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sDicnstag, den 17. Juni 1924 Tagesneuigkeiten s Zuchthausstrafe für einen russischen Ossizier. Der frühere lirussische Offizier Boris Mosktns, der den Raubüberfall muf den Prokuristen Wirth der russischen Buchhandlung in per Kantstratze zu Berlin verübt hatte, wurde vom großen 'Schöffengericht Charlottenburg zu sechs Jahren Zucht haus verurteilt. Der Freund des Verurteilten, Ussos, der gleichfalls russischer Ossizier war, erhielt wegen Hehlerei neun Monate Gefängnis. s Entwichener Raubmörder. Der zu einer längeren Zucht hausstrafe verurteilte Raubmörder Henry Bohne aus der Lan- idesslrasanstalt in W o l f e n b ii tt e l entwich mit dem zu 7)4 fahren verurteilten Bäcker Kurt He ine mann. Don beiden Sträflingen fehlt bisher jede Spur. s Auf der Spur von Silberdieben. Bor einigen Tagen Mirde in Koblenz ein junger Mann dabei betrossen, als er erhebliche Mengen eingeschmolzenen Silbers verkaufen wollte. Her Mann behauptete, das Silber von einem in einer Frank- «irter Fabrik angestellten Werkmeister erhalten zu haben. Fm Besitz des jungen Mannes fand die Polizei noch 12 Kilo Sil ber. Da die Fabrik, in der der Werkmeister beschäftigt ist, »tatsächlich Silber verarbeitet, liegt die hohe Wahrscheinlichkeit vor, daß das Silber dort gestohlen ist. s Bis auf die Grundmauern niedcrgcbrannt. Wie aus Zerbst gemeldet wird, sind die Anhaltischen Gummiwerke, A.-G., durch eine Feuersbrunst vollständig zerstört wor den. Die Entstehungsursache des Brandes ist noch unbekannt. ß Furchtbare Tat einer Geistesgestörten. Aus München wird berichtet: In einem plötzlichen Ansall von Wahnsinn hat In Nittenau in der Oberpfalz eine junge Frau ihre beiden kleinen Kinder in die Ofenröhre ge st eckt. Ihrem heimkehrendcn Gatten erklärte sie, auf den Herd deutend, sie habe heute einen besonders guten Braten vorbereitet, denn sie habe die Kinder gebraten. Glücklicherweise ivar das Feuer bald erloschen und so fand der Mann die Kinder zwar bewußtlos, aber noch lebend vor. f- 49 Zentner Speck verbrannt. In den Speckräuchereien der Warenhandelsgesellschast m. b. H. in Breslau sind 49 Zent ner Speck verbrannt. Das Feuer war dadurch entstanden, daß der Speck durch die starke Erwärmung beim Räuchern zu Kopsen angefangen hatte; die Fettropfen waren durch den Rost in die glimmenden Räucherspäne gefallen, hatten das Feuer angefacht und vergrößert, bis endlich der ganze Vorrat zu schmoren und zu brennen ansing und auf den Rost heruntcrsiel. Beim Brande erfolgte eine heftige Explosion, die eine starke, feuersichere Tür hcrausriß und das Hofpflaster zum Teil her ausschleuderte. Begleitet war die Explosion von einer mäch tige», säst über die Breite des Hofes reichenden Stichflamme, die eine Wolke von Räucherspänen vor sich Hertrieb und einem F e u e r w e h r m a n n e das Gesicht verbrannte. Der Aufenthalt auf dem Hofe war infolge des sich dort ansam- melnden Nauck>es zeitweise nicht möglich. Die Explosionen wie derholten sich von Zeit zu Zeit »nd waren noch so stark, daß das Gebäude bis zum Dache zitterte. Die Explosionen sind wohl damit zu erklären, daß die Rauchgase stark mit Fettgasen vermischt waren, die sich von Zeit zu Zeit an den ausslackernden Flammen plötzlich entzündeten. Der Keller wurde schließlich von außen unter Wasser gesetzt und nach Beseitigung der Ge fahr wieder leer gepumpt. Aus aller Welt — Z»gz»sami»enstoß. Mit einer Lokomotive zusammen- gesioßen ist bei der Gemeinde Wcheditz der vom oberen Bahn- hoj in Karlsbad kommende Persoueuzug. Verletzt wurden drei