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Sonnabend, den 23 Mai 192L. sichern suchten. Diese Sorge sollte aber !n Wegsall kommen, nachdem in der Tal der Interessenausgleich gerade in der neuen Vorlage zu erreichen versucht wurde. Selbstverständlich mutz die .-crlage sehr genau daraufhin geprüft werden, ob sie die ohne- l'i-.i schon preislreibenüen Tendenzen gerade für diejenigen Pro dukte. die zur Lebenshaltung unentbehrlich sind, nicht noch ver- stärkt. Diese Sorgen sind allerdings nicht von der Hand zu wei len und sie sind um so mehr beachtlich, als wir ja ohnehin in- folge des gesunkenen Goldwerts uns wesentlich höheren Preisen gegenübersehen, als zu Friedenszeiten. während die Einkünfte bei weitem nicht mit diesem Ausmaß der Teuerung Schritt ge halten haben. Die Reichsregierung wird keiner leichten Ausgabe sich gegenüberschen. wenn sie nun in Auswirkung der ihr während der politischen Aussprache im Reichstag zum Dortrag gebrachten Wünsche und Forderungen der verschiedensten Parteien zu den jenigen Maßnahmen schreitet, die im Interesse von Land und Volk für notwendig erachtet werden. Dt« Reichsrrgierung wird unserer Unterstützung bei ihrer Arbeit gewiß sein, wenn es ihr gelingt, die positiven Kräfte zu sammeln, die Ausgleichspolitik nach innen und außen weiterhin sortzuführen und wenn sie auch den Forderungen der sozialen Gerechtigkeit gerade bei den großen Problemen der Steuer-, Finanz« und Zollpolitik Rech nung zu tragen weiß. Nie WiMlMli -er MWimMle London, 22. Mai. Wie der diplomatische Mitarbeiter der Westminister Gazetke berichtet, wird die Antwortnote der Alli ierten in der Abrüslungssrage in der nächsten Woche dem deutschen Botschafter in Paris ausgehändigt werden. Die Note wird folgende Forderungen ausstellen: Umbildung des deutschen Generalstabes. S. Vollständige Umstellung der deutschen Munitionssabrikation. 3. Freiwillige für die Reichswehr dürsen nickt mehr eingestellt werden. 4. De zentralisierung der Polizei, die nicht mehr in Baracken oder Kasernen massenweise untergebracht werden darf. 5. Die aus die Ausführung des Artikels 429 des Frieden-Vertrages bezügliche deutsche Gesetzgebung muß wirkungsvoller gestaltet werden. Es sei nicht zu erwarten, fügt das Blatt hinzu, daß die Forderungen der Alliierten von Deutschland vor dem für die Räumung der Ruhr festgesetzten Datum erfüllt werden könnten. Die britische Negierung habe aber keinen Grund anzu nehmen. daß Frankreich seine Verpflichtung, die Ruhr zu dem vorgesehenen Termin zu räumen, nicht einhalten wolle. Eng land hoffe auch, daß die unvermeidliche Verzögerung in der Räumung Kölns, Deutschland von dem Eintritt in den Völker bund nicht abhaltcn werde. Paris, 22. Mai. Während Londoner Meldungen bereits die Uebergabe der Note ankllndigtcn und die darin enthaltenen For derungen der Alliierten aufzählen, werden in Paris nach wie vor die Schwierigkeiten, die der Eingang entgcgenstehen, unter- strichen. Der „Eclair" glaubt zu wissen, daß die Meinungs verschiedenheiten sich hauptsächlich auf die Neubildung des deutschen General st abes beziehen. Nach dem Versailler Vertrag dürfe überhaupt kein deutscher Generalstab bestehe». Die französische Regierung betrachtet sein Vorhandensein als einen der schwersten Verstöße gegen die Abrllstungsbestimmun- gen. umsomehr, als der Gcneralsiab in seiner gegenwärtigen Form nach Ansicht des Interalliierten Militärkomitees In Ver sailles eine Organisation ersten Ranges (!) darstelle. Wiederwahl -er Sowjeireglerung Berlin, 22. Mai. Die Morgenblätter melden aus Moskau: Der Sowjetkongreß, der gestern seine Schlußsitzung abgehalten