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Sonntag, den 20. September 1925 »r. LI«. Seit« » Tagesneuigkeilen Die japanischen Flieger in Berlin Der „Iungspartakusburw" Mtv iXe Slomumntpe« die Schuljugend gegen die „Prügelschule" zu „organisieren" versuchen Berlin, 19. September. Bei dem Essen, das der Reichs verkehrsminister zu Ehren der japanischen Flieger veranstaltet hatte, dankte im weiteren Verlauf in deutscher Sprache der Berliner Vertreter der „Asahi-Zeitung" ftir die freundliche Aus» nähme, die die Flieger in Berlin gefunden haben. Aus Japan sei die Nachricht eingetroffen, daß ein Kurier unterwegs sei, um deni Reichspräsidenten als Dank für die freundliche Aus nahme der jn'Miischen Flieger in der deutschen Öffentlichkeit ein wertvolles Geschenk zu überbringen. Brand des japanischen Parlameulsgebüudes Tokio, den 19. September. Im japanischen Parlaments gebäude ist ein Feuer ansgebrochen, das beträchtliche Berheerun« ^en anrichtete. Man nimmt an, daß die Feuersbrunft durch di« Unvorsichtigkeit einiger Arbeiter verursacht worden ist, die mit Dachstuhlreparaturen beschäftigt waren. Nach ungefähr einer Stunde gelang es, des Feuers Herr zu werden. Die wertvollen Archim sind größtenteils unversehrt geblieben, während die Bibliothek vollständig vernichtet ist. Der Schaden, den die Fcuersbrunst angerichtet hat, wird auf eine Million Den geschätzt. Das Kabinett tritt morgen zusammen, um den Bau eines pro visorischen Parlamentsgebäudes zu erwägen. AnsäNe aus zwei -euischen Torpedobovle« In der Nacht zmn Freitag wurde das Torpedo« koot V 6 zwischen .Helgoland und der Wesermündung bet vorschriftsmäßig brenneirden Laternen von einem Dampfer gerammt. Der Dampfer ist unerkannt nach Westen ent kommen. Das Torpedoboot hat ein größeres Leck erhalten und ist zur Reparatur in die Marinewerft Wilhelmshaven eingelaufen. Ein Heizer wurde leicht verletzt. Wie weiter gemeldet wird, ist der unbekannte Dampfer vermutlich der Hochscefischdampfer Hein Goden wind, der nach Montevideo verkauft ist und sich auf der Reise nach seinem neuen Heimathafen befand. Hein Godewind ist inzwischen mit starkem Schaden am Vorderschiff nach Ham burg zu rückgekehrt. Zur Zeit des Zusammenstoßes herrschte unsicktiges Meter. Außerdem teilt das Reichswehrministeriuyi mitt Am 77. September nachmittags ist ans dem Torpedoboot V 6 ein Wasserrohr eines Kessels gerissen. Durch die ausstrvmendcn Dämpfe wurde der Heizergefreite Velten getötet. Der Maschinistenmaat Lanskh und der Heizer Staatsmann wurden leicht verbrüht. f Ein Ricscnhai für Dresdner AusstelluugSzwecke. Nus Kuxhaven wird gemeldet: Der Fischdampfer „Bill Waerder" sandte dem Kurhavcner Markt ein seltenes Ricsenexemplar ans der Familie der Heringshaie, das in den isländischen Gewässern am 10. September gefangen wurde. Unter großen Schwierigkeiten wurde das Tier an Deck gebracht, geschlachtet und ausgenommen. Die Leber wog 1500 Pfund. Das Gesamtgewicht betrügt 9000 bis 10 000 Pfund. Die Länge beträgt 8,0.1 Meter, der Durchmesser des Kvp-e's 1,'30 Meter, die Länge der Rückenflosse 1,19 Meter und die Länge der Schwanzflosse 1,52 Meter. Es handelt sich, wie die Staatliche Fischereidirektivn mitteilt, anscheinend um eins der größten