Reisende, einer von ihnen schwer, und zwei Angestellte. Alle Verletzten tvnrden in daS allgemeine Krankenhaus nach Karlsbad übergcführt. Der Sachschaden ist bedeutend. — Der auseinandergerisscne D-Zug. Der Kölir-Franksurter D-Zug riß während der Fahrt durch die Nachbarstation Vilbel hinter dem ersten Personenwagen auseinander. Die beiden Lokomotiven fuhren mit dein vorderen Personenwagen weiter, der Rest des Zuges — in diesem Falle die sehr große „Hälfte" — rollte hinterher, konnte aber bald zum Stillstand gebracht werden. Dadurch, daß sich Rangiergleise in der Rähe befanden, konnte der Wagen, an dem der Zughaken gebrochen mar. bald ausgesetzt werden. Immerhin dauerte die Verkehrsstörung eine Stunde. Menschenleben kamen nicht zu Schaden. Brennende Schnlfragen Man hatte vom aufgelösten Reichstag mit Recht erwartet, daß er das so ersehnte und so dringend notwendige Re ichs- ichulgesetz verabschiede» würde. In einzelnen Bundesstaaten — wir nennen nur Sachsen unter Fleißner und Thüringen unter Greil — hatten sich Zustände herausgebildct, die eines Kuitur- staates unwürdig waren. Die Urheber dieser Zustände sind für immer mit dem Makel behaftet, in einer Zeit größter außen politischen Schwierigkeiten die innerpolitischen Auseinandersetzun gen nutzlos und gehässig vergiftet zu haben. Um so höher muß man es den Eltern» Lehrern und allen dasiir Interessierten an- rcchnen, daß sie im Zeitalter der Arbeitslosigkeit, des Währungs verfalls, des Hungers geduldig genug blieben, um ihre Wünsche ans eine bessere Zeit zu verschieben. Seitdem der versloskene Kultusminister im sächsischen Landtage vor aller Oesfcntlichkeit vorrechnete, daß im Reichstage die Linke mit Einschluß der Demokraten sehr wohl ein Reichsschulgesetz nach ihren Wünschen nnd Anschauungen zustande bringen könnte, war voranSzusehen, daß alle Einignngsverhandlnngen sich zerschlagen würden. Trotz der nncrmüdlichen EinignngSversnche unserer Abgeordneten, trotz aller Arbeit der Schnlorganisationen nnd der Bischöse ist ein Re sultat nicht erzielt worden. War nun alles umsonst? Nein! Die Katholische Schnl- organisation hat wcitergcarbeitet,- sie hat eine Abstimmung der katholischen Eltern zuwege gebracht, über deren Ergebnis sich kein Reichstag leichtfertig hinwegsetzen kann. Wir begrüßen es mit großer Freude, daß die Zentrnmssraktion im neuen Reichs tag als erste den Antrag anf Vorlegung eines Reichsschulgesetz entwurfes einbrachte. In unseren Reihen wird wohl niemand glauben, daß dieses Gesetz nun reibungslos zustande kommt. Schwere Kämpfe wird es geben. Anf den ersten Blick scheint die bürgerliche Mehrheit ja der von uns geforderten Bekenntnisschule günstig gestimmt zu sein — wenn man ihre Versprechungen vor der Wahl sich zu Gemüte führt. Man wird trotzdem gut daran tun, die Preise erst nach den Beratungen nnd Abstimmungen zu verteilen. Jedenfalls werden alte Parteien Farbe bekennen müssen. Zu wünschen bleibt nnr, daß das Reichsschnlgesetz mög lichst bald verabschiedet werden kann. Dann mag der Wett streit beginnen. Die Verfechter der Bekenntnisschule sind gerüstet. Sie werden in Ehren bestehe». Die ZentrnmSfrnktion hat ferner einen Antrag eingcbracht über die Vorlage zu Artikel 114 der Reichsverfajsung, wonach ge setzlich die Erteilung des Religionsunterrichts geregelt werden soll. Wir haben ja in Sachsen den schweren Kampf erlebt, als unserem Bischof die Schultür sozusagen „vor del Nase" zugeworfen wurde. Bei diesem zweiten Anträge wird cS sich vor allem darum handeln, den Artikel 119 wirklich sinngemäß nnd eindeutig auszulegen. Ans