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Nr. L«L »«. Jahrg. ^ermspreche»: «Redaktion 2136« — Geschäftsstelle 150,6 Postscheckkonto: Dresden 9lr. 14187 SÜM'schc Dienstag, 3. Mai ISA Redaktion und Geschäftsstelle: Dresden-A 16, Holbeinstraße 4« VolfsreLmna v«zu,»dr«i«i «lerlcljShrllch srei Hau» ««»«ab« 4 mit illustrierter «eil-,» I».V5 4». ««»a«d» ^ ^ einsihlleblich P-sibcstellzeld ,Ie Slichsische BollSzeUnng erscheint a» allen Mochentauen nachm. - «prechsinn»- der StedaNian: »L »i» »» U»r »arm. «»..laen. «nnadme van Ve,chllstkanz.il>-" r>» I« Uhr. von F-milt.n-n,eigen dt» 11 Uhr Varn,. - »reis sür di. «°tit.SV°>'z.ile 14« > im ReNamet.tl S.SV Famiiienanzeigen I.»« ^ - Für undeutlich gesch-i-d-ne. sowie durch Fei°n»en wir di. Beraniworiiichtei. sü. die Mchtigiei. de. Textes nicht -vernehmen MllM »!k WM MMMtlW Von Reichsminister a. D. Erzbergec Meine kürzlich erfolgten authentischen Darlegungen an diesem Orte erbrachten de» schlüssigen Beweis für folgende drei Tatsachen: 1. Die päpstliche Friedensvermittlung setzte erst nach der Friedensresolution vom 19. Juli 1917 ein; diese war in Deutsch land ein wirksamer Bahnbrecher für die Weltaktion des Papstes. 2. Der Heilige Stuhl tat alles mögliche, um einen gerech ten Frieden für die Welt zu erlangen. 3. Die deutsche Regierung ihrerseits vereitelte die päpstliche Friedensaktion durch zu späte und völlig ungenügende Antwort ans die päpstlichen Vorschläge. Mag aus dem Kriege und der großen politischen Krise des Sommers 1917 noch so viel umstritten und ungeklärt sein — diese drei Tatsachen stehen schon heute fest. Freilich haben die deiitschnationalen Blätter, welche nachweisbare Fälschungen gegenüber den Darlegungen des Jesuitenpaters Leiber begangen haben, weder von dem Protest desselben »och von meinen Dar legungen Notiz genommen; ich habe das nicht anders erwartet und rechne auch damit, daß diese Lügen und Fälschungen immer wieder anftreten werden — obwohl in den letzten Tagen unge mein wichtiges Material und gewichtige Zeugen für die Rich tigkeit meiner Schilderung ausgetreten sind. Da steht in erster Linie ein hochbedeutsamer Artikel deS »Oiservatore Romano", der zunächst Wert darauf legt, zu betonen, daß Pater Leiber, wie er das selber in seinem Ak>- wi brartikel erklärte, keine vatikanischen Dokumente benutzte. Das vatikanische Blatt stellte dann über den ersten Besuch des NnntiLs Pacelli am S6./27. Juni 1917 fest, daß der Nuntius ,in jener Begegnung dem Kanzler kein Friedensprojekt und noch viel weniger die verschiedenen Punkte der päpstlichen Friedensbotschaft unterbreitete", es hebt weiter hervor, daß der Nuntius sich auf die Anfrage beschränkte, „welches die Kriegs, und Friedensziele der deutschen Regierung wären", und es stellt endlich die erschütternde Tatsache fest, daß die Antwort der deut schen Regierung auf die nahezu vier Wochen nach der Neichs- tagsresoluiion unterbreitete päpstliche Friedenskund gebung „ganz anders als befriedigend ge wesen ist". Au diesen drei vom vatikanischen Blatt authen tisch festgestellten Tatsachen kommt kein Politiker und kein Histo riker mehr vorbei; nur Romanschreiber können sie ignorieren oder umdeuten. Gegen gewisse Strömungen hebe ich nochmals mit Nachdruck hervor: Tatsache ist und bleibt: vor der Frie- deuSresolution des Reichstages nur eine Anfrage Roms über unicre Kriegsziele — nach der Friedensresolution dagegen der Beginn der päpstlichen Friedensvermittlung selbst. Mit dieser vatikanischen Schilderung aber steht in vollem Einklang das deutsche Akte „material, wie es Scheidemann in seiner Schrift «Papst, Kaiser und Sozialdemo kratie in ihren Friedensbemühungen im Sommer 1917" der Leffentlichkeit übergeben hat. Das Aktenmaterial ist authen