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Nummer 284 — 24. Jahrqanq Vmal wöch. Bezugspreis: für Dezbr. 3 — einschst Bestellgeld Anzeigenpreise: Die Igeip. Pelitzetle 8«öj, Stellengesuche 20 L Die Petitreklamezeile. 8g Milli« Meter breit. I -K Offertengebüßren für Selbstabholer LN bei Ueberlenüung -urch Sie Post auherdem Portozuschlag. Einzel-Nr. IN L. Son»tags-Nr. IS Geschäftlicher Teil: IockefFohmann.Dresden. Üeiclenksus Vskl klttmankl 8 0 Slliiinitovl Lsiiloniii.ittlii' Ssmte :"r SMMe tSeschat» stelle, Lruik »nd Verlag i Sarouia- Liichdr^cker-t GmbH.. Dresden-?» 18, Howeinstr-He <8. Fcrm-N 32722. P-s,s»e<No->I» Dresden >17!-7 2Innttv„I>>: Vasfenae L KrinsUie, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Freitag, 11. Dezember 1925 Im Falle höherer Gewalt erlischt lese Berpssichkung auf Lieferung sowie Erfüllung o. Anzeigenauskrüge-, u. Leistung o. Schadenersatz Für unseutl o ). Fern, ruk übermitt Anzeigen übernehmen wir keine Ber« aniwortung. Unverlangt eingelanoie u m. Rückporto nickt versehene Manuskripte wers nick! ausbewahrt. Spreckltunse o Re>aktion 5 bis 6 Uhr nackmirtags. Hauptschriftleit.: Dr. Joseph Albert. Tressen.' «»»Ulk»,» Vtto krlsdsl Lcll-St»to»le»S»^ IM'Il' liülliiiilkiiie oller 8rt Redaktion der Sächsische» Volke,e,tu,ig Dresden-Ailst. 18, Hoibrmstrns-e 18. gcnmn 321 »Nb 8353S. Kompromih über die Grenze in Mesopokamien wahrscheinlich — Kein türkisch- russischer Geheimverlrag Das Münchner Urteil Am 19. Oktober dieses Jahres begann vor dem Münchener Amtsgericht der Prozeß Coßmann-^struber, oder niit anderen Worten der sogen. Dolchstoßprozeß. Professor Coßmann (der Herausgeber der „Süddeutschen Monatshefte") hatte s. Zt. verschiedene Artikel über die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs geschrieben, in denen er von neuem die Dolchstoßlegende propagierte. Gegen diese Aufsätze wandte sich der verantwortliche Schriftleiter der „Münchener Post" Gr über und be- zeichnete die Ausführungen Coßmanns als eine be wußte Fälschung der Geschichte Professor Coßmann erhob darauf gegen Gruber die Beleidigungs klage. Wer den Gang des Prozesses verfolgt hat. war sich von vornherein darüber klar, daß das Münchener Amts gericht die denkbar ungeeignetste Stelle war. um über historisch politische Ereignisse ein Gut achten abzugeben. Nichts destoweniger wurde ein großer Apparat entfaltet und eine gebührende Anzahl „aus- -rlesener" Zeugen geladen. Die Verhandlungen zogen :ch sehr lange hin, und als sie schließlich doch nach einem iollen Monat am 20. November ihren Abschluß anden. bedurfte es wiederum einer Zeitspanne von drei Wochen, innerhalb deren der Münchener Richter endlich die Fassung fand, das Urteil auszusprechen. El hat es gestern getan. Dreitausend Mark Geldstrafe für den Angeklagten Gruber wegen fortgesetzten Ver gehens „teils der Beleidigung, teils der üblen Nachrede". Hinzu kommt die Tragung sämtlicher Gerichts- k o st e n. Es gibt vielleicht Leute, denen die Summe von 3000.— Mark noch nicht allzu hoch erscheint und für die eine wirkliche Strafe eigentlich erst im Gefängnis oder Zuchthaus abgebüßt wird. Wir wollen gleich hervor heben, daß es auf die Höhe der Strafe nicht so sehr ankommt, als vielmehr auf die Gründe, mit denen diese Strafe „gerechtfertigt" wird. Nebenbei aber dür fen wir nicht vergessen, daß die P r o z e h k o st e n. die auch von dem Verurteilten zu tragen sind, nach vorsich tiger Schätzung sich etwa auf 150 000.