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Nr. 181, Seite 2 ' ? . - < '! >i Dienstag den 4. Iulr W2L Aus dem Ausland Vlulige Ausschreitungen der Tschechen gegen ei« deutsches Fest Aus Leitmcritz wird uns geschrieben: Unsere gastliche Stadt war Sonntag den 25. Juni der Scyauplatz furchtbarer Gewalttaten, die, wenn nicht die Deutschen wahre Lammes- und Leidensgeduld geübt hätten, zu noch viel schrecklicheren Szenen hätte führen müssen. Der Deutsche Turn verein feierte sein btljähriges Bestandsfest. Die Vorbereitungen toaren schon wochenlaiig getroffen und die politische Behörde hatte das Programm nach der Vorlage genehmigt. Daraus folgt ualurgeuiäß, dag auch im Nahmen dieser Be willigung der Schlitz zugleich ausreichend gegeben ist. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder es wird bewilligt mit ge nügendem Schutz oder cS wird von vornherein nicht erlaubt, wenn man sich der Schwäche bewußt ist, daß man über t:e verfügbare Gendarmerie und dre militärischen Truppen die not wendige Autorität nicht mehr hat und somit des Straßenpöpels nicht Herr werden kann. Im zweiten Falle aber wäre der Deutsche Turnverein selbst veraiuwortiich. Gleichzeitig aber hatte die politische Behörde im nahen Theresienstädter Kessel, 1 l-i Stund« entfernt) ein großes tschechisches Sokolfest bewilligt. Es ließ also schon nichts Gutes ahnen. Um jL3 Uhr marschierte der ungeheure deutsche Zug, bei dem auch Hunderte von Kindern waren, mit Musik zum Fcstplatz (Schützcninsel). In der Maresch- gasse, nicht weit vom Martrplatze, sprang ein Tscheche in den Zug. zerschlitzte mit einem Messer die Fahne des Leitmeritzer Turn vereines und zerriß diese. Der Fahnenträger erschrak, wehrte aber ab und der tschechische Schänder bekam einige Schläge. Das war der Auftakt zu neuen Gewalttaten. Der politische Vertreter vermittelte, der Tscheche wurde agnosziert, aber auf Betreiben der Tschechen sofort freigelassen. Das ganze Fest war gestört, als dann die Tschechen auf dre Insel zum Deutschen Feste eindringen wollten, wurden diese von Gendarmen und inzwischen requirier tem Militär zurüügebalten. Natürlich wurde die Wache von den rabiaten Tschechen, Soldaten und Zivilpersonen, angespien und beschimpft. Eine Deputation mit Legionären wurde vom poli tischen Leiter Wellrubsky auf den Festplatz geführt, um sich zu überzeugen, daß kein einziges deutsches Abzeichen und Fahne zu finden ist. Sie brüllten in einem fort, daß hier die tschechische Republik ist und die Deutschen nichts zu reden haben. lJn Leit- meritz sind nur 80 Prozent Tschechen!) Die Gewitterschwüle lag den ganzen Nachmittag auf den Festteilnehmern und es verließ die Hälfte schon zeitig den Festplatz. Am Ausgange der Insel standen tschechische Kerle, die jedem Deutsche» die Kornblumen heruntcrrissen. Gegen Abend hatten sich die Deutschen versam melt und wollten auf einem Wege, den der politische Kommissar bestimmt hatte, heimzieben, natürlich ohne Sang und Klang, damit die Tschechen nicht etwa „gereizt" würde». Aber es kam fürchterlich anders. Bei der Kreuzung der Bahnhofstraße und Geltschberggassc halten sich eine Menge Soldaten und Zivilisten angesammelt und empfingen den Zug mit einem regelrechten Steinhagel. Hauvtsächüch warf man die Steine gegen die Kin der von 6—14 Jahren, schlug wie wütend auf sie