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Freitag, den 9. Oktober 1925. «». 234. Seite 6 Auswerkungsrechk XI. Das Aufwerlmigsverfahre« Don Tr. Scheiter, Landgerichtsdirektor, M. d. R, Köln Wenn man zum Aufwertungsvcrsahren alle Rechtshand lungen von Schuldner und Gläubiger rechnet, die erforderlich sind, um das formal entwertete Recht wiederherzustellen, also zum Beispiel die Anerkennung der Forderungen und Hypo theken nach Höhe, Fälligkeit, Zinsfuß, Berichtigung des Grund- buchcs, Ausgabe neuer Pfandbriefe und Obligationen, wird man unterscheiden müssen, ob der Schuldner zur freiwilligen Ueber- nahme der Aufwertungslast bereit ist oder erst dazu gezwun gen werden muß. Im elfteren Falle vollzieht sich die Durchfüh rung der Aufwertung ohne gerichtliche Mitwirkung, entweder formlos zum Beispiel bei einfachen Forderungen oder durch Berichtigung der Urkunden, zum Beispiel des Grund buches nach Vorlegung der erforderlichen, beglaubigten Nach weise. Entsteht aber Irgendein Aufwertungs st r e I t, so kann die Mitwirkung entscheidender Organe nicht entbehrt werden. Die Zuständigkeit, diesen Streit zu schlichten, ist zwischen den ordentlichen Gerichten und den Aufwertungsstellen in bestimmter Richtung geteilt worden. Die Aufwertungs stellen können nur Uber die Höhe des Aufwertungs betrages und bestimmte ihnen darüber hinaus zugewicsene Fragen entscheiden, es sei denn, daß die Parteien die weiter zehende Zuständigkeit dieser Stellen vereinbaren. Alle übrigen Streitfragen des allgemeinen und des Sonderrechts der Auswer- tung gehören vor die ordentlichen Gerichte. I. Die ordentlichen Gerichte. Die ordentlichen Gerichte sind zunächst in allen Fällen zur Entscheidung berufen, in denen für ein strittiges Rechtsverhält nis das allgemeine Aufwertungsrecht und nicht das Recht der Vermögensanlagen nachdem Sondergesetz anzuwenden ist. Hier entscheiden sie, wie bereits früher mehrfach hervorgehoben wurde, nach freiem Ermessen, ohne an die Beschränkungen des Sonder rechts gebunden zu sein, Uber Höhe, Fälligkeit, Verzinsung usw. Tarüber hinaus gebührt ihnen aber im Gebiete des Aufwer tungsgesetzes eine weitgehende Zuständigkeit in allen schwierigen Rechtsfragen, die dieses Gebiet aufwirft. Wenn also irgendein Streitfall entsteht, der nicht die Höhe der Aufwertung betrifft, muß erst durch eine Entscheidung des ordentlichen Gerichts Klar heit geschaffen werden. Insbesondere gehören also alle Strei tigkeiten über den Bestand und die Tilgung der Forderung hier her. Behauptet also zum Beispiel der Schuldner, eine Hypo thek, die der Gläubiger aufgewertet haben möchte, sei überhaupt n-cht zur Entstehung gelangt, oder sie sei durch Zahlung zum Nennwerte vor dem 15. Juni 1922 erloschen, oder wendet der Glärünger ein, trotz Zahlung vor diesem Termin sei sein Recht erhalten geblieben, weil er einen wirksamen Vorbehalt ge macht habe, oder behauptet der Schuldner, die Forderung sei durch Verjährung, Aufrechnung, Vergleich erloschen, so gehören alle diese Streitfälle vor die ordentlichen Gerichte. Ebenso wer den Streitigkeiten über die Frage, cck ein Vergleich oder eine sonstige Vereinbarung dem Aufwertungsverlangcn des Gläubi gers entgegenstehe, erst durch die Gerichte erledigt sein müssen, ehe die Aufwertungsstelle üarangehen kann, di« Höhe sestzustcl- lcn. Es ist also durchaus möglich, daß zwei Stellen in der gleichen Angelegenheit mit der Prüfung zweier verschiedener Fragen beschäftigt sind, wobei aber die Entschei dung des ordentlichen Gerichts erst die weitere Grundlage für die Entscheidung der Auswertungsstelle