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Eonntag. den IS. Noveinber 1L2S. Ae WMm ier MMe AM-A. Am 30 November d. I. ist es 70 Jahre, daß die Katholische Kirche in Dresden-Neustadt durch den Hochwürdigstrn Bischof Forwerk eingeweiht worden ist. Es lag nahe, diesem Iubeltag durch die immer wieder hinausgeschobene aber äußerst notwen dige Renovation des Kirchcninn:rn einen besonders festlichen Anstrich zu geben. Die Ausstattung der Kirche ist bekanntlich fast ausschließlich durch Malerei bewirkt und wurde seiner Zeit nach den Zeichnungen des Architekten Rats-Bauinspektors Hermann Bothen durch den Dekorationsmaler Lanka» in Dresden ausgeführt. Die Decken des sichtbaren Lachstuhlcs sind idla» mit goldenen Sternen, die dielen umgebenden Hohlkehlen mit reichen Ornamenten und altchristlichen Symbolen, auf die Verfolgungen. Anfechtungen. Tugenden und den Sieg der treuen Anhänger ihrer heiligen Kirche Bezug habend geschmückt. Alles sichtbare Balkenwerk zeigt goldene Verzierungen auf dunklem Grunde. Der unterhalb befindliche um das ganze Schiss lausende Frieß enthalt die Symbole der Widersacher des Sieges und der christlichen Kirche, die untere Ansicht des Triumphbogens in der Mi'te das Lamm Gottes, zu d.'n Seiten Greife als Wächter des Heiligtums. Die Wände selbtt sind als rote, grüne und graue Marmortafeln gehalten, vielfach von imitierten eingelegten Ornamenten durchbrochen. Besonders reich sind die Brüstungen der Kan-el. der beiden Oratorien und des Orgelchores als musi vische Arbeit behandelt. Im Giebel des Triumphbogens, in dem der Orgelscite und in den 10 Deckenfeldern befinden sich 14 Me- baillonsbilder, welche die Maler Zumpe, Sachse und K i rch- bach unter Leitung ihres Me'sters. des Professors und Galerie direktors Schnorr von Caro Isfeld ausgeführt haben. Im Giebel des Triumphbogens erblickt man in der Mitte Gott den Vater, umgeben von Engelskönfen. auf den beiden Seiten die Verkündigung Mariens, am G-ebel der Orgelseite den Erz- enoel Michael mit Schwert und Wage und in den Deckenfeldern. Motes. König. David, die sechs Propheten Iesaias. Daniel, Joel. Jeremias. Zockerias. Ezcckiel und die Patriarchen Abraham und Jakob. Die Altarn-lcke ist mit einem Kunstwerk von der Hand Scknorr von Carols^cld gesckmückt. In der Halbkuppel der Nllche sehen wir das drohe Bild des Erlösers auf einem Throne litz-md und von Seraphinen umgeben. Unterhalb auf den Seiten links und rechts icne vier Apostel, die sich hauptsächlich der Ausbreitung des Christentums gewidmet haben, und in deren Mitte der Schukpatron der Kirche, der heilige Franziskus Aaverius. das Evangelium den Heiden in Indien lehrend und '>e taufend. Für dieses Kunstwerk bcwilliate seinerzeit der Sächst-cke Kunstverein einen Beitrag von 800 Talern. Sich über den Bestand der un-mwöhnlich reichen Malerei zu orientieren, war bei der groben Höhe des Kirchenraumes ohne Gerüst nicht möglich. Mcst-a.'bend mar aber von vornherein, die Malerei unter allen Umständen zu erhalten. Es hatte sich bei vcr ersten Untersuchung heraiisgsttellt, daß abgesehen vom Sockel die Malerei der unteren Wände, soweit lie erreichbar varen. in Leimfarbe ausgesübrt worden ist. Ter Leim war im -taufe der fiebrig Iakre in sich zerlreEen. der Farbton hing nur roch lose an den Wänden und ließ sich sckon durch schwaches s.eibcn abwaschen. Diese