das Prinzip, nach dem der Kirche das Recht der Ucbcrwachnng des Ncligionsnnterrichts zngestanden werden muß, werden die deutschen Katholiken nicht verzichten. Es wäre zu wünschen, daß recht viele Leser sich mit dem Büchlein von Prälat Mansbach „Religionsunterricht und Kirche" (Herder, Freiburg i. Br., Preis 90 Pfg.) vertraut machten. Tort sind die grundsätzlichen Fragen so meisterhaft herausgeschält, daß die Gegner keine Gegengriinde mehr haben ausfindig machen können. — Wir müssen von diesem Gesetz auch verlangen, daß endlich einmal das schreiende Unrecht beseitigt wird, daß n u r der katho lische Neligionsnnterricht von den Eltern oder kirchlichen Behörden bezahlt werden muß, wie es in den allermeiste» Missionsstatio nen der Fall ist. Dabei handelt es sich säst überall um eine beträchtliche Zahl von Kindern. Wenn Moraluntcrricht nnd protestantischer Religionsunterricht aus dem Staats- oder Ge- meindesäckel getragen werden, dann wird es für den katholischen Religionsunterricht wohl auch noch langen. Für die deutschen T i a s p o r a g e b i c t e überaus bedeu tungsvoll ist der dritte Antrag der Zentrumsfraltivn über die gesetzliche Regelung der P r i v a t s ch n l e n. Es gab ja eine An zahl Bundesstaate» in der Vorkriegszeit, wo inan die Wünsche katholischer Eltern einfach ignorierte. So blieb nichts anderes übrig, als Privatschnlcn zu gründe», d. h. Eltern, die daneben noch andere Schulsteuern zahlen mußten, nnd kirchliche Institu tionen mußten für den sämtlichen Answand an Besoldung und Unterhaltung auskommen. Wir denken hier vorzugsweise an die Not der Thüringer P r iv a t s ch ulen. Nnr, wer diese Schulen aus eigener Erfahrung kennt, weiß, wie lebensnotwendig sür die Gemeinden es ist, daß der Staat ihnen endlich die Last der tatsächlichen Ausgaben sür den Unterricht abnimmt. Ver zichten auf die Schulen können und dürfen wir nicht. Wirklich brennende Schul fragen werben e-s alko sein, die der neue Reichstag zu lösen hat. Mögen die anderen bürgerlichen Parteien sich an dem tatkräftigen und zielbcwnßten Vorgehen des Zentrums ein Beispiel nehmen. Dann wird der Reichstag wenigstens auf kulturellem Gebiet zeigen, daß er sich wirklich berufen fühlt, die Interessen des ganzen deutsch eit Volkes zu vertrete». Von Fritz Günther, Leutersdorf (O.-L.). — Der Tod auf den Schienen. Freitagfriih wurde zwischen Fricdrichshagen und Rahnsdorf auf dem Gleis der Bahnstrecke Berlin—Breslau der 35 Jahre alte Dr. phil. Arthur Louis aus Petersburg tot aufgefunden. Die arg verstümmelte Leiche wurde nach dem Schauhaus am Friedrichshain gebracht. Dr. Louis, der russischer Staatsangehöriger ivar, hat osfenbar in einem Anfall von geistiger Umnachtung Selbstmord verübt. Er ivar schon zwei Tage lang in Berlin umhcrgeirrt. — Die Tragödie einer Baaernfamilie. Ueber die Bluttat in Lasse bei Belzig bringt das dortige Krcisblalt ganz be sondere Einzelheiten. Wie berichtet, fand man in dem früher Friedrich Köppcschen Restgut Lüsse zwei Tage vor Pfingsten die dort auf Altenteil wohnende 53jährige Witwe Anna Köppe und ihre 23jährige an den Landwirt Reinhold Kühne ver heiratete Tochter erschlagen bezw. erschossen auf. Neinhold Kühne stand mit einer Schußwunde im Bein aus der Straße vor seinem Grundstück und rief um Hilfe. Bei seiner ersten Vernehmung hatte er angegeben, von seiner jungen Frau, die ein verdächtiges Geräusch im Pferdestall gehört haben will, geweckt worden zu sein. Sonderbarerweise hat nun der Befund der Leiche er geben, daß die junge Frau aus nächster Nähe im Schlaf er schossen worden sein muß. Die