hat, wählte in dieser das Zentralexekutivkomitee der Sowjet union, welches sich aus zwei Kammern zusainmensetzt, den Bun desrat und den Nationalitätsrat Unter den gewählten Mitglie dern des Zentralexekutivkomitees sind u. a. zu nennen: Kallinin, Kamcnew, Nnkow, Sinowjew, Molotow, Trotzki, Tomski, Frunse, Kuibyschew. Das neugewählte Zentralexekutivkomitee der Sewjetunion hat den Nationalrat der Volkskommissare in seiner bisherigen Zusammensetzung wiedergewählt. Polen bezahlt seine Ameribaschulden Neuyork, 22. Mai. (Drahtbericht.) Polen beglich heute seine Schulden an Amerika. Der Gesandte, Vodercwsky, über mittelte der Schuldenkommission Bons in Höhe von 187 Mil- lionen Dollar und erhielt dafür die Obligationen zurück, die Polen seinerzeit für Heereslieferungen, Nahrungsmittel usw. herausgegeben hatte, so daß die Schuldenfrage für Polen er. ledigt Ist. 20 Derketzle bei einem Aulvunsalle Berlin, 22. Mal sDrahtbericht.) Die „V Z." meldet: Ein schweres Autounglück hat sich heute in den frühen Morgen stunden auf der von Potsdam nach Spandau führenden Straße zwischen Gatow und Cladow ereignet. Dort rannte ein Last auto, das 50 Arbeiter von Spandau nach Cladow bringen sollte, gegen einen Baum und kippte um. Alle Insassen des Wagens wurden herausgeschleudcrt. Dabei erlitten 20 Arbeiter mehr oder minder schwere Verletzungen. Sie wurden durch Privatkrastwagen und Krankenautos in das Kran kenhaus von Spandau gebracht. »r. 117. Seite » Das Kaus -es Deutschtums KI,, Welk -es «MWIM ! Stuttgart, 22. Mai. Gestern nachmittag fand die feierliche Einweihung des Hauses des Deutschtums statt, welches das deutsche Auslandcinstitut errichtet hat. Eine große Zahl von Festgästen, darunter der Reichsaußenminister Dr. Strese- mann, der württembergische, bayrische und badische Minister» Präsident, sowie zahlreiche Vertreter des politischen Wissenschaft, lichen und literarischen Lebens waren erschienen. Nach einer Begrüßungsansprache des Vorsitzenden des deut schen Auslandsinstituts v. Hintze. brachte der Neichsaußen- minister Dr. Stresemann die Glückwünsche des Reichspräsiden ten und der Reichsregierung dar. Der Sinn der Stunde sei, so führte Stresemann aus, das Bekenntnis vor der Welt draußen, daß man die Grenzen wohl ändern könne, aber nicht die Herzen, die sich zum Deutschtum bekennen Die Deutschen müßten ln Ehrfurcht aufblickcn zur großen deutschen Kulturgemeinschaft, für die dieses Haus das Sinnbild sei. Dann brachten die Per- Ireter der Länder, der Behörden ihre Glückwünsche dar. Zum Schluß übergab der Erbauer des Hauses Professor Schmitthenner den Schlüssel an den Vorstand des Deutschen Auslandsinstituts, Generalkonsul Wanner. welcher der württembergiscken Negie rung. der Reichsregicrung und allen denen, die am Werke mit- aeholfen hätt-m. für ihre treue Unterstützung den herzlichsten Tank aussprach. Die Reihe der vom Deutschen Auslandsinstitut veranstal teten Festlichkeiten begann gestern abend mit einer Kund gebung für das Auslandsdeutschtum Der Ministe rialdirektor Dr. Wiedenfeld, früher Gesandter in Moskau, sprach über die Bedeutung des Auslandsdeutschtums. Der schwäbische Dichter Dr. Ludwig Finckh bezeichnet? dm heutigen Tag als Markstein in der Geschickte des Auslaudsdeutscktums. Hieraus folgte eine Nelke non Begrüßungsansprachen von Vertretern des Auslandsdeutschtums. Die Red» S?rs?emanns Stuttgart, 22. Mai. In seiner Rede auf dem Bankett bei der Weihe des Hauses des Deutschtums ha'digte Reichs minister Dr. Stresemann zunächst dem Geist des Deutsch tums und führte dann aus: Heute sich zu bekennen zum neuen Deutschland erfordert wahre