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Nr. SO. Sonntag den LS. April 1808. 7. Jahrgang. Sächsische Nolksffitimg I Unabhängiges Tageblatt siir Wahrheit, Recht «.Freiheit I^ätip-Kakao garantiert sein. leiesit lözlicti. ^ k»kunct 35 Pfennigs, tiöctister üätirwert. Gerling L Kocß5trot>, Dresden. VerkgutbLtellen in slien 5ta«itteiien. 8eIeucliii^n95-Köi's)ei' kür 4»5 un4 kiektrirch in je<ter prelriag« ^s)3t1e uncj ok-ei5Vt/ei1e 6e5ckienl<Zttil<eI In tNeLLlnz, kupier, Viren eic., siieL eigen« llrreuznirse, empiekien köiime L kennen, Vikioi'iZSti'ZLe 9 -.»M. mit »»»nahm» der Sonn-und Frstta««. 80Mt)Z5iU5 ^uncj-^/a55e>':: lakn- dreme :: datier-?utver frei von 5-»o«. Lsttcvt UN- ckrrgt. xdäcklictmn fdairrpOm „wacht ans!" wacht auf, wacht auf, der Ruf erschallt, Frohlockend rings es widerhallt; wacht auf, denn heute Jesus Christ Vom Grabe auferstanden ist! wacht auf, wacht auf! Ihn grüßen wiese, Flur und Tal, Die muntern vöglein allzumal, (aut plätschernd hüpft der klare Bach Und ruft die Blumen alle wach: wacht auf, wacht auf! Die Lonne steigt aus goldnem Tor Nach dunkler Winternacht empor Und scheint verjüngt in voller Pracht Nach trauervoller Todesnacht, wacht auf, wacht auf! wacht auf, wacht auf! Der Herr der Welt Steigt aus dem Grab als Siegesheld, Von Todesbanden geht befreit Der Herr in Glanz und Herrlichkeit, wacht auf, wacht auf! wo ist der Stachel jetzt, o Tod, wer seufzet noch in Uampf und Not? Der Tod und Hölle überwand, Ist unser Siegesunterpfand, wacht auf, wacht auf! wacht auf! Die Fahne Thristi weht, Die uns voran zum Siege geht. Begrüßt mit Jubel Jesus Thrist, Der unser Heil und Retter ist. wacht auf, wacht auf! Osterglaube. Die Osterglocken wandeln um den Erdball. Vom frühen Morgen bis zun: späten Abend ertönt das Alleluja, beginnend in der heiligen Grabeskirche zu Jerusalem, sich durch Europa über das Meer, durch Amerika über den großen Ozean, durch Asien hindurch fortpflanzend, bis es wieder in der Grabeskirche sein Echo findet. Die ganze Erde feiert Ostern! Die Natur stimmt in den Jubelruf mit ein: „Christusist erstanden!" Diese Wahrheit von der Auferstehung Christi ist der Angelpunkt der christ lichen Lehre, wie schon der Apostel Paulus sagte. Der Tod des Welterlösers erschütterte die Erde und vollbrachte Wunder, wie das alte Jerusalem sie seither nie gesehen hatte. Es war der Schmerz der Natur, die selbst die Leichen wiedergab. Am dritten Tage zitterte die Erde wieder, aber sie jauchzte auf vor Freude, daß der so schwer gequälte Gottmensch in verklärter Gestalt aus seinem Grabe hervor gegangen ist. Die Auferstehung Christi steht so fest, wie nur irgend eine Tatsache der Weltgeschichte. Es gibt zwar Leute, di- ruhig an Romulus und Nemus glauben, die sich ereifern über die sagenhafte Existenz mancher Helden des Altertums, die aber Skeptiker werden und ungläubig sind, wenn es sich um die Tatsache der Auferstehung Christi handelt. Sie haben ihr großes Vorbild in dem Franzosen Rousseau, der sagte, daß er eher wahnsinnig werden würde, als glauben, selbst wenn er dem Akte einer Totenerweckung beiwohnen würde. Man sieht aus dieser Haltung deutlich, daß nicht die mangelhafte Erkenntnis die Ursache des Glaubens ist, sondern, daß es an dem Willen fehlt; wie schon der große Augustinus sagte, man muß glauben wollen. Mit unbegrenztem Glauben nimmt unsere heutige moderne Welt hin, was ein Afrikareisender über Zwerg völker im Innern des schwarzen Erdteils erzählt, was