Eyemplare, die jemals beobachtet und gefangen wurden. Tausende besichtigten den Riesen in der Kuxhnvcner Fischhallc. Die Firma Wachtendorf er warb den Hai in der Auktion zu Ausstellungszwecken für Dresden. Den Kopf und die Haut kaufte die Hamburger Firma Umlaufs zur wissenschaftlichen Verivendung. -f Straßcnunfall. Auf dem Concordeplatz in Paris hat sich gestern vormittag ein schwerer Unfall ereignet. Ein Autobus rannte dort auf einen Möbelwagen auf. Drei Ziehlciitc und sechs Fahrgäste des Autos wurden verletzt. * Unfall im Zirkus Busch. Im Zirkus Busch stürzten gestern bei Vorführung der Fahrt auf der Todesseilbahn die beiden Artisten aus einer Höhe von etwa 3 Meter ub und verletzten sich sö schwer, daß sie ins Krankenhaus ge bracht werden mußten. Der Unfall ist auf zu starkes Anziehen der Fahrradbremse zurückzuftthren. * Der neue Llohdvampfcr Berlin. Der auf der Werft des Bremer Vulkan in Vegesack erbaute Passagier- und Frachtdampser Berlin wurde nach erfolgreicher Probefahrt Dresden, 1L. Januar 1VLS. Im vergangene« Jahn» fand bekanntlich der erste Reichs- Kongreß der Kommunistische« Ki nöergruppen statt, wobei einstimmig eine Entschließung angenommen wurde, in der es u. a. hieß: »Wir brauchen keine Schule, wir sagen der Schule den schärfsten Kampf an!" Es wurde damals weiter beschlossen, daß die kommunistischen Schulzellen »schwarze Bücher" anzu legen hdben, den«, die „Missetaten" der Lehrerschaft genau auszuzeichneu seien. Schließlich sollten in rote Bücher die „Hel den- und ?lbwel)rtoten der revolutionären Kinder" eingetragen werden. Manchem mögen diese Beschlüsse lächerlich erschienen oder kurzerhand von ihm als kommunistischer Unfug betrachtet worden sein. In Wirklichkeit ist unter den Schulkindern bereits eine sehr ernst zu nehmende Agitation getrieben worden. Zu An fang des Jahres und auch erst neuerdings wuroen vor Dresdner Schulen von Kindern an dt« aus dem Unterricht kominenden Schulkinder kommunistische Flugblätter verteilt, es hieß darin: „Schulkameraden! Ihr sollt Deutschland» Zu kunft werden. Mo« müßte euch zu kluge« und verständigen Menschen erziehen. Tut man das? Neinl Ihr geht in eine PrÄgelschui«. Man erzählt euch von Kaisern und Köni gen, wie sie herrlich gelebt haben. Aber von den armen Leu ten und ihren Befreiern erzählt man euch nicht». Man versucht euch aus alle Art und Weise zu v« rd« mmen. Die Reichen wollen, daß ihr dumm bleiben sollt, damit ihr nicht ihnen aus di« Finger sehen könnt. Sie wollen, daß ihr, wenn ihr aus der Schule entlassen seid, zehn bi« zwölf Stunden arbeitet und ivenig Lohn bekommt. Sagt euch der Lehrer etwas, und wenn es noch so falsch ist, ihr müßt es dann glauben und tun. Wenn der Lehrer sagt: Du bist blöd und wenn er dich schlägt, so mußt du dir das gefallen lassen. Behauptest du das Gegenteil und läßt du dich nicht schlagen, so bist du frech. Seid ihr denn nun eigentlich Schulkinder? Nein! Sklaven seid ihri" Ein anderes Flugblatt enthielt folgende Sätze: „Arbeiterkinder! In Sachsen ist in den Schulen die Prügelstrafe verboten. Kümmert sich in den Volks schulen jemand darum? Nein! Ein großer Teil der Lehrer- schast pfeift auf das Verbot. Bei jeder Gelegenheit gibt es Püffe, Stöße, der Rohrstock kommt trotz