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Rr. »« Mittwoch, den V. Februar I01O V. Jahrgang Crlch^tut tSgttch uach«. mit SluS„Lhme der Sonn- und Festtage. at,,«anbe Mit .Tie Zeit in Wort und Bild- vierteljährlich- 2.1« .2. In Dresden durch Boten 2,1« ^ In gang Dcutlchland Niet HauS 2,52 .<k. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die Sgespaltene Peittzeile oder deren Raum mit LS ^.Reklamen mit S« ^ die Zeile derechnet, bet Wiederholungen entsprechenden Rabatt, Buchdruckerei, Redaktion und Geschäftsstelle! Dresden, Pillnttzer Strafte 18 — Fcrniprecher 18«« gürRückgabe uuverlauat. Schriftstücke keine Berbiadltchkett Redaktions-Sprechstunde: II-12 Uhr, Memento! „Tu bist Staub und sollst wieder zu Staub werden." — Ein ergreifendes Memento ist dieser Mittwoch in Staub und Asche! Ein Vorübergang des Herrn, ein Rauschen seines Engels Flügels schrecklich und doch heilsam, daß nicht das große Erschrecken zuletzt und zu spät über uns komme. Staub bist du! Dein Leben ein Traum, dein Fleisch wie Gras! Die Zeit vergeht und verweht alle die Deinen. Selbst das Reinste und Schönste wird ein vergessenes Grab und eine verklungene Liebe. Darum suche, was droben ist, wo Christus ist! Nette deineSeele! Dieser Pastorale Imperativ ist das Fazit jeder Aschermittwochsbetrachtung. Er sollte wie eine Kricgsfackel lodern, wie Sturmglocken läuten. Nette deine Seele! Das ist das Größte und Erste, das andere aber ist diesem gleich: Rette die Seelen deiner Brüder! Auch dieses Memento gehört zum Evangelium des heiligen und ernsten Aschermittwochs. Oft ichcint es, als hätten wir den tiefinncren Zusammenhang unseres Heiles mit dem des Nächsten aus den Augen ver loren, trotzdem der Meister das herrliche Wort von dem ge ringsten seiner Brüder gesprochen hat, ein schier unver geßliches — ein Wort des ewigen Lebens, das kommu nistische Manifest des christlichen Volkes, wenn man den Ausdruck recht versteht. Rette die Seelen deiner Brüder! In keiner Periode der Kirchengeschichte ist dieser Ruf dringender, weil — wie Heinrich Swoboda *) versichert — in keiner die Not der Seelen in den Groß- und Industriestädten furchtbarer ge wesen ist als in der Gegenwart. Die Industrie! Ja, wir verdanken ihr viel. Dennoch schwebt und brennt dem Seelenhirten oft das Wort auf den Lippen, das einst der Minister von der Heydt im preußischen Abgeordnetenhause gesprochen hat: ,.. . . Da mag doch lieber die ganze Industrie zugrunde gehen!" Imponierend, gigantisch ist die moderne Technik, ver heißungsvoll ihre weite Perspektive. Sausende Räder, kreisende Kurbeln, laufende Wellen, fliehende Riemen und tausend Hände geschäftig, des Feuers Krast zu verwerten. So steht Fabrik bei Fabrik. Mit der Schnelligkeit des Gedankens jagt der elektrische Strom die Menschensprache durch die Drähte. D-Züge blitzen über blanke Schienen. Kraftfahrzeuge beleben alle Straßen, und über den Spitzen unserer Kirchtürme kreuzen kühn und sicher die lenkbaren Schiffe der Luft. Ist das nicht wie ein moderner Turmbau zu Babel? Wie ein Rufen: „Bis an den Himmel, bis an den Him mel!"? „Wir sind die Herren der Welt! Feuer, Wasser, Licht und Luft — alles muß uns dienstbar sein! Wir sind Götter auf Götterburgen. Tief unter uns — zum Lachen klein — liegt nebelhaft das Märchenland des Christentunis, Christentum. Christus und Jehovah! Wir künden euch auf cwig Hohn!" So ist es, vielfach wenigstens. Die Erfolge des Geistes baden die Seelen geblendet. Fiebernd wie Goldsucher graben und wühlen die Menschen Tag und Nacht, Alltag und Sonntag im Staube, von dem sie genommen sind, ohne kaum ein einziges Mal an das „Staub bist .du!" zu denken. Das ist der „große Jammer", iiber den John Nuskin weint und von dem er sagt, daß er sich aus allen unseren Fabrik städten erhebt, deutlicher als der Qualm ihrer Hochöfen. *) Dr. Heinrich Swoboda. .Großstadtseelsorge". Regens« bürg, 