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Sächsische Volkszeitung : 02.04.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-04-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192404026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-04
- Tag 1924-04-02
-
Monat
1924-04
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 02.04.1924
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Bor Ereignissen Bon einem besonderen Wiener Die innenpolitische Verwirrung im Königreiche der Serben, Kroaten n»d Slowenen hat ihren Höhepunkt erreicht. Ter oppo sitionelle Block hat zu einem schweren Stoß ausgeholt, um die Regierungsmehrheit zu beseitigen und die ganzen letzie > 'ockeu hindurch haben die Führer der Opposition sich den Kops „en, was der „alte Fuchs" — gemeint ist der 83jährige Minister präsident Pasie — ersinnen werde, um die Majorisierung der Majorität zu vereiteln. Statt dessen scheint es, dass Pasie die Tore des Kabinetts össnet, uno Opposition bereitwillig zum Eintritt einlädt. Und nun beginnt die ganze Schtvere des Pro blems sür den oppositionellen Block Ter SHS.-Staat zählt unter seinen Einwohnern nicht nur Serbe», Kroaten und Slowenen, sondern auch Mazedonier, Monte negriner, Italiener, Türken, Magharen und Deutsche. Die Türken zerfallen in zwei Gruppen. Tie eine, die der bosnische» Türken, heißt nach ihrem Führer die Spaho-Grnppe, achtzehn Mann, die andere ist die dreizehn Mann starke Dzemijet-Grnppe aus Mazedonien. Mazedonier, Italiener und Magharen sind im ser bischen Parlament überhaupt nicht vertrete», Montenegro hat zwei Abgeordnete, davon gehört einer der serbischen radikalen Partei an, der andere ist montenegrinischer Separatist. Die Deutschen haben nenn Abgeordnete in der Skupschtina. Die Kroaten sind fast vollzälig in oem unter Führung Nadic stehenden Block vereinigt, der 70 Abgcoronete zählt, außerhalb stehen zwei dalmatinische Kroaten. Von den Slowenen gehören 24 Ab geordnete der slotvenischen VolkZpartei an, sie steht unter der Führung des Abgeordneten Koresec, der seinerzeit dem österreichi schen Parlament angehört hat. Endlich gibt es zwei rein ser bische Parteien, und zwar die Raaikale Partei, 107 Abgeord nete, der der Ministerpräsident Pasie, der Außenminister Niueie und die anderen Mitglieder des Kabinetts angehörcn und die elf Zcmljoradniki, serbische Grnndpächter aus Bosnien. Tie 60 Ab geordnete starke demokratisch« Partei, deren bekannteste Führer Tavidovic und Pribicevlc sind, besteht wohl hauptsächlich ans Serben, zählt aber auch einige liberale Slowenen und Kroaten^ Ter SHS.-Staat ist entstanden ans einer Parole der Kriegs propaganda, die die Zusammengehörigkeit und Einheitlichkeit der Serben, Kroaten und Slowenen als einer Nation verkündet hat.' Nach dem Zusammenbruch wurde diese Parole bald fallengclassen. Die Kroaten bestreiten der Skupschtina in Belgrad jedes Recht, über das kroatische Volk irgendwelche Entscheidungen zu treffen, und die Radikale Partei, die die Mehrzahl der serbischen Mandate in Besitz hat, macht kein Hehl daraus, daß sie den Staat als einen serbischen Staat ansieht, der von Serben nach serbischem Interesse regiert werden muß. Au der sogenannten jugoslawi schen Idee im engeren Sinn, nämlich an der einheitlichen Nation der