ein, warf viele über eine Böscbuna von 8 Meiern Höhe hinunter und bearbeitete die anderen mit Stöcken und Riemen. Weder Militär noch Gendarmerie tvar zu sehen, auch die städtische Wache erfüllte ihre Pflicht nicht. Während sich diese perverse Handlung abspielte, war der kommandierende General von Leitmcritz, Radda, zu den Soldaten gegangen und hatte diese ersucht, in die Kasernen zurück,zukehren. Diese aber lachten und höhnten in den verschiedenen Tonarten den General, spien an? vor ihm »nd sagten ihm, er gehöre schon längst nach .Hause. Genau so verhöhnte die Menge den Bczirkshauptmanu, Erst gegen Abend ließ der General Alarm blasen, und als die Soldaten noch zögerten, nach Hanse zu gehen, holten sie Patrouille». Die Ver letzungen sind zahlenmäßig noch nicht fcstgestellt, doch dürsten es über 50 sein. Die Stadt ist auf das tiefste erregt und viele üiuder liege» zitternd und bebend krank danieder. Die irischen Unruhen London, 2. Juli. Tee erste Ablckwit' der Schlackst von Dublin i't ciwa gegen Ende des gestritten Nachmittag« zu Ende aeganaen lnrck, die bedniginieslole Kapitulation der aufständischen Garnison iin Justi-paäst. Um 3 Ubr wurde die weiße Fadne ansccroqcn aus tcn Nttincn, die von dem Gebäude noch slchcn. Um 4.10 Uhr kapi- iulicro n die Aufständisch,n nach Disl» stauen zwilchen Parlamentären. Uni 4,80 Ilbr wird diele Nachricht beitätiat und hinzuacfiiat. daß der General O'Connor, sowie einicc republikanische Abgeordncte aus dem iriichcn Parlament »nd die Mehrzahl der Mitalicder des Exekutiv komitees der Rcbellenarmee zu Gefangenen gemacht sind, und daß die Geiseln, die die Rebellen von der reguläre» Armee gefangen hielten, befreit wurden. Er begann nun der zweite Abschnitt der Schlecht von Dublin, nämlich die Angriffe auf die verschieden'» Häuser, in denen sich die Aufnändischen verschanzt hatten. Es gibt deren 20 an verschiedenen Stellen der Stadt. Die Häuser sind während der lebten Nacht dnrch eine giobere Anzahl Rebellen, denen es gelang, au« dem Justizpalast zu enllommen, verstärkt worden. In Londoner politischen Nreisen hofft man, daß mit der Kapitulation des Jesti,Palastes und ber Gcfanoeiinahme der Hanptfiihrer »»»mehr der Widerstand der Republikaner gebrochen ist und daß die Olduung in der Hauptstadt Dublin wieder hergestellt sein wird. Asquith über den Versailler Vertrag London, 3. Juli. ASqusth sagte i» einer Rede in Paiiley, die Wiitschattslage Europas und der Welt sei im gegenwärtigen Augenblicke schlechter als vor drei Jahren. Man befinde sich noch innerhalb einer nicht abzuinesseiidcn Entfernung von der Stabilität und Kontinuität, ohne die eine gesunde Wirtschaft vollkommen un möglich lei. Der Gruud sei der. daß die Lewe, die für die inter nationalen Beziehungen verantwortlich seien, dem Problem, da» die gelauste Schttltstrage umfaßt, und der Streichung der popicrnen Ver pflichtungen nicht oegeniibertretcn. Man müsse die Phantastezahlen beseitigen, die die Berechnungen derjenigen bcheirschlen, die den V'r» iaillcr Vertrag gemacht hätten. Soweit Großbritannien in Betracht komme, io körne eS sich im eigenen Interesse und im Interesse der Welt leisten, ans solche Zahlen zu verzichten. Die deutschen Ver pflichtungen müßte» innerhalb der Leistungsfähigkeit Deutschland» liegen, ohne Deutschland »nd ohne die Welt ruinieren- Ein