tisch, es ist mir seit geraumer Zeit bekannt, ober es ist nicht er schöpfend. Sowohl im Auswärtigen Amte, wie in der Reichskanzlei liegen noch eine Menge weiterer Doku- mente, die von ergänzender bekräftigender Bedeutung für die Beurteilung der gesamten Vorgänge sind. ES sei zunächst nur an das Protokoll der KronratSsihung vom 11. September 1917 eriuuert, an den daran sich anschließenden Briefwech- se! zwischen Michaelis. Hinden.burg und Luden- dorff, an die so jämmerlich gescheiterte Neben, aktion eines spanischen Diplomaten im Septem- ber 1917, die auf deutsches Ersuchen eingeleitet wurde, obwohl mau wissen mußte, daß Spanien jede Vermittlung ablehncn würde, an gewisse Briefe an den Reichskanzler M-chaelis, die ihn mit nicht wicderzugebenden Ausdrücken warnten, der Vermittlung NomS zu folge» usw. Aber schon das, was Scheidemann veröffentlicht, genügt, um zunächst fest- zustellen, daß der päpstliche Verhandlungsvorschlag erst nach Annahme der FriedcnSresolution des Reichstages Berlin unter- breitet wurde und daß erst Ende Juli 1917 die päpstliche FriedeuSvermittlung emsetztc und zwar mit internationalem Hochdruck. Mit tiefer Erschütterung liest man. wie Anfang Au- gu't der Münchener Nuntius immer wieder um Antwort bittet, drängt und fleht, ja selbst kommen will, um sie zu holen — aber Berlin winkt kühl ab und Michaelis schreibt gar noch a» unseren Botschafter in Wien, daß er die „Angelegen- heit ziemlich dilatorisch behandeln" werde, nach außen aber wollte dieser politische Stümper die „Gegner ins V> recht sehen". Ende August 1917, nachdem der englische Ge- sandte am Vatikan die hochbedeutsame Note mit der Anfrage üler unsere Kriegsziele und das Schicksal Belgiens übergeben hatte, seht von allen neutralen Seiten das Drängen auf die Regierung ein: „Gebt Belgien frei." Msgr. Marchetti in Bern wird besonders deutlich — alles nach der ^riedens- resclution —. er sagt mit aller Bestimmtheit: „Scheitere diese Aktion, so könne man sich die Zukunft gar nicht dunkel genug ausmalen und besonders das Schicksal der Zentralmächte würde ein schreckliches sein." Nuntius Pacelli in München arbeitet mit voller Hingabe jeden Tag für das Gelingen der päpstlichen Aktion; immer wieder sagt und schreibt er: Belgien! Alles um sonst. Die deutsche Regierung verspricht zwar den «bge- ordneten, daß sie da« gebotene Wort über Belgien vertraulich dem Vatikan übermitteln werde, aber das geschieht nicht. Da macht der Nuntius am 20. September 1917 im Aufträge des Kardinalstaatssekretärs einen letzten Versuch: „Der Heilige Vater möge von Deutschland ausdrücklich ermächtigt werden, un- seren Feinden die Worte der deutschen Antwort, .die auf die Jriedensresolution des Reichstages Bezug nehmen, so zu inter pretieren, daß sie die Punkte 3 und 4 (Kriegsschäden und Bel- g'en) einschließe." Also der Vatikan sieht am 20. September die sogar nur äußerst knappe Erwähnung der Frie de n s r e s o l u t i o n n o ch a l s B r ü ck e an, um zum Frieden zu gelangen. Rom will mit der Veröffent- lichung der deutschen Antwort noch warten, bis diese deutsche Erklärung vorliegt. Am 22. September 1917 wird jedoch dem Vatikan vom Auswärtigen Amt mitgcteilt, „daß nichts mehr zu ändern i st", worauf Pacelli erwiderte, daß „n a ch Ansicht des Kardinal st aatssckretärs die Frie- der. Sektion des Papstes damit als gescheitert anzusehen sein dürfte". So die amtlichen deutschen Dokumente, die nur ein kleines nicht erschöpfendes Bild der unermüdlichen Tätigkeit der Kurie nach Annahme der FriedcnSresolution für Herbeiführuntz des Weltfriedens geben. Roin arbeitete im August und September 1917 tatsächlich fieberhaft für den Frieden. Die deutsche Regie rung aber behandelte die Sache „dilatorisch" und dachte nur