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^utertialtun^ ES willen Der Sternenhimmel in» Seplember Ein Sternbild, von dem man Ivetten kann, daß es neun undneunzig von hundert Sternsreunden nicht sofort zeigen kön nen, trotzdem es zu den zirkumpoloren, nie untergehend-n Ml- dern gchört, ist die Giraffe. Sie interessiert uns tm Sep tember, weil sie der Ausstrahlungsherd vieler Sternschnuppen ist. di« vom elften bis zum letzten des Monats ausleuchten, wie überhaupt der September durch 'dauerhafte Schwärm« ausge zeichnet ist. Wir erinnern an die Gruppe der Meteore, die vom 12. August bis zum 22. September laufen, und die Pegasiden, deren Tätigkeit sich vom 16. September bis Ende Oktober er streckt. Wir finden die wichtigsten Stern« der Giraffe so: Wir verbinden die Helle Lapella im Nordosten mit dem Polarstern. Das ganze Stück teilen wir in drei gleiche Teile. Von unten nach oben gehend, trifft das erste Drittel aus einen St«rn fünfter Größe, in dessen Nachbarschaft, etwas unterhalb, sich ein zweiter Stern befindet, im Operngucker ein do;rpeltes Gestirn. Machen wir nach dem zweiten Drittel halt, so gelangen wir zu eiiter Sterngrupp«, die sich durch ein Sternchen oberhalb und eine An zahl von vier Pünktchen unterhalb des Teilpunktes unserer Pol- Capella-Linie auszeichnet. Wenn wir diese Gegend mit dem hellsten Stern Algenib im Perseus verbinden, so führt diese Linie wieder über kleine Sterne. Es ist mit gutmeinender Phantasie möglich, wenn man im Pol den Girafsenlropf, in der Gegend des Algenib die Vordersätze, in der Lapcllagegen- die Hinterfüße annimmt, die merkwürdige Benennung dieser sternarmen Him melsgegend zu verstehen. Betrachten wir den Sternen st andd an den ersten Sep- temberabendcn um 10 oder um die Monatsmitte um 9 Uhr, so hat der Große Bär seinen Kopf tief im Meridian. Dieser geht über den Polarstern zu Deneb im Schwan, genau im Zenit, lauft dann durch die winzigen Bilder des Delphins und des Kleinen Pferdes hindurch und durch schneidet tief im Süden den Steinbock. Von diesem Bilde aus geht wieder stell aufwärts, etivas nach rechts strebend, ein Zug durch die Sternendrei des Adlers zur Hellen Wega in der Leier. Den Westhimmel nehmen die großen Figuren des Bootes und des Herkules ein, den Süd westen der Schlangenträger, dessen Schlange sich aus der Gegend der Krone girlandenförmig bis in die südliche Gabelung der Milchstraße hinein erstreckt. Im Osten dominiert die Fünsstern- reihe, die -den Perseus, die Andromeda und- den Pegasus um faßt. Nus dem mittleren dieser fünf Sterne kommt ein Linlen- zug, der wie ein Quadratwurzelchen ausficht. Er geht zunächst hinab zum Ostpunkt des Horizonts und erhebt sich dann bis in die unmittelbare Nähe der Urne im Wassermann. Von den Planeten ist Iupiter am günstigsten zu be obachten. Es läßt sich an seinen Nachborsternen, besonders Pi und im Schützen, deutlich seine Verschiebung unter den Fix sternen erkennen. Im Wcttlauf um die Sonne läßt die raschere Erde den langsameren, weil weiteren Planeten zurück. Jupiter geht im Schützen retrograd, für einen nach Süden blickenden Beobachter nach rechts, und diese retrograde Bahn können wir an Jupiter bis zum 9. September noch verfolgen, nach denr eine nach links gerichtete Bewegung einfeht, die die Hauptrichtung aller Planetenbewegung ist, die den Tierkreis umzieht. Merkur ist um den 11. herum am Movgenhinnnel zu sehen. Venus ist Wendstern, Saturn ist immer ungünstiger zu sehen, Mars gar nicht. Da Uranus im Gegenschein zur Sonne steht, ist es nicht ausgeschloffen, th-n mit freiem Auge zu beobachten. Ein« schöne Konstellation ist für den 21. zu gsivärtigen: Mondsichel und Abendstern. Di« Phasen des Mondes find: Vollmond am L., letztes Viertes am 10., Neumond