Mitschuldiger am Nathenaumorde auf hoher See verhaftet Neuyork» 1. Juli. Deutschland funkte, einen Passagier auf dem Dampfer .Präsident Taft", der des Morde» an Rathenau ver dächtig sei. zu ve,basten. Der Passagier, namen» Max Petersen, wurde verhaftet. Er ist geständig, an dem Plane zur Ermordung RalheanS beteiligt gewesen zu sein, er sei aber anqsteriüllt vor der Ai.Siühiung der Tat entflohen. — Ferner wurde Max Niebuhr ver döstet, der jedoch anscheinend unverdächtig ist. Deutsches Reich Bauernfang der Nechtsparleien Ein eigenartiges Licht auf die Politik der beiden Rechts parteien werfen die Abstimmungen, die am Freitag und Sonn abend bei der Getreidcumlage über die Freilassnngsgrenze vocge- ' nomnien wurden. Während am Freitag die beiden Rechtsparteien, ) Dentschnationale und Deutsche Volkspartei für die Erweiterung der Freilassung auf zwei Hektar der Getreideanbaufläche stimmten, stimmte» sie am Sonnabend, da in ihrem Sinne Gefahr im Verzüge vorhanden war, daß sich eine Mehrheit für die Er weiterung der FreilassringSgrenze ans zwei Hektar ergeben würde, gegen diese Erweiterung. Mit diesen beiden Abstimmungen ist erwiesen, daß nicht sachliche Gründe das Verhalten der beiden Rechtsparteien beeinflußt haben, sondern daß es lediglich taktische Gründe waren, solange sie glaubten, ohne Gefährdung der Um lage stimmen zu könne», stimmten sie, »m nach außen hin den Schein einer Stellungnahme zugirnsten der kleineren »nd mittleren Landwirtschaft bervorzurufen für die Erweitern»». Als e.s aber um« Ganze ging, besannen sie sich eine« besseren und stimmten dagegen. Die kleinere und mittlere Landwirtschaft mag daraus ersehen, wie e» tn Wahrheit um Vertretung ihrer Interessen bei den beiden Rechtsparteien stehen wird. Ingenieur Kanertz — Mitwisser der Ermordung Rathenans Berlin, 8. Juli. Wie die T -U. erfährt, findet die Ueberführung de» In Düffeldorf verhafteten Iageuieur» Kauertz nach Berlin 1« den nächsten Tagen statt. Die bisherigen Nachforschungen haben ergeben, daß Kauertz an der Ermordung Ratbenau« nicht tellgenommen hat, doch besteht der Verdacht, daß «r die Täter begünstigte. Drei gestandene Franenmorde Grobmanns Berlin, 2. Juli. Der Fraurnmörder Grobmann hat am Sonn abend vor Gericht die Tötung von drei Frauen zugegeben, aber die Absicht einer Tötung der Frauen bestitte«. Streik der Schiffsoffiziere in Hamburg Hamburg» ». Juli. Ein vom ReichSarbcitsministerium ein- gesehier ConderschlichtunaSauSschuß hat kürzlich mit Rücksicht auf die nabe bevorstehende Neuregelung der Bezüge die Forderungen der techniichen Schiffsoffiziere zmückgewieien Inzwischen haben die Schiffsoifiziere in Hamburg und Bremen gestern den Streik begonnen. Waffenfunde bei Holzmlnde« Bramifchwetg, 3 Juli. Gestern wurde« in Forst bei Holz» minden Waffen in großen Mengen in einem Versteck gefunden. Die Untersuchung wurde vom StaatSministerlum sofort elngeleitet- Der Kriegsbeschädigten-Prozeß Leipzig, 6. Juli. In der Sitzung am Sonnabend beschloß der Senat, die Aussagen der vor französische» Gerichten kommissarisch ver nommenen Zeugen zur Verlesung zu bringen. Al» Dolmeticher ist der Sachverständige Karl Feßler au» Leipzig geladen. Fast alle Zeugen baden ihre Auslagen unter Eid gemacht. Der Musikdirektor Paul Voung au» Pari», der als Kranker im Lazarett gelegen hatte, bat