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„Der -irrchsichttge Mensch^ Srvffnung der Ausslettung de» Deutschen Aygiene-Museums ln Dresden Dresden, 8. September. An Gegenwart «rner groben Anzahl von Ehrengästen wurde heute mittag zwölf Uhr in der Reithalle des Marstallgebäube» am Zwingerteich die Ausstellung des Deutschen Hygiene-Museum» wieder eröffnet. Over« blirgermetster Blüher begrüßte die Erschienenen, wies auf die großen Erfolge der Deutschen Hygiene-« Museums in Wien hin, die in der ausländischen Presse uneingeschränkt anerkannt worden seien, und begrüßte es, daß die hygienisch so außerordentlich wertvolle Ausstellung nunmehr wieder hier in Dresden der Oeffentlichkeit zu- gängtg gemacht wird. Er gab dem Wunsche Ausdruck, daß man hier in Dresden nunmehr daran gehen möge, einen würdigen Museumsbau in die Wege zu letten, damit uns andere Städte, wie Wien und Düsseldorf, die sich mit der Errichtung ähnlicher Ausstellungen für ihre Bevölke rung befassen wollen, in dieser Hinsichr nicht überflügeln. Der wissenschaftliche Leiter der Ausstellung Prof. Dr. Weisbach gab alsdann eine lehrreiche Einführung in den Aufbau der Ausstellung und deren wichtigste Gebier«, die von den Gästen auf einem Rundgang in Augen schein genommen wurde. Di« Ausfüllung gliedert sich systematisch ln 8 Abtei- l unge n. In der 1. Miteilung, die Geschlechtskrankheiten, sehen wir neben alten bekannten eine größere Anzahl neuerer Darstellungen, deren Aufgabe es sein soll, die an sich trockene Statistik durch entsprechende bildliche Darstellungen ansprechend zu gestalten. Im einzelnen bringt diese Abteilung zunächst eine größere Airzahl historischer Belege, aus denen ohne weiteres zu ersehen ist, daß die Syphilis, die sogenannte Franzosenkrankheit, bereits vor der Entdeckung Amerikas in Europa bekannt und vorhanden war. Hier sind auch Abbildungen und Ausgrabungen von Knochen aus der jüngeren Steinzeit ausgestellt, an denen syphilitische Veränderungen festgestellt worden sind. Kurze Sta- tistiken geben einen Ueberblick über die erschreckend große Zähl und die weite Verbreitung der Geschlechtskrankheiten. Nachdem der Besucher sich dann mit dein Bau und der Lage der mensch lichen Geschlechtsorgane vertraut gemuckst hat, wird er in den Gruppen „Tripper, weicher Schanker, Syphilis und angeboren« Syphilis" mit den verschiedensten Formen dieser Erkrankungen und deren möglichen Folgen bekannt. Als Leitbild der Gruppe „Aerztliche Untersuchung, Behandlung, Heilung" wird ein sich aufrichtender Jüngling gezeigt. Dieses Bild trägt die Umschrift: Fasse Mut, vertraue dem Arzt, Syphilis ist heilbar. In dieser Gruppe wird dem Besucher in von ihm selbst zu betätigenden Apparaten der Gang der modernen Blutuntersuchung vor Augen geführt. Die leiste Gruppe dieser Abteilung IM den Leitspruch: Jünglinge, Mädchen, haltet euch rein! Hier wird alles das ge zeigt, was zur Verhütung und Bekämpfung der Geschlechtskrank heiten in Frage kommt. Der Rundgang führt den Besucher nunmehr in einen großen Rundbau, der die Ueberschrift „Der durchsichtige Mensch" trägt. Zum ersten Riale in Deutschland werben dem Beschauer hier in systematischer Anordnung sämtliche Organe des mensch lichen Körpers, einschließlich der Knochen, Bänder und Gelenke in durchsichtiger Form (nach dem von Professor Spalteholz-Leip zig ausgearbeiteten Verfahren) gezeigt. Durch die