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Nr. 4 Tonnerstag, den 6. Januar IVIO V Jahrgang ikrlchc».-.; tötzllch ur.chm. r.ül Nurnuhme der Sonn- und Festtage. AuSnabe Mit .Die Zeit tu Wort und Bild" vierteljährlich- 8ÜIV In Dresden durch Loten Deutschland srei Hau! Ä,52 .X. «,4« In ganz dluSaabe Ohne illustrierte Beilage Viertels. 1,8« I» Dresden d. Boten S.1« In ganz Deutschland srei Haus »,«» -«iinzcl-Nc. 1« 4- - ZettungSpreiSl. Nr. «858. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die «.gespaltene Pctiizeile oder deren Raum mit 15 Z, Reklamen mit 5« § die Zeile verecknet, bR Wiederholungen entsprechenden Rabatt. Buchdrmlerei, Redaktion »ud Geschäftsstelle: Trcsdcu, Pilliitger L«ras<o r:r. — Fernsprecher HiS« Jür Rütkgalie unverlangt. S christstn-ke keine Verbindlichkeit RedaktionS-Tprechitunde: lI 12 Uhr. „Dk! sie den Stern sahen . . Wenn die Sonne untergeht, wenn sie ihre glänzende Musst auLklingen läßt in die überwältigende Pracht eines großen, 'feierlichen „Do Daum", dann leuchtet, wie aus ihr geboren, wie ein abgesprungener Funke ihrer Feuerkugel, still strahlend in himmlijchschöner Demut der Abendstern auf. der Freund der Hirten und der Wanderer. Auch die Weihnachtssonne ist nntergegangen. Noch klingt in unserer Brust ihre Zaubennelodie, da steht schon am Firmanient der Wunderstern des Königstages. Wie er glitzert! Als spräche ein Geist aus ihm. der uns etwas sagen wollte und sagen mutzte, etwas Dringendes, allein Notwendigdes, Ewiges, das uns die Augen öffnen, die Fesseln lösen und den Flug richten würde — himmelwärts. Ein Evangelium von Sternenglanz und „überaus grotzer Freude" ist das Fest der heiligen drei Könige. Es gießt eine himmlische Atmosphäre um nnS aus, in deren Klarheit wir «ufatmen und ausjudeln. Sie macht uns morgensrisch den Mut und verjüngt unsere Kraft. — Nun zage und verzage nicht! Dein Heiland lebt! Vorwärts! Den Königen nach, die wettergebräur.t, staubbedeckt, wander müde, aber aus echt, stolz und königlich an der Spitze einer jahrhundertlangrn Prozession ziehen, voll majestätischer Ruhe und doch glühend vor Sehnsucht, unruhig — bis sie „ruhen in dir". „Da sie den Stern sahen, hatten sie eine überaus große Freude." „Oavim sunt Muäio rna-Ux? vs-IckaJ — UeberauS große Freude! Wie ein Wahlspruch bietet dieses Wort sich an. Weihnachtsglocken singen darin: „Freue dich, freue dich, 0 Christenheit!" Christen nsüssen fröhlich sein! „Nicht wie tiefe Ab- gründe, die ewig in ihrem eigenen Schatten schlafen," sondern wie Berge, hoch und hehr, mit Gipfeln immer in Sonnenschein und Himinelsblau, mögen drunten Sturm wolken und Gewitter ziehen. — Die Zeit vergeht, auch die fröhliche, selige Weihnachts- zeit. Du Bethlehem, im Lande Juda, wir müssen Abschied nehmen! Einsain und verlassen werden deine Weiden liegen, verstummen deiner Hirten Jubcllieder, aushören deine Weissagungen messianischer Art. Nur deine Liebe bleibt, bleibt im Sskrament. Vor dem Tabernakel werden .jauchzen die Erlösten des Neuen Testaments, „und wem bürstet, der komme, und wer will, der nehme Wasser des Lebens umsonst". Eine Welt von Gedanken hat nnS Christus erschlossen. Gedanken vsn lauter Licht und Freude. Unser Festtag hat daran einen guten Teil. Es sind goldene Wegweiser zur Heimat Gottes. Je näher wir ihr kommen, je besser werden wir diese Flanmienzeichen sehen und verstehen, bis wir oben und am Ziele sind, den Stab hinlegen und den Boden küssen. Dann, heimgefundene Seele, freue ewig dich! 8. Die Früchte der konfessionslosen Schule und des Äloralunterrichtes in Frankreich. lieber Schulzustände in Frankreich wird von den Gegnern der christlichen Schule oft ein begeistertes Lob ge sungen, das in den Schlußsatz ausklang, daß die kon fessionelle Schule mit ihrem Moralnnterricht in Frankreich