angegeben, daß der Angeklagte sich nicht um die Kranken gekümmert und den Leuten, die ihm nickt gefielen, die Nahrung entzogen habe. Auch habe der Angcklagte Schokolade und Biskuit g«g fien, die ari den LiebeSaaben der französischen Zivilbevölkerung stammte». — Der Zeuge Tischler Seri-S beklagt sich über die ungenügenden Einrichtungen de» Lazarett». Während der fünf Tage, die er in Essry war, habe er den Angeklagten nicht zu Gesicht bekommen. Der Arzt Dr. LukaS hat AkuranSporte aus Trelon im Oktober 1918 übernommen und war entsetzt über den schlech.en Zustand der Krank.» infolae mangelbafler Pflege und Unterernährung. Unterwegs seien viele gestorben- Der Angck'igte bezeichnet- diese Bekundungen al» äußerst entlastend. Ihm selbst lei bei allen Ablrailspottcn nur ein einziger Patient, ein Italiener, gestorben. Di- geschilderten Zustände seien nach seiner Zeit gewesen. — Neber die Zustände in Essry und Trelon macht die Schwester Le Hcnaß, die unter Dr- Plchart, arbeitete, und die Reinemachefrau Frau Coux Aussagen, die im allgemeinen mit den deutschen Aussagen übercinstunmcn. Die wichtigste Aussage ist die des Arzte» Dr. Pichard, der aus führlich über die Zustände in Cffry auSiagt. Er habe den Eindruck gehabt, daß er e» mir einem Ratenden zu tun habe. Der Angeklagte lei hinter den Dorsmädchen hcrgcwesen, sogar hinter einem 14jährigen Märchen, brssen Mutier er durch Drohungen zu bewegen suchte, sie ihm für Arbeiten im Lazarett zur Verfügung zu stellen, denn er habe sich ein eigene» Bordell angelegt. Dre erste Lehrerin Marcclle war offiziell die Maitresse de» Angellagten. Die anderen Mädchen waren lür das Personal z» seinem Privatvergnügen, und ließen ihm keine Zeit für seine ärztliche Pflicht. Seine Arbeit war geradezu gleich Null. Wenn er lam, so war es für eine Minute. Trotzdem erst vor kurzen, eine Parteiveraiistaltung für Dresden durch der, Vortrag des Herrn ReichstagSabg. Schwarz- Frankfurt eine zahlreiche Zuhörerschaft herangezogcn halte, konnte der Vorsitzende der Zentrumsversammlung am vergange nen Sonnabend, Herr LandtagSabg. Hetzlein wiederum ein voll besetztes Haus, das diesmal im Palmeugarten tagte, begrüßen; er schloß in diese Begrüßung ein den Hauptredner des Abends, Herrn ReichstagSabg. Hermann Hofmanu, Ludwigs- Imsen. sowie die Vertreter anderer Parteien, insbesondere den Vertreter der Ortsgruppe Dresden der Demokratischen Partei, Ministerialdirektor Tr. Dehne. Zugegen waren auch Vertreter und Anhänger der Deutschnationalen Volkspartei. Der Vor sitzende stellte unter Schilderung der jüngstverflossenen Ereignisse lest, daß eine Mördcrze»tralc besteht, die, wie die feige Ermordung Erzbcrgers und Nathenaus zeigt, bewußt den Männern an der Spitze der Regierung nach dem Leben trachten. Zur Ehrung des Andenkens an Reichsaußenminister Dr. Rathenau erhebt sich die Versammlung von den Plätzen. Sodann erhält das Wort zu einer fast zweistündigen Rede ReichstagSabg. Hofmanu - Ludwigshafen: An die deutschen Brüder und deutsche» Schwestern ohne Unterschied der politische» Gesinnung und des Glaubensbekennt nisses sich wendend, appelliert Redner au alle anständig denken den, charaktervollen Deutschen, Deutschland aus dieser vergiftet uiihalttarerr Lage befreien zu helfen. Die Vernunft muß siegen über den herrschenden Wahnsinn. Die unselige