am 18. und erstes Viertel am 26. September. Die Sonne durchzieht am 23. den Himmelsäquator. Es ist die herbstliche Nachtgleiche, Tag und Nacht halten sich das Gleichgewicht, es mühten deshalb die beiden Hellen Sterne, unter denen um diese Zeit die Sonn« weille und die ursprünglich die Scheren des Skorpions 'darstellten, die „Wage" werden. Durch die Aeonendrehung unsres Erdenkreisels, die wir die Präzisionsbewegung nennen, vollzieht heute die Sonne ihren Durchmarsch durch den Aequator in dem Spitzbogen im Sternendiide der Jungfrau, doch ist dem Raum oder „Zeichen", in dem sich die Sonne zur Zeit der Nachtgleiche aushält, der Name „Wage" geblieben, und in jedem Kalender tst der Sep tember mit der Wage geschmückt. Ein Sonntag in London Von Dr. Gustav Hagcmann. Die Zeiten sind vorüber, wo der Engländer am Sonntag selbst die einfachsten und harmlosesten Vergnü gungen und Unterhaltungen im Kreise seiner Familie für erlaubt hielt, wo Bismarck, als er pfeifend durch die Straßen ging, von einem Arbeiter angehalten werden tonnte: „Pfeifen Sie nicht!" — „Aber warum denn nicht?" — „Es ist doch heute Sonntag!" ^-> Immerhin denke ich noch mit Schaudern an meinen ersten englischen Sonn tag in einer kleinen Stadt im schönen Warwickshire zu rück. Die sonst zu jedem Scherz aufgelegten Leute waren wie umgewandelt, gemessen, ernst, die Verkörperung der englischen respectability. Morgens gingen wir zu einem Gottesdienst in die Hochkirche, mittags gab es kalte Küche von: Tage vorher, statt eines Romans, den ich mir herbei geholt hatte, drückte mir die Dame des Hauses mit leijem Borwurf ein frommes Sonntagsblättchen ln die Hand, und als ich nach dem Tee einen Spaziergang Vorschlag, rles der gute Doktor entsetzt: „Aber Herr Haagcmann!" Wir gingen also wieder in die Kirche zu dem näselnden Pfarrer und seiner nicht endenden Predigt, und abends, nach einer sehr gleichgültigen Mahlzeit und dem erneuten Durchlesen der Traktätchen, hieß es dann mit überraschen der Lebhaftigkeit: „Na, nun aber ins Bettl" Da ichwor ich mir: „Einmal und nicht wieder!" und an den fol genden Sonntagen bin ich mit der fröhlichen Jugend aufs Land gezogen, ans dem Flusse rudernd, der durch Shakespeare unsterblich geworden Ist, und in den weiten Miefen herumstreifend, in denen der junge William ge träumt haben mag. Meine lieben Wirtsleute aber haben sicher für mein Seelenheil gebetet. In London hielt man die Sonntagsruhe wohl nie so streng; inzwischen hat auch die Nachkriegszeit eine grö ßere Ungebnndenheit gebracht, so daß ältere Leute, die in der Victorianischen Zeit groß geworden sind, über d:e Respektlosigkeit der jungen Generation betrübt die Köpfe schütteln und den verfall der besten englischen Tugenden kommen sehen. Und doch tst der Sonntag auch in London noch so ruhig, und die Möglichkeiten, sich „weltlich" zu Vergnügen, in dieser Riesenstadt so gering, daß ein Fremder, der an das Sonntagstreiben der großen Städte denkt, über d:n Gegensatz baß erstaunt ist. Ich sitze augenblicklich "vor der Westmtnster Abtei und schreibe an diesen Zeilen, hin ter mir die Parlamentshäuser, in nächster Nähe die sonst so brandenden Verkehrsstraßen Whitehall, Viktoriastraße und Westminsterbrücke, aber, wenn nicht immer wieder die Autos vorüberglitten, könnte man glauben, in einer mitt leren Provinzstabt zu sein. Die Nachwirkung der Puri tanischen Sonntagsheiligung ist doch noch föhr fühlbar. Die Restaurants und Speischäuser dürfen nur in not wendiger Zahl auf einige Stunden öffnen, die Theater sind bis auf ein oder zwei Ausnahmen, die Vergnügungs- Häuser sämtlich geschlossen, die Züge und Straßenbahnen fahren nur tn sehr beschränktem Umfange, es gibt keine Postbestellung, keinen Sport, nur in einigen öffentlichen