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„ÄMlt Reaktion?" II. Je näher der Termin der Reichstag-Wahlen heranrückt, nm so verlegener suchen die Sozialdemokraten nach Wahlparolen, die zugkräftig genug erscheinen, um ihre Gläubigen bei der Stange zu halten. Ob diese Wahlparolen überhaupt nicht oder nur -um Teil der Wahrheit entsprechen, scheint ihnen vollkommen gleich gültig zu sein. ES kommt nur darauf an, auf die Massen e:n- »zuwirken. Als die größte Errungenschaft der Revolution auf Wirt, schastlichsozialem Gebiete betrachten die Sozialdemokraten den AchtstundenarbeitStag. Wir gehen mit den Sozialdemo kraten darin einig, das; der Achtstundentag zweifelsohne eine ideale Lösung aas sozialwirtschaftlichem Gebiete darstellt, wir sind aber auch der M.inung, dag der Zeitpunkt seiner Einführung verfehlt war, weil sie nach dein Zusammenbruch Deutschlands erfolgte, und weil seine schematische Durchführung verhinderte, den Weg deS wirtschaftlichen und sozialen Aufstiegs durch erhöhte Leistun- g n möglichst schnell zu betreten. Seine Einführung scheint denn arch weniger sachlichen Ueberlegungen seitens der Sozialdemokra tischen Partei zu entspringen, als vielmehr dem Wunsche der Volksbeanstraqtcii, sich mit sozialem Oel zu salben. Für jeden Einsichtigen war eS damals schon klar, das; über kurz oder lang eine Ncberprüsung des schematischen Achtstundentages eintreten mußte, wenn sich die Auswirkungen des verlorenen Krieges und des Diktates von Versailles in ihrem katastrophalen Umfange zeigen würden. Die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse lwt dieser Auffassung recht gegeben. Eine Neuordnung der Arbeit», zeit lies; sich auf die Tauer nicht umgehen, wollten wir die Ketten von Versailles von uu» werfen und Staat und Wirtschaft wieder zu alter B üte bringen. Die Vestrcbungen zur Regelung der Arbeitszeit gehen bis in daS Jahr 1921 zurück. Schon damals lag dem NeichSrat ein Gesetzentwurf zur Regelung vor. Dieser Entwurf behielt grund sätzlich den Achtstundentag bei, sah aber einige Ausnahmen vor. Da infolge der Nachkriegsinslationswirtschaft und der daraus ent springenden Schcinkonjunktur die Wirtschaftslage Deutschlands noch kein so bedenkliches Aussehen angenommen hatte, so erfuhr dieser Entwurf naturgemäß die heftigsten Anfeindungen. Aber schon im November 1922 haben die heutigen Regierungsparteien in Vcrbindnng mit Vertretern der Sozialdemokratischen Partei in der damaligen Note an die Entente anerkannt, daß Ausnahmen vom Achtstundentag nötig seien, wenn es wirklich zur Sanierung der deutschen Wirtschaft und Finanzen kommen solle. Der be- treffende Passns aus der Note an die Entente lautet: Deutschland wird alle erforderlichen und geeigneten Maß nahmen ergreifen, um insbesondere durch Erhöhung des Wir- kungSgradez der Arbeit zu einer Steigerung der Produktion und damit zu einem Ausgleich der Handelsbilanz zu gelangen. Zn diesem Zweck wird insbesondere eine Neuregelung oeS ArbeitSzeitSccchtes unter Festhaltung des Achtstundentages als Nocmalarbeitstag und unter Zulassung gesetzlich begrenzter Ausnahme,, aus tariflichem oder behördlichem Wege zur Betze- bnng der Notlage der deutschen Wirtschaft in die Wege geleitet werden. TaS zeigt deutlich und klar, daß man auch auf Seiten der Sozialdemokratie einsah, daß der schematische Achtstunden tag den Forderungen der wirtschaftlichen Lage nicht gerecht wurde und infolgedessen gewillt war, über seine Abänderungen in Erwä- gnngen einzutreten. Im Laufe de- Jahres 1923 wurde durch den Nuhreinfall die wirtschaftliche und politische Lag« in Deutschland immer schwieriger. Bevor eS zur Bildung des