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Freitag, den 7. Ma»z 1624 Nr. 57, Leite >l An die deutschen Katholiken Von suhlender lakholischer Leite wird uns geschrieben: ^ Der General Lndendorff, dem auch die ganze katho lische Bevölkerung des Reiches inmitten des großen Ringen« gegen den äußeren 'Feind Gut und Blut überreichlich zur Verfügung stellte, um den Existenzkampf der deutschen Nation ehrenvoll zu bejtei-e». hat eS sür gut besunden. in einer sorgsam vorbereiteten Rede vor dem Münchner Gericht ungeheuerliche Anschuldigungen ge-;en das katholische deutsche Volk und gegen Papst und Vati kan zu schleiidern. Er machte sich zum Werkzeug jener Kräfte, die in Heilen, die »ic wieder kommen dürfen, die Katholiken als Ltaatsbürger 2. Klasse behandelten und die sich »ach dem Tage sehnen, an dem sie wieder ihre geistige und politische Tyrannei über den katholische» VoliSteil aufrichten tünnen. Tie Vorwürse, die General Ludendorsf in München gegen die deutschen Katholiken richtete, dürfen nicht unwider sprochen bleiben. Darum fordern wir die Katholiken auf, aus ihrer Reserve herauszutreten. Veranstaltet Versammlungen und Besprechungen, um die unerhörten Angriffe, die man gegen den deutschen kaiholjschcn Volksteil erhebt, als seien sie nicht national zuverlässig, abzuwehren. In Berlin hat bereits am Sonnlag eine große Vcrsammlnng des Volksvereins im Reichstage ftaitgefundcn. in der der Reichskanzler Marx und der ReichS- arbcitSminister Brauns zu den Lu-dendorffschen Ausführungen Stellung genommen haben. Solche Versammlungen müssen im anzen Lande abgehalten werden, um die Verleumdungen, auf die estimmte Elemente nur wie auf ein Signal warteten, mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen. Wir müssen General Ludendorff nachdrücklichst darauf auf merksam machen, daß eL der Papst selber ist, den er heute schmäht, dem er seine persönliche Freiheit verdankt. Weiß General Ludendorsf nicht mehr, daß Papst Benedikt XV. eS war, der gegen die Forderung der Entente auf Auslieferung des Kaisers, des Kronprinzen mrd verschiedener Generäle, darunter auch Lnden- dorsf selber, E.nspouch erhob, daß er sich bei den a.lliierten Mäch ten um die Durchsetzung dieses Einspruchs bemühte, daß er Italien dafür gewann und daß auf Bemühen Italiens dann auch andere Mächte sich dagegen auSsprachenk »nd Ludendorsf sollte auf die freilich geradezu erschreckende Vergeßlichkeit der Deutschen doch nicht allzu sehr spekulieren, wenn cr dem Papst vorwirst, er habe im Kriege und nach dem Kriege keine deutschfreundliche, sondern eine deutschfeindliche Stellung eingenommen. Weiß Ludendorff nichts von den viel fache» Anstrengung;» des Papstes, das Los der deutschen Bevölke rung zu mildern? Weiß er nichts von den heftigen Einsprüchen, die der Papst gegen die Vergewaltigung Deutschlands richtete und sich dabei den stärksten Angriffen von anderer Seite auösetzte? Will Ludendorsf es nicht ivahr habe», wie der Papst aus seinen persönlichen Mitteln die deutschen hungernden Kinder und die deutschen hungernden Studenten unterstützte, freilich dieselben, die ietzt in München als die schlimmsten Hetzer sich Hervortalen? Soll man Ludendorsf daran erinnern, daß Kardinal Faul- Haber selbst es ausgesprochen bat, daß er in der schlimmsten Nätezcit bei weitem nicht so schlecht behandelt worden ist, wie nach dem mißglückten Novemberputsch? WaS erst wäre diesem Kirchenfürsten und was wäre