Eigenschaft der Deutschen, in gefahrvollen Zeiten des Vaterlandes auseinander- znstreben, statt zusammenzuhalten. habe schon vor 100 Jahren der große Sohn des Nhcinlandcs, Josef von Görres, aufgezeigt. Deutschland sinke, wenn es die Methode des politischen Meuchel mordes berbehalte, ans das Niveau der Südarnerikastaaten herab, in denen Dolch, Gift oder Revolver ihre besondere Rolle spielten. Die volksvcrgifteude Tätigkeit einer gewissen Presse habe den seelischen Nährboden vorbereitet, auf dem die abscheuliche Tat gegen Rathenau gedeihen konnte. Redner schildert die Eindrücke, die sich bei der Kunde von Nathenaus Tode im Reichstage zeigten, sodann die spätere Toten feier um den Erschlagenen, der ein edler, treudeutsch gesinnter Mann, ein für seine Mutter liebevoll besorgter Sohn, ein Mensch von seltener Tatkraft, ausgcbreitctem Wissen, ein hervorragender Organisator und Staatsmann und erfolgreicher Diplomat ge wesen, der besonders Mt die Psyche der Ausländer kannte. Bei Besprechung der Auflegung einer Anleihe in England erklärte Llolch George dem deutschen Außenminister: Wenn ich das Geld aus England hevcnrsholen wollte, müßte ich dem letzten Engländer die Tasche nmkehrcu, woraus Ralhcuan sofort erwidert habe: Also können diese Neparationsgeldcr auch nicht von einem aus gepreßten Volke wie Deutschland heranSgczogcn werden. Bei der Erwähnung, daß die Mutter Nathenaus nach der Ermordung ihres Solnw» Schmähbriefe erhalten habe von menschlichen Bestien, bricht die Versammlung in stürmische Entrüstuugkrusc aus. Redner weist besonders darauf hin, daß man von Rathenau nie ein verletzendes Wort, mich nicht gegenüber dem schärfsten po litischen Gegner gehört habe. Selbst der erbitterst«: Gegner im Auslände, also Frankreich, Halm die vaterländische Gesinnung Nathenaus anerkannt, sagten doch französische Journalisten: wenn er versucht hat, uns zu mißbrairchen, geschah e», weil er Deutschland wieder hochbringcn wollte. Rathenau sei ein Vorbild für jeden Deutschen, er, der ei» ehrlich und ideal Gesinnter, tat kräftiger Sohn des deutschen Volkes gewesen ist. (Lebhaftes Bravo!) Sein Tod reißt eine gewaltige Lücke, niemandem nützt dieser Tod, nur verblendete, unreife, wirre Köpfe konnten dies wähnen. Wer Nmren die Mörder? Feiglinge, die sich nach der Tat, wenn sie diese in ihrem Irrwahn für eine gute hielten, nicht stellten. Wer waren die Mitschuldigen? Hier sei bei Beantwor tung dieser Frage größte Vorsicht geboten, der Richter habe zu sprechen. Die Idee, der demokratische Gedanke, der in Rathenau. gelrofseu werden sollte, stirbt nicht. Redner verurteilt die ge wissenlose Hebe aewüscr Oraaue. die aus der Notlaoe des deut- Unser tägliches Brot ^Nachdem der Reichstag am 1. Juli die G«. rreideumlage beschlossen hat, sind folgende Aus« führungen sicherlich besonders beachlenSwer:: Der deutsche Reichstag hat am 1. Juli das Gesetz über die Getreideumlage mit 217 gegen 137 Stimmen angenommen. Da mit ist etwas geschehen, was zur Verbilligung des Brotgetreides, damit des Preises für Brot, dienen kann. Die durch dieses Ge setz erfolgende Preispolitik ist — darüber wollen wir keinen Zweifel auskommen lassen — allerdings nicht besonders ideal. Gerade jene Parteien, die mit der Landwirtschaft enger ver bunden sind, sehen in dem Gesetz nur eine äußerst dürftige, um