zweiten Kabinetts Strescmann kam, einigten sich die Koalitionspartcien ein schließlich der Sozialdemokratischen Partei über die Arbeitözeitfrage, nachdem daS erste Kabinett Strescmann über diese Frage zu Sturz gekommen war. Die Verhandlungen über daS Arbeitözeitgesetz wurden von den Parteien der großen Koali- tion geführt und eS kam nach sechstägigen Verhandlungen zu sol. gendcr Vereinbarung, die ei» stimmig also auch von den Sozialdemokraten angenommen wurde: Die schwere Not unseres Landes läßt eine Steigerung der Gütercrzeugung dringend geboten erscheinen. DaS wird nur unter restlicher Ausnutzung der technischen Errungenschaften bei organisatorischer Verbesserung unserer Wirtschaft und emsiger Arbeit jedes Einzelnen zu erreichen sein. Neben der Steige rung der Produktion durch diese Mittel wird auch die Neu. regelung der ArbeitSzeitgesetze unter grundsätzlicher Fest haltung des Achtstundentages als Normalarbcitstag nicht zu umgehen sein. Dabei ist auch die Möglichkeit der tariflichen oder gesetzlichen Ueberschreitung der jetzigen Arbeitszeit im In teresse einer volkswirtschaftlichen notwendigen Steigerung und Verbilligung der Produktion vorzusehen. Für die öffentlichen Verwaltungen finden ähnliche Grundsätze Anwendung. Auf Grund dieser Vereinbarung legte das NeichöarbeitS- ministerium am 22. Oktober 1923 dem Reichstage den Entwurf eines vorläufigen Gesetzes über die Arbeitszeit vor. Vorher ab r waren die Parteien zu einer inoffiziellen Beratung dieses Ent wurfes geladen-worden, wobei festgestellt wurde, daß der Entwurf im wesentlichen der obenerwähnten Abmachung der Koali. tionSpartcien entsprach. Die Parteien hatten sich Vorbehalten, zu den Einzelheiten dcS Entwurfs Anträge im Plenum zu stellen. Die Einberufung des Reichstages verzögerte sich aber mit Rück sicht auf die in Sachsen cingetretenen politischen Verhältnisse, die die sozialdemokratischen Minister zum Austritt aus dem Kabinett veranlaßten. Als der Reichstag endlich doch zusanimentrat, da scheiterten die Verhandlungen über das ArbcitSzeltgesetz an den Sozialdemokraten, in deren Fraktion sich jetzt unter dem Einfluß führender sozialistischer GewerkschastSkrcise eine starke Opposition gegen den gemeinsam fcrtlggcstcllten Entwurf geltend gemacht hatte. Die DcmobilmachungSverord- nung war unterdessen mit Rücksicht aus den noch nicht verabschie deten Entwurf des ArbeitSzeitgeseheS bis zum 17. November 1923 verlängert worden. Für seine Erneuerung war im Reichs- tag eine Mehrheit vorhanden. Mit dem Ablauf dieser Verordnung hatte bei dem jetzt einsetzendc» Kampf über die Arbeitszeit die Arbeiterschaft irgend einen über die Bestimmungen der alten Ge- werbeorgnugg hinausgehenden gesetzlichen Schuh nicht. Dieser Instand war für die Arbeiterschaft auf die Dauer ganz unhaltbar. Der NeichSarbcitSminister hatte ans diesem Grunde dem Herrn Reichspräsidenten de» Erlaß der ArbeitSzeitvecordnung in der Fassung des Entwurf» aus Grund des Artikel» vorgeschlagen. Parteierrkrise X Wie«, 80. März 1924. Llle Parteien Oesterreich» durchleben zur Zeit eine Krise, die teil» ojsen, teil» hinter Schloß und Riegel nach Lösungen sucht. Um bei der stärksten Partei, den Lhristlichsozialen, anzufangen, sei vorweggenommen, daß diese, die heute mit den Großdeutschen die Regierung in den Händen hat, noch nie eine Revision ihre» Programms vorzunehmen brauchte, auch nicht, ol der Umsturz im Jahre 1918 selbst die Sozialdemokraten nörigte, ihr Programm aufzugcben oder errungene Tatsachen einzustcl- len. Als Prälat Dr. Seipel im Jahre 1922 die Regierung über, nahm, um Oesterreich vor dein Untergang zu retten, geschah die» nicht ohne