Serben, Kroaten und Slowenen, hängen eigentlich nur noch die Demokraten und vielleicht noch in gewissem Maße die Slowe nische Volkspartei. Zwischen diesen beiden besteht aber oer be deutende Unterschied, daß die Demokraten jugoslawisch-zentralistisch denke», während die Slowenen im einheitlichen jugoslawischen Staat gewisse Antonomiewünslb« haben. So fanden sich die serbisch-zentralistischen Radikalen und die jugoslawisch-zentralisti schen Demokraten zu jener Regierungskoalition, die am 28. Juni 1921 unter Ablehnung aller Anträge der Opposition die zen- tralistiscbe Vidovdan-Verfassung beschloß. Ter Vidovdan, der Sankt« Veits-Tag, an dein sich die beioen größten Ereignisse der ser bischen Geschichte abgespielt haben. Am Vidovdan oes Jahres 1389 wurde das serbische Reich vom Halbmond niedergcworfen, am Vidovdan 1914 wurde der Erzherzog-Thronfolger von Oester^ reich in Serajewo ermordet. Die gegenwärtige Mehrheit besteht aus den Radikalen, den Dzemijet und de» Deutschen, insgesamt 129 Stimmen. Die maze donischen Türken stimmen mit oen Serben, weil sie von diesen im SHS--Staate außenpolitischen Mitarbeiter: Schutz vor den Ueberfällen der Mazeoonier erwarten. In der parlamentarischen Opposition stehen die Demokraten, die Slowe nische Volkspartei und die Spaho-Grnppe, zusammen 92 Manila Mil ihnen stimmen regelmäßig der montenegrinische Separatist, die beiden dalmatinischen Kroaten uno die 11 Zemljoradniki, so daß der oppositionelle Block bisher über 106 Stimmen verfügt. Acht Wilde stimmen meist mit den Radikalen, sodaß also eine Ma- Majorität von 137 Stimmen einer Minorität von 106 Stimmen gegenübersteht. Die Konstellation wird nur durch den einen Umstand ermög licht, daß bis vor wenigen Tagen die Anhänger des kroatischen Führers Stjepan Radic den Saal der Skupschtina noch nicht be treten hatten. Wie man sieht, genügen 40 Radic-Mandate, um die Minorität 1» eine Ntajorität zu verwandeln. Tic Radic- Gruppe hat aber 70 Mitglieder. Pasie konnte also in Belgrad ohne Demokraten nur so lauge regieren, als die Radic-Gruppe nicht nach Belgrad ging. Nadic hielt jedoch bisher die Abstinenz für wichtiger als den Sturz der Regierung Pasie. Nun hat er plötzlich seinen Entschluß geändert. Schon sind 20 Abgeordnete seiner Partei in die Skupschtina eingezogen und weitere 30 würden ihnen folgen. Radie macht also die bis herige Opposition von ihren kleineren Mitläufern unabhäugig.l Man war von seiten der Radikalen Partei auf alle möglichen Zwischenfälle gefaßt. Würde Pasie das Parlament nach Hanse schicken und Neuwahlen ausschreiben? Würde er es mit der Diktatur probieren? Oder würde er einfach die Verifizierung- der kroatischen Mandate hinauszögcrn? Bis jetzt geschah nichts von alledem. Es ist möglich, oaß in oen nächsten Tagen ein Ministerium Davidovic-Korosec oie Negierung übernimmt. Was aber um Himmelswillen wird diese Majorität zu- sammenhalten? Was sie znsammcnsührt, ist der Sturz Pasie und der Radikalen. Aber was dann? Die Demokraten waren in dein Kabinett Pasie, bas die Vidovdan-Verfassung gegeben hat, durch sechs Minister vertreten, die Slowenen sino wegen derselben Vidovdan-Verfassung in die Opposition gegangen, und die Kroaten erklären oie Vidovdan-Verfassung überhaupt als sür sie ungültig und nicht zu Recht bestehen». Den Vertrag mit Italien haben alle Gruppen der werdenden Majorität wütend angegrifsen, aber niemand zweifelt daran, daß sie keinen Ver such macheil werden, etwas daran zn ändern. Auch das wirklich gute Budget des Herrn Stojadinovic läßt man passieren. So bleibt nur eine gcmetnsame Losung, und das ist der Schlachtruf: Fort mit der Korruption! Eine ausgezeichnete Parole, aber als Ncgierungsprogramm kaum ausreichend, wenn man über die Verfassung so verschieden denkt. Im SHS.