besondere Art der Beleuchtung wird eine ganz eigenartige plastische Wirkung erzielt. Den Bau und Verlauf der Gefäße bis zu den feinsten Kapillargcsnßen kann man hier mühelos verfolgen. Nicht nur der Lai«, sondern auch der Fachmann empfängt hier neu« und blei- bend, Eindrücke. Es folgt nunmehr di« Abteilung „Vererbung. Fortpflanzung und Rassenhygiene", d«r di« Ausstellung ihren Namen verdankt. Nachdem man sich in der ersten Grupp« über di« allgemeinen Grundlagen der Fort pflanzung bet Tier und Pflanzen unterrichtet hat, sieht man in der zweiten Gruppe die Entwicklung des Menschen von der Be fruchtung bis zur Geburt. Die bisher bekannten Tatsachen über die Vererbung und insbesondere die Mendelschen Regeln zeigen uns neben bildlichen Darstellungen zwei für diesen Zweck beson ders gebaut« Apparate. Wie di« körperlichen Erbanlagen durch die Umwelt tm günstigen und ungünstigen Sinne beeinflußt wer den können, zeigt die folgeirde Gruppe. Bor allem sieht man hier, welch großen Einfluß Erbanlage uird Umwelt aus das Le bensschicksal des Einzelindividuums haben. Dt« Gruppe „Rasscnkunde" weist eine große Anzahl typischer Rassenbilder aus und unter- richtet über Haar-, Haut- und Augensarbe. Auch Beispiele von Rassenmischungen sind vorhanden. Es schließen sich Darstellungen über erbliche und nicht vererbbare Leiden und Gebrechen an, sowie Darstellungen über Keimgifte, unter denen an erster Stell« Syphilis und Alkohol stehen, ferner von den beruflich bedingten Schädigungen das Blei. — In der Gruppe „Bevölkerungspolitik" sind die Verschiebungen in der Zusammensetzung in der Bevöl kerung infolge der Industrialisierung Europas und weiterhin infolge des Weltkrieges dargestellt. Im ersten Teile der Schluß- gruppe ..Rassenhygiene" wird der Einfluß dieser Verschiebungen aus die Qualität der Bevölkerung nachgewiesen. Den Schluß bilden Hinweise aus die nötigen Maßnahmen, die eiire günstige Auslese fördern und die Gegenauslese verhindern sollen: Stützung gesunder, kinderrei cher Familien, gesundheitliche Beratung vor der Ehe, gesunde Erziehung und körperliche Ertüchtigung der Jugend. * Es ist besonders zu begrüßen, daß es der Umsicht und Tat kraft des geschästsführenden Direktors, Regierungsrat Seiring, gelungen ist, diese neueste» Darstellungen des Museums, welche noch vor wenigen Wochen in Wien auf der großen Hygiene- Ausstellung einen sensationellen Erfolg erzielten, unverzüglich in der Heimatstadt des Museums weiteste» Kreisen zugänglich zu machen. Die wissenschaftliche Leitung der Ausstellung liegt in Händen des neuberufenen wissenschaftlichen Direktors des Deutschen Hygiene-Museums, Professor Dr. Weisbach. Gemein sam mit Professor Galewsky wurde die Abteilung „Geschlechts krankheiten" von ihm überarbeitet. Die Abteilung „Vererbung, Fortpflanzung und Nassenhygiene" ist eine Neuschöpfung des stellvertretenden wissenschaftlichen Direktors Dr. Vogel unter Mitarbeit der Herren Privatdozent Dr. Fetscher, Dr. Ncubcrt und Dr. Mickiael. Di« Abteilung „Der durchsichtige Mensch" ist wissensckstlftlich von dem Kustos am Deutschen Hygiene-Museum Dr. Michael bearbeitet. Hoffentlich gelingt es, in absehbarer Zeit dem Museum das lang ersehnte würdige Heim zu schassen, damit solch wertvolle Ausstellungen, wie sie hier aus Anlaß der Tagung der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und des Dermatologen-Kongrcsses