große Opfer der chrisllichsozmlen Partei, die jede» Par- tciinteresse in den Hintergrund stelle» mußte; „alles für den Staat", war oberster Grundsatz. „Der Wiederaufbau Oester reichs" war auch gelegentlich der letzte» Wahlen in dem National- rate im Oktober des Vorjahres die Wahlparole der Christlich- sozialen. Kein Wort von einem Parteiprogramm vernahm man in der Zeit der Wahlschlacht, eS schien, als habe die Partei nur den einen Grundsatz, die Rettung, den Wiederaufbau Oester reichs, und in der Tat, zur Zeit ist das ihr einziges Bestreben. Jede andere Frage ist ausgeschaltct und wo sie austritt, wie Kleinrentnerfrage, Achtstundentag usw. gilt nur daS SiaatS-Jn- teresse, so daß eS kein schlechter Witz war, den man in der Wahl zeit wiederholt zu hören bekam, daß eine christlichsoziale Partei i» weitläufigem Sinne nicht mehr bestehe, da diese der Staat ge- worden sei. Bundeskanzler Dr. Seipel ist auch heute mit samt seinen RegierungSmitgliedern nicht mehr Partei-, sondern ei» aliSgesprochener Staatsmann, dem das Wohl des Paterlandcö über das der Partei geht. Als Staatspartei, als Wiederausbaupartci hat die christlichsoziale Partei keineswegs ein populäres Pro gramm, sic fordert von allen Opfer, von alle» Geduld und kann nicht mit vollen Händen geben oder taiisendfache Versprechungen machen. Im Elegentcil, mit geradezu rücksichtsloser Offenheit hat der Bundeskanzler Dr. Seipel in öffentlichen Wählerversamm lungen gesprochen, welch große Opfer der Bevölkerung noch hrr- rcn, um dar Sanierungswerk erfolgreich beenden zu können. Trotzdem konnte die christlicksoziale Partei einen großartigen Stimmenzuwachs bei den letzten Wahlen verbuchen, obgleich sie als Mittelsiandspartei und als Partei der wirtschaftlich Schirachen im Interesse der Staatssanierung gezwungen tvar, drei ausg-- sprochene Großindustrievertreter auf ihre Listen an aussichtsreiche Stellen zu fegen. Di« Wahlen sind vorbei, man hat Zeit und Muße, sich wieder ein wenig mit sich selbst zu beschäftigen, da tauchen mehrfache Bedenken auf bezüglich der Zukunft der Partei, fast ausschließlich sind es Gewerkschaftler, die darauf Hinweisen, daß cs hock, an der Zeit wäre, die Parteiklingel läuten zu lasten, damit die Staatspolitik nicht die Parteipolitik zugunsten der So. zialdemokraten verwässere. Naiionalrat Kunschak sprach die Be fürchtung auS, Bundeskanzler Dr. Seipel könnte den Staat für die Sozialdemokraten sanieren, falls nicht rechtzeitig daS Partei- Programm wieder Parole werde. Die bevorstehenden Gemeinde wahlen am 6. April haben diese Frage akut gestaltet, mancher orts drängt man nach einer Lösung, da vor allem die Wahlbünd nisse mit den Großdeutschen und Landbündlsrn an Zugkraft ver lieren. Inwieweit die Befürchtungen zur Wahrheit werden, wer den die Genieindcmahlen zeigen, obgleich diese nicht der richtige Gradmesser sein können, da bei diesen fast ausschließlich Lokal- interessen eine Nolle spielen, die so differenziert sind, daß sie fast i» allen Orten verschieden sind und daher ein sehr ungenaues Bild ergeben, zumalen man vielfach nicht von ausgesprochenen Parleüisien sprechen kann, diese mehr oder weniger den Charakter von Wirischaslsparteien tragen, soweit es Bürgerliche betrifft. Also eS kriselt, allerdings sind es mehr Auseinandersetzungen in camera cariiaiis. Der Bundesgenosse der Ehristlichsozialen in der Negierung ist der Großdeutsche, eine Partei, die von ihrer einstigen Bedeutung heute nur noch schwack>e Schützenhilfe zu leisten im stande ist, sie sieht ihr Ende kommen, der Anschluß an Deutsch- land war wohl ihr einziger, zugkräftiger Programmpnnkt, be. deutet heute für sie