daran, wie sie das „Odium des Scheiterus auf unsere Gegner abt >älzcn" könne — ganz „wie ich sie auffasse". Deutsche Dokumeute und vatikanische Darstellung stimmen in einem vollkommen überein: Rom hat seine ganze Weltkraft für die Herbeiführung des Friedens eingesetzt; es tat es mit bescnderem Nachdruck in den Monaten August und Septem ber 1917, nachdem der Reichstag die FriedenSresolution an genommen hatte! — Das genügt vorerst! (Eigener Drahtbericht der «SSchs. Volk« Teilung".) Zwickau, 3. Mai. Gestern abend veranstaltete die Ortsgruppe Zwickau der Sächsischen Zentrumspartei im Saale deS „Deutschen Kaiser" eine öffentliche Versammlung, in der Herr Landtagsabg. Hehlern über die gegenwärtige Lage sprach, wobei er besonders die Kulturfragen behandelte. Dabei kam er auch auf den „Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Artikels 146 Absatz 2 der R e ich S v e r fa s s u n g" *) zu sprechen, und machte dazu fol gende bemerkenswerte Ausführungen: Der solange erwartete Retchssch ulgesetzentwurf ist vor einigen Tagen dem Reichstage zugcgangen. DaS Reichs schulgesetz soll den Ilebergangszustand, der uns vor altem hier in Sachsen so außerordentlich viSl zu schaffen machte, besei- tigen. Das Reichsschulgeseh soll die Möglichkeit bieten, auch die in Sachsen im ersten Sturme der Revolution verloren gegange nen katholischen Schulen neu zu errichte». Da möchte ich gleich sagen: ein Reichsschulgeseh, das nicht die Möglichkeit bieten würde, die gewaltsam genommene katholische Schule von Zwickau wieder zu errichten, müßte als ungenügend bezeichnet werden. (Stürmischer Beifall.) Wenn ich mir nun den eben eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Artikels 146 Absatz 2 der Reichsverfassung durchsehe, dann muß ich allerdings offen und frei erklären, daß nach meiner Auffassung dieser Entwurf unter keinen Umständen in dieser Forin Gesetz werden darf. Dieser Entwurf entspricht meines Erachtens nicht dem Geiste des Artikels 146 Absatz 2 der Reichsverfassung, und zwar deshalb nicht, weil er derWill - kür in den einzelnen Ländern Tür und Tor offen läßt. Wenn wir daran denken, wie. Kultusminister Fleiß» er die Reichsverfassung auffaßt, dann erscheint eö unbedingt notwendig, daß von NeichSivegen allen Willkürgelüsten der Geg. »er der konfessionellen Schulen in den einzelnen Ländern ein Riege! vorgeschoben wird. Wir wollen die Freiheit, wir wollen nicht die Knebelung der Erziehungsberechtigten. Auch die An- Hänger der weltlichen Schule, auch die Anhänger der Simultan- schule sollen und können zu ihrem Rechte kommen. Mit dem- selben Rechte verlangen wir aber, daß in dem neuen Reichsschul *) Siebe Seite S der beutiaen Nummer. gesetz nicht einer Schulgattung der Vorrang gegeben wird. Wenn aber der Entwurf des Reichsschulgesetzes in dieser Form ange- nommen würde, dann bestände ohne Zweifel die Gefahr, daß di, Anhänger der Bekenntnisschule ins Hintertreffen geraten wür- den; ihr Wille würde gewissermaßen zu einem Mitbestim, mungsrecht zweiter Klasse herabgedrückt werden. Nun hat vor enngen Tagen auf der Generalversammlung des Oberbayerischen christlichen Bauernvereins der bayerische Baucrnführer und Neichstagsabgeordnete Dr. Heim in der ihm eigenen urwüch- s-gen Sprache erklärt: „Wir lassen uns von Berlin aus majori- sieren, soweit das Schnapsmoncpol in Betracht kommt, aber mujorisieren lassen wir uns nicht, soweit unsere Kinder in Be tracht kommen." Ich mache mir selbstverständlich diese Sprach« nicht zu eigen, wie ich ja überhaupt nicht in allen Punkten de« Politik des Herrn Dr. Heim zu folgen vermag. Aber in diese, Frage hat er insoweit recht, daß von einer Majorisierung de, Eltern nicht die Rede sein darf. DaS Mitbeslimmungsrecht der Eltern darf unter