Entdeckung war nicht sehr ermutigend: doch bestand immerhin die Möglichkeit, daß sich große Teile der Dandiläcken und der reichen Friese in crhaltunasiähigem Zu stand befand. Nur wenige tausend Mark, durch den Pfarrer Ser Kircke H'rrn Vikariatsrat Racke mühsam gesammelt, stan den zur Verfügung. Dennoch wurde beschlossen, die Wieder- i,erstellungsarbeit systematisch auf-unebmen, Klarheit Uber den ze'amten Stand der Ausmalung zu schallen und das Gerüst ein- zubauen. um vor allen die reich dekorierte Decke, die soweit von unten gesehen werden konnte, bedenkliche Sprünge und an einigen Stellen, wo Wasser durch das Dach eingedrungen war, starke Abblätterungen zeiate zu untersuchen und in Angriff nehmen zu können. Am 15. Juni wurde mit dem Aufstellen des Gerüstes begonnen. Die Decke desTachstuhles sah nun wenig erfreulich ous. Große Nisse und eine Unmenge von Sprüngen zogen sich durch die blauen mit goldenen Sternen besäten Felder, oftmals mitten durch die Medaillonsbilder hindurch. An vielen Ecken dort, wo Balken und Putz Zusammentreffen, löste sich die Farbe mit der Puhunterschicht wie Eierschalen in großen Stücken ab. An den Stirnwänden klafften breite Risse, an der Westwand so stark, daß man durch denselben den Albertplatz sehen konnte: es war das eine Folge der Senkung des Gebäudes. In der Nord- weslecke hing ein großes Stück Putz in der Schwere von mehreren Pfund so lose, daß es jeden Moment herabzufallm drohte. Die Untersuchung der Felder ergab, daß die Mehrzahl der Medaillonsbilder bis aus die mehr oder weniger breiten Nisse durch die zur Verwendung gekommene Temperasarbe gut war. daß aber die blauen in Leimfarbe ausgcführten Felder bis auf die goldenen Sterne vollkommen zersetzt waren und die Friese mit ihren reichen Ornamenten und prachtvollen Tier- füllungen fast ganz ersetzt werden mußten. Die oberen Wände, die von unten nicht erreichbar waren, hatten im Lause der sieb ziger Jahre eine dicke Staubkruste angesetzt. Als eine Probe zur Reinigung dieser Wandslächen gemacht wurde, ging auch hier ein großer Teil der Malerei mit ab. Die Verwendung der wenig hallbaren Leimfarbe hatte zur Folge, daß die reichen Ornamentbänder und Tierlunetten zuvor ausgenommen werden mußten, um wieder in derselben Form und Farbe angebracht werden zu können. Von den 190 Tierlunetten konnten nur 70 erhalten werden, 120 Stück muhten nach den gemachten Kopien neu gemalt werden. Die Untersuchung der Fenster ergab, daß die Nord- und Südseite im wesentlichen gut erhalten war bis auf einige der gc- äztcn Scheiben, die nachgemacht werden mußten. Dagegen war das große Nosenfenster an der Westseite über der Orgelbühne in einem sehr bedenklichen Zustand. Der Wind hatte das Fenster sehr stark eingedrückt und die seinerzeit erfolgte Explosion im Arsenal wahrscheinlich ein U.'briges getan, um das Fenster zu einer Gefahr für die Kirchenbesucher zu machen. Schon bei dem Entschluß, das Innere der Kirche wieder herzustellen, herrschte darüber Klarheit, diese Arbeit einem Meister zu übertragen, der neben einer reichen Erfahrung, einem sicheren technischen Können auch das künstlerische Empfin den voll besaß, um die schwere und verantwortungsvolle Aus gabe der Restauration zu übernehmen. Die Wahl fiel aus den Dekorationsmaler Josef R ü t h ? r - Dresden, der sich durch die Ausmalungen einer ganzen