auch nichts mehr, nachdem ihn auch di« an deren Parteien vertreten und dadurch zu einer Volkrsache machen. Wohl oder übel Ware» die Großdeutschen gezwungen, ins Kabinett Seipel cinzuiretcn, sollte nicht auch Oesterreich daS VersuchSjeld sozialistischer Experimente werden. Durch den Eintritt in die Negierung waren sie mit Rücksicht ans den Wiederaufbau gezwun gen, ihr Parteiintereste in den Hintergrund zu stellen und mit den Ehristlichsozialen Staatspolitik zu machen. Ihre Anschluß, beniühnngen, ihre kultiirkäinpfcrischen Tendenzen muhten sie auf bessere Tage verschieben. Als sie in den Wahlkampf zogen, tra ten sie vor die Wähler mit leeren Händen hin, die Parteipolitik ruhte, die Sanierung batte Seipel gemacht, sie sagten dazu nur Ja und Amen, ihre getreuen Anbüuger, die Beamtenschaft, siel auf die sozialdemokratischen Wahlschlager hinein, kein Wunder, wenn sie !>0 Prozent lbrer Stimmen verloren und somit in der Negierung nur geschenkte Mandate innchabcn. Ans dem groß- dcuischen Parteitag in Graz kam das- Gefühl der Nichtigkeit und der Bcsckiämung ob der geschenkten Ministersessel zum Ausdruck. Man gab sich der irrigen Anstauung hin, daß sie als Koalitions partei de» Boden unter ihren Füß'i» verloren haben. daS mag nur zu einem geringen Teile richtig sein; denn der Zorsctznngsprozeß nahm schon im tiefen Friede» seinen Anfang und tut nun sein Letztes. Die großdeuttckw Presse sang der eigenen Partei schon seit den Wahlen den Grabgcsana in allen Tonleitern, der Grazer Parteitag der Großdeut'cke» eröffnest' daher den Kampf gegen ihre renitenten Sprachrohre und- setzte zuerst einmal der Wiener „Deutsch österreichischen Taaeszeitnng", sie von StinncS finan ziert wird, unter Bov'ott. Im übrigen sir-niat sich die Partei an, iht LcbeiiSlichtlein unter Aufwand aller Kräfte brennend zu er. halten, ewiges Licht wird -s allerdings keines sein. Roch werden sie als Koaliiionsparlei üb-w Wasstr geha'tcn. ilt aber diese Pe riode einmal nb"clailfen. dann dürste die konstante Krise der Großdeiiilcheii »nt dem T"de der Pariei ihr Ende linden. Vor läufig ist der E—'olg der Kri'e der. das; die durck-wfallenen bezw. nicbtgeiräblten Mandats-anwärter sich in den Schmollwinkel zu- rückgezogen bab n und nnl-r Führung de? a»S dem alten Oester, reich her sckon bekgnnten Karl Hering» Wolf eine eigene Partei, besser gesaat, Bieriafelrnnde. gegründet haben. in Oesterreich Eine andere bürgerliche Partei ist der Landbund, die zweite Auflage der einst so bedeutenden liberalen Partei, heute kaum mehr ei» Schatten von ehemals, da ihr Weizen »och blühte. Ihre Nichtigkeit ihrer Wahlniederlage veranlaßte ebenfalls zum Nachdenken. Da die Verbindung mit den Hausbesitzern eine nn. glückliche Ehe »var, ging man wieder an die Scheidung. Heute lagt der eine -Hüh", der andere „Brr", mit dem Erfolg, daß sie im Parlament entweder durch Abwesenheit glänzen oder allesamt auf der Bärenhaut liegen und sich in der Rolle der stummen Zu. schauer gefallen, die bei der Abstimmung weder ja noch nein sa gen, so daß ihre einzige Tätigkeit im Einstreiehe» der Diäten be steht. Ob das bereiis TodeSanzeiche» sind, will ich nicht gerade prophezeien, Leben und günstige Ansvizien für die Zukunft sind eS jedenfalls keine. Die Demokraten, die in der teilen Legislaturperiode mit ihrem einzigen Abgeordneten, dem Grasen Czerni», als Ein männerpartei dein Spott ausgesetzt waren, haben gänzlich abge- baut. Die Nationalsozialisten waren so klug, nicht zu kandidieren (wahrscheinlich vermöge ihrer Schwäche), »m nicht eine Blamage zu erfahre». Allerdings fand das nicht den ein- mütigen Anklang, im Gegenteil, rührte sich innerhalb