bei dieser Gesinnung, wie sie jetzt Ludendorsf an de» Tag legt, wohl dem ganzen katholischen Volk-S teil widerfahren, wenn „ihre Ideen" gesiegt hätten. Und soll man Ludendorsf schließlich daran erinnern, wie sich der Papst für die Freilassung gsfaiigengesehter Nnhrkämpfer bemühte und wie er in vielen Fällen de» Erlaß der Todesstrafe für solche Männer an Rhein und Ruhr erwirkt hat? Muß man ihm weiter ins Gedächtnis rufen, daß eS die Generalspolitik gewesen ist, die seinerzeit die päpstliche FriedenS- attion verhinderte! Das deutsche Volk in allen seinen Teilen hwürde heute dem Himmel auf den Knien danken, wenn es den jenigen Friede» bekommen hätte, den seinerzeit der Papst Vor schlag. Aber diese Anregung des PaosteS ist garnicht ernsthaft von >l»S behandelt worden. In einem Aktenstück hat der damalige Reichskanzler Michaelis am 22. August 1617 gegenüber dem päpstlichen Friedensangebot bemerkt, daß daS Odium eines etwaige» Scheiterns aus unsere Gegner nbgewälzt und sie damit ins Unrecht gesetzt werden müßten! „Ich beabsichtige daher", so fährt die Nandbemerkung deS Kanzlers Michaelis fort, „die Aicgelegenheit ziemlich dilatorisch zu behandeln." Man hat also eine Erfüllung dieser Aktion garnicht gewollt. Man brüskierte den Papst, und die Anweisungen zu einem solchen Vorgehen kamen aus dem Lndendorffschen Hauptquartier. Und dieser Mann War cs, — hat denn das das deutsche Volk wirklich schon vergessen! --- der innerhalb 24 Stunden den Abschluß des Waffen stillstands und den Frieden forderte, da er di« Front nicht mehr halten könne, lind dieser selbe Mann hat durch seine Politik im Osten — man denke nur an die sinnlose Proklamation deS polni schen selbständigen Reiches und an den Frieden von Brest-LitowSk — in der Tat den Verlust Oberschlesiens verschuldet, und deutschen Katholiken und deutschen ZentciimSleute» ist es zu verdanken, daß nicht auch noch der Rest Oberschlesiens verloren ging. Die deutschen Katholiken können sich diese Schmähungen und Verdächtigungen eines ehemaligen Generals nicht wider spruchslos gesallen lassen. Diejenigen Zeiten sind vorbei, in welchem man de» Katholiken zumuten konnte, sich als »Ultramon- tane" im Sinne von „RcichSseinden" behandeln zu lassen. Das muß auch Ludendorsf. dem General,, begreiflich gemacht Werse», der immer wieder versucht, als Politiker eine Rolle zu spielen. Daß er das überhaupt jemals getan hat, ist dem deutschen Volke schon unheilvoll genug geworden. Katholiken, setzt euch zur Wehr gegen die Verdächtigungen eurer Gesinnung und eurer vaterländische» Arbeit für das Volts ganze I Ihr habt ei» heiliges Anrecht darauf, denn unsere Glau- bcnSbrüder in de» besetzten, in den abgetrennten uird in aoderen Gebiete» sind eS. die in bedeutendem Maße die Last dieses ver lorenen Krieges zu ertrage» haben und die heute um ihr Deutsch tum Märtyrer geworden sind. Wir alle fühlen uns solidarisch mit einander, und wir lehnen es ab, zum Dank sür unser Wirken und Schaffe», Unrecht und Beleidigungen auf u»S zu nehme». Wohin gehören die DenWnölkislhen? Ans parlamentarischen Kreisen wird »ns geschrieben: Der Wahlerfolg der Deinschvöltischen in Mecklenburg hat diese bisher als Splittergruppe der Dcutschnationalcn vielfach betrachteten Elemente nunmehr zu einer geschlossene» Partei gemacht. Die Denlschvölkischeu sind natürlich durch das Ergebnis i» Mecklenburg außerordentlich ermutigt, und sic erwarten auch von den kommenden