— Mark belaufen werden. Damit erübrigt sich gewiß die Diskussion über das Maß der Strafe. Eine Bedeutung für die Weltgeschichte hat nun das Münchener Urteil überhaupt nicht. Höch stens in dem Sinne, daß später einmal in den objektiven Geschichtsbüchern verzeichnet stehen wird, in welch un würdiger Art eine Partei die andere vor den Richter schleppte, um zu beweisen, daß Deutschland durch nichts anderes als durch die eigenen Volksgenossen unter gegangen sei. Man wird dann erkennen, wie tief die deutsche Ehre darnieder liegen mußte und wie geistlos gewisse Träger des deutschen Namens in das große bewegte Leben der Zeit hineinsahen. Und daß es auch hier und da Richter gab. die sich zum Werkzeug dieses engbegrenzten Geistes machten. Geschichtliche Wissenschaft — und auf diese kommt es bei der Beurteilung der Schuld am deutschen Zusammenbruch an — wird nie vor den Gerichten betrieben. Die Verhandlungen in München hätten sich zunächst vorauf beschränken müssen, dem Angeklagten die for male Beleidigung gegenüber dem Herausgeber der „Süddeutschen Monatshefte" nachzuweisen. Gruber hat ja bekanntlich scharfe Wendungen gebraucht, und wenn sie in der Tat über das Maß des Zulässigen hinaus gingen, so hätte sich niemand gegen eine entsprechende Verurteilung gesträubt. Von dem Moment an aber, wo die Parteien aufmarschierten und sich die Vertreter politischer Gruppen gegenüberstanden, war es mit der Ehrlichkeit aus. Da verschwand der eigentliche, man möchte beinahe sagen harmlose Prozeßgegenstand, nämlich die Beleidigungssache schlechthin. Man geriet auf das Gebiet der großen Nebenabsichten, wo gewisse Gruppen sich vordrängen konnten, um ihre eigene Fahnenflucht von 1918 zu verwischen und dafür andere des Dolchstoßes in den Rücken der Front zu bezichtigen. Die Nebenabsichten wurden zur Hauptsache des Prozesses. ' Weil der Klüger Coßmann vom Gericht Genugtu ung für die Behauptung yrubers verlangte, er (Coß- mann) habe die Geschichte wissentlich gefälscht, konnte natürlich das Gericht sich veranlaßt fühlen, auch die geschichtlichen Tatsachen zu untersuchen. Dieses Untersuchen soll aber nicht etwa heißen, als ob das Ge richt nun alle bereits festgelegten authenischen Berichte u. Veröffentlichungen über den deutschen Zusammenbruch einfach übergehen könne und statt dessen eine beliebige Reihe von Zeugen, ehemalige Offiziere, Politiker. Schriftsteller u. dergl., die irgendwo oder irgendwann London, 10 Dezember. Wie der „Daily Mail" brichtet. er wartet man. daß der Välkerbundsrat eine Entscheidung fällen wird, die die mesopotamische Grenze auf der gegenwärtigen Linie festseht, wodurch Mossul zu einem Teil Mesopotamiens gemacht wird. Gleichzeitig wird der Völkierbundsrat England und der Türkei bekannt geben, daß er nichts dagegen einwenden würde, falls beide willens sind. Konzessionen zu machen und im Interesse des Friede».; sich mit weniger zufrieden zu geben. An maßgebender Stelle in London erklärt man. daß England in einem solchen Falle bereit sei, eine persönliche Haltung ein zunehmen und daß jeder ehrlich gemeinte türkische Vorschlag mit Sorgfalt geprüft werden würde. Dem diplomatischen Korrespondenten des „Daily Tele graf zufolge, entbehren die Gerüchte, wonach der schwedische Delegierte in Genf, Unden, die Absicht haben soll, Mossul den Türken zu überlassen, jeder Begründung. Der Korre spondent schreibt: Keines der drei Mitglieder des Unter- kvmitees neige zu diesem Wege, indessen bestünde eine Meinungsverschiedenheit über diO genaue Linie, die die neu festgesetzte türkische Grenze mit dem Irak im Vergleich mit der Brüsseler Linie erhalten soll. Der von „Pertma^" ge machte Vorschlag, daß die