zusammengestellt worden sind, dauernd dem Publikum zur Besichtigung und Belehrung zugänglich ge macht werden können. Wien Hot gezeigt, daß die Zeitdauer solch vorübergehender Ausstellungen meist nicht ausreichi, um allen Wissensdurstigen genügend Gelegenheit zur Besichtigung und Belehrung zu bieten. Tagesneuigkeiten Die internaiionaie Alkohol-Konferenz Genf, 2. September. Die international« Alkoholkon ferenz wurde gestern in Anwesenheit von 8V Delegierten, die 24 Länder vertreten, eröffnet. An der Konferenz nehmen ferner teil der Generalsekretär des Völkerbundes, das internationale Arbeitsamt, die großen Misstonsgesell- schaften, das internationale Komitee des Roten Kreuzes und zahlreiche Delegierte der Rote-Kreuz-Gesellschasten. Der schwedische Delegierte, Prof. Berge man, eröffnet« die Konferenz. Sodann legte der frühere holländische Minister präsident Ruys van Berenbrouck, der zum Vorsitzenden ernannt wurde, Zweck und Ziele der Konferenz dar. Die verschiedenen Fragen, die die Konferenz behandeln soll, betreffen das Alkvholregime in den Kolonien, die Unter drückung des Schmuggels mit Alkohol und die Beilegung von Jnteresscnkonslikten, die zwischen alkoholausftthrenden Staaten und solchen bestehen, die die Alkohvleinsnhr ver boten oder beschränkt haben. Raubmord lm D-Zug Amsler-am—Berlin Berlin, 2. September. Gestern abend wurde aus der Eisenbahnstrecke Stendal—Berlin kurz hinter der Station Sck ü nh a u serd a »i m aus den Schienen eine weibliche Leiche gefunden. Es wurde festgestellt, daß ihr die Schmuck sachen und Schuhe fehlten. Nach den Ermittelungen der KrimincApolizci handelt es sich um eine in Amsterdam an sässige Hausangestellte namens Lamversbach, die im D-Zug Amsterdam—Berlin überfallen, beraubt und dann ans dem Zuge geworfen worden war. Obwohl nach Ankunft des Zuges auf dem Bahnhof Charlottenburg sofort eine Durch suchung der Wagen vorgenominen wurde, konnte der Täter nicht ermittelt werden. s- Die Internationale Tclegraphenkonferenz. Gestern vormittag eröffnete HandelSminister Chaumct die erste Sitzung der 11. Internationalen Telegraphenkvnferenz in der Sorbonne. s Schüler beschießen einen D-Zug. Der D-Zug -Hamburg- Berlin wurde am Sonntag zwischen Fviedrichsruh unö Schwar zenbek im Sachsenwalde beschossen. Die Kugeln durchschlugen ein Abteilfenster, ohne aber Passagiere zu treffen. Einige Rei sende wurden durch Glassplitter verletzt. Der Polizei ist es ge lungen, vier .Hamburger Schüler als Täter festzunehmen. f Infolge Genusses verdorbener Konserven gestorben. Nach dem Genüsse von Bohnensalat, der von Bohnen aus einem un dicht gewordenen Eindünstglas hergestellt war, erkrankten in Stuttgart die Frau des Berlagsbuchhändlers Richard Holz-ivarth, deren Dien stmädchen und Putz frau. Die drei Erkrank len sin d im Laufe der Nacht und des nächsten Vormittags gestorben. s- Die Typhusepidemie in Anklam ist weiter zurückgegangen. Ls wurden nur sechs neue Typhuserkrankte in das Kranken haus eingeliefert. Es befinden sich noch 113 an Typhus Er krankte tm Krankenhaus. f Großfeuer in der Prager Niklaskirche. Gestern mittag brach tm Hauptturm der Niklas-Kirche ans der Prager Klcinseite rin Feuer aus, das wahrscheinlich von Handwerkern, die dort Re paraturarbeiten ausführen, verursacht worden ist. Gegen 161 Uhr schlug aus einem Fenster des Turmes die erste Flamin« heraus pmd nach fünf Minuten stand