bildet. II. Zuständigkeit und Verfahren der Ausivertungsstelle. a) Die Höhe der Aufwertung einer Vermögens anlage kann aus verschiedenen Gründen strittig werden, ins besondere wenn der Erwerbstag oder der Erwerbspreis des auf- zuwertenden Rechts nicht einwandfrei festzustellen ist, wenn ein Beteiligter die Anwendbarkeit der Meßzahlen in Abrede stellt, oder wenn Gegenstand des Streites die Frage ist, ob neben der Hypothek die ihr zugrundeliegende Forderung höher als zum Normalsatze von 28 Prozent aufrvertbar sei. Alle Meinungs verschiedenheiten, die sich also darüber ergeben, ob Restkauspreise, Abfindungen bei Gutsüberlassungen, Ansprüche aus Beteiligungs- Verhältnissen, Erb- und Auseinandersetzungssorderungen, Unter- Haltsrenten und andere wiederkehrende Leistungen zu 80, 50, 80 Prozent oder wenn ihre Begründung in den Jahren 1922/23 liegt, über 100 Prozent des Goldmattchetrages der Forderung aufzuwerten seien, hat die Auswertungsstelle zu entscheiden. Sie ist also überall da eingeschaltet, wo es sich um eine mehr rech nungsmäßige Feststellung handelt. Ferner soll sie in allen Fäl len urteilen, in denen ein Beteiligter die Härteklausel für sich In Anspruch nimmt und damit den Normalsatz herabdritk- ken möchte, wenn die Ermittelung des Wehrbeitrages für die Einordnung der Eigentümergrundschulden (Kredithypothek) not wendig wird, wenn eine Gesamthypothek auf verschiedene Grundstücke verteilt werden soll, wenn aus sozialen Gründen der Gläubiger glaubt, auf vorzeitige Kapitalrückzahlungen An spruch zu haben oder der Schuldner weitere Stundungen erbittet. Damit ist der Umfang der Zuständigkeit der Aufwertungsstelle fest abgegrenzt und vermieden, daß komplizierte Fragen In einem Verfahren entschieden werden, für das Einfachheit und Schnellig keit die Hauptersordernisse sind. b) Verfahren. Obwohl die Aufwertungsstelle vor wiegend zur Entscheidung von Streitigkeiten berufen ist, ist das Verfahren vor ihr clls ein Verfahren der freiwilligen, nicht der streitigen Gerichtsbarkeit ausgestaltet: es gel ten die Vorschriften des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbar keit. Danach wird die Auswertungsstelle nur auf Antrag eines Beteiligten tätig, -er Antrag kann mündlich und formlos zu Protokoll der Aufwertungsstelle gestellt werden und unter liegt nicht dem Anwaltszwange: jede Partei kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lasten, bei Unvermögen das Armen recht erbitten und sich in schwierigen Sachen einen Armenanivalt bestellen lassen. Die angerufene Stelle betreibt nach Anruf das Verfahren von Amtswegen, erhebt nach eigenem Ermessen die erforderlichen Beweise und entscheidet nach mündlicher, nicht öffentlicher Verhandlung, die aber nicht notwendig ist. Bersäum- nisurteile und Eideszuschrebungen gibt «s nicht. Die Entschei dungen sind regelmäßig Feststellungen, außer im Kostenpunkt. Eine Vollstreckung findet daher nur in bezug auf die Kostenlast oder aus einem beurkundeten Vergleich statt. Die Entscheidung wird rechtskräftig, wenn aus das Rechtsmittel der Beschwerde verzichtet oder die Beschwerdefrist nicht eingehalten wird. Zu ständig ist, soweit die Amtsgerichte zu Auswertungsstellen be stimmt sind, was inzwischen durch die erste Durchführungsver ordnung der Reichsregierung geschehen ist, das Gericht, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand (Wohnsitz) hat, in allen Fragen aber, in denen eine hypothekarische Sicherung in Frage kommt, das Gericht, in dessen Bezirk das belastete Grundstück liegt. Gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen der Auswer- tungsstelle, die mit Gründen zu versehen und den Beteiligten zu zustellen sind, findet die sofortige Beschwerde an das Landgericht innerhalb einer Frist von 2 Wochen seit Be kanntmachung statt. Die Einlegung kann schriftlich bei der Aufwertungsstell«, dem Landgericht oder zu Protokoll des Ge richtsschreibers eines Amtsgerichtes erfolgen. Hat darauf das Landgericht auf Grund einer nochmaligen selbständigen Nach prüfung -es Sachverhalts und gegebenenfalls nach erneuter Be weisaufnahme die angefochtene Entscheidung gebilligt oder ab geändert, so findet noch eine sofortige weitere Beschwerde an das Oberlandesgericht — in Preußen das Kammergericht — statt, die aber nur auf eine Verletzung des Gesetzes gestützt werden Carsten Cnrator Eine Novelle von Theodor Storm. (4. Fortsetzung.) Ein Kanapee war nicht ins Zimmer gekommen; es wäre auch kein Platz dazu gewesen. Andererseits aber fehlte es nicht an einem ziemlich stattlichen Ahnenbilde, in dessen Anschauung der kleinbürgerliche Mann, wenn auch nichr in der französischen Formulierung „Noblesse oblige", in schtveren Stunden sein wankendes Gemüt zu stärken PNegte. Es war dies freilich kein farbenbrennendes Oelbtld, sondern ganz im Gegenteil nur eine mächtig große Silhouette, welche, in braun untermalten Glasleistcn ein- gerahmt, an der westlichen Wand zunächst dem Ausbaue h na, so daß der Hausherr von seinem Arbeitstische aus die Augen darauf ruhen lasten konnte. Sein Vater, von dem freilich nicht viel mehr zu sagen ist, als daß er ein ein facher und sittenstrenger Mann gewesen, hatte eS bald nach dun Tod« seiner Ehefrau von einem durchreisenden Künst ler unfertigen lassen; so zwar, daß es einen Abendspazier gang der nun halb verwaisten Familie darstellte. Voran g.ug der Vater selbst, wie jetzt der Sohn, eine hagere Ge stalt, im Dreispitz und langem Rockelor, eine gebückte alte Frau, die Mutter der Verstorbenen, am Arme führend; dann kam ein hoher Baum von unbestimmter Gattung, sonst abcr augenscheinlich auf den Spätherbst deutend; denn seine Aeste waren fast entlaubt, und unter dem Glase d:r Schilderet klebten hier und dort kleine ichwarze Fetz- chcn, die man mit einiger Phantasie als herabgewehte Blätter erkennen mochte. Dahinter folgte ern etwa vier jähriger Junge, gar munter mit geschwungener Peitsche ans einem Steckenpferde rettend; den Beschluß machten ein stetig aufgeschossenes Mädchen und ein anderer etwa zehn jähriger Knabe mit einer tellerrunden Mühe, welche beiden, w,e es schielt, in bewundernder Betrachtung des munteren Steckenreiters, keinen Blick für die Anmut der Abendland schaft übrig hatten. Und doch war hierzu just die rechte Stunde und solches auch in dem Bilde sinnig ausgeführt; denn während im Vordergründe Baum und Menschen aus t.es'chwarzem Papier geschnitten waren, zogen sich dahinter, abendliche Ferne andeutend, di« Linien einer sanft ge hobenen Ebene, aus dunklem und dann aus lichtgrauem Lö'chpapier gebildet. Das übrige aber hatte di« Malerei vollendet; hinter der letzten Ferne ergoß sich durch den ganzen Horizont ein mild leuchtende» Abendrot, das di« Schatten der sämtlichen Spaziergänger nur um k schärfer hervortreten ließ; darüber in braunvioletter Dämmerung kam dann die Nacht herab. Das lustige Reiterlein war bald nach Anfertigung des Bildes von den schwarzen Blattern hingerafft, und nur sein Steckenpferdchen hatte noch lange in dem Gehäuse der Wanduhr gestanden, die dem Bilde gegenüber noch jetzt wie damals mit gleichmäßigem Ticktack die fliegende Zeit zu messen suchte. Von den fünf Abendspaziergängern lebten