britische AlLkte, falls dt« Türken die Entscheidung des Völkerbundsrates nicht anuehmen sollten und die Engländer den Irak nngreifen würden, durch die Dardanellen gehen und Konstantinopel bedrohen könnte, sei sehr beachtenswert. Nach dem Vertrage von Lausanne seien die Eatentogrohmächte als die Garanten der neutralisierten Dardanellen und der entmilitarisierten Jone eingesetzt worden. Die Garanten würden >etzt ihre Richt linien vom Völkerbund erhalten. Es >ei klar, daß diese Garantie, die niemals zu dem Zwecke gegeben worden sei, die Türkei zu beschützen, nichtig würde, falls die türkische Negierung eine bindende Ent idnng des Völkerbundes mißachte und ein Mitglied des Völkerbundes angreisen wollte, das außerdem noch ein Mandatsträger des Völker bundes sei. Moskau, 10. Drzeinbrr. Die Tclcgr.-Agcninr der Sowjetunion ist ermächtigt, zu erkläre», daß vie Melvnng der „Morningpost" über eine» angeblich zwischen der Türkei und der Sowjetunion abgeschlossenen B etrag, wonach die Sowjetunion angeblich verpflichtet sei, die türkische» An sprüche aus Mossul und Persisch-Ascrbcidscha» zu unter stützen, wogegen die Türkei angeblich Kars nn» Aroagau an die Sowjetunion abtrete, vollkommen erfunden ist. Mns WMSM»« Italienisch-griechischer Z n s a m m e n st o ß Paris. 10. Dezember Aus Athen wird de» Blätter» gemeldet, daß aus der Insel Carpathos im Dodekanes heftige Zusammenstöße zwischen der griechisck>en Bevölkerung und dem italienische» Gou verneur stattgefunden haben. Der italienische Gouverneur, der von Truppenabteilungen begleitet war. forderte die Bevöl kerung auf, ihrer griechischen Nationalität zu entsagen und die italicnisck-e Staatsbürgerschaft ainunehmen. Es nam zu einem Handgemenge, wobei es auf beiden Seiten Verwundete gab. Tie Bevölkerung hat beschlossen, ein Protesttelegramm an den Böl- kerbundsrat zu richten. Ae NM Ser «Me» Linie Eine Erklärung der spanischen Regierung. Madrid. 10. Dezember Die Regierung verösfeutlicht eine Erklärung, nach oer ste beabsichtige, in Zukunft eine Diktatur der mittleren Linie dnrchznfiihren, ohne sich von Rechts oder Linkskreisen beeinslussen zu lassen. Die gegenwärtige regierende „Union Patriotica" werde gern auch andere Meinungen gelten lasten Die Marokko-Politik würde weiter im Sinne des Di rektoriums geführt werden. Ferner würde das Budget nmunehi endgültig ausgearbcitet werden. Eine Hauptaufgabe der Regie rung sei es. ein Defizit im Budget zu vermeiden und gerechte Steuern dem Volke auszuerlegen, sowie die Währung stabil zu erhallen. Die Regierung sei nicht der Ansicht, daß ihre Rrgie- rungszeit von unbeschränkter Dauer sei. Schokoladen LsnfitAren «affe» Therese Müller Vrerden-A., 1vetti»trstr.7 einmal etwas vom Weltkrieg gesehen oder sogar gehört hatten, zu vernehmen, um danach ein Urteil zu fällen. Dazu gehört mehr, dazu gehört ein Ueberblick über das Ganze, das Vergleichen aller Faktoren, die im Kriege tätig waren. Wie schon bekannt, konnte an und für sich zur vollen Lösung dieser Ausgabe das Gericht nicht in Frage kommen, es Hütte höchstens nach den b e - reits vorhandenen Beweisen über die Unhaltbar- keit des Dolchstohmärcheiis sein Urteil bilden können. Die amtlic' n Publikationen enthalten hierüber genü gend Material. Allerdings steht bisweilen das Beste zwischen den Zeilen. Das Gericht hätte also Gelegenheit gehabt, das längs! widerlegte Mär chen noch einmal gründlich toizuschlagen. Die Mittel aber, deren inan sich in München be diente, um Geschichtsforschung zu treiben, waren nichts weniger als allseitig. Trotzdem auch bereits