ReichstagSwaylen eine derartige Verstärkung chrer Vertreter im Reichstag, daß sie dort mit den andcre» Par teien konkurrieren können. Sic bedürfen dazu mindestens 16 Mit glieder. den» eine solche Zahl würde ihnen die Fraktionöbildung und die Teilnahme an den Ausschüssen crmüglicbeii und jede sonstige geschäftsmäßige Führung emräumen. Nun ist es aber eine nicht ganz leichte Frage, wohin die Dentschvölkischen Im Parlament eigentlich gehören. Man erinnere sich, daß eS schon bei der Platzarrangierung der drei Abgeordneten Gracfe, Wnlle und Henning ,n> Reichstag zu lebhaften Auseinan dersetzungen kam. Die Dcutsch»ationalen habe» es abgelehnt, diel« drei Vertreter, die aus ihren Reiben abgespcngt waren, in ihren Bänken sitzen zu lassen. Man hat ihnen dann die drei letzten Sitze in den Zentrumsbänken angewiesen, aber auch daö Zcntrnm erhob dagegen Einspruch, »in so mehr, als die Dentsch- völlischen Vertreter sich in einer Weise betätigten, die immer wieder zu Konflikten mit den anderen Parteien Anlaß gab. " ES ist iiiii, bemerkenswert, daß die Deutschvölkischen selber nicht den geringsten Werl darauf legen, etwa als noch weiter rechts stehend als die Deutschnalionalen angesehen zu werden. Ja, sie lehne» da? sogar rundweg ab. Sie verweisen darauf, daß in -hrer Gruppe die wirischaftüchen und soziale» Gesichtspunkte vorwiegen, daß sie die früheren Vertreter der Wirtschaftsparte!, die bekannt lich ganz ausschließlich antiseiniiisch gerichtet waren, in ihre Reihen ausgenommen bälten. daß auch die sogenannten „deulscli-sozialcn" Elemente von ihrer Richtung ersaßt würden und dergleictp'ii mebr. Danach würden die Dentschvölkischen nicht ans der rechten Seite des HanseS, sondern zwischen den Demokraten »nd den Sozial demokraten Platz zu nehmen haben. Tatsächlich ist auch ei» der artiger Wunsch von den Deutschvöltische» in Thüringen geäußert worden. Tie Dentschvölkischen würden sich demnach im Sinne des Hitler-Programms, des „National-Sozialismns" betätigen wollen, der zwar den Marxismus ablehnt, aber doch gerade in den arbei tenden Schichten seine stärkste Werbelrast entfalten will. Mit einer solche» Partcibildnng tritt in Deutschland ein politisches Element i» die Erscheinung, das wir in anderen Ländern schon seit längerer Zeit beobachten. Freilich ist zwischen den radikalen Sozialisten in Frankreich, die ein ähnliches Programm vertreten und die auch in derselben Weise, also zwischen der äußeren Linken n»d den sogenannte» Sozialisten rangieren, und den italienisch,',, Fasziste», ans deren Gedankengänge die deutsche» Volk! s ch e n sich berufen, doch »och ein wesent licher Unterschied. Die srainösischen Radikal-Sozialisten sind keine Antisemiten, anch die italienische» Aasnslen im großen und ganze» nicht. Aber alle haben mit den Dentschvölkischen eine Art Kommunismus gcmeinstiin und eS ist außerordentlich interessant zu beobachten, wie Schritt sür Schritt daS aeradezn wirtschaftlich-bolschewistische Programm der bayrischen Nalionat- Sozialisten von den Völkischen übernommen worden ist. Und jetzt konnte ma» bei den Mecklenburger Wahlen bereits erleben, daß voit deu-tschnationaler Seile, die dem Großarnndbesit; nabesteht, mit sehr großer Sorge davon gesprochen worden ist, daß die Dcntschvöltiscben in landwirticktaftlichen Dingen förmlich agrar» b o k s ck, e w i st i s ch e Anfsassiiilgen vertreten. Man wird min mit aroßem Interesse der Betätigung dieser neuen Partei