-Staat sind wenig Beschwerden über parlamentarische Korruption, aber allgemein ist die Erbitterung gegen die Verwaltung, insbesondere in den unteren Instanzen. Werden di« drei verschiedenen Brüder sich jetzt einträchtig zusammensetzen, um im Schatten der Vidovdan- Verfassung die Verwaltung zu reformieren? Ans diese Schwierigkeiten rechnet Pasie, und es mag wohl sein, daß er deshalb den oppositionellen Block unbehindert i» die Regierung einzichen lägt. D«r Glaube an die Verschlagen heit Pasie' ist so groß, daß niemand daran zweifelt, daß er dies« Mehrhettsbilbung hätte verhindern können, wenn er gewallt hätte. Er hat ja auf parlamentarischem Boden Unglaubliches geleistet, und die Annahme der Vidovdan-Verfassung, für die es nicht nur keine Zweidrittelmehrbeit gegeben hat, sondern für die weniger als die Hälfte der gewählten Abgeordneten gestimmt bat, war wohl ein Meisterstück Aber interessant ist es, wie der 83jährige Mann Politik treibt wie einer, der sicher ist, daß er noch zehn Jahre das politische Leben meistern wird Er hat Zeit Die Slowenische VolkSpartci hat jetzt wieder den vollen Wind in den Segeln Sie hat in der ganzen Aktion die führende Rolle und Korosec ist in Slowenien der -eld des Tages Abel das schwierige Problem beginnt erst, auch sür ihn Von den Radic-Leuten werden jetzt 20 ooer 30 oder 60 Mitglieder auf den König und auf die Vidvvdan-Bersassuug schwören Welchen Eindruck das aus die kroatischen Bauern machen wird, ist nicht, vorauszusehen Undurchdringlich wie immer steht Radic' Po litik vor uns. Aber es ist eine Tatsache, daß er bisher dass gesamte kroatische Volk uni sein Banner geschart hat. KMskWltt Dr. Wirr in Hann««« Hannover, 31. März. In einer zahlreich besuchten Zen trum s v e r so m m l «i g sprach gestern Reichskanzler Dr. Marx in der Stadthalle über das Thema: Unsere Arbeit für Volk und Vaterland. Er beschäftigte sich zunächst mit der Frage der Kriegsschuldlüge und wies den. gegen das deutsche Volk erhobenen Vorwurf der Schuld am Kriege mit aller Entschiedenheit zurück. Nur in gerechter Notwehr haben wir zu den Waffen gegriffen. Der Regierung wird der Vorwurf gemacht, sie trete nicht entschieden genug dem Borwurf der Schulo am Kriege entgegen Dieser Vorwurf ist unberechtigt. Ein« ganze Reihe von Veröffentlichungen »nansechtbaren O.ue! en- materials ist erfolgt. I» unabiässiger Arbeit werde» wir iart- fahren, Wahrheitsbeweise zu erbringen, daß nicht Deutschland und noch weniger das deutsche Volk Urheber und Schuldige des Wrltbrandes gewesen sind. Wir wissen, daß der Tag kommen wird, wo wir ein wandfrei und glaubhaft der Welt beweisen werden, daß Deutsch land frei ist von der Schuld am Kriege. Teutschlcmd lehnt oen Völkerbund keineswegs ab, aber ein wahrer Völkerbund muß alle Völker als gleichberechtigt um