die her vorragendsten und zuständigsten unter den Zeugen nichts anderes bekunden kannten, als daß die deutsche Front au der Hartnäckigkeit der Verhältnisse, durch Hunger und Uebermacht und teilweise durch das Persagen der eigenen Führung zugrunde ging. Aber neben jenen unkompettznten Kriegsberichterstattern, Po litikern oder Etappenführern, die in München auch noch avftraten, hätte man einmal jene fragen sollen, die i n Wirklichkeit viereinhalb Jahre lang die Front gehalten haben. Die in den vordersten Schützen gräben. Wenn diese erst anfmarschierien und ihr Zeugnis in dis Wagschale würfen, in welche Tiefe wür den alle Phrasenhelden versinken. Und diese würden es sich verbitten, daß man sie als so schwächlich be zeichne, als hätte eine Handvall Meuterer, als hätte irgendein mit Unzufriedenheit verseuchtes Flugblatt sie aus dem Bewußtsein ihrer Pflicht herausgerissen. Und ste würden demgegenüber auf ihre dezimierten Kompag nien. auf ihre zerschossenen Batterien, auf ihre von Wun den und Krankheit, von Hunger und übermenschlichen Strapazen gequälten Kameraden Hinweisen. Und sie würden schließlich die Frage an den hohen Gerichtshof stellen: Warum, meine Herren, wundern Sie sich nicht darüber, daß wir die Front überhaupt noch solange gehalten habe», und daß der körperliche und seelische Zusammenbruch unserer Tapfersten nicht bereits Atonale oder Jahre früher erfolgte? Hat man denn vergessen, daß unsere Artillerie im Herbst 1918 fast vollständig zerschossen war, daß die Infanterie einer Uebermacht entgegenstand, die teilweise an das Zwanzig- fache heranreichte, daß die geringe Zahl der U Boote, mit denen man sich unterfangen hatte, die größten Flot ten der Weit zu zerstöre», nur sehr wenig stündliche Schiffe erreichen konnte und trotzdem so viel Verluste erlitt, daß sie aus den Werften überhaupt nicht inehr ausgegliäzen werden konnten? Wir wollen von der artigen Tatsachen nicht noch mehr erzählen, da jeder, der initten im Lebe» gestanden hat. sich selbst das Bild vervollständigen kann. Eins Anklage könnte man heute höchstens gegen jene richten, die nicht früher die Hand zum Friede» er griffen haben, trotzdem sie ihnen so deutlich dargebotei wurde. Und zwar in jenen Momenten, als für Deutsch land viel zu retten war, als noch sehr vie! deutsches Blut vor nutzlosem Untergang und Grab hätte bewahrt sein können. Die Urteilsbegründung, die gestern im Anschluß an die Festsetzung der Strafe gegeben wurde, läßt all jene Einseitigkeiten erkennen, die wir »uu seit Jahren bei politischen Prozessen ivahrnehmev. konn ten. In dieser Begründung sucht das Gericht nachzuwei- seu, daß die Tatsache der Geschichtsfälschung seitens Coßmann nicht als wahr erwiesen sei. Einen Beweis für diese Behauptung — und darauf kommt es doch an — erspart sich das Gericht, dafür aber ergebt es sich i» recht kuriosen Redewendungen. Es stellt fest, daß Flug schriften verbreitet worden sind, daß revolutionäre Pro paganda getrieben worden ist. daß auch hier und de Meutereien vorgekammcn sind (das alles haben wir je oben auch schon festgestellt) und gibt dann zu, daß diese Umstünde nur in Einzelfüllen den Kampf des Front» Heeres beeinflußt hätten. Es heißt dann wörtlich: „Die Darstellung in den „Süddeutschen Monatsheften" ist teilweise irrig, aber — ijetzt kommt der große Sprung ins Freie) — Irrtümer und Unrichtigkeiten fin den sich auch in anderen geschichtlichen Fest« stell ungen". Eine solche Beweisführung ist in dei Tat nichts mehr und nichts weniger als eine Berhöhnumj des Ionischen Denkens. Daß <"'ck e' ' . ' ' .