Schußwaffe gehört ihrem Mann. Die Verletzungen der Schwiegermutter rühren von einer Axt her, die auch dem Kühne gehört. — Ein Richnrd-Wagner-Tenkmal in Aussig. In der letzten Sitzung des Stadtrates stellte der Fübrer der tsck.'ch>>chen Minori tät den Antrag, auf einem Platze im Stadtinncrn eüi Denkmal Johannes Huß zu errichten. Ein Kommunist sprach sich für ein Lenin-Denkmal aus. Die deutschen NalioualsoziiiliOeu si'lnen den Antrag auf Errichtung einer Nichard-Wagner-Statue. Dieser Antrag fand schließlich Annahme, — Fremdsprachige Zeitungen in Neuqork. In der City von Neuyork werden zweimal so viel fremdsprachige wie englische Zeitungen herausgegeben. Die Gesamtauflage die ser fremdsprachigen Tageszeitungen betrügt nahezu eine Mil lion Exemplare. An erster Stelle stehen die jüdischen Zeitungen, fünf an der Zahl mit einer Auflage von 390 000. Es folgen zwei italienische Zeitungen mit 175 000 und drei deutsche mit 110 000 Lesern. Zwei russische Zeitungen besitzen einen Leser kreis von über 72 000 und zwei griechische von über 55 000. In slowenischer, slowakischer, serbischer und kroatischer Sprache erscheinen fünf Zeitungen mit einem Gesamtumlaus von 55 000 Stück. Ihnen schließen sich zwei ungarische Blätter mit 48 000 Lesern an, drei polnische mit 20 000, eine französische mit 17 000, eine tschechische mit 12 000 und eine spanische mit 7000. An letzter Stelle schließlich sind drei arabische zu nennen, mit einen» Leserkreis von insgesamt 9000 Personen. Schloß Lismoyle Erlebnisse in Irland von B. M. Croker. Autorisierte Uebersetzung aus dein Englischen von Alwine Bischer. (Nachdruck verboten.) ' - ' (14. Fortsetzung.) Ilmso lebhafteren Geistes war ihre Mutter gewesen, einst das schönste Mädchen der Grafschaft. Dabei klug, energisch und lieb reizend. Sie spornte ihren von Natur indolenten Mann zu er staunlichen Unternehmungen an, verfaßte seine Geschäftsbriefe und gab ihm weise Ratschläge. Das hinderte sie indes nicht, sich eingehend um ihren Haushalt, ihren Garten und ihre Armen zu kümmern. Als sie jedoch einmal ein Dienstmädchen bei Typhus mit tödtlichem Ausgang pflegte, wurde sie selbst angesteckt und starb, tief und aufrichtig betrauert im frühe» Alter von sicben- uudzwcmzig Jahren. Zwei Jahre laug war ihr Mann untröst lich, dann heiratete er wieder — wie Bestie es geschildert hatte — eine hübsche, leichtlebig« junge Witwe mit einem einzigen Kinde. Der arme, schwer enttäuschte Mann hatte gehofft, dieses heitere, gutmütige Wesen — sie war auch aus guter Familie — werde seinen verwaisten Kindern eine liebevolle Mutter sein, seinem Hause Vorstehen und ihn selbst aus seinem Kummer reißen. Allein die zweite Madame Conroy fand weder Geschmack an einem einförmigen häuslichen Leben, noch hatte sie auch nur eine» entfernten Begriff von der Führung eines Haushaltes, von Sparsamkeit. Autorität und Zeiteinteilung. Sie selbst, die Witwe eines mittellosen Offiziers, war natürlich glückselig, nun die Herrin von Lismoyle zu sein. Sie übte eine großartige Gast, freundschaft, glänzte in entzückenden Toiletten, fuhr mit zwei neue» Jagdpferden in der ganzen Umgebung umher und fehlte in meilenweitem Umkreis bei keinem Ball, Picknick oder Garten fest. Da Denis Conroy sich nichts aus Geselligkeit machte, blieb er zu Hause und fühlte sich bald vereinsamter denn je; Kinder und Haushalt konnten sehen, wie sie allein fertig wurden. Ma dame war unl>«reche»bar, oberflächlich »nd flatterhaft — mehr wie ein unreifer Backfisch al» eine zum zweitenmal verheiratete Frau, and unter Denis ConroyS Bekannten wurde