19»9. In diesem Milieu, zwischen den schnaubenden Ma schinen, den gellenden Pfeifen, zwischen den Kindern des Unglaubens, den Rekruten der Revolution baut die Re ligion Jesu Christi ihre Notkirchen, brennt still und ver borgen die Demut des ewigen Lichtes, iiberstrahlt von dem grell-weißen Fluten elektrischer Bogenlampen, schlägt das Wort Gottes seine Kanzel auf, um gegen ein tosendes Meer von Irrwahn anzukämpfen, zu verkünden Christus, den Gekreuzigten, den Juden ein Aergernis, den Heiden eine Torheit, indessen sein heiliges Zeichen auf der Spitze eines Turmes, nicht höher als die umliegenden Mietskasernen, wie in tiefer Trauer herniederschcurt auf die verlorenen Söhne und Töchter. Diese Not zu beschwören, ist der oben genannte Autor auf den Gedanken moderner Papstrcisen gekommen. Ueber sein Venedig sollte Pius X. nach Müncl>en, Prag, Wien, Budapest fahren. Eine solche Reise würde sich wieder holen dorthin, wo kein kuror prolostantieas und keine freimaurerische Agitation sie gewaltsam verhindern. Man müßte sehen, welch eine moralische Kraft von dem Manne im weißen Gewände ausgeht. Vis in die letzte Mansarde empor würde Zeitung und Kindermund die seltene Kunde tragen. Und die Großen dieser Erde könnten sich dem Ein drücke des Jubels und einer alles dnrchglühcndcn Seelen- cinheit nicht entziehen. Mag diese Idee ein Traum sein und bleiben, aber die Tatsache, daß ein weit und tief blickender Gelehrter wie Professor Swoboda sie angeregt hat, beweist, daß er auf seinen Studienreisen durch die Groß- und Industriestädte Europas das Gefühl gewonnen hat, es müsse etwas Außer gewöhnliches, Elementares geschehen, um die Millionen und Millionen von Seelen, die das Leben und Treiben unserer Tage wegreißt im Hochwasser eines entsetzlichen Unglaubens, auf den Felgen der Kirche zu retten. Doch was immer man unternimmt, das Memento für die Getreuen: „Rette die Seelen deiner Brüder!" darf nicht fehlen. Sache des Hirten bleibt es nur, dieses Laien- apostolat modern zu organisieren. Aber ist es nicht zu viel verlangt, wo jeder sehen mutz, wie er das Licht seines Glaubens ohne zu verlöschen durch den Sturm bringt — vorsichtig, immer die Hand darüber, immer die Augen offen — für den Bruder zu sorgen? Nein! Können wir uns doch ihm nicht widmen, ohne unser eigenes Heil zu sichern. Zwar müssen wir nach dem Aus spruche eines katholischen Theologen Englands lOOOOmal mehr sein als gewöhnliche leichtlebige Katholiken, wenn wir unsere betörten und umnachteten Brüder zu Gott bekehren wollen, allein es ist derselbe, der uns dieses „zehntausend- nial mehr" suchen heißt in den heiligen Sakramenten, die Tag und Nacht in der Kirche strömen und rauschen und widerhallen wie der Gießbach in den Wäldern. Wenn uns die Kirche das Kreuz von Asche auf die Stirne drückt, wenn Gedanken von Sterben und Verderben die Seele durchbeben, dann soll im Lichte dieses erschüttern den Mementos ein Entschluß in uns reifen wie jenes ernste und eiserne: „Ich will mich aufmachen zu mei nem Vater!" — Und „der auf dem Throne" wird: „Amen!" sagen und eine Stimme wie des Heilands Stimm" wird rufen: „Bruder, nimm die Brüder mit, m i t z u u n s e r e m V a t e r!" Wohlan, gebt ihnen die Hand! Tann vorwärts — „bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen"! 