Reihe von Kirchen und öffent lichen Gebäuden einen besonderen Ruf erworben hatte und der allen gestellten Bedingungen entsprach. Es siel bei dieser Wahl weiter ins Gewicht, daß dem alten erprobten Meister in seinem Sohn Hubert Rüther eine jüngere Krait zur Seite stehen konnte, die neben der technischen Erfahrung das unbedingt not wendige sichere künstlerische Gefühl — Hubert Rüther hat nach mehreren Lehrjahren im Auslande mit großem Erfolg die hie sige Kunstakademie absolviert und war Schüler der Professoren Müller, Kühl, Gußmann r. ld Sterl — besaß. Daß die Arbeit so glänzend gelungen ist, so große Anerkennung vor allem in den zuständigen Kunslkrei'en und bei Kunstfreunden gesunden hat und die technischen Schwierigkeiten, die sich wie nicht anders zu erwarten überreichlich einstellten, so schnell uns geschickt überwunden worden sind, ist in erster Linie diesen beiden Mei stern zu danken gewesen. Hand in Hand mit ihnen arbeitete der Hosstuckateur Christian Henieler, der mit seinen ge schickten und erfahrenen Arbeitern die zahllosen Sprünge und Nisse in dem Stuckputz ausbellerte und das grobe Nosenfenster wieder in Ordnung brachte. Die Risse !m Putz sind wahrschein lich dadurch entstanden, daß der Bau sich nach der Fertigstellung gesetzt hatte, die Ausmalung aber ebenfalls gleich nach Fertig stellung des Baues erfolgte. Der Stuckputz hat sich wahrschein lich durch all zu starken Zusatz von Gips auf dem Kalkputz nicht recht halten können. Zu erwähnen wäre noch, daß die Repara turen an den Fenstern und der Ersatz der geäzten Scheiben durch den Glasermeister Emil Kurtz in Dresden ausgeführt wurden. Die Arbeit ging nunmehr Zug um Zug vor sich. Von der Wiederverwendung der Leimfarbe ist naturgemäß Abstand ge nommen worden, um einer derartigen Zerstörung, wie sie bei der alten Malerei vorgefunden wurde, für die fernere Zukunst Nr. 264. Seile 10 zu entgehen. Die gesamten Decken und Wände, soweit sie wieder herzustellen waren, sind nunmehr in Oelkaseinfarbe aus geführt worden. Dieses Material ist fest wie Oelfarbe und ab waschbar, hat aber der Oelfarbe gegenüber den großen Borzug, daß sie luftdurchlässig ist. Noch ist natürlich mit der Wiederherstellung der Malerst der Kirche nicht alles getan. Das Gestühl, das mit seiner gelb lichen Farbe im Verhältnis zu der strahlenden Farbigkeit des heutigen Kircheninnern einen recht unfreundlichen Eindruck macht, bedarf notwendig der Ern.'uerung. Nicht weniger uner freulich wirken die plastischen 14 Stationen und die an de» Pfeilern auf Konsolen stehenden billigen und schlechten Figuren, die viel zu groß dem Innenraum ein falsches Maß geben, aber auch in ihrer Süßlichkeit und ihrem minderwertigen Material eher abstoßend als erhebend und zur Frömmigkeit anregend wirken. Auch an ein Gedenkmal für die Gefallenen der Ge meinde muß gedacht werden. Die kleine Marienkapelle sowie die Sakristei bedürfm einer gründlichen und dringenden Aus besserung und Erneuerung. Das alles kann aber nur allmählich und den einlaufendcn Geldmitteln entsprechend gemacht werden. Die Katholische Kirche selbst aber steht in ihrem Innen raum nun Tank der tatkräftigen Initiative ihr:s Ptari Herrn des Herrn Vikariatsrates Rothe und Dank der beiden Maler Rüther und der anderen Mitarbeiter im neuen und doch so be kannten und vertrauten Gewände vor uns, ein Kunsioenkmal aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, aber auch als ein in Liebe und mit Ehrfurcht gegen die früheren Meister behandeltes Beispiel bester und mustergültiger Denkmalspflege. Nicht allein die Franziskus Xaverius-Gemeinde sondern auch alle Katholiken haben dem Piarrherrn. d:r das schwere und sorgenvolle Werk übernommen und durchzukühren hatte. Dank für diese Tat ab zustatten: am ehesten kann und mag es geschehen durch reich' Spenden, um die drückende Lall von Verantwortung uno Sorg» zu vermindern. Galt es doch, Gott allein die Ehre zu geben. Robert B. Witte. Sresden. Sie SIM Ser Aliim m Mier Die Ausstellungsstadt Dresden wird unter Sen für das Jahr 1920 geplanten deutschen Ausstellungen ein: hervorragende Nolle spielen. Tie Iahresichau Deutscher Arbeit Dresden steht zurzeit im Brennpunkte der Vorarbeiten zu der fünften ihrer seit 1922 alljährlichen Ausstellungen. Diese fünfte Iahrcsschau 1921 ist dem deutschen Gartenbau gewidmet und gleichzeitig mit einer internationalen Kunstausstellung verbunden. In stetig auswärts steigen der Entwicklung hat die Iahresichau ihr Ziel bei einer der heu tigen Zeit angepaßten räumlichen Beschränkung, hochwertige Arbeit zu zeigen, zu erreichen gewußt, wie Industrie und Presse einmütig bestätigen. Durch ihren vierjährigen Eriolg hat die Dresdner Ausstellungstätigkeit der Iahresichau im ganzen Reich und weit darüber hinaus im Nuslande einen festen Trasillons- begrift angenommen. Nun gehen für 1926 besondere Pläne ihrer Verwirklichung entgegen. Die Anlagen der Gartenbau ausstellung dehnen sich in einer kaum je erreichten Großnigig- kstt auf ein Areal von 320 000 Quadratmeter aus. Der in ganz Deutschland bekannte Große Garten zu Dresden ist in weitem Ausmaß mit in den Ausstellunosbezirk eingcschloiscn. Außer dieser ständigen Anlage wird die Gartenbauausstellung sechs Sonderschauen zeigen, deren erste am Eröllnunastage dem 2. April, beginnt, und zwar ist dies eine Frühiahrsblamenscbau. Sämtliche Hallen des Aiisstellungspalastes stehen dalür zur Ver fügung. Azaleen in den Farben rot, rosa und weiß Kamelien und Rhododendron, blaue Hortensien mit Nalmen. Farnen und ander'» Blattpflanzen werden dieser Eröiinunasschau das fest liche Gepräge geben. Die weiteren fünf Sonderschauen sind eine Blumenschmuck- und Raumkunstausstellung. eine Rosenichau, Sommerblumen- und Liebhaber^ckau. Herbstblumen schau und endlich Anfang Oktober eine Obst-, Gemüse- und Chrysanthe mensätau. Tie Internationale Kunstausstellung die gleichzeitig mit der Iubiläums-Ausstellung verbunden tsta soll, wird in repräsentativer Uebersicht neben deutschen Gemälden solche aus Frankreich. Spanien. Italien. Belgien. Tschechoslowa kei. Schweiz. Schweden, Norivegen Dänemark. Finnland. Ruß land, Ungarn. England Amerika. Holland und Japan bringen. Auch hier sind die einzelnen Kollektionen bereits zusammen gestellt und in der Hauptsache endgültig abgeschlossen. Neben der Verwirklichung dieser süniten Iahresichau wird, wie aus der Presse bereits bekannt geworden ist. schon setzt an d.m Plänen der für 1927 vorgesehenen sechsten Iahresichau, einer Ausstellungdes deutschen Paviergewerbes. gearbeitet, nachdem die Papierindustrie ihre Beteiligung zur Durchführung dieses neuen großen Planes erklärt hat. AllS SIMMs liMlMM Don HelenePages. In Helene Pages Nanni-Vüchern streiten