nur noch die beiden älteren Geschwister, wie damals unter demselben Dache und. selbst während der kurzen Ehe des Bruders, ungetrennt. Manchmal, ln stiller Abendstunde oder wenn ein Leid sie überfiel, hatten sie — sie wußten selbst kaum wie — sich vor dem Bilde Hand in Hand ge sunden und sich der Eltern Tun und Wesen aus der Er innerung wachgerufen. „Da sind wir übrigen denn noch beisammen", hatte der Vater gesagt, als er das Bild an demselben Stifte an die Wand hing, der es auch noch heute trug; „eure Mutter ist nicht mehr da, dafür lst nun das Abendrot am Himmel", und dann nach einer Weile, nach dem er den Kindern sein Antlitz abgewendet und eimge starke Haminerschläge auf den St.st getan: „Auch von den Toten bleibt auf Erden noch ein Schein zurück; und die Nachgelassenen sollen nicht vergessen, daß sie tn seinem Lichte stehen, damit sie sich Hände und Antlitz rein halten." Tante Brigitte, die als alte Jungfer von etwas seufzender Gemütsart war und es liebt«, mit völliger Uneigennützigkeit Luftschlösser in die Vergangenheit hinein zubauen, pflegte nach solchen Erinnerungen, aus den Schar ten des kleinen Steckenreiters deutend, wohl hinzuznsetzen: „Ja, Carsten, wenn nur unser Bruder Peter noch am Leben wäre! Meinst du nicht auch, daß er von uns dreien doch der Klügst« war?" Und das Gespräch der Geschwister mochte dann etiva folgenden Verlauf nehmen. -Wie meinst du das, Brigitte?" entgegnet« der Bruder. „Er starb ja schon in seinem fünften Jahre." ' „Freilich starb er leiderdessen, Carsten; aber du weißt doch, wie unsere große gelbbunde Henne immer ihre Eier hinter dem Aschberg weglegte k Er war erst vier Jahre alt, aber er war schon klüger als die Henne; er ließ sie erst ihre Eier legen, und dann eines schönen Morgen« brachte er sein ganzes Schürzchen voll mir tn die Küche. Ach, Carsten, des Senators Vater hatte ja zu ihm Gevatter ge standen; er würde gewiß auf die lateinische Schule ge kommen sein und nicht wie du bloß beim Rechenmeister." Und der lebende Bruder ließ sich eine solche Bevor- zttgung des früh Verstorbenen allzeit gern gefallen. — --- Das Zimmer mit seinem alten Geräte und seinen alten Erinnerungen war noch immer leer, obgleich nur die Kami. Bon der Nachprüfung Im Verfahren der weiteren Be schwerde sind aber die Entscheidungen über eine Härteklausrl jeder Art ausgeschlossen. Eine zweimalige Nachprüfung der reinen Ermessensfrage, ob einem Schuldner nach seiner wirt schaftlichen Lag« ufw. eine Herabsetzung des Normalsatzes zuteil werden müsse, schien dem Gesetzgeber ein ausreichender Schutz für beide Teile. In besonderen Fällen hat das Oberlandesgoricht di« Sache dem Reichsgerichte zur Entscheidung vorzulegen. Di« sofortige weiter« Beschwerde kann wiederum (innerhalb 2 Wochen seit Bekanntmachung) durch eine Beschwerdeschrist oder zu Protokoll eines Gerichtsschreibers eingelegt werden, im elfte ren Falle muß sie aber von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Die Aufwertungsstelle hat ferner jedem, der ein berechtigtes Interesse darlegt, eine gebührenfreie Bescheinigung darüber zu erteilen, ob bei ihr bis zum 1.1. 