ein Luftschiffer in den höheren Regionen erlebt haben will, wie ein Bergsteiger Gletscherflöhe beobachtet bat, was ein Nordpolfahrer in den kalten Zonen mitmachte, was ein Taucher unten im Meeresgründe sah; man glaubt dies alles mit Wucht und Kraft. Die Auferstehung Christi aber, für welche Hunderte von Augenzeugen vorhanden sind, welche die Gegner des Auferstandenen bestätigt haben, für welche mehr als ein ganzes Dutzend von Augenzeugen die schwersten Martern erduldet und freiwillig in den Tod gegangen sind, welche hundert- und tausendfach beglaubigt worden ist. diese allein will man nicht'glauben, und tvarum nicht? Weil eben dieser Glaube seine Konsequenz erfordert. Wer an den Auferstandenen glaubt, der muß auch christlich leben. Der Glaube allein würde ja niemand be lästigen. Darum glaubt man so leicht, und hält das für wahr, was man uns aus unbekannten Ländern erzählt; das amüsiert den Geist, beschäftigt die Phantasie, fordert aber nichts vom Willen. Es ist eine Glocke ohne Klang. Nur der halbe Mensch wird von ihr erfaßt. Der christliche Glaube aber, der neben der Erkenntnis und aus der Erkenntnis heraus dem Willen daS unerbittliche Muß diktiert, ist eben wegen dieses „kategorischen Imperativs" in der modernen Welt so wenig beliebt. Man würde gern glauben, n>enn man dann sein Leben nach seinem eigenen Gutdünken ein richten könnte und einen Widerspruch Mischen Glauben und Mollen bestehen lassen würde. Unsere Leserschaft ist gläubig. Glauben und Leben gleicht sich bei ihr aus in schönster Harmonie. Das Leben ist das getreue Spiegelbild des Glaubens und darum können sie mit frohem Bewußtsein das feiern, lvas wir ihr wünschen: Fröhliche Ostern! Fürst Bittow beim Papste „Nack) Kanossa gehen wir nicht!" rief einstens der große Reichskanzler Fürst Bismarck aus, als er auf der Höhe des Kulturkampfes stand. Ter ganze liberale Troß klatschte sich dabei die Hände wund und trampelte mit den Füßen. Aber kein Jahrzehnt war verflossen und Fürst Bismarck befand sich auf dem Wege nach Kanossa; er ver handelte mit päpstlichen Abgesandten und schickte selbst Geist liche nach Rom, um zu einem Ausgleich zu gelangen; er war es, der den Papst als Schiedsrichter über die Karolinenfrage anrief und den Kulturkampf abbröckelte. Nicht ein Zeichen der Schwäche lag in diesen Schritten, sondern Kraft und Mut. Fürst Bismarck hatte eingesehen, daß der Kultur kampf ein Fehler war; darum beharrte er nicht auf diesem, sondern schlug andere Bahnen ein; wir können es nur be dauern, daß er nicht einige Jahre länger noch Reichskanzler geblieben war; dann hätte er mit dem Schutthaufen des Kulturkampfgesetzes gründlich aufgeräumt. Von seinen Nachfolgern hat keiner den Mut und die Kraft hierzu, auch nicht die erforderliche Autorität. Fürst Bülow ist nun auch in Rom; er hatte eine Audienz beim Papste und beim Kardinalstaatssekretär. Ist das ein zweiter Kanossagang eines deutschen Reichskanzlers? Jedenfalls steht die Tatsache fest, daß Fürst Bülow der erste Reichskanzler ist, der den Papst besucht hat. Was der Zweck dieses Besuches ist, wissen wir auch, aber er wird nicht er- reicht werden; dafür ist gesorgt worden. Fürst Bülow ist im Vatikan sehr höflich ausgenommen worden, wie sich da von selbst versteht. Aber man kennt auch in Rom die Politik des Fürsten Bülow sehr gut. Da steht zunächst im Vorder gründe der gegen die deutschen Katholiken geführte Wahl kampf; denn heute kann sich kein Mensch mehr darüber täuschen, daß