Parks ist seit vorigem Jahre Tennis und Fußball zuge- lassen. Wie verlebt denn nun der Londoner feinen Sonntag, wenn er in der Stadt bleibt? Das wollte ich auch gern wissen; daher fuhren wir nicht aufs Land, sondern >chlen- derten nach dem Besuch der Wcstminster Kathedrale durch die nahe gelegenen Parks, zunächst den St. James Park, der, früher eine Sumpfwiese, von Heinrich VIII. in einen Tier garten umgewandelt, unter Georg IV. vor 100 Jahren die jetzige Gestalt erhielt und mit seinem See, feinen gepflegten Rasenflächen und wechselnden Baumgruppen, vor allem feinen Durchblicken auf die historischen Gebäude rings herum der schönste und reizvollste Park in London ist. Drüben liegt die Admiralität, daneben die Downing- street mit den Ministerien, dann die Paläste der vornehm sten Familien Englands, schließlich der St. James-Paiast und das Königliche Schloß. „Hier schlägt das Herz des britischen Reiches", sagte voll Stolz ein Mann, der neben mir Im Grase lag; die Rasenflächen, so schön, wie man sic nur in England findet, sind nämlich den Benutzern frcigegeben. Und der herrliche Frühlingstag hatte viele herausgelockt. Da spazieren und sitzen und liegen sie herum, Männer und Frauen und Kinder über Kinder und blinzeln in die Sonne, lesen und plaudern mit den Kin dern oder füttern die Schafe, Enten und Tauben. Ein schönes Bild. Wir gehen weiter und biegen beim Buckingham-Palast in den anschließenden Grünen Park ein, wieder Ra;en, Bäume und überall geruhsam frierende Menschen. Nun sind wir am Eingang zum Hhdepark, und da erstreckt sich der Rotten Rvw, der Treffpunkt der großen Wett, wo sich seit den Tagen des lustigen Stuartkünigs Karl ll. alles versammelt, was „funkelnde Angen und glänzende Equipagen" hat. Auch jetzt, um 12 Uhr, zur Zeit der Kirchenparade, reiten und fahren und flanieren sie hier herum, wie seit 300 Jahren, angestaunt von der Volks menge, die ihre Lords und Ladies inbrünstig bewundert. Und es sind prachtvolle Menschen darunter, doch weiß man nicht immer, ob die eleganten Reiterinnen Herzoginnen und Am Namenslag gesallen <28. August 1914.) Die nachfolgenden Ausführungen stammen aus dem Buch „Wir waren drei Kameraden" von W. Spengler (Herder, Freiburg). Das nachfolgende Ka pitel schildert den Tod zweier der drei Kameraden, von denen der eine an seinem Namenstag gesallen ist. 28. August 1914, 9 Uhr vormittags. Ich schreibe im Schützen graben. Welche Lage! Gott helfe uns! Gestern abend bei Ein bruch der Dämmerung kam plötzlich die Meldung, wir müßten das Leibregiment. das in mißlicher Lage sei, unterstützen. Wir traten aus dem Waide und schwärmten aus. Rechts die letzten Strahlen der Sonne. Pnrpurrot der ganze Himmel. Mit eigentümlichem Beben sagte Ienurich lei'se: „Sieh dos Abendrot! Wie dainals in der Kaserne." Da und dort brennende Häuser und einsam« Höfe, blutrot, gespenstechast. Vor uns Wälder und Wiesen, und ganz in der Ferne auMitzende feindlich« Geschosse. Auf den Wiesen liefen ledige Kü!)e und Rinder herum. Pferde, Wogen, Kanonen, alles in Me und doch in unheimlicher Stille. Uni einen Waldrand gingen wir herum und legten uns auf die Kühlen Wiesen. Das Seitengewehr wurde ausgepslanzt. Stockfinstere Nacht ringsum. Bold standen wir wieder auf und tappten nach rechts, lieber die Gräber des Leibregimeuts hinweg gingen ivir lautlos durch Xaffovillers. Im Vorbeigehen ritz Fink den Mantel vom Tor nister eines Toten und reichte ihn wortlos Iennrich. Bon einem andern bekam er Seitengewehr und Patronentaschen. — Mir war es, als beginne etivas Fürchterliches. Ringsum verkohlte Balken, huschende Gestalten, ledige Ttere. Jetzt ans eine An höhe hinauf, die wir zn halten hotten. Langsam und mühsam stolperten wir über die Felder, die mit Toten und