fassen Als großes und starkes Reich hat Deutschland Anspruch darauf, mit vollständiger Gleichberechtigung mit den nnbecen Großmächten im Rate des Völkerbundes zn sitzen Ter Kanzler äußerte sich dann zur hannoverschen Frage und erkstirte: Den einzig richtigen Weg scheinen die Parteien des besetzteil Gebietes eingeschlagen zu habe», die >u voller Eimiiütigleit au dem in Königswinter gefaßten Beschluß festhaltcu, daß, so lange Teile des Reiches vom Feiuoe besetzt sino, eine Anwendung des Artikels 18 oer Reichsverfassnng sür sie ausgeschlossen sei: Tann besprach der Reichskanzler die Vorgänge im be setzten Gebiet. Rechtswidrig sei es, die unglücklichen Ge fangenen des Ruhrgebietes seelischer und körperlicher Tortur auszusetzen, die an die grausamen Strafen des Mittelalters erinnere. Tie Weltgeschichte wird auch hier das Weltgericht darstelleu. Ter Kanzler rechtfertigt« dann die Maßnahmen der Negierung zur Festigung der Währung und ging hierauf zn den bestehenden Reichstag sw ah len über. Er meinte, ein S cg der deiitschoölkikchen Bewegung bei den RcichStngswahlen würde geradezu den Untergang unseres Volkes bedeuten. Wir wol.ru Frieden uno Verständigung mit allen Völkern und darum wollen wir einen Reichstag, der mit der Bürgschaft für Ordnung und Ruhe nn Innern dir Gewähr b'.rtet, ein irieoliches Einvernehmen auf der Grunolage der Gerechtigkeit mit den andere» Nationen zu erstrebe». I in«, V/ö-mgr Vsrsickißtsr LlsLlVvmHt!i'6rk>,n1 Osr Naws lliviosr Urws, kür^l liiuen kür nur msl- HU eI » « Z Lsi Vsckkirk korcksrn 8>s Kitts ineins nsnssts Kftsislisto. Al Fresko Eine Tiroler Künstlergeschichtc von Haus Schrott-Fiechtl. (1. Fortsetzung.) Ein Jahr später lag ein kleines feines Mädel in der Wiege. Sein Herzlicb aber ift ihm hinübcrgeschlummert in die stille Welt. — Damals hat der junge Freiherr das als ein Zermalmen seines innersten Wesens empfunden, hat seinen Dienst quittiert und ist allein geblieben. Nur jetzt keine fremden Dde-nschen um sich... . Fern der großen Welt, zwischen Büchern, »mgoldet vom Kindcrlachen, brachte er seine Tage hin. Mählich ist er dann unversehens zum Sammler geworden, hat das ganze Tiroler Land durchstreift nach Kunstwerken, zählten sie nizn zur hohen Kunst oder nur znu, künstlerisch verschönten Hausrat. Dazumal gab cS in Tirol viele, einsame Bauernhöfe, wo solche Kostbar keiten unbeachtet, ungesehen herumlagen als überflüssiges platz, stchlcndcs Zeug, dummes. Das wirklich Gute mußte man freilich auch damals emsig und ohne Unterlaß suchen, aber man fand eS doch, sich zur Freude und dem Land zum Nutzen. So alvr ist der Baron rein nebenher immer tiefer und tiefer in dies Kiinslgebiet eingedrungen und langsam einer der ersten Kenner der Tiroler Renaissance geworden. Als dann seine Ruth im fremden Pensionat zur Dame von Welt heraureifen sollte, war er einsam, ganz einsam. Sein täg licher Tag b-gann öd und dumpf auf ihm zu lasten, und dein wollt' er entfliehen. Seit je hat ihn die alte Tiroler Fresko malerei besonders angczogcn, und nun begann er förmliche Stu dien zu machen. Dabei bekam er das schöne Ding lieber, als er fürs erste vielleicht selber wollte. Alles, was er mir Fremd, sprachliches und Laiidstnndiges vorüber auftreiben konnte, wurde studiert. Ein ordentliches Stück Maler stak ja