in der Praxis cntgegenblickcn dürfen. Die Denisch- völkischcn werden ck. wie alle anderen Parteien, die glaubten, durch Radikalismus die Welt wenden zu können, erleben, daß reale Tatsache» immer noch härter und zwingender sind als die schönste» StimmaliigSmoinente. Tenn das ist sicher, daß mit fortschreitender' politischer und wirtschaftlicher Beruhigung auch eine Konsolidie rung der Stimmung, die heute vielfach noch in Extremen ihr Heil sucht, vor sich geht, und dann wird auch die denlschvölkische Be- wegung entweder in Las Ganze sich einrai,giere» müssen oder als, einflußlose Opposition beiseite stehen. Aus aller Wett -f Berlin—London i» l-s Stunden. Ter Flieger Robinson hat in seinem 84 Personen lassenden Napicr-Flugzeug einen neuen Flugzeitrclord ausgestellt. Unter den ungünstigsten Witterungs- verlchltiiissen hat er die Strecke Berlin—-London, zu der man mit der Bahn und dem Schiss 20 Stunden braucht, in 4>z Slnnden zurückgelegt. f- Ein Wirtschastsavkomme» zwischen Teutjchlanb n„d Siam. Zwischen Deutschland und Siam ist ein vorläufiges Wirlschasls- abkoiumen uuterzeichuct worden. Durch Las Abkomme» werLen die noch bislang von Siam ausgeschlossenen dcutjchen Reichsange- hörigen dort wieder zugelasscn, auch erhalten sie Niederlassungs recht sowie Handels- und Gew.rbesreiheit Deutschland mußt-: ini Vertrag von Versailles ans seine Exlerriiorialrecyte verzichten, die NeichSangehörigen in Siam werden daher den ordentlichen siamesischen Gerichten unterworfen sein. f Neue Eisschwirrigkeiten aus der Unterclbe. Aus Ham burg wird gemeldet: Der andauernde Schnecsall hat dazu bci- getragen, daß sich die Eisverhältnijse aus der Elbe sür die Schiff fahrt bedeutend verschlechtert haben. Große Eismajsen treiben ans der Unterelbe und verursachen der Schiffahrt große Schwie. rigteiten. Di- großen Eisbrecher sind dauernd tätig, doch mußten die Arbeiten des plötzlich eiiigetretcne» Nebels wegen eingestellt werden. Im Hafen hat sich das Eis ebenfalls stark vermehrt. ch Zwei Flüge um die Welt. Im Frühjahr 1624 werden zwei Expeditionen versuchen, die Welt im Flugzeug zu umsegeln. Tie erste wird am 16. März Alaska in westlicher Richtung ver lassen, die zweite englische Expedition wird ihren Flug einen Monat später in östlicher Richtung nntreten. f Ein Dresdner als Preisträger i» einer japanische» Plakat» tonknrrcnz. Eine lapanische Gesellschaft, die Lacio-Compaiiy in Tokio, hatte vor einem Jahre deutsche Künstler zu einem Wett bewerb zwecks Erlangung eines Reklameplakats sür ein von ihr hergestellles alkoholfreies Getränk ausqesorderl. Diesem Preisausschreiben haben über 600 deutsche Künstler entsprochen und den Wettbewerb »nt 1278 Pla!»tentwürfen beschickt. Die ckuS acht Mitgliedern bestehende Jury hat folgende Künstler preisge krönt: l. Erster Preis <600 Dollar): Arno I a e l, » e, Dres den; 2. Zweiter Preis <160 Dollar): Max Bittors, Graphiker, Frankfurt a. M.; 8 Dritter Preis <l00 Dollar): Otto Dnen- keldbuehler, München. Tie nicht preisaelrönten Entwürfe sollen in den Monaren Februar viS März in Tokio und Osaka össentlich zum Verlaus gestellt werden. Etwaige Verkaufserlöse erbaltcn die Künstler. ch Eine politische indische Hochzeit. In Liesen Tagen findet in Indien eine hochpolitische Hochzeit statt. Tort heiratet der 16jährige Maharadscha von Jaipnr eine 80jährige Prinzessin eines Nachbarstaates, die Tante des regierenoen Maharadscha von Jodb- pnr. Da der