nicht zu sagen: ungenügende Form der Befriedigung jener An sprüche, di« gerechterweise gestellt werden können. Ter Preis für ein Gut soll nach alten volkswirtschaftlichen Grundsätzen eben nicht nur den Gestehungspreis darstellen; er soll darüber hinaus den Anreiz zu weiterer Arbeit enthalten. Ob dieses Gesetz über die Getreideumlage diesem wissenschaftlichen Erfordernis entspricht, ist eine andere Frage. Der endlich entschiedene Streit sichert, das wollen wir aus der anderen Seite ebenfalls zugestehen, die Broternährung im kommenden Erntejahr. Der Streit war heiß. Er wurde zur innerpolitischen Haupt- und Staatsaktion. Ja, es bestand sogar die Gefahr, daß seinetwegen der Reichstag nach Hanse geschickt werden würde. Da fielen die Schüsse gegen Rathenau! lieber Nacht ist die Angelegenheit in ein anderes Stadium getreten, weil ein weit wichtigeres Gesetz die Gemüter bewegte, ein Gesetz, zu dem man sich nur eindeutig stellen kann, wenn eS feststeht, daß dadurch der Schuh der Staatsform erwirkt werden soll. Unter solchem Zwange mußten unter Umständen auch wichtige Beden ken zurückgestellt werden. Es kann in diesem Zusammenhang auch einmal über die Auffassungen gesprochen werden, die in Kreisen der Zentrums partei bestanden. Es ist bekannt, daß die Partei, deren Aufgabe eS nun einmal ist. auszugleichen zwischen den verschiedenartigsten Interessen, bereit war, ein Mittelweg Vorzuschlägen zwischen den reinen Erzeugerinteressen, die vor allem in der Deutschnationalen Volkspartei vertreten werden, und den reinen Berbraucherinter- essen, als deren Sprecher die Sozialisten auf dem Plane erschienen waren. Diese Vernnttlnngsaktion konnte nicht so durchgeführt werden, wie sie geplant war. Wir wollen aber unterstreichen und hervorheben, daß dieser Wille bestanden hat, daß er allen Betei ligten bekannt war und daß er erheblich hätte dazu beitragen können, die Gegensätze zu mildern. . Es kam nicht dazu. Unser tägliches Brot ist heute von einer ganz anderen Be deutung als zu jener Zeit, wo wir es mit gewisser Sorglosigkeit erwarben. Es ist heute zum Ausgangspunkt der gesamten Er- nährungspolitik emporgestiegen. Das Brot wird immer mehr der Schlüffe! unserer Lebenshaltung. Es wird der innerhalb der Grenzen anzulegende Wertschlüssel. Denn alle Preise werden sich einrichten nach den Preisen, die für dieses GrundernähruugS- mittel gefordert werden. Ist es da nicht begreiflich, wenn nian auf den Gedanken kommt, die gesamte Preisbildung im Inland nach dem Brotpreis einzurichten? Wir kommen in den Monat, der für das Ausreisen des Brotgetreides die größte Bedcuiung hat. Möge in ihm der Him mel uns und unserem Volke gnädig sein, daß das in voller Schönheit und Fülle reife, was uns in den kommenden zwölf Monaten unser tägliches Brot geben soll! sehen Volkes noch Kapital schlagen und die Volksmassen gegen die Negierung einnehmen wollen, obwohl jene Männer im Augenblick höchster vaterländischer Gefahr in die Bresche sprangen und jene Männer, die eigentlich nach Eouuuegne gehen muhten, sicb zurück hielten. Die nächsten Ausführungen des Redners behandeln ein gehend die Aufgaben, die dem deutschen Volke und seinen parla mentarischen Vertretern bei der Neuordnung der Dinge ^Ver fassung von Weimar) oblagen. In Weimar habe es sich nicht darum gehandelt um Monarchie oder