von je in ihm. Kurz »iid gut, die Schloszkapelle mit erstklassigen Fresken zieren zu lassen. Nun ist die FceSkotcchnik unserer Alten vcrlorengegangen, »nd nur in Tirol war vielleicht noch ans allerdings umständlichen Wegen die Möglichkeit gegeben, einen Vertreter dieser schweren Und peinlichen Technik nach langwierigen Geduld-Proben >oo auf. sjutrciben. Jahr und Tag hat der Freiherr nach dem richtigen Mann besucht. Mein Gott. Frcskenmaleu kann bald einer. Aber so, wie st« in Tirol vor Hunderten von Jahren schon gemalt wurden . . . Oft und ewig schien das ganz aussichtslos, vierade das reizte den Baron aber, goß ihm eine gewisse Leidenschaft ins Herz. Und Hann fand er ihn doch. So langwierig der Weg auch war, einen direkten Anschluß an den letzten Mefltcr noch bei einem heute lebenden Künstler zu finden, eS gelang. Dieser letzte große Meister der Freske war Martin Knoller auS Steinach. Er und seine .Schüler livd natürlich längst tot. — Der Freiherr kam nach langem suchenden Uebcrlcgcn endlich > aus einen HanS Pechriggl aus Schwaz, der die Technik noch von I Kluibenschadl erlernt hat. Dieser Klmbenschädl hat sie von Franz I Plattner anö Zirl übernommen, der seinerseits wieder ein Schüler von Joseph Arnold aus Stans war. lind der Arnold hat ja bei Joseph Schöpf auS TelfS gelernt. Von Joseph Schöpf aber war der Weg gegeben, war er doch der letzte direkte Schüler Martin Knollcrs. Als der Freiherr endlich den geschloffenen Beweis vor Augen hatte, begann eine lange, lange Korrespondenz, denn selbst jetzt wollte er seine Ansprüche hochgestellt wissen. Die Auskünfte waren gut, ja sehr gut. und als nun gar erst die Entwürfe dcö jungen Künstlers kamen, war der Freiherr gleich mit Herz uno Seel« dabei. Ihm sagten sie ja mehr, viel mehr als alle Ans. künfte großer Kunstgelehrter . . . Während dieser Zeit ist die einzig« Tochter, Ruth, längst wieder daheim. Auf dem Schloß war nie viel Besuch, und der Malersmann, der nun seit einer Woche hier lebt, wäre eigentlich eine erfreu- liche Erweiterung' des stillen kleinen Kreises. Wie entsetzt war aber die Heine Ruth, die wirklich nichts weniger als klein war. Im Gegenteil: von Gestalt und Figur war das Schloßfräule n gertenschlank, voll und groß, und die Bauern im Dorf wußten'S alle, eine Sckiönere gibt'S auf der Welt kaum wo. Ganz gewiß. DaS blühfrische Mädel soll jetzt täglich an der Seite eines Krüppels sitzen: Jungen Menschen, van deS Lebens Nöten unbe rührt, schleicht leicht über das natürliche Unbehagen grauer Schrecken in die Glieder, denn der blühenden Jugend ist Gesund heit das Selbstverständliche, und wo sie fehlt, wird fürs erste eine Kluft in ihrer Seele. Der buckelige, verwachsene Mensch tat ihr leid, aber er war ihr mehr als unbehaglich; so wurde ez doppelt schwer für das Schloßfräulein, Stellung zu nehme» Den ersten Tag sckwii bat sie Vater, ihr doch dicken HanS Pechriggl zn er spare». Mit ihm am gleichen Tisch sitzen, lieber alle-, gar alles. Und dann wieder war die Unterhaltung s» lebhaft. j> geistvoll, an regend und fröhlich, daß für Augenblicke cll d>ese öden Empfindlin gen verlöschten. Aber sie kamen wieder, u^d Ruih bat von neuem. Vater strich ihr nur über den Scheitel, tröstete und spottete das alles fort. In ihm war in den wenigen Tage» viel