Volltext Seite (XML)
Lr,'Leint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn- u. Festtage. VtMspreiS: Vierteljährl. 1 Mk. 8« Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer S888. Sci autzerdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-PreiSliste. Einzelnummer Itt Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vucftHniclttrel. betlaktion unä Serebiilttueller Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 18 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Nhr. Fernsprecher: Amt l. R r. IS««. Nr. 78. Donnerstag, den 2. April 1903. 2. Jahrgang. Ten neneintretenden Abonnenten wird aus Wunsch der sensationelle Roman „Der austra lische Erbe" von Edgar Pickering kostenlos nachgeliesert. „wie das Zentrum seine Schande verdeckt," io überschreibt sich ein langatmiges Flugblatt, das der s.'childenwkratische Verlag: Bnchdrnckerei Grimpe, Elberfeld, Zs neuen Goliath ins Feld schickt gegen das Volksvereins- ilugl'Ialt Nr. 24: „Wie sich die Sozialdemokratie beim neuen Zollgesetz blamiert hat." Von den tönenden Reden dic'c's Philisters mögen folgende Proben Zeugnis oblegen: Tas Zentrum stellt) in einer einzig in ihrer Art dastehenden icccticn Weise die Tatsachen ans den Kops . . . Desto unehrlicher, nniiniericr ist die Art seiner Abwehr . . . Schreiberseelen für ßcittcumstvahrheit . . . Bodenlose Heuchelei . . . Weiter kann in.in wohl die Frechheit kaum treiben . . . unverschämt gelogen . . . 7ic unverschämteste aller Zentrmnsverlenmdmigen . . . Der Schmutz, in! dem die Zentrmnsflugblattfabrikanten die sozialdemokratischen N's.oordnrten bewerfen wollen . . . (die weiteren Ausführungen) iin: noch gemeiner . . . wiederum unverschämt gefälscht . . . ver- ! inndcrische Beschimpfungen der Sozialdemokratie. Das dürfte genügen. Der rote Faden, der sich durch die 'ozialdemokratische Polemik zurzeit der Zolltarifberatnng liindiirchzog und in der Polemik der westdeutschen sozial demokratischen Presse gegen das Volksvereinsflngblatt wiederkehrte, wird hier weitergesponnen. Aber kein Schimpfen »nd Zetern rettet mehr die Sozialdemokratie ans ihrer Plwnage. Das sollten sich die (Genossen doch redlich ein- sleüehen. Recht drollig wirkt, wie die verzweifelten „Jmmer- i»n Arbeitervertreter" sich an den Tatsachen hernmdrücken, die das Flugblatt des Volksvereins festnagelt. Das Volks vereinsflngblatt sagt z. V.: Als Mindestsatz für Zolle ans Roggen, der unsere Hauptbrot- Nuchi ist, hat der Tarif 5» Mark vorgesehen, 7, Mark hat der Reichs tag denn auch beschlossen. Den 5 Mark-Zoll für Roggen linnen wir schon in den 80er Jahren und doch haben wir leine Lteigernng der Brotpreise dadurch erlebt. Das Elberfelder Gegenflngblatt nennt diese Stelle „eine allen Tatsachen ins Gesicht schlagende Behauptung" und schreibt weiter: Ten 5, Mark-Z,oll beschlos; der Faschingsreichstag von 1887, jcncs unter der Kriegshetze der Bismarckianer erzielte Angstprodnkt. Tmächlich folgte, nachdem die Wirkung dieser Zolle sich bemerkbar innäile, eine außerordentliche Steigerung der Getreidepreise, die n>v bis zmn Jahre 1891 zu einer wahren Hungersnot answuchs. Anstatt von den Brotpreisen, redet der Sozialdemokrat Am von den Gctrcidcpreisen. Ist das eine loyale Wider legung? Er behauptet sodann, infolge des 7, Mark Zolls leien die Getreidepreise außerordentlich gestiegen. Nun war der Mark Zoll in Kraft vom 20. Nov. 1887 bis zmn öl. Januar 1892. Die Folgen des .7 Mark-Zolles hätten 'ich also erst 1888, damals aber auch sicher zeigen müssen. Und doch waren in diesem Jahre die Weizenpreise in Königsberg nur um 7, in Frankfurt a. M.. Berlin und Dresden um 8, in Leipzig um 9, in Mannheim um 13 Mark pro 1000 teurer als im Jahre 1887, trotzdem die Zollerhöhnng 20 Mark für die nämliche Menge betrug. In dem nämlichen Jahre 1888 war aber auch ans den Weltmärkten für Weizen