bereits der ganze Turm in Flam men. Das Innere des Turmes tst vollständig ausgebrannt. Es gelang nach laugen Bemühungen des Feuers Herr zu werden. f Notlandung eines Flugzeuges lm Stillen Ozean. Eines der zwischen San Franzisco und Honolulu verkehrenden Groß flugzeuge, das, wie bereits gemeldet, mehrere Stunden vermißt wurde, mußte etwa 300 Mellen von San Franzisco wo gen eines Motordefektes auf hoher See niedergehen. Es wurde von einem Torpedobootszerstörer ins Schlepptau genommen. s Japanische Flieger besuchen Berlin. Die japanischen Flie ger, die vor einigen Togen in Moskau gelandet sind, werden auch der deutschen Reichshauptstadt einen Besuch abstatten. f Durch Starkstrom getötet. In Altprievkow im Kreise Neustettin wurde ein Schmied beim Wciterrücken einer Getreide fuhre, die mit der Hochspannungsleitung in Berührung gekom men war, durch den Starkstrom getötet. Sein Sohn wurde schwer verletzt. — Auf dem Rittergute Kolpin kam bei der Aufstellung eines Mastes für eine Getreidemiete ein Arbeiter >der Starkstrom leitung zu nahe. Er wurde auf der Stelle getötet. f Zur Mordsache Rosen. Wie mitgeteilt wird, haben sich di« Verdachtsmomente gegen das Ehepaar Standtke jetzt derart ver schärft, daß der Untersuchungsrichter die Untersuchung gegen den Architekten Standtke und seine Frau, die bisher nur von der Kriminalpolizei vernommen worden ivaren, eröffnet hat. Weder die Wirtschafterin Neumann noch das Ehepaar Standtke haben bisher ein Geständnis abgelegt. f Schwere Bluttaten. Bei einer Verl>astung wurde in E r. f>u r t vor der Hauptpost der Leiter der politischen Abteilung der Schutzpolizei Geipel erschossen. Der Häftling schoß dann auch auf seine Verfolger und verletzte einen Iustizhilfswachdmeister durch einen Schuß in den Oberschenkel. Dann wurde er von der Kugel eines Posizeibeamten getroffen. Als er keine Möglich keit zur Flucht sah, brachte er sich einen schweren Bauchschuß bei. Er wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Flucht aus dem Gefängnis. Der Bandenführer Paul Gö- risch, der mehrfach wegen Einbruchsdiebstahls verurteilt und wie derholt aus dem Gefängnis entwichen ist, ist in der Nacht zum Rio »tag wiederum aus dem braunschweigischen Kreisgefängnis «umgebrochen. Görisch hat, wie es scheint, mit Hilfe zweier Uhr- sägen di« Fenstergitter durchsägt und» ist nur mit einein Hemd bekleidet im Schutze der Dunlrelheit entkommen. Görisch, der kürzlich zu 1b Jahren ZuchtlMis verurteilt worden ivar. gehörte einer Einbrecherbaude an, der auch eine Reihe von Raubüber fällen in der Gegend von Braunschweig und Potsdam sowie in Pommern zugoschrieben wirb. Milde Strafen für unerhörte Roheit. Ein Akt barbarischer Grausamkeit hat jetzt vor dem Schöffengericht in Memel seine Sühne gefunden. Einem Landwirt in Schlappschill ivar kurz vor Weihnachten seine Brieftasche mit 300 Lit. und verschiedenen Papieren abhanden gekommen. Ein löjähriger Hüterjunge fand einige Tage später einen Teil der Papiere und gab sie dem Landwirt ab. Dieser vermutet« nun, daß der Fluder das Geld unterschlagen l)äbe und brachte ihn zu dem Landjäger in Davil- lon, der den Knaben solange schlug, bis er ans Angst ein Versteck angab. Als dort nichts gefunden wurde, wurden die Mißhand lungen fortgesetzt, die Ihren Höhepunkt darin fanden, daß der Dte Avfe -er Sewi Eine ziemlich wahre Geschichte von Ludwig Steub (7. Fortsetzung.) Auch