Maharadscha noch nicht volljährig ist, könnte es pas sieren, daß die neue Maharani, seine Gattin, die Regentschaft im Reiche ihres Mannes beansprucht, die sic in seinem Hause eben falls ohne weiteres führen wird. s Wohltatigkeitskoiizert für deutsche Musiker i» Wie». Zu gunsten der notleidenden Musiker Deutschlands veranstaltete» am Sonntag die Vereinigten Wiener Shmpbonie-Orcheitcr. das BolkS- opernorchester »nd die Philharmoniker ein großes Konzert, in dem Richard Strauß, Franz Schalk und Proiessor ElemenS K r a n s dirigierten. ch DaS Schicksal eines deutschen gescheiterten SchisfeS. lieber daS Schicksal de-? in den siziüniiischen Gewässern g e s ch eiterten deutschen Schiffes „Emilie" werden jetzt »äbere Einzel heiten bekannt. Der bei der Fahrt nms Leben gekommene Deutsche Richard Schulz, halte in Palermo für dreitausend Lire eilten kleinen Segler gekauft und den tollkühnen Plan gesaß, damit nach Griechenland zu segeln. Sei» einziger Begleiter war der deni'ckre Maler Heinrich Sckstessing. Als das kleine Schiss in der Näbe von Trabia war, kam ein heftiger Sturm an». Statt besseres Wetter abziiwarlcn, warb Schn,.; zwei sjii'ianische S-'elente an und setzte die abenteuerliche Fahrt fort, ilnweit der Küste brach der Maftbanm und erschlug den Kapitän. Die Leiche wurde über Bord gerissen, »nd das Scbiss schlug uni. Mit gennner Not konnten sich die drei Insassen retten. ch Richard Straus) hat vom österreichisthen Unlerrickusminister den Titel eines Generalinusikdirektors sür Oesterreich erhallen. ch Eine unbekannte Operette OsfcnbachS aufgesniiden. Im Nachlaß Rudolf Geneek- bat inan in Wie» die Partitur einer in Deutschland bislang nnbe^anni'-n Ovrrette Offenbachs, die bisher »nr in Paris zur Aufführung gelangt war, aufaefnndcn. '>- Dvd eines deutsche» Erfinders. Generalmoior a. D. Hans Groß ist in Berlin im Aller von 0! Jahren gestorben. Groß Die Philosophie des hl. Thomas von Aquin Zum SS0. Todestage Bor 6 50 Jahren, am 7. März 1274, starb im Zister zienserkloster Fossannova der Fürst der Scholastik, der heilige Thomas von Aquin. Vor kurzem erst horchte die mo derne Wissenschaft auf, als man den 700. Geburtstag dieses größten Gelehrten deö christlichen Mittelalters, wenn nicht aller Zeiten beging. Sein Werk lebt ungeschmälert fort und erscheint gegenüber den „Fortschritten" der moderne» Wissenschaft nur noch in einem glänzendere» Lichte. Jüngst hat der Würzburger Gekehrte, Univ.-Prof. Dr. Hans Meyer, in Luzern einen bemerkenswerten Vortrag über die Philosophie des hei ligen Thomas von Aquin gehalten, den „Das Neue Reich" in seiner neuesten Nummer wiedergibt. Wir glaube», dem heu tigen Gedenktag zu entsprechen, wenn wir diesen inhaltsreichen Vortrag nachstehend auch unseren Lesern darbieten. Bor nicht allzu langer Zeit pflegte man die Achse ln zu zucken, wenn inan von scholastischer Philosophie sprach. Jetzt sind wir darüber hinaus. Durch die gelehrte Forschung ist oje Scholastik als ein wissenschaftliches Gebäude von eminentester Bedeutung erstanden. Tie mittelalterliche Weltanschauung kann sich mit jeder anderen vollauf messen. „Niemals," sagt ein «katholischer Forscher, „ist mehr gedacht worden, als im Mittel- alter, »nd die Moderne kann sich nicht im entferntesten mit ihm messen, was Tiefe und Umfang oec Problemstellung betrifft." Noch sind wir über oas gesamte mittelalterliche Geistesleben nicht völlig orientiert. DaS ungedruckte Material ist