keinen Umständen verletzt werden. Ich hofft aber, daß auch Herr Dr. Heim einsieht, wie unbedingt not wendig die Regelung dieser Frage von Reichs wegen ist. Die Gefahr, daß das Mitbestimmungsrccht der christlichen Eltern verletzt wird, kann für die christlichen Minori täten in sozialistisch regierten Ländern wie Sachsen nur dann ge- bannt werden, wenn auch die auf christlichem Boden stehenden Abgeordneten Bayerns gemeinsam mit dem Reichszentrum für eine wesentliche Aenderung des Reichsschulgesetzentwurfes, der den Gegnern der konfessionellen Schule große Konzessionen macht, eintreien. Ohne der Stellungnahme der Zentrums fraktion des deutschen Reichstages zu diesem Ent wurf irgendwie vorgreifen zu wollen, darf ich doch vielleicht au tue Ausführungen erinnern, die der Zentrumsabg. Hermann H v f m a n n - Ludwigshafen anläßlich der Dresdner Kund gebung für die christliche Bekenntnisschule am 3l. Januar dieses Jahres machte. Abg. Hofmaun führte damals wört lich aus: „Es wird beim Zustandekommen deS Neichsschulgesetzcs notwendig sei», Garantien zu schaffen, um Minderheiten wie in Sachsen zu schützen. Im neuen „freien" Deut- schen Reiche wäre cs verhängnisvoll, wollte man in der so wichtigen Schulfrage das Elternrecht oder besser gesagt „den Willen der Erziehungsberechtigten" durch Majoritätsbeschlüsse in eine Zwangsjacke stecken." Und am Schluffe erklärte Abg. Hofmaun: „Unerschütter lich wollen wir unser Schulideal hoch halten. Sollten wir und unser Recht aber mit Füßen getreten werden, so werden wir uns in schärfste Opposition begeben. Oft schon sind Minderheiten, wenn sie mit aller Kraft einig und ge schlossen für ihr Recht eintrateu. über Mehrheiten siegreich hiuweggegaiigeii." Diese ArrSführungen müssen wir uns heute ins Gedächtnis zurückrufen. Sie beweisen unS, daß das Zentrum für di« Wahrung des Willens auch der christlichen Er ziehungsberechtigten unter allen Umständen ei »treten wird. Darüber kann aber ein Zweifel nicht be stehen, daß die beborsteheuden Monate, die ja auch auf sonstigem politischen Gebiete uns einen Sommer des Mißvergnügens brin gen werden, auf dein Gebiet der Schule kampfreich sein werden. Gewiß wird dieser Kampf nun in erster Linie im Reichstage aus« gefrästen werden müssen. Es ist aber unsere Pflicht, die Zen trum S f r a k t i o n in diesem Kampfe zu stützen und zu unterstützen. Auf dem 1. sozialistischen Knlturlag, der zu Ostern in Dresden stattfand, hat bekanntlich Kultusminister Fleißner erklärt, der Kampf für die sozialistische Schule sei ein eminent politischer .Kampf. Diese Kampfansage dürfen wir nicht nur registrieren, sondern wir müsse» sie aufiiehmen. Dem Kamps für die sozialistische Schule stellen wir den Kampf f ü tz die christliche Schule gegenüber. Alle Freunde der christlichen Schule müsse» zu diesem Kampfe aufgcrufen werden. So. wie die Dinge liegen, ist es tatsächlich ein politischer Kampf, der auSgesochien werden muß. Deshalb darf es in den kommenden Wochen und Monaten, wo es um daS ReichS- schnlgesetz geht, auch in den politischen Organisatio nen unserer christlichen Volks Partei, des Zen- trumS, keine längere Ruhepausen geben. Ans zuin Kamvfe für die christliche Schule, das muß die Parole sein, unter der die Arbeit der nächsten Zeit geleistet wird. Die Tätigkeit der Zentrnmsftaktion des Reichstages muh getragen sein von dem Bewußtsein, daß die Anhänger ohne Ausnahme geschlossen hinter ihr stehen, die Arbeit muß von diesem Bewußtsein getragen sein, wenn wir das hohe Ziel der Freiheit und der uneingeschränkten Berücksichtigung de? Willens der christlichen Erziehungsberechtig, ten erreichen wollen. (Stürmischer, langanhalteuder Beifall.) lieber den weiteren Verlaus der Versammluna werde» wir noch berichten.