den Frauen war Florian sehr sympathisch, denn er besaß die Gabe, ihnen ungemein zu gefallen. ES ge schah gewiß nur ihnen zuliebe, daß er, sie mochten kom men, wann sie wollten, immer einen srischgewaschenen Hemdkragen und reinliche schmucke Kleider trug, wogegen andre Wirte im Gebirge, welche zugleich Fleischer >1nd, den Gast nur zu oft in blutiger Schürze empfangen. Drum führte auch die Frau Landrichterin alle ihre Sommergäste so gerne nach Langkampfen, wo sie der Florian mit feiner Aufmerksamkeit bewirtete und in jeder Weise zu ehren suchte. Dort saßen sie in der Garten laube an schönen Abend oft bis der Mond anfgmg und ergötzten sich an heitern Reden und Gegenreden. Die jugendlichen Schönen ließ der junge Wirt nie scheiden, ohne ihnen ein Sträußchen zu überreichen, das er selbst gebunden hatte. Mitunter entfiel ihm auch ein geist reicher Aphorismus, der gerade bei den Damen Glück machte. Einmal, als er mit dem Herrn Adjunkten über den Menschen und seine Schicksale sprach, auch seine eigene Laufbahn leise berührte und der andere dann be merkte, jetzt werde er wohl froh sein, seine Ruhe gefun den zu haben und nur der Landwirtschaft leben zu könne», sagte Florian: „Und doch beruhte sene» Treiben auf einem wohlbedachten Entschlüsse. ES war eine moralische Notwendigkeit. Um nicht lächerlich zu werden, mußt' ich imponieren". Diese Worte verfehlten ihren Eindruck nichts sie gingen vielmehr von Mund zu Munde, und als sie, was bald geschah, auch der Frau Landrichterin zugetragen worden, agte diese beifällig: „Sehr schön ausgedrttcktl er hat ast allen Geist mir hereingenommen!" »So lebte denn unser Florian wahrhaftig in Fwrtbü», in der Blüte seiner Jahre dahin, und oaS Glück schien ihm hold auf allen Seiten. Einmal nahm seine Wirt schaft in Hau» und Feld einen Fortgang, wie er ihn nicht besser wünschen konnte, und dann erreicht« er selbst, wenn die» auch ein Glück ist, allmählich «ttie Berühmt heit» welche wenigsten» zwischen Ratt«nberg und Ros««" heim ihresgleichen suchte. Sein« persönlichen Beziehungen erweiterten sich mit jedem Jahr« und wurden Mt jedem Jahre bedeutender. Deswegen namentlich erzählten sich die Bauern ganz unerhörte Geschichten über den Wirk von Langkampfen. Altes laufe ihm zu, die vornehmsten Herren aus der Stadt, die Jungen und die Alten, die Jäger, die Maler und die Zitherspieler; mit allen wisse er umzugehen. Dann sei er auch ein Duzbruder zu vielen, ja zu den meisten dieser hochverehrten Gäste, die ihm „das vertrauliche Du" alle selber angetragen. Wenn die Fürsten und Herren im bayerischen Gebirge ihre Jagden hielten, so werde der Florian immer dazu ge laden und schieße immer am besten. Einmal sei auch ein bayerischer Herzog gekommen mit sehr seinem Ge folge und mit einer Zither und da hätten sie den ganzen Abend miteinander die Zither geschlagen und am andern Tage sei große Tafel gewesen, an der auch der Florian gesessen, und abends seien des Hinterbauern Lisi und des Moosers Töchter und andere Mädeln mit ihren werten Vätern und Müttern etngeladen und dann bis halber zwölf Uhr gesungen und getanzt worden. Und der Herzog sei so ein freundlicher Herr! Da bet unserm einfachen Landvolke die Namen wirk lich nichts zur Sache tun, so konnten kritische Leute nur selten herausbringen, wer denn eigentlich gemeint, wer die interessanten Persönlichkeiten seien, dte über Florians