zum min desten so grost wie das gedruckte. Die Arbeiten von Männern wie Tenisle, Ehrte, v. Hertling, Bäuiuker, Grnbmann usw. können nicht hoch genug eingeschäht werden. Die Scholastik ist die Philosophie des christlichen Mittel alters und erstreckt sich über lausend Jahre. Das Leben des ein zelnen wie das ganzer Völker weist analoge Erscheinungen auf. "Das Jugeudallrr ist chrakterisicrk durch die Rezcvtibilität. So hat anch die mittelalterliche Philosophie den von der Antike dargebotcium Stofs ausgenommen und verarbeitet. Sie ist weiter hin gckeiinzcichnct durch ihre Unterordnung unter die Autorität. „Wie Zwerge, die auf den Schultern der Riesen stehen, erscheinen uns die Zeitgenossen gegenüber dem Mittelalter," sagte Bern hard von Chartres. So überwiegt die Tradition au Bedeutung die Arbeit des einzelnen. 'Sie ist enolich Schulphilosophie (Scho lastik). Ihre Heimstätte ist die Domschule, dann oic Hochschule, d ' Ik>-' Fbx ^'ä'.w ist n'-rkl ausschließlich dm >"?>-<>.?, Schnldoklrintn anöbildete. Ter lebendige Hauch pe>sö»lichen Le ben«, wie er noch das Markmal angnstiiiisclien Teilten? war, wurde hier weniger verspürt. DaS Grundproblein bildete.aber anch jetzt das Verhältnis von Wissen und Glauben. TaS Pro gramm des grosten Anselm von Eanierbury lautete: credo, nt jiilelligam, ich g'anbe, um da? Geglaubte nachher philosophisch zu begreifen. Das war das Ziel uer ganzen Scholastik. Den Primat hatte der Glaube. Darum nannte Petrus Damianns die Philosophie die anrilla theoloziae. Eine selbständige Wissen schaft neben der Theologie gab es nicht. Tie scholastische Wissenschaft halte transzendentalen Elnralte . Alles wird betrachtet snb svccle aetcrnitatis, nicht im mystischen, sondern im spekulativen Sinne. Die Metaphysik, die ,chon bei Plato und Aristoteles als Königin der Wissenschaften galt, wird auch hier in den Vordergrund genickt. Eine junge Kultur ist eben sowenig wie ei» Mensch in seinem Jugcndalter stevtisch gerichtet. Dies trifft auch beim Mittelalter zu. Eine starke Ausbildung der BegrifsSkunsl kennzeichnet es, die allerdings znni Teil auch in DegrisfSspielerei ansaricle. Tie empirische Forschung trat nicht i» den Vordergrund -Inch der historische Sinn fehlte. Das Mittelalter baute, wie bereits bemerkt, aus. de. antiten Philosophie aus. Die Frlihscholastik ist vornehmlich vertreten durch den Nenvlatonikcr Joh. SkotnS Erigena, Anselm v. Ü.inter- bury, Abälard nno den hervorragenden Gcschichtsphilosophe» Otto v. Freist,,g. DaS war die Periode des chrtitlichen PlatoiiiSmuS. Ein gewaltiger Umschwung trat ein mit der Hochschola- st i k, als die gesamten Schriften des Aristoteles dem christlichen Abciidlande übermitlelt wnrden. Aristoteles war oaS grösste Universalgenie, das oie abendländische Kulturgeschichte aufz.iwei.en hat und das nur mit Leibniz zu vergleichen ist. Er hat eine Fülle von Wissenschaften ,c>bstä»dig begründet. Nach dem Urteil Kants hat die Logik seither keinen Fortschritt und keinen Rück schritt gemacht. Er Hai weiterhin die Anatomie und die Zoo logie,- die Psychologie, die Metaphysik begründet. Seine Etbik ist anch heute noch eines der bedentendsten Werke auf diesem Gebiete. Ebenso sind seine AnSsnhrungen über die Politik anch jez: noch jedermann znm Stuoinm zu empsehlc». To wurde in dieser Periode Aristoteles immer mehr zur anSschlaggebendeu Autorität unter Zntilckdrängnitg des platonischen EinslnsseS. Die>er Prozeß hat in Thomas