bald ge flüstert. daß der Aermste einen schweren Mißgriff getan habe. Wohl war auch diese zweite Frau hübsch, da» würde von niemand bestritten, al>er sie war eine geschwätzige, vergnügungssüchtige, uu- beruüustige Törin. Schließlich traten alle Freund« der Familie mit Rat und Beistand hervor — sie dingten ein Kinderfräulein für die beiden Mädchen und sorgten dafür, dast der Junge in eine gute englisch« Vorbereitung^ schule kam. Zweimal im Jahr mit stzrqin« der Ferien km» Niel nach Hanse — froher Erwartungen voll. Er war schon ein vortreff, sicher Reiter und sür sein Alter auch «in guter Schütze. Er liebte jeden Baum and Stein in Lismoyle und streifte den ganzen Tag z» Pferd oder zu Fuß mit seinem Vater draußen herum. Das waren immer richtige Festtage für Denis Conroy, der rührend stolz aus seinen hübschen, begabte,« Jungen war; und Niel selbst bemerkte vor lauter Heimat- und Daseinsfreude, und weil er fast die ganze Zeit im Freien znbrachtc, weder die Unordnung in seinem Heim, noch Madamcs nachlässiges, unpünktliches Wesen. Er und sein Vater gingen auf die Jagd, zum Fischen oder sie ritten eine Hetzjagd mit — je nach der Jahreszeit und erschienen meist kaum rechtzeitig zum Abendessen — eine Ekewohnheit. die bei der Hausfrau Gnade fand. Im Laufe der Jahre, und als Niel von Harrow nach Sandhurrt (Kriegsschule) übersiedelte, mußte ihm notgedrungen die traurige Veränderung, die mit seinem Vater vorgiug, auffallen. Dieser war so eigentümlich teilnahms los und schweigsam gekvorden, besonders- abends, auch sein Inter esse am Sport hatte nachgelassen. Nichtsdestoweniger hatte er immer ein freundliches Wort oder eine» liebevollen Blick für seinen Jungen und sagte wiederholt zu ihm: „Niel, bedenke, daß du ein Conroy bist, vergiß nur das nie, mein Sohn!" Mit acht zehn Jahren wurde Niel in ein Kavallerieregiment in Südafrika eingestellt — im letzten Jahre de?- Burenkrieges — und am Abend vor seiner Ausreise nahm sein Vater ihn mit ins Rauchzimmer und gab ihm fünfzig Pfund. „Ich wollte, es wäre mehr," sagte er mit zuckenden Lippen, „ich weiß nicht, wie es kommt, aber eS fehlt mir jetzt immer an Geld. Und nun, ein lieber Junge, ziehst du also in die Welt hinaus, in eine Welt, die ich nur aus Büchern kenne — und Gott weiß, ob wir uns jemals Wiedersehen! Wenn du am Leben bleibst, wirst du eines Taegs der Herr hier sein und wirst weit bester Wirtschaften als ich es getan habe. Ja, denn du hast deiner Mutter Vciit und Energie. Ich bin, das kann ich wohl sagen, seit ihrem Tode ein gebrochener Mann." Mit einem angstvoll scheuen Ausdruck hörte der Jüngling zu, während sein Vater fortfuhr: „Seitdem die Gruft sich über ihr geschlossen hat, haben Scbivermut nnd Indolenz, mit denen ich immer zu kämpfen gehabt hatte, die Herrschaft über ni'ch gewonnen. Manchmal ist mir ganz wirr im Kopf, dann mag ich mich weder rühren, »och reden, und obwohl ich erst fünfzig bin, so ist mir doch, als sei ich ein ganz alter Mann, und ich sehe ja auch so aus — eine Last bin ich sür jedermann!" Aber Väterchen, wie kannst du so etwas sagen!" wehrte sein Sohn ab. „DaS einzige, Ivas dir fehlt, ist ein bißchen Abwechs lung. Du solltest eine Zeitlang von LiSmohle fortgehen, nach England fahren — oder vielleicht i» die Schweiz — oder eine Seereise mache». Seit Jahren bist du rucht mehr von hier weg gekommen." „Nein, nein, ich bleibe hier, so lange ich lebe, und hier liegt unsere Familie ja auch begraben, wie du weißt. Ich sitze still und rauche nnd denke und dämmere so hin — ein tatenloser Mann, der viele» tun möchte und doch