diese Frucht teurer als 1887 und zwar in New Dock um 12 Mark und in Ehicago sogar mn 23 Mark. Aehnlich bei Roggen. Eine Steigerung der Getreidepreise auf den sechs genannten Hanptmärkten Deutschlands durch die Zollerhöhnng hat also nicht statt- gefunden. Gegen frühere Roggen- und Weizenpreise in der zollfreien Periode <1807,—79), und in der I Mark-Zoll- Periode (1880—87,> sind die Getreidepreise der 7, Mark- Zollperiode erheblich gefallen. Daher fährt das Volks- vereinöflngblatt nach dem Hinweis, das;, wie die Erfahrung bezeugt, auch die Brot Preise durch den 7, Mark-Zoll nicht gestiegen seien, fort: Wohl aber hat ein sozialdemokratischer Schriftsteller, der NrichS- tagSabgeordnete Schippel. in seinem Werke „Grundzüge der Handels politik" festgestcllt, „das; alle deutschen Getreidezölle mit Einschluß desMark-Zolles von 1887 ein Sinken der Getreideprcise nicht zu hindern vermochten." Wenn die Zolle das Sinken der Getreide- Preise nicht anfhalten, wie können sie denn das Brot verteuern? Bezeichnenderweise erwähnt das sozialdemokratische Gegenflngblatt diese Stelle mit keinem einzigen Worte! Es fürchtet sich eben vor den Tatsachen, die „Genosse" Schippel darin feststellt. Und nun noch die „Hungersnot" von 1891-, gewiß war 1891 ein Tenernngsjahr, aber nicht infolge des 7, Mark-Zolles, warum hätte sonst in London, New sßork, Ehicago, Budapest der Weizenpreis auf einer Höhe ge standen, die seit zehn und mehr Jahren nicht mehr da gewesen? Ebenso war infolge allgemeiner Mißernten der Roggenpreis in den Roggenländern, die mit unserem 7, Mark-Zoll nichts zu tim hatten, ungewöhnlich hoch. Wie dieses Pröbchen, so ist auch im übrigen die sozial demokratische Polemik. Die Feststellungen des Volksvereins. Flugblattes werden Übergange», nmgedentet oder „frech" geleugnet-, zugleich wird in wütenden Ausdrücken das Zentrum in Dingen, von denen das Volksvereins-Flngblatt gar nicht redet, angegriffen; das nennt sich dann „Wider legung". Natürlich fehlt auch nicht die Verlegenyeitsans rede, die sozialdemokratischen Anträge ans Zollfreiheit für die meisten Jndnstriefabrikate und ans Lnrnsartikel hätten mir eine „taktische Bedeutung" gehabt. Interessant ist. das; dabei steht: „zunächst mir." Was für eine Bedeutung hatten sie denn sonst noch? Bekanntlich hat das sozial demokratische Gewerkschaftsorgan der Hut- und Filzwaren- arbeiter am 10. Juli 1902 diese andere, „weitere" und wirkliche Bedeutung in die Worte gefasst: Sv berechtigt, wie die Interessen der »vnsnmenten. sind mich die der Produzenten, und wenn wir keinerlei Gnrnnlie haben, das; das Ausland seine Schutzzollmaner» einreißt, dann ist es töricht, Zollsreiheil zu verlangen und dent s ch c A r beit e r dad n r ch d e r Not ansznliefern. An solchen Dingen drückt sich mit der gesamten sozial demokratischen Presse natürlich auch die Bnchdrnckerei Grinipe' Elberfeld zaghaft vorbei. ^Protestantismus und Pharisäismus. Der Artikel „Katholizismus und Jesnitismns" in Nr. 82 S. 8 des „Dr. Anz." ist so typisch für die An schauungen der maßgebenden protestantischen Kreise, nationa listischer, wie auch meist orthodorer, das; cS sich wohl lohnt nochmals ans denselben znrückznkommen. Zwei Momente sind es, welche in diesem Artikel hervortreten. Selbst- gerechtigkeit und Mißtrauen gegen die katholische Kirche. Wie nun der Verfasser schließlich dazu anfrnst, das; der Jesnitismns vom Katholizismus getrennt werden müsse, so möchten wir dagegen rufen, daß zur Anbahnung sried licher Zustände vor allem der Pharisäismus vom heutigen Protestantismus getrennt werden muß, welcher sich in demselben breit macht. Die Protestanten stellen ihre Sittlichkeit über die katholische, weil erstere als Zielpunkt die Eharakterbildnug, letztere aber den Gehorsam, das Befolgen der Gebote habe. Nun, die Protestanten nennen sich so gern „Evangelische", was sagt nun Ehristns, der Herr im Evangelium bei ent sprechender Gelegenheit? „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr in das Himmelreich nicht eingehen!" Das hervorlenchtende Merkmal des guten Kindes ist der Gehorsain gegen die rechtmäßige religiöse Autorität, wo ist also die wahre „evangelische" Kirche? Das Ziel jeder sittlichen Erziehung, auch der katyolischen, ums; die Bildung des Eharakters und Gewissens sein, um dadurch das Befolgen der christlichen Gebote herbeizusühreu. Jener Artikelschreiber des „Anzeigers" sagt: „Der Schüler, den nicht das eigene Gewissen zur Pflichterfüllung zwingt, sondern nur das Gebot des Lehrers, erfüllt seine Pflicht nur zum Scheine, um der Strafe zu entgehen; diese Scheinsittlichkeit ist die Sittlichkeit der Jesuiten »sw., mm wahrlich, dann hat die große Mehrzahl aller Schüler, protestantischer und katholischer, keine andere, als eine jesuitische Sittlich keit ; denn durch was wird denn die Disziplin in den Schulen aufrecht erhalten, als durch die Gebote der Lehrer? Und hat man »och garnichts über die zimehmeude Ver rohung der Jugend gehört, deren große Mehrzahl in Deutsch land doch Protestantisch ist? Wie pharisäisch selbstgerecht also ist es, die katholische Sittlichkeit niedriger stellen zu wollen, als die protestantische. Die Anleitung zmn sittlich-religiösen Leben kann freilich nach katholischer Anschauung mit der Schulzeit nicht auf- hören, daher die Gebote der Kirche. Predigt und Beichtstuhl, aber keine Strafandrohung der Priester, wie jener faselt, außer was darüber in der heiligen Schrift enthalten ist. Die Protestanten haben das meistenteils nicht nötig, sie stehen „auf eigenen Füßen" und das Ziel der protestan tischen Sittlichkeit, wie es jener Artikelschreiber so treffend schildert, ist au den meisten so weit erreicht, daß sie sprechen: „Zn was soll ich in die Kirche gehen, ich weis; schon was Dev australische Grbe. Roman von Edgar Pickering. Deutsch von Franz Paul. cw. Foryi'tzii»i;.> «Nachdruck Verbote».) 8. Kapitel. Sechs Monate waren verflossen, seit Mr. Selb») durch einen guten Freund nach Marlhnrst znrückgebracht worden war, wo er sofort das Bett anfsnchen mußte, das er 14 Tage lang nicht verlassen konnte. Tick Mortimer hatte ihn mit einer Sorgfalt und einem Geschick gepflegt, dem er vielleicht allein sein Leben verdankte. Als er sich soweit erbolt hatte, daß er zmn erstenmale das Bett verlassen konnte, war seine erste Frage nach seiner Erfindung, und von diesem Augenblick an sprach er nie mehr von dem Zweck seiner Reise nach London. Daß er den größten Teil seines Vermögens verloren hatte und daß die Familie die größten Schwierigkeiten haben würde, dnrchznkommen. ichien ihn nicht im Geringsten zu berühren und seine natürliche Heiterkeit nur noch zu erhöhen. Madge machte das Unglück sehr große Sorge, denn cs war ihr ganz klar, daß sie mm sich die größten Ein- ichränknngen anferlegen müßten, tun dnrchznkommen. Die Mutter, die gewöhnt war, jeden Monat ihr reichliches Wirtschaftsgeld zu bekommen, fand sich trotzdem sehr leicht in die geänderten Verhältnisse und so verlief denn das peben in Westdown-Honse in gewohnter Ruhe und Stille, als ob Mr. Selbys Vermögen und Geist nicht in gleicher Weise geschwächt worden wären. Mortimers Absicht, sich in eine Praris einznkanfen, war durch Mr. Sclbyö Krankheit verschoben worden. Un bemerkt war die Zeit verstrichen, seitdem er zmn ersten- male wieder in Whytelcas Manor erschienen war. in dem er mm seine Wohnung anfgeschlagen hatte, schon um seinem Patienten näher zu sein, ein Umstand, der seinen Onkel sehr zu erfreuen schien. Mr. Dormann, der einige Wochen lang die Lange weile von Whyteleas-Manor ertragen hatte, hatte sich mm eine Wohnung in London genommen, was ihn jedoch nicht hinderte, in kurzen Zwischenräumen mit großem Pflicht