Vaterlandsliebe und festen Glauben an Deutschlands Zu kunft. Der Deutsche Hot vor seinem Gewissen ein Recht auf diese Zukunft. Deshalb darf er auch an sie glauben. Wir haben keinen Grund gesenkten Hauvtos durch die Welt zu gehen. Auf uns lastet nicht mehr moralische Schuld als aus irgend einem anderen Volke. Vielleicht hal uns die Not erst richtig aneinander geschmiedet. Diese große Kulturgemeinschaft können wir buchen als einen Aktivposten unserer deutschen Politik. Wir müssen Ehrfurcht habe» vor dem, was gewesen, und vor dem, was heute ist Daß das deutsche Volk in so kurzer Zeit sich kon solidierte, wie es heute vor uns steht, ist ein Kennzeichen für den Zukunstsglauben, den wir haben können. Die Ausländs deutschen haben ein Recht auf unseren Schutz. Dieser ist kein Stahlgewand und schützt nicht.mehr vor Gewalt. Das können wir nicht mehr. Aber das Zusammengehörigkeits gefühl mit dem deutschen Mutterlande bedeutet doch seelisch unendlich viel. Die deutsche Einheit hat alle Not nicht spalten können. Das zeigt, uin wieviel politisch reifer das deutsche Volk geworden ist. Wenn wir uns bewußt sind, daß ivir zusammcngehören, müssen wir dahin gelangen, mit allen Kräften, die dafür in Betracht kommen, die kulturelle Autono mie für das Deutschtum draußen zu erhalten. Daraus erwächst uns von selber die Ausgabe, dasselbe in den deutschen Ländernzutun, was wir draußen für das Deutschtum ver langen. Ter Neichsminister schloß mit einem Hoch auf das deutsche Vaterland und die deutsche Kulturgemeinschaft. Stresemann redet sehr viel von Zusammenschluß aller Deutschen, von Einmütigkeit usw. Offenbar ist er davon überzeugt, daß er durch seine überaus schädliche Kri senmacherei im Reich und in Preußen, diese Einmütigkeit und Geschlossenheit um nichts geschadet hat. Das ist allerdings nicht weiter auffällig bei ihm, da seine „Weitherzigkeit" alle möglichen Gegensätze zu einem schönen Konglomerat zusammen zufassen vermag. MIGW -rr MMMRSU iki MM Berlin. 22. Mai. In brr Miilwoch-Nachinittagssihiing wurde die außenpolitische Aussprache fortgesetzt. Abg. Landsbrrg (Soz.s betont, daß ein Land in der Lage Teutschlands geradezu verpflichtet sei, bet asten politischen Alten die voraussichtliche Wirkung auf das Ausland zn berücksichtigen. Das habe mit nationaler Würde nichts zu tun. Es s« nicht gleichgültig, wenn Organe der vaterländischen Verbände die Wahl Hindcnburg als das Signal zur Revanche begrüßte». Nach rechts gewandt erklärte Landsbcrg, man Ivcryr dort von seiner Seite nie eine Wieder holung dessen erleben, was oem ersten Reichspräsidenten oon der Rechten angetan worden sei. Redner fordert weiter de» Eintritt in den Völkerbund. Ter Gedanke des Sicherheitspaktes sei von der Reichs,egierung ansgenommen worden, nachdem die Deutsch» nationalen in die Regierung eingetreten wäre,,! Abg. Dr. Bell (Z«r.^ knüpft an den von vielen SeitL bereits ausgenommen,:» Gedanken der Bereinigten Staate» v-m Europa au, der sich trotz aller Entstellungen als eine wirtschaft liche Notwendigkeit schließlich durchsetzen werde. Ebenso wichtig wie der Kampf gegen die Kriegsschuldlage bezeichnte er de» Kampf gegen dl, Kolonlalschniflüge. Diese Lüge von der kolonisatorilcheu Unfähigkeit und Unwürdig seit Teutscklands sei das Veschöntgungsschild für die „»gerecht,, und parteiische Ausschaltung aller berechtigten Kolonialanlprüche Deutschlands. Als letzter deutscher Kolouialminister, so sährt Dr. Bell fort, habe ich mich in einem Schreiben an Wilson erboten, vor einem unparteiischen Kollegium den Gegenbeiveis zu führe». Mein Brief ist nicht einmal et,irr Antwort gewürdigt