dieser nur den Katholiken galt. Ein frei sinniger Führer hat dies erst vor einiger Zeir ganz offen zu einem rheinischen Abgeordneten gesagt. Der Wahlmacher des Fürsten Bülow konnte ja nach dem Wahlausfall vom „kurar protei-tantien» reden, der gesiegt habe". Wie tief dieser Haß sitzt, kann man an dem Vorkommnis im Kreise Tecklenburg sehen. Dort stellen die Konservativen den katholischen Regierungspräsidenten v. Gescher ans; dieser bekennt sich als Gegner des Zentrums und nennt sich „Nationalkatholik", er verspricht, den Konservativen beizu- treten — aber es nützt alles nichts, er findet heftige Oppo sition bei den protestantischen Wählern, weil er eben Ka tholik ist. Solche Früchte müssen aus der Verhetzung der letzten Wahl entstehen. War es doch der Reichskanzler selbst, der in seinem Silvesterbriefe von dem katholischen Glau bensbekenntnis der Zentrnmsabgeordneten redete. Kaum bat er nun auch eine schwache Mehrheit zustande gebracht, so benützt er diese zu Ausnahmegesetzen gegen Katholiken; wir erinnern nur an das Enteignnngsgesetz. das nur Katholiken trifft und an den Sprachenparagraphen, der auch nur gegen die Katholiken geht. Man lasse sich doch keinen blauen Dunst vormachcn mit dem Schlagwort Polen! Im Reichs- tage ist von der Mehrheit und der Negierung offen gesagt worden, daß diese Bestimmung nicht gelten soll gegen Littauer, Masuren und Kassnben; der sächsische Vertreter fügte sofort bei, daß sie auch nicht gegen die Wenden ange- wendet würden. Also bleiben noch übrig die Polen, Wallonen, Italiener, Galizier und Franzosen! Lauter katholische Volksstämme! Wer heute noch leugnen wollte, daß der 8 7 nicht gegen Katholiken gerichtet ist, der würde nur seine politische Naivität bekunden. Jedenfalls hat man in Nom sehr feines Verständnis für diese Fragen. Dazu kommt noch, daß der polnische Erzbischofsstuhl seit nahezu zwei Jahren nicht besetzt ist, man kann darin beim besten Willen kein besonderes Entgegenkommen gegen Nom er blicken. Nun sind bereits eine Anzahl Blätter in der Lage, über den Inhalt der Unterredung zwischen dom Papst und dem Reichskanzler recht ausführliche Darlegungen zu geben; wir brauchen nicht erst anzugeben, daß es sich um bloße Kom- binationcn und Aufschneidereien handelt! Es sieht fest, daß der Papst diese Blätter nicht informiert l>at und der Kar- dinalstaatssekretär noch weniger; dem Reichskanzler aber wollen wir auch nicht die Taktlosigkeit zuschreiben, daß er sich sofort nach der Audienz von einem liberalen Bericht erstatter ansfragen ließ. Man sieht also, daß es sich um leere Kombinationen handelt. Es ist ja kein Kunststück, solche aufznstellen, und so wissen bereits liberale Blätter, daß die Unterredung sich um Zentrum, Polen, die Mission usw. gedreht hat. Ein jeder Journalist kann eine solche Zusammenstellung machen. Wie zurückhaltend man aber in Ron, ist, lvenn es sich um das Zentrum handelt, wissen wir sehr genau und könnten darüber sehr interessante De- tails erzählen. Selbst Zentrumsabgeordneten gegenüber, die schon im Vatikan waren, ist diese Zurückhaltung stets ge übt worden. Es steht fest, daß keine Persönlichkeit im Vatikan die Unterredung auf das Zentrum gebracht hat; also müßte es der Reichskanzler gewesen sein, der sich über das Zentrum in Rom beschwert hätte. Wir können aber dieser Ansicht nicht beipflichten, denn damit hätte der erste Beamte des Reiches eine „fremde Macht" in die inner- politischen Verhältnisse des Reiches horeingezogen; er