des bestehenden Ver botes wieder zu Ehren. Es ist keine Kunst, kleine schivache und unterernährte Kinder zu schlagen. Man schlägt mich nur, damit ihr euch fürchten lernt und immer Knechte bleiben sollt. Wollt ihr das? Nein! Wenn ihr zusammenhvltet, seid ihr stark und braucht euch nicht prügeln zu lassen. Darum vereinigt euch und schließt euch zusammen im I un g spa r tak u s- vom Norddeutschen Llohd übernommen. Der Dampwr Berlin wird am 26. September vollbesetzt seine erste Reise von Bremerhaven nach Neuyork antretcn. " Der frühere deutsche Fünfmaster Potosk iu Brand. Die chilenische Fünfmastbark Flora, der frühere deutsche Fünfmaster Potvsi, das größte Segelschiff der Welt, st nach einer Meldung aus Buenos Aires auf 45 Grad süd licher Breite und 65 Grad westlicher Länge in Brand geraten. Nähere Einzelheiten sind noch nicht bekannt. " Schluff der Deutschen Vcrkehrsausstcltuua. Die Deutsche Verkehrsausstcllung München wirb am Sonntag, den 11. Oktober, endgültig geschlossen. * Dte betrunkene Millionärin. Mrs. Lilian Noe, die Gattin des Neuyorker Millionärs John Noe, wurde, nach einer Meldung der Funkstation Rudolf-Mvsse-Haus, zu einer Geldstrafe von 100 Dollars sowie 30 Tagen Gefängnis verurteilt, weil sie mit ihrem Automobil in zu schnellem Teinpo und tu rücksichtloser Weise gefahren war. Außer dem wurde festgestsllt, daß sie die Fahrt in betrunkenem Zustande unternommen hatte. " Gerüsteinsturz. Gestern vormittag ereignete sich in Nürnberg ein schwerer Bauunfall dadurch, das; ein Gerüst einstürzte, auf dem sich vier Zimmerleute befanden. Diese waren damit beschäftigt, ein schweres Gebälk auf die Um bund! Fordert: 1. Einhaltung des Verbotes der Prügel strafe und 2. Bereitstellung freier Lehr- und Lernmittel". Diese vorgenannten Flugblätter ivarrn mit dem Namen eines gewissen Kurt Rudolf, Rankestraße ick D,esden-Kaditz verantwortlich gezeichnet. Im Februar wurden derartige Milt» ter beispielsweise vor der 56. Volksschule in Vorstadt Trachau verteilt. Einer der damit beauftragten Knaben nannte wie derum den jugendlichen Schlosser Otto Karl Teichert aus Kabitz als Auftraggeber. Gegen Teichert wurde vom Be zirk sschuiamt Dresden Strasanlrag wegen Beleidigung der Leh- verschaff gestellt. Teichert erhielt einen Strafbefehl über zwei Wochen Gefängnis, erhob dagegen Einspruch und beaniragte ge^ richtllche Entscheidung. Das Amtsgericht Dresden hatte sich am Freitag mit dieser Angelegenheit zu befassen. Der Angeklagte erklärte, daß er die zur Verteilung gekommenen, bezw. dazu bestimmten Flugblätter in seiner Wohnung vorgesunden, den Inhalt dersel ben nicht gelesen und lediglich für die Verteilung Sorge getragen habe. Die Absicht einer Beleidigung wurde bestritten und der Skrsuch gemacht, den Wahrheitsbeweis, daß cs in Sachsen eine Prügeischul« gibt, anzutreten. Zur Aufklärung des Sachoer- halte» waren fünf Zeugen, darunter zwei Lehrer, vorgeladen. Letztere beiden Zeugen gaben zu, daß in der Erregung wohl ein- mal «in Wort gefallen oder auch Schläge ausgsteilt worden sein können. — Nach längerer Beiveiserhebung bcantragle Staats anwalt Dr. Bergmann die Bestrafung des Angeklagten Der Verteidiger Rechtsanivalt Dr. Helm, der selbst Kommunist ist, plädierte für Freisprechung. Das Urteil lautete wegen Vergehens nach 8 20 aes Reichs. Pressegesetzes und Beamtenbeleidigung nach den 88 180. 