worden. (Hört! Hört!) Ich habe damals als Minister dem deutschen Volk das Vermächtnis hinlerlasteu, den Kolouialgedauken nicht steibeu zu lasse». Heute kann ich die Visitenkarte einer neuen K o l o n i n l v e re I n l g u i> g nbgebe». die sich ans kolonial inlere,'sterlen Parlaineutarirrcr ahne »nterschird der Parteien non rechts und links ziisammensetzt, die au d. gesamte Kulturwclt de» Ruf richtet: Gebt uns unsere Kolonien wieder! (BttsallI Abg. Dr. Schnee (DVP.) tritt de» Forderungen des Vor redners bei. Die sogenannte Liquidierung deutsche» Eigentums in den Kolonien sei nichts anderes als Raub und Diebstahl. Von keiner anderen Nation sei das erreicht worden, was Deutsch land seit dem Wirken Robert Kochs >» der Seuchenbekämpfung in de» Kolonien geleistet hat. Der beste Beweis gegen alle Betten,„düngen Deutschlands sei die beifpiellose Treue der Ein geborenen Ostafrikas im Weltkriege. Selbstverständlich würden die wackere» Askaris nachträglich die Löhnung bekommen, die ivir ihnen ichiildcn. kBeifast.j Abg. Mollath (WV.) verlangt Aufhebung der ,eit oem Kriege bestehende» Paßbesttmmungen und des Visumzwanges Abg. Hnmmel (Dem.) erklärte, die Demokraten werden der von der Rechten beantragten Einsetzung eines B e r f a s s u » g s - Ne vis i o n s a u 8 s ch u s s e s den schärfsten Widerstand entgegensetze». Be: der Abstimmung der M>ßtrn»e„zanträge würden sie sich der Stimme enthalten, weil sie zu der gegenwärtigen Regierung nicht das Vertrauen hätten, das sie die gegenwärtige Richtung der Außenpolitik ungestört einhalten könne. Abg. S ch r Z d e r ^Vötk.g hofft, daß der Reichskanzler sich von Tr. Stresemann trennen werde. (I) Dem Mißtcauensantrag werde seine Partei nicht zn- stimmen. Mit dem Abg. Dr. Frick (Nat. Soz.f, der die Außen politik der Regierung scharf bekämpft und dem Mißtrauensantrag znstimmt, endet die Aussprache. In namentlicher Abstimmung wird darauf d r sozialdemo kratische Mlßtraneusantrig gegen die Regierung mit 214 gegen l2S Stimmen bei 2k, Enthaltungen abgel.hnt Für das Miß trauensvotum stimmten die Sozmldcmottatc», di. Kommunisten und die Nationalsozialisten, Tie Demokraten >; d einige Volk,"iw übten Srimmenenthattung. Ebenso werden die kommunistischen Mißtraucnsanträge gegen den Reichskanzler und den Reichsaußenminister abgclehnt. Tie Gebälter des Reichskanzlers, des Re>chsa»ßenministers und des Reichspräsidenten werden genehmigt. W M tir WG«Sll-MW...! Eine Rede des Reichsinnenminlsters Schiele. Berlin, 22. Mai. Reichsinnenminister Schiele hielt im Haushaltausschuh des Reichstages eine programmatische Rede iiber die Frage einer Verfassungsänderung. Er äußerte u a., gemäß der Erklärung des Reichskanzlers werde die Re gierung jeden Versuch, die Reichsoerfassung auf gewaltsamem oder ungesetzlichem Weg« abzuändern, als Hochverrat mit allem Nachdruck abwehren und verfolgen. Anträge auf Verfassungs änderung müßten sehr sorgfältig durchberaten werden. Er trete den Anträgen bei. einen ständigen Bersassungsausschuß zu bilden. Die Arbeiten dieses Ausschusses sollen dazu beitragen, das Verhältnis zwischen Reich und Ländern vertrauens voller zu gestalten. Die bedauerlichen Konflikte zwischen Reich und Ländern müssen ausgeschlossen werden durch eine der ge schichtlichen Entwickelung entsprechende klare Abgrenzung ver Zuständigkeiten, die einen Dauercharakter trägt. Der Streit punkt über die Anwendung des Artikels 48 müsse beseitigt wer den. In der Flaggenfrage halte er «ine baldig« Klärung für erwünscht. Er halte sie nicht für eine Parteifrage, sondern für eine Bolksangelegcnheit. In dem neuen Ausschuß würden auch die Anträge iiber das Wahlalter zu beraten sein, ferner die Anträge zur Aufhebung des Gesetzes zum Schutze der Republik und des Staatsgerichtshofes. Welterberichl der Dressier WeNerwarie Witterungsaussichten für den 22. Mai abends bis 23. Mai abends: Wechselnd bewölkt, zunächst noch keine ivesentlichen Niederschläge, Temperatur wenig geändert, Flachland schwache bis mäßige südöstliche Winde, höhere Lagen mäßige, zeitweise lebhafte Winde aus südlicher bis südwestlicher Richtung. 