nicht» tut. E» ist, als stände ich unter einer Art Zauberbann und hätte all meine Willenskraft verloren. Du aber, mein Sohn" — ec legte eine Hand auf Niels Schulter — „du wirst das, waS ich verfehlt habe, wieder gut «nachen, nick ich erwarte von dir, daß du dich deiner Schwester anniminst und LiSmohle treu bleibst, so large noch ein Stein davon übrig ist." Niels erste» Dienstjahr, daS er in Südafrika verbrachte, war sehr anstrengend; aber er war gesund, abgehärtet uud strebsam — ein glänzender Reiter, der das Pferd meisterte, ob zugeritten oder nicht. Später kam sein Regiment dann nach dein fernen Osten, und da ließ auch er sich in die indische Armee versetzen und blieb vier Jahre lang ununterbrochen dort, denn er mußte sich sehr nach der Decke strecken. Seine Zulage war so klein und unregelmäßig, daß cS niemals zu einer Reise in die He.mar reichen wollte. Er hatte schon Mühe genug, nicht in die Hände der EoucarS (Wucherer) zu geraten und mit seinem bißchen Gels auSzukommeu. Und doch hatte mau ikn in Li'.-moyle nicht ver gessen — nur mit dem Schicken der Zulage haperte es. Er erhielt. ausführliche Briefe von seiner Sclyvester, die i» einem Pensionat war, und lange Episteln von seiner Stiefmutter voll oberflächlicher Redensarten, Klatschgeschichten, Klage» über schlechte Zeiten und Manchmal traf zu seiner großen Freude c.ne von seinen Valor, adressierte Lokalzeitung ein, oder ein kurzes, mit zittriger Hand geschriebenes Briefchen, das- Einzelheiten über daS Gut oder einige Bekannte enthielt. Unter einem dieser Briese stand dick, unterstrichen die Nachschrift: „Niel, eS geht reißend bergab mit uns." D- nZ Bald blieben diese Briefe ganz uns, und schließlich teilte Madame ihm in einem langen, ziemlich nachlässig geschrnbenen Briefe mit, daß seines Vaters Leiden sich zu einer »»heilbaren Gehirnerweichung entwickelt habe, und daß, sie und Snllivau (ein spitzfindiger Kerl, lxilb Guts-v,»Waller, halb Geschäftsführer) das Gut jetzt miteinander bewirtschaft len. Von dieser Zeit an blieb die magere kleine Zulage ganz auS. Vor zwei Jahren war Denis- Eonco» gestorben, und sei» Sohn wurde anfgefordert, seinen Play al.; Hauvt der Familie einzunchmen. So kehrte er denn nach Lis-monle zurück, das- er mit Hypotheken und Schulden belaste! nnd m einem fürchterlich chaotischen Zustand vorfand. Zehn Jahre war Niel nicht mehr zu Hause gewesen — jene zehn Jahre, die im Leben eines Mannes die tiefsten Spuren hinter!,isse». Als grüner Junge war er von Lismoyle fortgegangen, als reifer Mann kehrte er zurück, der sich in der Welt hsrumgeschlagen, Krankheit, Entbehrung, Krieg kennen gelernt und dann acht Jahre in einem der vor nehmsten Kavallerieregimenter des nvrdlickw» Indien) gedient hatte. Dort war die Erinnerung an Südafrika, an das staubige „Veldt" (baumloser Landstrich Südafrikas», a» krepierte Pferde, und karge Rationen langsam verblaßt. Indien hatte seinen Zau ber über Niel auögegosten. Sein brennende» Heimweh noch Irland war durch die Reize der Orients allmählich ak»gesihwächt worden. Außerdem batte er eine ihm zusagend« Beschäftig»»» nick ihm zusagende Kameraden gefunden, ec hatte Polostie^ Nennen und Jagden genosten und herrliche Ausflüge in die Dschungeln und sellstt in daS fern« Kaschmir gemach«. Uud dann — nicht nur, daß ec unter den Lockiuigen Indien? stand, nein, Irland hatte ihn von sich gestoßen, denn während der letzte», Jahre war nicht ein eiiyzige- Mal der Ruf an ihn ergangen, zinückzs' kehren, oder bestimmt ausgesprochen worden, daß sciio« Tmvelen» heit erwünscht wäre. lFortsetzung folgt.)