26 ein Anspruch auf Aufwertung aus Grund Vorbehalts der Rechte, Kraft Rückwirkung oder zu gunsten des früheren Gläubigers angcmeldet oder bis zum 1. April 1926 ein Antrag auf Herabsetzung des Auswertungsbctrngos oder auf eine von dem normalen Höchstsätze abweichende Aus- wertuitg der gesicherten Forderung eingegangen ist. e) Kosten. Vor den ordentlichen Gerichten werden in Ausivertungsstreitigkeilen die gleichen Gebühren erhoben wie in anderen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Da für die landgericht- liche Zuständigkeit Anwaltszwang besteht, werden diese Aufwer tungsprozesse teuer. Für das Verfahren vor der Aufwertungs stelle sollen die obersten Landesbehörden die näheren Bestim mungen treffen. Es ist anzunehmen, das; hier, wo zudem kein Anwaltszwang herrscht, eine wesentliche Verbilligung eintreten wird. Die Kosten der Eintragung der Aufwertung In das Grundbuch trägt allemal der Eigentümer. Soweit eine Ein tragung nach dem Rechte der St. N. V. zu berichtigen ist, erfolgt diese gebührenfrei. Aklmsscke -es Leipziger Senders Freitag, 9. Oktober 4.30— 6,00 nachm.: Nochmittagskonzert der Rundfunkhaus kapelle. 6.30— 7,00 nachm.: Leseproben aus den Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt. 7,00—7,30 nachm.: Vortrag Rudolf Schütze: „Iugendschutz- fragen". 7,80—8,00 nachm.: Vortrag Privatdozent Dr. Hans Volkelt vom Psychologischen Institut der Universität Leipzig. 2. Vortrag innerhalb der Vortragsreihe: „Einblicke in die experimen. teile Psychologie des Kindes; Einführung. Rundfrage ufw." 8,15 nachm.: Fidelio. (Wiederholung). Oper tn 2 Akten von Beethoven. Text nach Bouilly von Sonnleithner und Treltschke. Dirigent: Alfred Szendrei. I. ^emsjxecliei-1078 I_2ueug:3ben ilt. 10 >042 l.eciei'tvai'en - 5polftgrtikeI Vor dem Hause stehende Lindenreihe die Strahlen der schon hochgestiegewen Mittagssonne abhiclt. Der weiße Seesand, womit Anna vor ihrem Gange nach dem Rat hause die Dielen bestreut hatte, zeigte noch fast keine Futz- Ipur, und die alte Wanduhr tickte in der Einsamkeit ;o kaut, als wolle sie ihren Herrn an die gewohnte Arbeit rufen. Da endlich schellte die Haustürglocke, und Anna, die oben harrend in ihrer Kammer saß, hörte Sen Schritt ihvas Pflegevaters, der gleich davauf unten in de.nr Wohnzimmer verschwand. Noch eine kleine Weile, dann r.idtete sie sich zu raschem Entschluß auf, drückte noch ein paarmal mit einem feuchten Tuch auf ihre Augen und ging ins Unterhaus hinab. Als sie das Wohnzimmer betrat, sah sie ihren Pflege vater noch mit Hut und Stock in der Hand stehen, ;ast als müsse er sich erst besinnen, was er in seinen eigenen Wänden jetzt beginnen solle. Eine Furcht befiel das Mäd chen; eS kam ihr vor, als sei er auf einmal unsäglich alt geworden. Gern wäre sie unbemerkt wieder fortgeschlichen; aber sie hatte ja keine Zeit zu verlieren. „Ohm!" sagte sie leise. Der Ton ihrer Stimme machte ihn fast zusammen- schveckeu; al» er aber das Mädchen vor sich stehen sah, trn. «tn freundliches Licht in seine Augen. „Was willst du von mir, mein Kind?" sagte er milde. „Ohm!" — nur zögernd brachte sie es heraus. „Ich Vin doch mündig; ich möchte etwas von meinem Vermögen haben; ich brauche es ganz notwendig." »Jetzt schon, Anna?" Das geht ja schnell." „Nicht viel, Ohm; das heißt, ich habe ja noch jo viel n«hr; nur etwa hundert Taler!" Sie schwieg; und der alte Mann sah eine Weile stumm auf sie herab. „Und wozu wolltest du das viele Geld gebrauchen?" fragte er dann. Ein flehender Blick traf ihn aus ihren Augen; si« murmelte etwas, das er nicht verstand. Er faßt« ihr« Hand. „So sag es doch nur mut, mein Kindl" „Ich wollte es nicht für mich," erwiderte sie zögernd. »Nicht für dich, für wen denn anders?" Sie hob wie ein bittendes Kind beide Hände gegen ihn auf. „Laß mich'» nicht sagen, Ohmk Oh, ich muß, ich mutz «s aber haben!" „Und nicht für dich, Anna?" — Wie ,n plötzlichem Verständnis ließ er die Augen auf ihr ruhen. „Wenn du es für Heinrich wolltest — da sind wir beide schon zu spät gekoinmen." (Fortsetzung folgt.)