Kindereinlalt und Lebcnsernst um den Besitz des Lesers. Wohl kein Mädchen wird cs geben, das diese innig und tief bewegen den Erzählungen nicht mit in die reisenden Jahre hinein nimmt Das folgende Kavitel stammt aus „Großmut- ters Iugendland" (Herder, Freiburg l. Br.; geb. G-M. 2 70) Im nächsten Frühling saß Klein-Nanni als Schulmädchen aus der Schulbank. Sie war gleich zu dem zweiten Jahrgang gckommen, und das machte sie ordentlich stolz. Aber die Freude an der Schule wurde dem Kinde sehr ge dämpft. weil Vaters Hals wieder viel schlimmer geworden mar. Er sprach nur wenig und immer ganz leise Er konnte nicht mehr erzählen und nicht mehr singen. Doch er griff fast an >cdem Tag einmal nach der Geige und spielte und winkte und n'ckte seinen Kindern zu, sie sollten munter und frisch heraus singen, und dann mischte sich auch Klein-Nannis Stimme unter oll die andern. Und wenn Lehrer Dörr in die Kinderaugen hineinsah, dann faßte er den Geigenbogen fester. Es war, als schöpfte.er aus ihnen Kraft, weiterzuwirken und auf seinem Posten auszu halten. Aber dann, eines Morgens stand Klein-Nanni ganz allein und weinte leise, in sich hinein. Der Vater hatte wieder Weggehen müssen nach Bad Ems. Beim Abschied war bei dem Mägdlein keine Träne geflos sen. sie sah nur immerfort still auf den Bater. Der Vat?r zog sie -iah an sich heran und flüsterte: „Mach der Mutter Freude'" Die Mutter war mit dem Vater gegangen. Sie kam erst «m Abend zurück. Lench.m Nanni und Johann sollten so lange de! Wolfs bleiben und mit Wölls Kindern spielen. Klein-Nanni aber war nicht aufgelegt zum Spielen. Sie schlich allein in den Garten und suchte Trost bei Vaters Bäumen. Die Bäume blühten. Wie Röslein lachten die Psirsichblü- t:n, die Aprikosenblüten saßen noch teilweise in den braun roten Schuppensteckbet'chen, und die Kirschzweige sahen aus wie Ranken von einem schönen Brautkranz: schneeweiß mit hell grünen Blättlein. zart und dikstig. Aber das Kind hatte einen Tränenschleler vor den Augen vnd sah gar nicht, wie schön das alles war. Nun kam Lenchrn gesprungen. Sie hatte die kleine Schwester gesucht und war froh, als sie gesunden war. Vor den Bäumen klatschte sie fröhlich in die Hände und rief: „Wenn der Vater wiederkammt, sin- die Aprikosen reis, das hat er gesagt." Das tröstete auch Nanni. Lehrer Dörr war noch keine acht Tage in Ems, da schlug das Wetter um. Ter Wind wehte rauh. Die Blüten wurden arg zerzaust, und bald waren alle Blättlein abgezupft und aus die Erde geworfen, und Nanni konnte sie nicht einmal sammeln, denn der Regen klatschte gleich daraus und machte sie schmutzig und nahm sie mit fort. . Klein-Nanni trauerte ihnen nach, aber die Mutter sagte ihr, die Blüten müßten verwehen und vergehen, damit Früchte wachsen könnten. Und als es aushörte zu regnen, bog sie ein Kirschzwciglein herab und zeigte dem Kinde den Ansatz zur Frucht, der an schnmnkem Stiel wie eine winzig grüne Perle sah und sich vom Winde schaukeln und wiegen ließ. Die Mutter stand noch im Garten, da kam die Magd aus dem Pfarrhaus und berichtete, der Pfarrer habe sich bei dem Witterungsumschlaq erkältet und sei plötzlich schwer krank ge worden. Das Fieber wäre hoch, und der Schmied Michel hole den Arzt aus Stahlhofen herbei. Das war schlimme Kunde, und dos sorgenbeladene Herz der Lehresfrau erzitterte. Schon am Abend war