die finanziellen und volk-wirthschaftlichen Zustände unter den preußischen Abgeordneien ein so rege- war, wie in diesem Augenblicke. Man glaubt deshalb, daß die Zeit bis zum Zusammen tritt de- Reichstages höchsten« auSreichen wird, um neben dem Etat und den Jnstizgefetzcn einen kleinen Theil der für da- Hau- bestimmten 14 Vorlagen zu erledigen. Demzufolge wird auch angenommen, daß ein« Nachfesfion unvermeidlich ist, um wenigsten- den wichtigsten Theil der Gesetz, entwürfe perfect zu machen, so daß der Landtag noch mal« zwischen Ostern und Pfingsten zusammenberufen würde. Die Reihenfolge, in welcher die Vorlagen zur Berathuug gelangen sollen, ist noch nicht be stimmt , doch hören wir, daß jene den Vorrang erhalten sollen, die bereit- da- eine oder andere Stadium der Vorberathung im Plenum oder in den Commissionen de- Herren- oder Abgeordneten hauses durchschritten haben. Dazu würden in erster Linie die Vorlage über die Ausbringung der Gemeindeabgaben, jene über die Vorbildung für den höheren Verwaltungsdienst, Reform der säch sischen Domstifter und da« Gesetz über den Schutz der Felder und Forsten gehören. Nur zwei dieser Vorlagen, welche die Vorbildung für den höheren Verwaltungsdienst und den Feld- und Forstschutz betreffen, sind auch schon im Herreuhause zur Bc- rathung gelangt. Indessen trennten sich die Auf fassungen der veiden Häuser bezüglich wesentlicher Bestimmungen de- Verwaltungsdienstgesetze- der maßen, daß eine Einigung nicht erzielt werden konnte, während da- Herrenhaus da« Feld- und Forstschutzgefetz mit einigen Aenderungen annahm,da- Abgeordnetenhaus aber nicht über die erste Lesung hinaus gelangte. Bon anderer Seite wird jedoch angenommen, daß die Reihenfolge, in welcher die Berathuug de- vorliegenden Material- vorge nommen werden soll, sich theil« nach den mehr oder minder schnellen Arbeiten der Commissionen, arößtentbeil« aber nach der Wichtigkeit de« Gegen stände« selbst zu richten haben wird. Dem Ver nehmen nach legt die Regierung darauf Werth, daß die Vorlage über die Aenverung der Reffortverhält- nisse zunächst in Angriff genommen werde und e« ist wahrscheinlich, daß die Zwischenpausen, welche durch die Budgetverhandlungen in der Commission entstehen, zur ersten Beralhung de- betreffenven Gesetzentwürfe« benutzt werden. ES ist noch frag lich, ob die Uebertragung der Handels- und Gewerbesachen aus den Reich-k anzler- amts-Präsidenten Hosmann so glatt ab lausen wird, al« man außerhalb de- Abgeordneten hauses anzunebmen scheint. Die Gründung sogen. ReichSämter aus Kosten des preußischen Staates sagt den preußischen Particularisten, die in allen Fraktionen sitzen, deshalb nicht zu, weil sie diese Manipulation al- halbe Arbeit betrachten. Wenn ihrem Patriotismus schon die Zerstückelung de- preußischen Ministerium- zu Gunsten de- deut schen Reich« zugemuthct wird, so wollen sie dafür die Creirung von Reich-Ministerien, damit konsti tutionelle Garantien für da- Reich, um die deutsch« Verfassung nicht allein aus zwei Augen beruhen zu lasten. politische Uebersicht. Leipzig. 21. November. Die Chancen zu Gunsten der Erhaltung de« Friedens mehren sich erfreulicherweise. Die Durchführung de« Berliner Frieden-Ver träge- ist, wie die amtliche „Provinzial- Correspondenz" constatirt, in den letzten Wochen Gegenstand bedeutsamer Kundgebungen von mehreren leitenden Stellen der europäischen Politik gewesen Da- Blatt führt al- solche Kundgebungen zunächst die Rede Lord Beacon«- field'S beim Lordmayors-Diner« am 9. d. M und die Ansprache de- Kaiser- von Oesterreich an die Delegattonen am 10. d. M. an. Dann fährt die „Prov.-Corr." fort: „Auch die russische Regierung hat zu derselben Zeit in wiederholten Erklärungen des Auswärtigen Amte« die Versicherung ertheilt, daß e« der Wunsch de- Kaiser« Alexander sei, die Bestimmungen de« Berliner Vertrage« in jeder Beziehung zu beachten, damit durch eine getreulich« AuSfühnmg desselben di, Pacisicirung herbeigeführt werde, die ihm sehr am Herzen lieg«. Kein Beamter de- Kaiser« werde in dieser Hinsicht seine Pflichten verletzen. Die stricte Ausführung deS Berliner Vertrage« (heißt es in einer weiteren Erklärung) bilde die Grundlage der gegenwärtigen Politik Rußland«. Frankreich hat neuerdings seinen Einfluß auf die Pforte im Sinne der ernsten Durchführung de« Berliner Vertrage« überhaupt und namentlich iv Betreff der Berichtigung der Grenzen Griechen land« geltend gemacht. In letzterer Beziehung hat die französische Regierung in Verfolg der Aufgabe, welche sie sich auf dem Eongreß selbst gestellt hatte, die übrigen Regierungen zur Unterstützung ihrer Be strebungen zu Gunsten Griechenlands aufgefordert und auf allen Seiten Geneigtheit gefunden, zur Erreichung der in dem Berliner Vertrage hezeichueten Ziele auch in dieser Beziehung mitzuwirken. So ist denn in diesem Augenblick« die Hoffnung neu befestigt, »aß die Durch führung de« Berliner Frieden-Werke» trotz aller Schwierigkeiten sicher vor schreiten werde."