Demokratie, sondern uni die Frage: Bolschewismus oder Demokratie. Des weiteren wurden bis in Einzelheiten hinein die aufopferungsvolle Tätig keit der die Verantwortung tragenden Zentrumspartei und ihre Stellung innerhalb der Koalition behandelt, sodann den Leidens weg den die rheinische Bevölkerung, wie auch die oberschlcsische im Angesicht fremder Besatzung zurücklegen muß. Er ermahnt eindringlich an Einigkeit, das Leipziger Vülkerschtachtdenkmal, der „Hermann" auf dem Teutoburgerwald, das Niederwalddenkmal rufen den Deutschen den Mahnruf zur Einigkeit zu. Nachdem dem Redner, dem die Versammlung stürmischen Beifall zollte, der Dank vom Vorsitzenden ausgesprochen war, erhielt Ministerialrat Dr. Dehne, der Vorsitzende der Ortsgruppe der Deutschen demokratischen Partei, daö Wort und gab seinerseits den Ausführungen des Abg. Hofmann seine vollste Zustimmung zu erkennen. Rathenau sei ermordet worden, wett er Jude und der Exponent der Wirthschen Erfüllungspolitik und Anhänger der deutschen Republik war. Interesse an seinem Tode konnten nur die Kreise haben, die zu diesen drei Eigen schaften in Todfeindschaft stehen. Der Vertreter der Demokra tischen Partei hob hervor, daß für die unchriftliche Betätigung des Antisemitismus im Zentrum niemals der Boden gewesen ist Rathenau hat gewußt, daß die Pläne des Reichskanzlers getragen sind von der heißen Liebe zu seinem Volke. (Lebhafter Beifall.) Redner erwähnt den Rapallovertrag, dessen unvermutete Erledi gung Lloyd George genötigt habe, dieser Diplomatenarbeit seine Anerkennung zu zollen, indem er resigniert erklärt habe: Dieser Zwischenfall sei erledigt. ES gelte sich ans den Boden der Tat sachen zu stellen, den der Republik geleisteten Treueid zn halten. Die Dentschnationale Partei hätte wenigstens nach der Ermor dung ErzbevgerS den ernstlichen Versu> machen müssen, sich von jenen Elementen zu säubern, die auf ihre Fahne die Gewalt geschrieben hätten. Daß dieser Trennungsstrich nicht gezogen wurde, bedeute eine schwere Schuld. Das Gelöbnis, in diesen schweren Tagen, die nicht eine weitere Arbeitsruhe, die nicht im Sinne Nathenaus liege, herbeiführen sollten, fest zusammenzn- stehen zum Schutze der Republik, schloß diese Ausführungen. ES wurde sodann folgende Entschließung verlesen und gegen sechs Stimmen der anwesenden Dcntschnationalen angenommen; Entschließung Die am 1. In» versammelten Zenirumsanhänger und »anhSngerinnen von Dresden geben ihrer tiefen Entrüstung Ausdruck über den politischen Meuchelmord an Reichs« minister Dr. Rathenau, in dem sie einen hervorragenden Staatsmann beklagen. Sie erklären fest «nd treu zur Ber» fafsung de« Deutschen Reiche« zu stehen und sprechen de« Reichsregierung, dem Reichskanzler Dr. Wtrth sowohl, al« auch der Retchstagsfraktio« der Deutschen Zentrumspartei und ihrem Borfitzenden Seuatvpräfideuten Marx, da» vollste Vertrauen au». Der Hauptgeschäftöführer der Deutschnationalen Volkspartei, Dr. Kürbs-Dresden verwahrte sich gegen den in der Oeffentlich- keit so oft gehörten Vorwurf, daß seine Partei die Mörder in ihren Reihen gehabt habe und daß Helfserich durch seine Reden, namentlich durch di« letzte, den Mordplan habe reifen lassen. Alt Vergleich, der freilich nicht nur hinkte, sondern vollständig lahm war. zog Dr. KurbS da« Attentat Kullmanns auf Bismarck beran.