8. Politische Rundschau. Dresden, den 8. Februar 1910. — Dem Herzog Ernst Günther zu SchleSwig-Holstein, Bruder der Kaiserin, haben bisher stets die Ehren eines Mitgliedes eines regierenden Fürstenhauses zugestanden. Diese Eigenschaft ist dem Herzog jetzt im Verwaltungsstreit- verfahren vom Kreistag abgesprochen worden. Die Frage wurde infolge der Beanstandung einer Wahl im Wahl- verbande der größeren Grundbesitzer ausgerollt. Als dem Herzog von diesem Urteilsspruche Kenntnis gegeben wurde, hat er sofort Auftrag erteilt, in Wahrung seiner Rechte den Bezirksausschuß anzurusen. — Erzbischof Amettr von Paris ist in Berlin einge- troffen; er besuchte gestern den Reichstag. Seine Reise ist in erster Linie eine soziale Studienreise. — DaS preußische Abgeordnetenhaus hatte bei der fortgesetzten Beratung des Jnstizetats am Montag eine Geduldsprobe zu bestehen, welche darin bestand, datz sie den Zi/zstündigen Ausführungen dcS sozialdemokratischen Abgeordneten Liebknecht zuhören mußte. Das Interesse an seinen sich im ewigen Einerlei wiederholenden Erörte rungen war allerdings so flau, datz selbst seine „Genossen" ihn über hatten. Justizminister Beseler wies seine An- würse aus die Justiz scharf und entschieden zurück und gab auf seine Anfragen gar keine Antwort. Die übrigen Redner aus dem Hause, wie Dr. Bell (Ztr.), Strosser (K.), Dr. Krause (Nl) waren darin einig, daß Liebknecht weniger eine Rede zum Justizetat gehalten hat. denn eine AgitattonS- rede. Die von den vorgenannten Abgeordneten geäußerten Wünsche fanden beim Justizmtnister freundliche Ausnahme.— Das Haus vertagt sich auf Donnerstag: Wahlrechtsreform. — Ein strafrechtlicher Schutz de» FernsprechgeheimuiffeS soll bei der Neubearbeitung des Strafgesetzbuches eingeführt werden. Nachdem bereits kürzlich in der Presse über diese Angelegenheit eine Mitteilung gemacht worden war, wird jetzt darauf hingewiesen, daß das Reichspostamt die nötigen Vorbereitungen bereits eingeleitet habe. Die rechtswidrige Mitteilung von Gesprächen durch Beamte an Dritte ist natür lich schon jetzt unter allen Umständen disziplinarisch strafbar. — Tic preußische Wahlrechtsvorlagc im Plenum ver abschieden will der freikonservative Führer Freih. v. Zedlitz. Er schlägt vor, über die Prinzipienfragen sofort im Plenum abstimmen zu lassen. Es handele sich dabei in der Tat zu nächst um ein paar Fragen von grundlegender Bedeutung: öffentliche oder geheime Wahl, direkte oder indirekte Wahl, Dreiklassenwahlsystem oder Pluralwahl, Drittelung inner halb der Gemeinde oder iin Urwahlbezirk. Für die Stellung nahme zn diesen Fragen bedürfe es Wohl für niemand noch der Vorbereitung durch eine Kommission. Die Kommissions und nachfolgende Plenarberatung bedeute in Wirklichkeit nichts als eine für das Endergebnis bedeutungslose, aber sehr viel Zeit erfordernde Wiederholung derselben Dis kussion. Betreffs der Beschlußfassung des Abgeordneten hauses bestehe wenigstens für die ersten drei Fragen schon jetzt kein Zweifel. Es liege daher auch gar kein sachliches Bedenken gegen die Herbeiführung ohne vorgängige Kom missionsberatung vor. Vielmehr sprechen Gründe von Ge wicht, dafür, gerade diese Fragen in der breitesten Oeffent- lichkeit zu verhandeln. Gehe man so vor, so bleibe für die KommissionSbcratung in der Hauptsache nur die Einzel beratung der Vorbedingungen für die Einreihung der Wähler in die Wahlabteilungcn. falls man nicht ohne weiteres der sinnreichen Lösung des Problems der Vereint Die neuen Forschungsresultate in Rordarabien. Vortrag des Unw.'rsitätr-Professors Prälaten vr. A. Musil. (Fort etzung.) Die Frauen und Mädchen holen die Stuten, satteln sic, lösen die Fußketten, die gewaffneten Männer springen in den Sattel und reiten in sprunghaftem Galopp zu den gefährdeten Herden. Während sie die einzelnen Zelte passieren, jauchzen ihnen die Frauen und Mädchen zu und die Krieger singen die herrlichen Hda'-Liedcr. In der Nähe der Feinde angelangt, rufen sie ihnen zu: „O, wie düster ist der heutige Tag für euch! O, wie unendlich weit entfernt sind eure Verwandten: nie werdet ihr sie wieder- sehen." Als ich einst die Rwala auf einem Kriegszuge be gleitete, antworteten sie: „Auf euren Pferden werden wir eure Kamele unseren Verwandten zutrciben" — und der Kampf beginnt. Er besteht aus einer Menge Einzel- gefechto, Mann gegen Mann, die von wechselseitigen Auf forderungen begleitet sind. Sind die Rwala stärker als der