der Partei eine starke Gruppe, die eine Kraftprobe und die Nichtigkeit der diesbezüglichen Salzburger Beschlüsse durch einen neuen Partei tag aussprechen wollte. DaS Resultat war das. daß dis Nalional» sozialisier! nicht wählten, dafür aber ihre» verdienstvollen Führer Dr. Riehl als Parteiobmann einbüßten. Selbst der zu Hilfe ge rufene nationalsozialistische Abg. Jung vom Prager Parlamente und einige reichsdeutsche Vermittler konnten die »och währende Krise nicht überbrücken. Die Monarchisten, die ebenfalls als Wahlwerber seiner, zeit auftraten, leiden an zu viel Meinungen, aber zu wenig Köpfen. Sie konnten daher mit eigenen Listen kein NationalratS- inandat erringen, nur einer rutschte unter christlichsozialer Flagge in das hohe Haus hinein. Geheilt wurden sie durch die Schlappe nicht, nach wie vor quälen 10 Köpfe hundert Meinungen. Es bleibt nun noch die zweitgrößte österreichische Partei übrig, die Sozialdemokraten, nachdem die Kommunisten mit den sozialisierten Betrieben Pleite gemacht haben und sich daher in Liquidation befinden, ohne vorher auch nur einige Be deutung gewonnen zu haben, über Straßenkrakeele kamen sie »ie hinaus. Also die Sozialdemokraten, haben sie auch das Nebel anhaften, Oesterreich rniniert zu haben, so ist die Zeit doch ihr willfähriger Diener. Vorzüglich ausqebaute Organisationen, ovr allem das Heer von „freien" Gewerkschaftlern, als rote Terrcr- truppen tun da» Uebrige. Ihre Geister in Wien, vor allem Dr. Bauer und Austerlitz, die keineswegs zu unterschätzen sind, wrren sich wohl darüber klar, daß eS keinen anderen Weg der Sanie rung gebe, als den, den Bundeskanzler Dr. Seipel beschritt, de», noch lehnten sic mit Rücksicht auf ihre Gefolgschaft die Mitarbeit ab. da diese die Geduld für so unpopuläre Politik nicht haben dürfte. Dennoch drängt eS heute die Genvssen an die Siaats- krippe, selbst um den Preis kultureller Programmpunktc. Wenn sie dnrch den Äblxru der Nationalratsmandate auch eine Einbuße erlitten haben, so ist ziffernmäßig die Zahl ihrer Wähler gestie gen, bei den zugkräftigen Schlagern, die ihnen zu Gebote stan den, wie Besoldungsresorm der Bundesbeamtcn. Mieterschutz, Steuern und dergl., sa kein Wunder, obgleich sie alle bis zur Stunde nichts als schöne Worte waren, im Gegenteil sich heute weder nm das eine noch das andere bekümmern, londern schließlich ihren eigenen Sorgen nachaehen. Die Krise, die ihnen beschert ist, wird zur Zeit wohl noch in kollegialer Beratung zu schlichten gesucht, aber dem Ohr der Ocsfentlichteit blieb sie nicht verborge». Sie ist in erster Linie eine Führerkris«. Einer sucht den anderen zu übertrumpfen, die einen mit Zeienka an der Spitze drehen den Austerlitz, dem Chefredakteur der Wiener „Arbeiterzeitung", Stricke, da er ihnen zu gemäßigt ist. Die andere» wiederum, Vvc allem die sozialdemokratische Provinzpreste, unterläßt nichts, um den radikalen Stürmer Zelenka zu stürzen. Während die So zialdemokraten in Wien auf Kosten der Großdeutschen ihre Siel- lung stärken konnten, verloren sie in der Provinz nicht unbedeu tende Positionen, vornehmlich an die Ehristlichsozialen. Die rote Gewerkschaftsbewegung hat dnrch die viele» MntwillenstreikS der letzten Zeit, die fast alle mit einem Fiasko endeten, starke Ein buße zugunsten der christlichen Gewerkschaften erlitte». Geflis sentlich sucht man nun nach narkotisch,: Mitteln, nm di« beun- rnbiate Gefolgschaft einzuschläfern. Hierbei ist der Streit um den Achtstundentag ein glückliches AblenkunaSmittcl. Liebevolle Worte sind es nicht, die die Beratungen erfüllen. eS ist ein Streiten, ein Kritisieren ohne Erfolg. Es kriselt in allen Lagern, der Ruf nach Revision, nach Reinigung ist allgemein. Vielleicht ein gutes Zeichen, wenn Ser Erfolg hinzntritt, und der ist aber oller menschlichen Voranssichr nach nur bei den zwei großen Parteien, bei den Ehristlichsozialen und bei den Sozialdemokraten zu erwarte», wenn auch einige Zeit dabei verstreichen wird. Bei den anderen Parteien kann man die Krise wohl als Z'rsetznnaSmomeiite bezeichnen, die das Ende nur beschleunigen, so das; man in Oest-rreich dem Z w ei st a r t e i e n s v st e m eniaeaenstenert. Der Kampf zwilchen d!'