Hochachtung vor diesem armen Mann erblüht. Immer klarer erkannte er nämlich, daß er eine ganz seltene, eil e allererste Kraft an ihm gefunden, daher mußte die Baroneß bald cinsehen, daß all ihr Bitten und Wünschen zerbricht und zerrinnt. Ja nach Tagen kam sie selbst einmal auf das Sterilst. Und da entsetzte sie sich. Um GoUeS willen, das will ein Maler sein! Dunkle häßliche Flecke, Kleckse in den greulichsten Farben bat er an das Gewölbe gepinselt. Der Hans Pechriggl sah natürlich de» niederschmetterndr» Eindruck »nü schmunzelte aut und lieb, voller Schalkhaftigkeit, „Gnädiges Fräulein, das ist immer ja. l»S der cbemistbe Prozeß, de« die Farbe mit dcr Wand verbindet, vollendet isi. Das Zeug schaut zum Grausen au?-. Sie haben recht." Tie Baroneß zuckt die Achsel». Aber da dcimmerl'S ihn» im Herzen, dcr Manirwor ihr ist ei» Schwindler, ein Hochstapler, Und die Entrüstung darüber läßt sie die gute Erziehung ver gossen. Fast schnippisch hört der Maler ein „Schrecklich!" Dann dr>ht das Fräulein um und geht, »ei», läuft zur Tür hiuaue. Für ih» hat sie keinen Mick mehr. Cchnurrstracks eilt die Baroneß mit ihrer Enttäuschung zum Vater und sprudelt dort aufgeregt ihre» zornige» Gram vom Herzen: „Mit diesem HanS Pechriggl sind wir gründlich cungescssen. Ich habe mir dis Sache mm angesehen. Vater . . . daS ist ein fach ein Hochstapler." Alles, gar alles redet sie sich von ker Seele, was sie beim Anblick seiner schrecklichen Arbeit empfunden. Die Enttäuschung war wirklich zu groß für ein kleines Mädchen- Herz, das die Schönheit liebt. Wen» sie noch dazu an Bauns Freude dachte, als er diesen Mann endlich gesunden, und »nn diese . . . entsetzliche Patzerei. Vater tat ihr leid, mehr als die Enttäuschung als solche. Der Baron war vor seiner eisern e» Tochter fürs erste verblüfft, denn alles, was er praktisch von der Freskomalerei schließlich selber wußte, kam ihn, ja nur ans- vcn Büchern, „Kind," meinte er rasch gefaßt, „der Hans Pechriggl ist von ganz prmninenten Leuten ans daS allcrwärmste cmp'oblen. Da sorgst du dich zuviel," „Empfohlen hin oder her, Bitte, sieh' dir'S selber an, ob's zu spät wird. Ich bin ganz entsetzt, und du weißt selbst, ich bin mit dir oft genug i» de» ersten Galerien Herumgewandert, um wenigstens zu empfinden, was überhaupt Knust sein kann." Schließlich blieb nichts, der Herr Baron muß mit in die Kapelle. Es war das erstemal, daß dcr Schloßherr die werdenden Dinge sah. Aufrichtig gesagt, in? ersten Augenblick konnte auch er seine Verblüffung nicht ganz meistern, um so mehr, a>S der Maler den Besuch weder sah noch spürte, da er viel zu sehr in dem nächsten Pinsclstrich gefangcnlag. Der Baron schüttelte den Kopf und schüttelte ihn wieder. Eben greiit der Maler nach einem andern Farbentiegel, und im limwenden sieht er die Herrschaften. „Grüß Gott, Herr Baron," nickt er vergnügt, lind dann war'S wieder, als ob er allein, mutterseelenallein war'. Nu>^ dauerte eS nickt lang. Seine Unbefangenheit war gestört, er fühlte Augen, die ihn und seine Arbeit durchbohren wollen, und da wird er nervös. DaS Empfinden Perticste sich so stark, daß er einfach anssctzen mußte. Rasch steigt er dr»m vom Gerüst und geht auf die Herrschaften zu: -.'.Fertsctzuna koiat.r
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