Trupp des bedrängten Lagers, dann verfolgt die Kavallerie mit dem Anführer den berittenen Trupp und hält die weitere Umgebung in Evidenz, wogegen die Kamelreiter das Zeltlager umzingeln und alles, was ihnen gefällt, als Beute aufladen. Ten Frauen geschieht von den Rwala gar nichts, — ja jede Frau, jedes Mädchen kann sich von dem Sieger ein Lasttier erbitten. Es ist schwer, Beute zu machen, aber noch schwieriger, die Beute in Sicherheit zu bringen. Der Notschrei des ansgeplünderten Lagers wird von den auf höchsten Punkten postierten Wachen zu anderen Lagern derselben Abteilung oder desselben Stammes hinübergeleitet nnd die Stammesgenossen eilen sofort zu Hilfe. Zuerst die Kavallerie: wird auch diese zurückge schlagen, oder kommt sie zu spät, dann werden die Kamel reiter mit Proviant für mehrere Tage ja Wochen ausge rüstet und diese folgen nun tage- ja wochenlang dem sieg reichen Feinde, den sie gewöhnlich einholen, weil er durch die erbeuteten Kamelherden gehemmt wird. Nun trachten die Verfolger den Feind zu umgehen, das nächste Wasser an seiner Route vorher zu besetzen oder ihn des Nachts zu um zingeln und zur Kapitulation zu zwingen. Eine Parallele zu der biblischen Erzählung, wie Abraham die baby lonischen Vasallcnfürsten verfolgte und Lot befreite. Gegen die großen im Innern Arabiens lagernden Stämme ist die Regierung geradeso ohnmächtig, wie es einst die Römer waren. Diese Stämme sind unabhängig, und wer in Ara bien als Forscher erfolgreich arbeiten will, darf nie als Europäer anftreten, sondern er muß Beduine werden. Dazu gehört eine genaue Kenntnis der Sitten und Ge bräuche, nicht weniger als vollständige Beherrschung der verschiedenen Dialekte. Daß jedoch bei aller Vorsicht die wissenschaftliche Durchforschung Arabiens zu den gefähr lichsten Unternehmungen gehört, ist allbekannt. Kehrte doch vor kurzem erst wieder eine Expedition, und zwar diesmal eine englische, ohne das eigentliche Forschungsgebiet be treten zu haben, ohne jedes Ergebnis aus Arabien zurück, trotz der kostspieligen Ausrüstung. Ja der deutsche For schungsreisende Burchardt und der Italiener Benzoin ver loren vor wenigen Wochen in Arabien ihr Leben. Und doch arbeiteten diese beiden Männer der Wissenschaft in dem so genannten „glücklichen" Arabien, wo sie überall Dörfer finden konnten und nicht in der unermeßlichen Wüste des öden Nordarabien. Nordarabien blieb bisher unerforscht, unbekannt, un bekannter noch als Zcntralafrika oder Zentralasien. Warum? In Zentralafrika oder in Zcntralasien findet der Forscher meist überall fließende Wasser, infolgedessen .auch Pflanzen und Tiere, hat somit den Tod durch Durst oder Hunger nicht zn befürchten. Aber in Nordarabien gibt es auf einer Fläche, die größer ist als Oesterreich-Ungarn und Deutschland, kein einziges fließendes Wasser, ja in einem Gebiete von 160 000 Quadratkilometern (Bayern und die österreichischen Alpen- länder zusammen) nicht einmal einen Brunnen. Und die wenigen gewöhnlich 150—300 Kilometer voneinander ent fernten Brunnen sind oft bis 120 Meter tief und verlieren, wenn drei bis vier Jahre kein ausgiebiger Regen fällt, das Wasser. Dazu kommen die plötzlichen Temperatur- schwanknngen von 13 Grad Celsius unter Null bis 60 Grad Celsius Wärme in der Sonne, die ununterbrochenen Kämpfe der einzelnen Stämme, die Habgier und das Miß trauen des Einheimischen, die jede Forscherarbeit, wenn nicht vereiteln, so doch bedeutend erschweren. Ich arbeitete auf acht Forschungsreisen als biblischer Topograph und Ethnologe an der Westgrcnze von Nord- arabicn in den biblischen Ländern Moab und Edon, die wir kurz Arabia Pctraea nennen. Die wissenschaftlichen Ergebnisse dieser meiner For schungen sind niedcrgelcgt in den mehrbändigen Publi kationen, welche die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften unter den Titeln Kusejr'Amra und Arabia Petraea