der Pfarrer bewußtlos, und nach drei Tagen schloß er die Augen für immer. Als er aufgebahrt war. nahm die Mutter Lenchen und Nanni bei der Hand und ging mit ihnen zum toten Freund des Vaters, den er so sehr geliebt hatte. Sie knieten zu seinen Füßen, und die Mutter sprach ein Gebet und hieß die Kinder ihr nachsprechen: „Das ewige Licht leuchte ihm. Herr, laß ihn ruhen im Frieden." Dir Mutter stand auf und sah dem Toten ins Gesicht. Lenchen bedeckte sich das Gesicht mit den Händen und wendete sich ab. sie fürchtete sich Nanni sah die Mutter fragend an. ob sie sich wohl auf den Schemel stellen dürfe, um besser zu sehen. Die Mutter nickte. Und das Kind blickte mit ernsten Augen in die ihm sonst so vertrauten Züge, di; nun so viel Fremdes hatten. Wie ruhig war da alles, kein Hauch bewegte die Lippen, kein Lächeln um spielte sie. Der Mund war ein wenig geöffnet, aber nicht, als ob er sprechen wolle, sondern wie ein kleines Tor, aus dem das Leben entflohen und In das nun eine groß: unendliche Stille eingegangen ist. Die Lider lagen über den Augen: sie schlossen sie nicht ganz, ein Spalt war da. aber der Blick sah Klein-Nanni nicht an und kein Ding. Er war weit und leer, aus dieser Welt hinausgerichtet in eine andere, ferne, die sich ihm beim letzten Atemzug aufgetan hatte. In den wachsbleichen Händen stand der Goldkelch. So oft hatten sic ihn beim Hoc est enim eorpus meum zum Himmel ge hoben, jetzt vermochten sie ihn nicht mehr zu halt?». Sie brauch ten ihn ja auch nicht an den Wassern der ewigen Quellen, wo sie nun schöpfen dursten. Das Meßgewand aus weißer Seide und schweren Gold borten umfloß den Toten. Es war mit Enaelsköpflein bestickt, die sangen und mit goldnen Flügeln schwebten. Klein-Nanni hatte von allen Meßgewändern dieses am allerliebsten. Sie wußte noch genau, daß es bei der feierlichen Ostermesse gebraucht worden war. Die Flammen der hohen Kerzen rings um die Bahre zuck ten auf und ab, ihr Widerschein spielte in den Falten der schweren Seide, und da war es. als bewegten sich die Engelein und umflögen den Toten und sängen ihm ein frohes Alleluja, Alleluja! Klein-Nanni graute es gar nicht. Sie sah nur groß und fragend auf das Fremde vor sich, und da sie es nicht lallen konnte, flüsterte sie zur Mutter hingenstgt: „Mutter, wo ist das, was ihn lebendig gemacht hat?" „Bei Gott, mein Kind." Da stieg das Kind vom Schemel, faßte wieder der Mutter Hand, und sie gingen still heim: die Mutter mit müden Schrit ten, Lenchen sorglos. Klein-Nanni mit froher Zuversicht: Wenn das beim lieben Gott sstn durste, was lebendig macht, dann war es gut, dann brauchte sich keins zu fürchten vor dem Tod. Aber der Tod kam dem kleinen Mädchen noch viel näher Er nahm ihm den heißgeliebten Vater. Am gleichen Tag. da der Pfarrer beerdigt wurde, war die Mutter eiligst nach Ems gerufen worden. Sie kam zum letzt >n Stündlein ihres Mannes. Seine Krankheit hatte sick plötzlich verschlimmert. Er fand kaum noch Kraft zu einem Wort des Trostes und der Hofjnung. Dem Freund ließ er den letzten Grus bestellen. In einem Brief: empfahl er ihm seine Familie und ahnte nicht, daß er ihm schon voranocgangen war in das Land, wo keine Mühsal und Sorge mehr ist. Und die Lehrersfrau hielt seine Hand und ließ ihm den Trost, den er im Glauben fand, der Freund ward« künftig den Seinen Heller und Berater sein.