wäre dem Beispiele beim Septennatskampfe gefolgt und hätte sich in Rom einen Korb geholt. Gerade Pius X. läßt den deutschen Katholiken auf politischem Gebiete alle Freiheit; das hat er auf dem Essener Katholikentage durch seinen Spezialgesandten verkünden lassen und das hat er dann noch in einem Schreiben an den Kölner Kardinal bestätigt. Es bleibt somit nichts von der ganzen Unterredun; übrig, als daß es sich um einen Akt der internationalen Höflichkeit gehandelt hat, fiir den auf der Seite des Reichs kanzlers wohl politische Momente maßgebend gewesen sein können: daß sein Gesuch um eine Audienz nicht abgeschlagen werden konnte, war selbstverständlich. Aber wir legen Wert auf die Feststellung, daß die Anregung hierzu von Berlin ausging. Wenn einige liberale Kreise hoffen, daß dieser Besuch und die freundliche Aufnahme im Vatikan unter den Reihen der deutschen Katholiken Verwirrung anrichten würde und sogar dem Zentrum schaden könnte, dann sind sie auf dem Holzwege. Die deutschen Katholiken sind so ge witzigt, daß sie sich durch den Austausch von Höflichkeiten nicht über die wahre Situation hinwegtäuschen lassen. Im Zentrum vollends ist man politisch so gut geschult, um nicht die Absicht des Besuches zu durchschauen; man amüsiert sich höchstens über die nicht sehr schlaue Taktik der Gegner und freut sich, daß der „antiultramontane Reichskanzler" den Weg zum Vatikan gefunden hat. Was mag wohl Graf v. Homburg hierzu sagen? Politische Rundschau. Dresden, den 18. Avril 1»08. — Ter Kaiser in Korfu. Am Freitag vormittag wohnte die kaiserliche Familie einem Gottesdienst in der Schloß kapelle bei, an dem auch die Kronprinzessin von Griechenland teilnahm. — Es wird bestätigt, daß Kaiser Wilhelm auf der Rückreise von Korfu den östereichisch-ungarischen Kriegshafen Pola besuchen werde. Dort werden schon große Vorberei tungen für den Empfang getroffen; wahrscheinlich wird auch Erzherzog Franz Ferdinand nach Pola kommen. — Prinz Ruprecht von Bayern soll den, bayrischen Flottenvcrein die Wiederübernahme des Protektorats, für den Fall der Nichtwahl des alten Präsidiums in Danzig, angezeigt haben. > — Nach den B. N. N. schweben über die Verleihung deS Promotion-rechtes an die Tierärztlichen Hochschulen Berlin und Hannover zwischen den beteiligten Ministerien des Kultus und der Landwirtschaft Erwägungen. An scheinend ist die Angelegenheit dadurch in Fluß gekommen, daß in Sachsen die Promotion zur tierärztlichen Doktor würde im vorigen Jahre genehmigt worden ist. — Der frühere Reichstagspräsident Graf v. Ballrstrem begeht am 2l. Juni d. I. die Feier seiner goldenen Hoch zeit. G'af von Ballestrem wurde 1858 mit Hedwigis, Gräfin Saurma-Jeltsch lgeb. 1888) zu Tworkau vermählt. Er steht im 74. Lebensjahre. Der Ehe entsprossen neun Kinder, darunter sechs Söhne. — Gegen den Grafen Hohenau hat der Kaiser durch telegraphische Anordnung an das Kriegsministerium vom 13. April die Einleitung des ehrengerichtlichen Verfahrens angeordnet. — Dem Justizrat Bernstein wurde die Anklageschrift der StaatsaMvaltschaft am Landgericht Berlin l lvegen Be leidigung des Fürsten Eulenburg zugestellt. Die Beleidi gung wird in einigen Aeußerungen gefunden, die Justizrat Bernstein beim ersten Harden-Prozeß getan lmt. — Die Lösung der RcichSfinanzresorm hat sich der be- kannte Regierungsrat Dr. Martin sehr leicht gemacht; er April nachmittags. -WK WM* Wegen des Osterfeste- erscheint die nächste Nu» vier erst Dienstag den 21.