Hofleben einen so märchenhaften Glanz verbreiteten, allein bei der ländlichen Bevölkerung hatte dieser Umstand nur die Folge, daß jene Erzählungen immer sagenhafter wurden und daß sich zuletzt um den jungen Heloen eint Legende wob, dte ihn auf Erden schon fast zum Rang« eines Halbgottes emporhob. Da wir aber dem Geburtsort der schönen Rost einige freundliche Zeilen gewidmet, so sind wir der Heimat unseres Florian» Ivohl die gleiche Aufmerksamkeit schul dig. Wir waren auch tm Verlaufe diese» und ve» vorigen Hauptstücks ohne Unterlaß bedacht, etne mehr oder minder gelungene Beschreibung de» Dorfe» Lang- kämpfen und seiner Lage irgendwo an passender Stelle unterzubringen, fanden aber keine Ritze, keine Spalte und keine Lücke, in welche sie sich zwanglos eingesügt hätte. ES blieb daher nichts Übrig, ab» st« hier an» End« zu setzen, wa» denn auch geschieht. Da» Dorf Langkampfen (eigentlich Unterlangkampfen) liegt auf der linken Seite de» Jnnstrom», und, wt« schon Breite, und es tst daher kaum ihr Verschulden, wenn sie nicht gerade so wie die Ebene von Troja der Schauplatz von vtcrundzwanzig Heldengesängcn geworden. Es streicht da nämlich am Wässer eine stundelange Niede rung hin, welch« zwar wenig bebaut ist, aber als Wcide- grund etnen großen Viehstand ernährt und viele schöne Eichen trägt. Links steigt der hohe Pendling empor, der unten einigermaßen, oben sehr wenig bewaldet ist und daher viel kahles Geschröfe zeigt. Zur Rechten erhebt sich jenseits des Jnnstroms der Wilde Kaiser, der aber hier nicht wie an der Sewi in langen, schön linierten Wänden dahinzieht, sondern in verschiedene mißgestaltete Buckel zerfällt, aus Venen nur eine herrliche riesenhafte Pyramide zweifelhaften Namens auftagt. Gegen Nor den erscheint auch dte Festung Kufstein auf ihrem buschigen Felsen. Wegen dieser Lag« Im langen Felde hieß der Ort schon bei den Römern longuS Campus und aus diesem Namen tst der jetzige entstanden. Das Dorf Langkampfen liegt jetzt so wenig im gro ßen Weltverkehr wie dazumal, ist vielmehr sehr still und einsam. Seine Häuser, ihrer vierzig an der Zahl, sehen sehr idyllisch aus, da ihr Oberstock meistens aus Holz besteht und noch mit langen Lauben, sowie verschiedenen Schnitzereien verziert ist. Auf den Lauben prangen de» Bauernvolkes beliebte Blumen, welche die Tochter des Hauses pflegt. Aus den sanft ablaufenden Schindel dächern, dte mit wuchtigen Steinen beschwert sind, erhebt sich ein schlanker Glockenstuhl, den ein feines Spihhtttletn bedeckt. Das Glöcklein, das er birgt, ruft die Dienst boten des Hofe» jeweils zu gemeinschaftlicher Mahlzeit. Wohlgenährte Hühner gackern in den engen, schattigen Gassen, zuweilen läßt auch ein rüstiger Haushund, der unter den Obstbäumen ein Nachmittagsschläfchen hält, seiner Stimme tiefen Laut erschallen, nicht um zu schrecken, sondern nur um zu zeigen, daß er selbst in Schlummer der Wachsamkeit eingedenk sei. Da» Wirtshaus endlich, in welchem der Florian ge boren wurde, ist «in sehr ansehnliche» Gebäude, zu dem man auf einer hohen Freitreppe htnansteigt. Dte Wände sntd reinlich geiveitzt, und da» Giebeldach springt weit hervor. Die Wirtschaft ist so ziemlich geblieben, wie sie Frau Suphorsone Weitenmoser eingerichtet) sie zählt zu den besten der Gegend und wird oeswegen auch, zumal an Tonn- und Feiertagen, aus der Stadt sehr gern« besucht. (Fortsetzung folgt.)