jammernden Verwundeten besät waren. Am Rande einer Talmulde hoben wir dann Schützengräben für stehende Schützen aus. Gegen 4 Uhr waren sie fertig. Es ivar so finster, daß wir Kerzen an zünden mußten, um uns Lurechtzufinden. Den ganzen Tag lagen wir auf dom Bauch und hatten nichts gegessen und kein Stück Brot. Und setzt von 10 Uhr bis 4 Uhr schanzen und graben. Was das heißt, weiß nur, wer es mitgemacht hat. Um 4.30 Uhr fuhr die erste feindliche Granate In unsere Nähe. Wir besetzten rasch die Gräben. Je eine Gruppe von acht Mann, getrennt von der anderen durch sog. Umgang oder Schuitevwehr. Wie ich setzt weih ist die Gegend der Artillerie, schiehplatz für die benachbarten französischen Garnisonen. Jetzt ist es 10.30 Uhr vormittags. Schrapnell aus Schrap- nell schlägt herein, Granate auf Granate. Der Boden zittert und Lebt. Etiva 8000 Geschosse schlugen schon in einem Quadrat- raum von höchstens 400 Metern ein. Es gibt keine Stiell«, di« nicht aufgewühlt wäre. Keiner spricht etn Wort. Der Haupt mann ist bleich und schweigsam, ab und zn schreibt er einige Worte in sein Notizbuch. Bon drei Seiten werden wir beschos- ssn. Wie das geht, weiß niemand. Es ist einfach schrecklich, daß man hier den Tod erwarten muß. ohne sich wehren zu Kon- mn. Immer wieder das heimiückische Pfeifen, dann der Krach. Die ganze Nacht wiinmerte ein Verwundeter, und auch vorhin hörte ich noch sein Stöhnen. Weiß Gott, was aus uns werden soll! Unsere Artillerie läßt sich noch nicht hören. Jetzt wieder Kewehrseuer im Nachbargraben. Fischl, der gerade beobachtet, sicht aber noch keinen Feind. Ich lese die Briefe der Eltern und der geliebten Großmutter und schreibe ins Tagebuch, da ich nichts, leider auch gar nichts tun kann. Soeben fragt mich Fink um die Schulterwehr, wie es mir gehe. „Heute habe Ich Namenstag", sAugust), ruft er herüber. „Drum schießen sie so, wohl dir zn Ehren", versuche ich zu scherzen, aber niemand lacht. — Ate ine Lieben zu Hause essen jetzt wohl zu Mittag. Uns knurrt der Magen. Wenn ich daran denke, daß wir vielleicht noch zivei Tage hier sind ohne Brot und Wasser! Das ist gräßlich. Immer und immer wieder dieses verdammte Pfeifen und Krachen. Wir können genau zählen, wieviel Kanonen dl« Fran zosen haben, und wissen bestimmt: jetzt ist wieder geladen. Obacht, jetzt kommen wieder vier! Es ist nevvsnzerriittend. Wenn die Erde herabprasselt, meint man immer, es käme Kavallerie angeritten. Die großen Eiscnsplitter surren wie Propeller. Mein einziger Wunsch ist: nur nicht hier zerfetzt werden, ohne den Feind gesehen zu haben. Es gibt doch edle Menschen! Soeben fragile der Haupt- mann, ivcr freiwillig den Herrn Major aussuchen und einen Zettel überbringe» wolle. Der Reservist Gmnel meldete sich und sprang mit dem Zettel nach rechts zurück. Gott schütze ihnl Wir warten. Welch ein Wunder! Gamel ist wieder da mit der Antwort. Der Hauptmann reicht ihm die Hand und sagt bewegt: „Mein Freund, mit Ihnen ist der Himmel. Das werde ich Ihnen nie vergessen." Zitternd an allen Gliedern sitzt der Brave setzt neben uns. Wist es denn gar nicht Abend werden! Evst 4 Uhr nach mittags! Und diese Hitze! Vom zweiten Zug rief eben einer: „Der Herr Feldwebel ist schwer verwundet. Er ging zurück. Een Splitter hat ihm die ganze Schulter aufgerissen." k Uhr nach mittags! Immer stärker wird das Feuer. Weit hinten in den Weinberge:: rückt schon feindliche Infanterie heran. Wie rie sig Schlangen sehen die Kolonnen aus. Ich beobachte sie selbst durch Fischls Glas. Mit krkmpfigen Beinen kauern wir im- wer noch auf demselben Fleck. Oft werden wir von einem Regen von Erde überschüttet. Gott sei Dank schlug bis jetzt keine Granate direkt in den Graben. Neben dem Hauptmann steckt eine Granate im