196 und 200 des RStGB. auf achtzig Mark Geldstrafe. Auch wurde dem Bezirksfchulami Dresden die Publikationsbefugnis in zwei Dresdner Zeitungen zugesprochcn. — In der Begrün dung des Urteils führte der Vorsitzende des Gerichts, Amts- gerichtsrat Dr. Meißner u. a. aus: Die Schuld des Angeklag ten gelte als voll erwiesen. Unter einer Prügelschule verstehe man, daß der Lehrzwcck durch Prügel erreicht werde. Wenn in den Flugblättern weiter davon die Rede ist, die Schüler würden verdummt, sie sollten verdummt werden, dann kommt dadurch zum Ausdruck, daß sich der Lehrer, die gesamte Lehrerschaft einer groben Pflichtverletzung schuldig mache. Strafschärfend lrom der Umfang der in den Flugblättern enthaltenen Beleidi gungen in Betracht, mildernd waren die große Jugend des Ange. klagten, seine politische Unerfahrenheit und Unreife sowie di« wirtscl-aftliche Lage zu berücksichtigen. fassungsmallern eines Neubaues aufzusetzen. Zwei der Ver unglückten erlitten schwere Verletzungen, während die beiden anderen mit leichteren Quetschungen davvnkamen. Bmrlrupps kalholischer Gesellen sür d-e Majore In B er g i sch - G l a d b a ch in einer Kvnstreiiz der Vertrauensleute des BolksvereinS sprach kürzlich Rekivr Dahl ans Düsseldorf kurz über die Diaspora- B a u - Hütte Winfriedhcim bei Bensberg. Die Anlage ist zunächst als eine wirksame Unterstützung der Diasvora ge dacht. Eine Anzahl Gesellen aller Handwerkerberuse ar beiten in der Bauhütte völlig ohne jedes Entgelt, um Kirchenmübel, Ausstattungen fiir Kranken- und Waisen häuser und dergleichen, herzustellen. Demnächst werden Bautrupps aus katholischen Gesellen gebildet, die nach der Diaspora ziehen und dort Neubauten errichten. Die Bauhütte bei Bensberg verfügt bereits über eine Schreiner- werkstütte, andere Abteilungen werden in Kürze eingerichicr. Bewunderungswürdig ist die Gesinnung der Gesellen, die als echte Kolpingssöync so ganz uneigennützig sich in den D:enst dieser edlen Sache stellen. Nach Ueberwindung der ersten Schwierigkeiten haben nunmehr auch drei Schwestern ihren Einzug gehalten. Im ehemaligen Kvnsnmgebäude ist bereits eine bescheidene Kapelle eingerichtet. — DceSden-Ost könnte diese Baugruppe für ein Gesellenhaus ganz gut gebrauchen. Wer hilft mit? Die Rose -er Sewi Eine ziemlich Wahre Geschichte von Ludwig Steub (22. Fortsetzung.) Da die Mutter kein Wort mehr sprach, sondern sich beleidigt an einen andern Tisch setzte, so wünschte er bald einen guten Abend und ging seiner Wege. Des MaurcrscppelS Erscheinung hatte keinen ange nehmen Eindruck hinterlassen, aber von dem Kelch, den er zurcrst gereicht, sollte die Familie leider noch öfter trinken. ES kamen nämlich gerade in den nächsten Tagen die Basen und die Gevatterinnen wie die Tattermännlein (Salamandra marulata L.) nach dem Regen aus allen Winkeln hervorgerkrochen, um der betrübten Mutter an geblich einigen Trost zu bringen, eigentlich aber doch mehr um sie gründlich zu unterrichten, wie allenthalben, so weit man von der Sewi rede, über die arme Rost gelacht werde. Manche brachten auch die schalkhaften Bemerkungen und die witzigen