3lvei WiiWiilW Dokkor Faust von Ferrueclo Busoni Gedanke» »iw Einfälle zur Uraufführung an d r StaatSoper zu Dresden am 21. Mai 1925. „Dir Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube." Goethe „Faust". Tenn seht, die Millionen W.'isen, die einst ertönen werden sic sind seit Anfang porhanden, bereit, schweben im A-thrc und mit ihnen andere Millionen, die niemals gehört werden. Ihr braucht nur zugreife,i, und ihr haltet eine Blüte, ebnen Hauch des Meeresatems, einen Sonnenstrahl in der Hand . . . Und Millionen Weisen sind seit Anfang vorhanden und ivacten darauf, sich zu offenbaren! Busoni selbst ist der Schöpfer dieser Worte. Einem Genie offenbaren sich wohl die Millionen Weise», die noch nicht gehört sind. Ec erlauscht die, dir noch warten. Er faßt die Blüten, spürt den Hauch des Meeresatems» yascht einen Sonnenstrahl. Und dann klingt aus seiner Tönewelt die Macht der Natur, der überschäumeude Rausch sinnbetörrnder Erdenpracht, das wunderbar« gigantische Eiebentagewerk eines weisen und gütigen Schöpfers. . . . Ihm gaukelt« wohl das Genie unermeßliche Weiten, überirdische Größe vor. Er kam sedoch nur dis an baS goldene Tor, hinter dem sich das blühende, kraft'- strotzende Reich der Genialität bis in blauferne Unendlichkeit dehnt. Di« Pforte, hinter d«r Musik rauscht und Nagt, jubelt und tönt, in Millionen von Harmonie,» zum Aether stürmt, sie erschloß sich ihn, nicht. Er blieb vor dem Gitter, dem Gitter, das Tonkunst von Musik reinlich scheidet. Er blieb Talent. Wohl ein großes. Das soll ihm nicht beschnitten sein. Der irdischen Ketten wußte er sich nicht zu entledigen. Er rang mit oer Unendlickkett. Er unterlag lhr. Er sucht- unerforschte Gebiet« eiikuschlteßen. ueber versuche brachte er es nicht hinan«, «eite Klüfte trennen das Gewollt« von dem Gewordenen. Sein Stnn«n, Gesetz» aufzustellen und nicht Gesehen zu solgkn, blieb Traum. Sein» Sehnsucht, bi« zu den Sternen zu dringen, blieb unerfüllt. -» haftete an ihm zuviel Erdenschwer». E» wollt« sich von dec Form lösen. Unentwegt und „»ermüdet setzte er seine ganze Kraft daran. Aber die Form hielt auch ihn gefesselt. Das Grab ver schloß auch seine Hoffnungen. Und so steht Busoni, orr eine» italienischen Vater und eine deutsche Mutter hatte, vor ,mS als „liebenswerter Mensch und feiner Künstler, als Förderer, nicht als Revolutionär." Auch in seine,» „Doktor Faust" muß man die Frage auf werfe»: „Musiker oder Philosoph?" S-M letztes Werk, oas er unvollendet hmtettieß und das Fritz Busch uns als Uraufführung brachte, trägt doch nur den Stempel der philosophierenden Musik. Irgendwo las ich über Busoni: „Starker Intellekt, v>el re spektables Können, reger Witz und eine dürre, fast armselige Phantasie". Diese Worte gelten auch für den „Doktor Faust". Vom An- bis zum Ausklang hat „der Kops" die Musik erzeugt. An» ihr spricht Geist und Kühnheit, sie greift nach dem Unermrß- flöhen, sie sucht von dem Geheimnisvollen den Schleier zn reißen, sie schaut sehnsüchtig nach den Sternen, nach den lichten Höhen ferner Welten. Aber sie atmet Erd«„l»kt. Und doch um- saßt sie nicht einmal die zauberhaft« Herrlichkeit unsrer alten