eifer seine Besuche bei dem Onkel abznstatten, und so war denn mit Ausnahme von Mr. Selbys Krankheit nichts geschehen, was als besonderer Merlsteiu im Flusse der Zeit hätte gelten können. Der Winter war hereingebrochen, hart und weiß, und Whyteleas Manor erschien noch ver lorener als sonst, von einer Trostlosigkeit, die jeden Be sncher hätte vertreiben müssen, wenn ihn nicht die Bande der Liebe dort festhielten. Von Tag zu Tag war Dicks Liebe gewachsen und MagdeS Zuneigmig zu ihm, wenn sie sah, wie ihr Vater unter seiner sorgfältigen Pflege Gesnndheit und Kraft wieder erlangte. In London verbrachte Mr. Tormann seine Tage mit den verschiedensten Beschäftigungen. Er erhielt regelmäßige Geldsendungen von seinem Vertreter in Sidney und ver säumte es nie, den Rat Mr. Scripp's einznholen. um diese Beträge, die oft sehr bedeutend waren, gut anznlegen. Er hatte seine Farm verkauft und das Geld bei einer Londoner Bank deponiert, von der er von Zeit zu Zeit ganz bedeutende Summen abhob. ohne daß Jemand wusste, was er mit dem vielen Gelde anfing. Ec spekulierte nicht, auch seine persönlichen Ausgaben waren nicht groß genug, um zu erklären, worauf er Tausende von Pinnd verwendete, und trotzdem hatte er zu den verschiedensten Zeiträumen sich solche anSzahlen lassen. ch ch ch Auch in dem Bureau der Herren Scripp und Mörder war nichts Neues vorgefallen, Alles lief seinen alten Ge schäftsgang. „Sie sind noch nicht in den Bock gespannt worden, Mörder", bemerkte Mr. Scripp. der, wenn er guter Laune war, es liebte, grobe Späße zu machen, „Sie sind doch vernünftig genug gewesen, meinem Rat zu folgen. Wo würden Sic jetzt stecken, wenn ich nicht wäre?" Mr. Mörder blickte trübselig drei». „Es gibt doch andere Vergnügen, als in den Bock gespannt zu werden, wie Sie sich anszndrücken belieben", erwiderte er. „doch Sie können ja meine Gefühle nicht verstehen. Mr. Scripp". „Liegt mir auch wenig ans", antwortete sein Kom pagnon. „Gefühle hätten die Pattisonsache nicht heraus- gerissen und Sie würden jetzt nicht in diesem Sessel sitzen, wenn ich nicht gehandelt hätte, sprechen Sie mir also nicht von Gefühlen". -f-- P „Wie man's nimmt!" — mischte sich Mortimer drein, des Onkels stechenden Blick fest anshaltend. — „Uebrigens hatte ich ja zu Hanse keine Gelegenheit, besseres Glück zu machen," fügte er hinzu. „Hat mir einen Hanplsyaß gemacht." grinste der Onkel, „7,00 Pfund Jahresrente ans Nimmerwiedersehen verloren, was? — Doch was geschehen ist, ist geschehen, wir wollen darüber nicht weiter sprechen. Freue mich, das; Du ge kommen bist. Platz ist für Dich genug in dem alten Hanse, ! solange Tn mir bleiben willst!" Mit diesen Worten gingen die beiden voran in das Speisezimmer. Ter Hausherr in der Mitte des langen Tisches. Mortimer an dem einen Ende und Donna»» am andern gaben keine allzu fröhliche Gesellschaft. Die Mahlzeit wurde stillschweigend verzehrt und nachdem die Tischdecke abgenomnien war, spielte die Mnsikdose ihre zwei Stücke herunter. Dann schleuderte Dormann ans dem Zimmer und der Alte forderte Mortimer a»f, sich näher zu ihm heranznsetzen. „Fange an, schwer zu hören, mein Sohn," flüsterte er, „kann sein, das; die Natur es so null, damit die Leute den Tod nicht kommen hören, mich geniert er nicht. Was hälft Du von diesem Dormann?" „Es ist sehr schön von Ihnen, meine Meinung ein- znholen," erwiderte Mortimer. „Er hat Geld gemacht und erhalten, so muß er doch in Ihrer Achtung hoch stehen, nicht wahr?" „Verstehe nichts von Deinen Witzen." antwortete der Alte, „aber ich weiß, daß er sein Vermögen nicht ver geudet hat. Ist ein schlauer Bursche und ich vermute, Whyteleas - Manor würde unter seiner Herrschaft nicht leiden. Aber ich kann seine Sprechweise nicht ansstehen, auch seine Angen gefallen mir nicht, »nd ich verstehe mich darauf. Dick." ,Fortsetzung folgt.)