Einfälle mit, die sie da und dort in diesem Betreffe aufgelesen hatte». Ihrer war bald eine große Zahl. Wenn die Mutter so die Lächerlichkeit betrachtete, der Ihre vor wenigen Tagen noch so angesehene, sogar für stolz gehaltene Tochter und mit ihr die ganze Familie verfallen war, so überkam sie ein tiefes Herzeleid. Dies gab sie mitunter auch deutlich zu erkennen, aber ihre Freundinnen zeigten nicht viel Teilnahme an ihrem Kummer. „Er soll sie nur heiraten", sagten sie immer lustig und wohlgemut, „dann ist das ganze Gelächter vorbei". Dieser Ausgang wäre der Frau Hechenplaickner wohl auch der liebste gewesen, aber sie konnte ihn ;etzt nicht mehr für möglich halten. Jedenfalls lag es nicht in ihrer Macht, ihn herbeizuftthrcn oder auch nur ihn näher zu rücken. xil. : Trübselig war auch der alte Hechenplaickner, aber er hüllte sich nicht in stille Entsagung ein, sondern er dürstete nach Rache. Irgend etwas mußte geschehen, um den Frevler zu demütigen. Bald erhielt er in diesem Trachten auch Rat und Hilfe. Damals liefen nämlich im Land Tirol noch in genügender Zahl jene „Agenten" herum, welche meistens verunglückte Studenten und empor- gekommcne Schreiber waren, mitunter etwas bedenkliche Subjekte, die dem Bauern in seinen rechtlichen Bedürf- ni,,en beistandcn, ihm hie und da eine nutzlose Schrift verfertigten, die -Kauf- und Ehcverträge entwarfen «sw. Wie die Landleüte den „Bauerudoktern" durchschnittlich vor den studierten und Promovierten Aerztcn den Vor zug geben, so genossen damals auch diese Landfahrer viel fältig mehr Vertrauen, als die gediegenen, tief studierten Rechtsanwälte in der Stadt, zu denen der Bauer auch meistenteils sehr weit zu gehen hatte, während ihm ;ene Rechtsfreunde ihren Beistand selbst unge rufen in» Haus brachten. Al» nun das Unglück, von dem wir schon so viel ge sprochen, in den nächsten Tagen ruchbar geworden, und zwar am dritten Tage danach, erschien schon einer dieser Nothelscr, den wir, da sein Name nicht überliefert ist, der Kürze halber Ulpianus -nennen wollen. Er kam dem alten Hechenplaickner ivie gerufen, wurde von diesem mit biedrem Handschlag ausgenommen und da eS Mittag war, auch sogleich mit einem „Geröstet", einigen Würstchen und mit rotem Wein bewirtet. Er hatte sich aber kaum standesgemäß gelabt, als auch schon ein zweiter — Modestinus soll sein Name > und ,uach diesem ein dritter — Papinianus ^ zusprach. Das juridische Kleebltt batte sich nämlich beim Wirte der Sewi ein Stelldichein gegeben, denn die traurige Lage dieses Ehrenmannes sei, wie sie sagtet», für redliche Leute des Faches eine dringend« Aufforderung, ihm alle ihre Kenntnisse zur Verfügung zu stellen. Der alte Hechenplaickner war über so viele Teilnahme innerlich sehr gerührt, ließ aber, wie es seine Art, von dieser Rührung äußerlich wenig merken, sondern bestellte auch für Modestinus und Papinianus ein anständiges Mittagsmahl mit einer Halben Wein. Nachdem Hunger und Durst gestillt waren, zeigten sich die drei Praktiker sofort bereit, in die Verhandlung einzutreten und draußen im stillen Garten ein Konsilium zu bilden, bei welchem auch Vater Hechenplaickner Sitz und Stimm« haben sollte. Sie setzten sich also alle an einen großen Tisch, der unter einem