Mutter Erde. Sie versagt schon im Vorspiel — Symphonia — im „Früvlingskeimrn". WI« herrlich tveiß Goethe in seinem „Faust" von der Auferstehung des Frühlings zu singe«. Das ist Mnli-k an sich, inuslkgeworden« Dichtung. Uno wie erguült und ertüstrlt Busoni die Auferstehung der Natur. Qualnrende Nebel erstrcken jeden Sonnenstrahl. Die „Tonkunst" tötet die ganze golden« Schönheit des tn Frühltngsrausch gehüllten Osterfeste». Düster und nebelgrau schleppt sich bte „Dichtung für Musik" b», zum Tode FaustS weiter- St« steckt rn dem Dumpfen Mauerloch, wo selbst das liebe Htmmelsltcht trüb durch gemalte Scheiben bricht!^ tlnd doch weiß «usont so schön von „Blüten", vom .Lauch des MerresatemS", vom „Sonnenstrahl" zu reden! I» seinem Grü beln aber vergißt er darum. Die Blüten sind welk, farblos ,md ohne Duft, der Meeresatrm Ist schwach und schwindsüchtig, der Sonnenstrahl Ist trüb« und kraftlos, erdrückt durch feindlich« Nebelschwaden. Nicht ei« etnztge» Mal »ffnet sich da» Her,. Man wartet mit Sehnsucht darauf... Wartet... War- ' «.^2. «lutl-r sind dt, Adern ferner yanstmustk. Weich und müde ist ihr «ntlt». Wen Wld za »Ud wird der Wunsch brennender: „Nur einmal hindurch durch nie goldene Pforte ins Reich lebender, blühender Musik! Nur einmal eine Strecke, an der sich der Herzschlag sibernd entzünden kann!" Aber nie öffnet sich das Gitter. Denn „nur dem Wanderer, der der irdischen Fesseln unterwegs sich zu entkleiden wußte, ösfn«t sich das Gitter". Tie Faustmusik Busonis trennt „Mensche,, „nd Ewigkeit". Busoni philosophiert leine Musik, ihr fehlt die In spiration. Und gerade die ist bei einec Faustmusik nötig. Sogt er dock selbst im „Prolog": „Von Kind auf hat ein Stück mich hingerissenI" Dieser Impuls müßte dann auch die Musik dnrch- glühen. Ts kostet mich Urberwindung, einen Vergleich anzustellen. Schon aus dem Grunde, weil die Objekte ganz wesensverschieden sind. Aber der Vergleich drängt sich unwüderstehlich ans! Die „Margarete" GounodS uno der „Doktor Faust" BnsvniS. lieber den inneren Wert will ich die Frage offen lassen. Und doch ,st es Gounod gelungen, aas Gitter zu sprenge». Seine „Margarete" ist milsiktrunke». In lhr öffnet sich eine Welt blühender Har monien. Ihr gelingt es, das Herz zu entzünde». Einige ihrer Melodien sind beinahe Volksgut. Aber Gounod philosophiert, nicht. Seine Musik ist Herzenssprache. Busoni« Schaffe» ist Kopfarbeit. Und aus diesem Grunde wird Busonis Fa„stm„sik dem Deutschen stets fremd bleiben. Der große« Masse wird s>e nie nahe kommen. Manchem dürste es bekannt sein, daß Busoni von einer großen Sehnsucht nach seinem Mutterlande — T-entlch-' land — verzehrt wurde. Eine kleine Episode fällt mir ein. Im Weltkrieg« kehrt« Busoni angewidert ans Amerika zurück. Er geht nach Zürich. Deutschland ist dem Italiener verschlossen. Aus dem Züricher Bahnhof wartet er täglich aus den Zug. der ihn nach Berlin bringen sollte. Er hört das Abrufen oer Züge. Berlin wurde nt« abgrrufen. Paul Schlesinger fand ihn einmal im feuchten «bendwinternebel trübe, geneigt, sehnsüchtig harrend ans einem Brunnenrand« vor dein Vahnhose hockend. So war wohl seine innere Sehnsucht Deutschland. Auch seiner Faustmnjit ist die deutsche Schwer« eigen. Aber deutsch im Voltscharailer und -Empfinden ist sie ivobl kaum. Sonst müßte sie uns ergreüen. Das tut sie aber nicht. Sie mag Imstande sei», den Kenner zu fesseln, aber mehr erreicht sie nicht. Man kann sie bewundern» bewundern, wie er di« „fast armselige Phantasie" durch ein« alän-ende suchest« tHchnit zu meistern weiß. Man kann den »eist bestaun«,, der die wentz«, Gedanken, die sich aus d«