Lehm. Wenn sie noch losgeht, sind wir alle zerrissen. Der Hauptmaun sagt: „Wenn wir sie nicht be rühren, kann nichts oorkomme:' " Ich muh iminer wieder das unheimliche Ding betracht:::. Wie di« roten irdenen Krüge, die zur Abgrenzung der Mode in Gärten verwendet werden, sieht es aus. Es steckt auch so in der Erde. — 6 Uhr nachmit tags. Das Feuer wird immer stärker. Alle Gesichter sind bleich. Keiner wogt den anderen anzuschauen. Der Hauptmann sagt leise: „So etivas war noch tn keinem Krieg« da. Wer hat schon solches erduldet?" Dann zu Fischl: „Fischl. sa Nicht« mer ken lassen! Sagen Sie es auch den andern Einjährigen. Was würden die armen Soldaten machen, wenn die Gebildeteren unter uns dis Köpfe hängen ließen? Sterben müssen wir heut« alle", fügte er nach einer Weile hinzu. „Aber wir wol len wenigstens sterben, wie deutsche Soldaten zu sterben wissen." „Ich will's noch einmal probieren", sagte er dann. „Wer mel det sich und geht als Zweiter zurück zum Bataillonsstob?" Gamel wollte wieder gehen. Der Haupiinann erlaubte es aber nicht. „Also, Lässig, mit Gott!" Lässig, ein aktiver Soldat, nahm den Zettel und sprang hinaus. Im selben Moment schlu gen vier Granaten ein. Der Hauptmaun rief: „Herrgott, hilf ihm!" Wir hielten den Atem an. Keine krepierte. „Der Befehl „Aushalten" bleibt ausrechterlialten". sagt der Hauptmann, „denn Lässig kommt nicht mehr zurück, wie ich mit ihm verabredet habe." Ich gebe mein Leben auf. Lebt wohl, ihr Lieben in der Heimat! Ich mutz, jetzt schließen, kann nicht mehr schreiben, Gott sei uns gnädig! Lebt wohl! » » * 29. August 1914. Geschrieben mittags 3 Uhr ain Sammel platz des Regiments, aus einem freien Platz im Wald zwischen Fontenoi) und Baccarat. Hinter mir liegt der schrecklichste Tag meines Lebens! Ms 6 Uhr gestern abend (Freitag), war trotz des fürchter lichen Feuers außer dem Feldwebel Baumgartner kein Mann der Kompagnie verwundet. Unsere Gräben waren sehr schmal, daher kein Volltreffer bei uns. Kurz nach 6 Uhr ries der Haupt mann von der 11. Kompagnie: „Zu große Verluste, ich muß zurück." Zuerst trugen sie das Maschinengeivehr davon, dann sprang t»l« ganze 11. Kompagnie hastig gegen den Wald. Die Fran zosen schossen setzt wie verrückt. Aus dem Tal kamen schon Züge feindlicher Infanterie. Nun gingen auch wir zurück. Ich hatte noch den Mantel an und mein Tornister aus dem Rücke», kam daher nicht so schnell mit und rannte hinten nach. Rechts und links pfiff und krachte es. Es ivar die »mhre Holle. Am Rande eines Klceackcrs nahmen wir, etwa 60 Mann. Stellung, da das Feuer zu arg mar. Ich legte mich in der Furche aus den Bauch. Allmählich machte ich mir mit den von Granaten herausgerissenen Erdschollen eine kleine Brustwehr und Gewehrauflage. Der Hauptmann lag im Klee hinter der Linie. Er kroch dann in ein Granatloch 7—8 Meter hinter mir. Plötzlich krachte es furchtbar, zwei Granaten waren neben mir hevei»gefahren. Steine und Erd« flogen uml>er. Ein ein- izigsr Schreckensschreil Dann ging ein gräßliches Schreien, Wimmern und Stöhnen an. Etiva zehn waren zerrissen. Arm«, Füße, Kinnladen, Hände, Rücken, alles zerschmettert. Ich blickte um und sah den Kopf des Hauptmannes aus dem Gm- notloch schauen. Er rief: „Leute, betet! und bleibt um Gottes willen liegen, sonst ist alles ausl" Armer Hauptmaun! Er mutzte zuseifen, wie sein« stolze Kompagnie zugrunde ging. „Einjähriger, wir müssen sterben! Ihr armen jungen Menschen!" ries er mir zu. „Halltet aus, seid Minner, Deutsche sterbt mit mir wie Helden!" Da kroch der Leutnant zu mir. Er war In den Knöchel geschossen und blutete stark. Rasch band ich ihm den Tornister, den er verloren hatte, aus den Rücksn, zum Schutz gegen dI4 Splitter. Dann zog ich ihn hinter Mein« Deckung. Wi» eiü