alten Apfelbaume stand, wo ihnen jener in lakonischer Kürze dte Vorgänge des Samstags und des Sonntags mittelste, die kränken» den Nachreden, die der Valentin Hinterbichler hergebracht, dl« Art und Weise, wie seine Tochter dafür Rache ge nommen und was sich dann weiter begeben. Hierauf begannen die Beratungen, welche in der Tat mit aller Schonung für den schwergeprüften Vater ge« pflogen wurden, wie denn überhaupt diese drei Ratgeber — di« Wahrheit zu sagen ---- von der besseren Gattung und dem Hechenplaickner aufrichtig zugetan waren, auch aus diesem Handel nicht mehr Vorteil zu ziehen gedach ten, als die Rechtsgelehrten überhaupt au« solchen Sachen zu ziehen pflegen. Ulpianus, welcher seine Stimme als der älteste zuerst abgab, meinte nun nicht mit Unrecht, die verleumderischen Ausstreuungen des Wirtes von Langkampfen würden besser außer Frage bleiben. Sollte ihretwegen Klage gestellt werden, so läge es dein Gegner sehr nahe, auch ivegen des SchiinpfcS, den ihm die Nvsi vor allem Volte -tugefügt, den gleichen Schritt zu tun. Das wäre aber sehr bedenklich denn in diesem Streite stünde ihm der Sieg wohl in sicherer Aussicht, wenn er auch in dem andern wahrscheinlich unterliegen würde. Es wäre daher geratener, das hohe Richteramt nur wegen jenes Vor falles tn Anspruch zu nehmen, welcher die Rosa Hechen plaickner aufs Krankenlager geworfen. Ucbrigenö sei auch der Charakter des Gegners rn Rechnung zu ziehen. Eine Klag« auf Schmerzensgeld und Abbitte iveqcn jener Tat sache würde der Florian lediglich als ein Rttttcl ansehen, das die Ehre der Familie retten solle und ihr von der öffentlichen Meinung gleichsam aufgedriliigeii sei; er würde sich In die Notwendigkeit ergeben und die Klä gerin sofort klaglos stellen. Modestinus und Papianus fanden diese Ausführung sehr wohl begründet und auch der alte Hechenplaickner trat ihr bei. Das Schmerzensgeld wurde daun nach längerer Debatte auf dreihundert Gulden angesetzt, wobei die Nechtsgelehrten allerdings ihre Zweifel aussprachen, ob der Richter auf eine so hohe Forderung entgehen werde. Der Vater hätte freilich gerne dreitausend Gul den verlangt, aber in der Tat nicht um sich zu bereichern, sondern aus Durst nach Rache. Ulpianus erflärte dann, wie er sich die Klageschrift denke und gab dabet ihren Inhalt fast wörtlich an. Papinianus, welcher der jüngste war und die schönste Hand schrieb, erbot sich sofort, sie eigenhändig zu Vapier zu bringen, was den andern ganz angenehm erschien. Sr zog sich dann, um ungestört zu sein, in das Gartcnc Hänschen zurück und versaßte dort nach Ulpians Ideen eine Klageschrift, deren Kürze jetzt noch gerühmt wird. Freilich hatten diese unstudicrten Rechtsgelehrten, wie cs öfter auch den studierten begegnet, einen wesentlichen Punkt übersehen, und wird dies Gebrechen erst später an» Licht treten, wen« einmal die Klage zur gerichtlichen Verhandlung kommt. Modestinus, welcher sich gewöhnlich in Zell bet Kust stein aufkielt, übernahm «S, die Schrift beim k. k. Land« gericht einzureichen, und erhielt dort für den Thomas Hechenplaickner, Wirt in der Sewi, und seine Tochter Rosa «ine Ladung auf den siebenten August des. selben Jahres, welch« er jenem ohne Verzug be> händigte. (Fortsetzung folgt.)