- stn beiden nahezu gleichstarken Parteien wird allerdings ein er bitterter werden, alle Anzeichen hierfür setze» b-reitS ein. Eine Prognose für die Znknint zu stellen wäre ein müßiacs Beainne»; denn die große nrteilslolr Volksmaste, das Gros der Wähler, fällt qriindsälckich immer und immer wieder ans ante Walnsckllam-r hinein, die schj-ßlich nebst einer guten Oraanisationsrescrve die Entscheidung bringen. Sa vernicklet sich al'o in Ocsterre-ck der Kamvf zwischen den beiden W'ltaiischai'M'oen, der christick'n u-nd der sozialistischen. Die verschiedenen Krisen tragen zur Läu terung viel bei. ibre glückliche Lösung bedeutet di« Herrschaft für kommende Zeiten. E 6>'-> > i fsV sripwe!O fsch'ch Dieser Vorschlag aber faiw bei den freie» Gewerkschaften keine» Aiiklang. Uliter dem Druck der Verhältnisse sahen sich die Ge. werkschafien dock, endlich g-zwnngen, bei dem ReichsarbcttS- minister nm den Erlas; der Arbcitszcitverordnnng ans Grund des der Regierung Marx bewilligten Ermächtigungsgesetzes ein- z » k o m m c n. So ist die am 2l. Dezember 1921 erlassene Ver. ordnung zustande gekommen. Ter NeichSarbeitSministcr Brauns bemerkt hierzu in seiner Rede vom 26. Februar 1924: „AuS diesen tatsächlichen Vorgängen ist eines meines Erachtens klar ersichtlich, was ich zur Rechtfertigung der NcichS- regienmg festznsicllen gezwungen bin: Die Haltung der Sozialdemvkraiischcn Partei gegenüber der ArbeitSzeitverord- nung war eine andere, als sie noch die Verantwortung der Regierung mittrug, im Gegensatz zu ihrer heutigen .Haltung, da sie in der Opposition sieht. Die Oeffentlichkeit kann sich meines Erachtens auch billigcrweise darüber wundern, das; die Sozial demokratie gerade heute die Ratifizierung des Washingtoner Abkommens fordert, während frühere Negierungen, darunter auch sozialdemokratisch geführte mit einer solchen Forderung zum mindesten nicht gedrängt worden sind. Ich wiederhole: Diese Feststellung zu machen bi» ich zu ineineql Bedauern !» der Verteidigung gezwungen. Das kcuischc Vol? hat aber ein Recht, alle diese Vorgänge genau zu kenne», um seinerseits e>» unparteiisches Urteil fällen zu können." Wie der Staat, so kennt auch die Wirtschaft eine organische Weiterentwicklung. Beide sind daher im Grunde kvnserval v. Zwangsweise Eingriffe, odcr die Hemmung der organischen Ent wicklung, wie sie siaaispolitisch die äußerste Reckle, wirtschaftlich aber die Sozialdemokratie v'r>ucht hat und noch heute versucht, führen zur Verwirrung und Auflösung von Staat und Wirt schaft. Wer aber dem Zentrum, das diese Notwendigkeit.» des wirtschaftlichen und politischen Lebens klar erkennt, eine Be günstigung der sozialen Reaktion vorwirst, »niersireicht damit nur seine eigene Unkenntnis der Dinge und stellt sich selbst das Zeug nis ans, daß er zur ernsthaften Mitarbeit in Staat und wiri- sckmstlichen Fragen durckmuS nicht geeignet ist. Er beweist damit daß cs ihn ans nichts weiteres ankommt, als diejenigen, die den Mut haben, in einer harten Notzeit die Konsequenzen Kdr, die Allgemeinheit zu ziehen, herunter zu reißen, um Pav- teigeschäfie -u machen.