von Aquin den Höhepunkt erreicht, wenn auch bei manche» Denkern, wie bei Alexander v. HaleS, noch die platonische Denkrichtnng vorherrschte. In dieser Zeit :ind die großen Summe» (Gesai»tdarstelln»gen) entstanden, welche eine itngeyeure geistige Energie voranssetzeii, die der modrrne Mensch nicht mehr ansbringt, weil ihm üverdies die nötige Kon zentration fehlt. Bon hervorragender Bedeutung Ware» die wissen schaftliche» Arbeiten AlbertS des Großen (ch 1280), vor allem ' ' > ^ H. ' . < ch, , ^ ^ I lrrialS. Die überragende Höhe aber bildet Thomas von Aanin, der die aristotelische Lehre, in der Philosovhie nno in der Theo logie aGgen,'ein zur Geltung gebracht hat. Im Fahre 1226 als Sohn des Grasen Landvit von Aqni» geboren, in Mcmteeaiiino und Neapel ausgebildcl, wollte cr nrivrünglich Benedilliuer werden, trat aber in den Dominikanerorden eia, >n» der Annahme einer hoben Würde a»S de», Wege zu gehen. Später trat er. rer geinaie Schüler AlvertS deS Großen, an den Universitäten zu Köln, Paris, Neapel als gefeierter Lehrer ans. Seine bedeutendsten ichrift- stetlerischen Werke sind die philosophliche »nd theologische S mme. nebsi einer Fülle von Kommentare». Thomas von Aquin hat mit Albert dem Grosten gegen r ' einseitige, rationalistische Dentweüe eines Anselm v. Canlerb i. , Front gemacht und zwischen natürlichen »nd übernatürli -» Wahrheiten nuterschiedeii. Seine Weltanschauung ist eine Syn these von Aristoteles und alnqnstinns. Rein arist'teln'ch ist re- AnSgangspniilt der melaphysitcheil Lve>nlation. Aristoteles strad mit beiden Füße» auf der Erde. Er ist der einzige Deuter des Altert»»,?, der religiösen Motiven keinen Eintritt in sein Sy stem gewährt, wiewohl cr mit Ehrfurcht von der Religion rede e, also nicht irreligiös ist Seine grnnd egenoen Begri>>.- Subst ,».. Akzidenz, Materie und Form, oie vier Acte» der Verursach»»') sind von ThomaS von Aquin übernommen Werren. Besonders wichtig ist seine Unterscheidung zwischen Endlichem und Unend lichen,. Letzteres hat den Grn»o seiner Enste»; i„ sich selber. Hieran? ergibt sich der SchöpfiingSbegriff, den die antile Pbito- sopbie iiichc kannte. Plato kannte nur einen Bildner de? W-sti- stosfes und nach Aristoteles waren sie Welt und die Materie ewig. Bon entscheidender Bedentniiq bei ihm ist jedoch die Fra e, woher d e Bewegung in den Weltprozeß hliieingek.mimen >ci. st ec erste Beweger muß nach, ihm selbst »»bewegt und von der Welt verschick» sein. Nicht aktiv hat er eingegriffe» j„ da? Welt geschehen: Die Welt bewegt sich selbst on dem bewegende», höch ste» Prinzip hin, von innerer Sehnsucht dazu angelrieben. Er ist höchste Aktualität »nd besitzt das Sein im höchsten Sinne. An diesem Punkte sepie Thomas m.t keiner Korrektur ein: Alles kommt nach ihm von Gott her. Alles Endliche bedarf der höchsten Ursache, der Gottheit. Zeine Gottesbeweise gehen von der Er fahrung ans. Die Tiusciche de, -Bewegung fordert eine bewegende Ursache, die ganze U:jachenreilse ein: erste bewirkende Ursache: von der Zufälligkeit der Tinge müssen wir ans ein notwendig existierendes Sein schließen »nd von eer Zwectmiißigleit und der Ordnung in per Natur aus einen oie Welt souverän beherr schenden Geist. Und endlich münen wir vcm den niederen Graden der Vollkommenheiten des Seins zu einem absint vollkvmmenew Wesen gelangen. Der zeitliche Anfang der Welt kam, »ach ihn« »n? ans dem Glauben erwiesen werden. (Fortsetzung folgt.)