sich durchaus bewährt und unter ihrem Einfluß sich das sittliche Niveau des Volkes allgemein gehoben habe. Wenn wir die Franzosen selbst fragen, so ist mit dein Moral nnterricht in Frankreich niemand so recht zufrieden. Den guten Elementen ist er eil, Unding, weil eine Sittlichkeit ohne Religion ganz undenkbar erscheint, dem radikalen Flügel aber ist auch diese Morallehre zu viel, weshalb er stürmisch die Entfernung derselben ans dem Schulpro- gramme fordert. So verlangte der Kongreß der franzö sischen Lehrerschaft in Nanch im Herbste des vergangenen Jahres »nieder die Abschaffung jeglichen Moralunterrichtes, auch des konfessionslosen mit einer bedeutenden Stimmen Mehrheit. Wohin der KnrS der Lehrer Frankreichs geht, erstellt mail ans einer Resolution des Lebrerkongresses, der im Avril 1909 in Lyon abgebalten wurde. Dieselbe lautet: „Als völlig verwerflich muß man die Erziehung des Volkes durch den Staat betrachten; die jetzigen politischen Führer bedienen sich der Schulen, nm folgsame und treue Untertanen zu erziehen. Baldmöglichst muß anS der Schule und wie aus demselben Grunde jeder Einfluß des Staates wie der Kirche entfernt werden." lieber die Leistungen de?- Ncnschule beklagen sich selbst freiinanrerische Blätter in bitteren Worten: während im Jahre 1882 14 Prozent der französischen Jugend weder lesen noch schreiben konnten, ist ihre Zahl im Jahre 1900 schon aus 25 bis 30 Prozent angewachscn. Also weder Er- zieher noch ihre Anhänger sind mit der französischen Neu- schnle zufrieden. Aber auch die sittliche Hebung des Volkes im allgemeinen scheint nicht so sicher zu sein, wie sie ge- schildrrt wird. Seit Einführung der religionslosen Schule im Jahre 1882 hat sich die Zahl der Verbrecher unter 20 Jahren von 10 000 ans 41 000 vermehrt, während die Zahl der Jugendlichen sich um 80 000 verminderte. Nach dem „Journal offiziell" brachte das erste Halb jahr 1909 nm 6201 Heiraten weniger als die gleiche Periode des Vorjahres, dafür aber 6-13 Ehescheidungen mehr. Die Zahl der Geburten sank von 411-102 des Jahres 1908 auf 398, 710 im Jahre 1909 herab, d. i. ein Minus von 12 092 französis Heu Einwohnern. Dagegen nahmen die Sterbe- iälle um 26 019 Personen zu, so daß die Bevölkerung Frank reichs im ersten halben Jahre 1909 um 377 Köpfe weniger betrug, als in der gleichen Zeit des Jahres 1908. Seit dem Jahre 1870 ist die Geburtenzahl von 1 Million auf 700 000 gefallen; den großen Unterschied gleichen nun die noch gut katholischen Provinzen etwas ans; würde die Volksbewegung in den anderen Provinzen ebenso günstig sein, wie in den katholischen Teilen, so hätte Frankreich statt 32 um 16 Millionen mehr, d. i. 47 Millionen, Einwohner. Und nun noch eine Tatsache! Ter allgemeine Arbeiter verein hielt zu Paiii am Tage vor der Einrückung der Re kruten in der Tivoli-Halle eine Protestversammlung ab, in der folgender Beschluß gefaßt wurde: „Die am 26. September in der Tivoli-Halle ver sammelten .Kameraden, die morgen in die Kaserne ein* ziehen, nm eine Uniform anzuziehen, die Nolle verstehend, die man sie unter dem Vorwände, das Vaterland zu verteidigen, spielen lassen will, erklären, daß sie in ihren Regimentern ihre Pflicht als Kinder der ausge- benteten Arbeiter erfüllen werden, daß sie sich immer weigern werden, auf ihre Brüder, die gegen ihre Ans- sanger sich im AnSstande befinden, z» schießen, und das; sie im Falle eines allgemeinen revolutionären Aufstandes gemeinsame Sache mit den klassenbewußten Arbeitern machen werden." Nun komme ein Freund der Schule, der Größe erneS Volkes oder der inneren und äußeren Ordnung und sage, ob das religionslose Frankreich und seine Schule wirklich Früchie hervorgebracht hat. die auf die Hebung des allge meinen sittlichen Niveaus der Bevölkerung schließen lassen! Politische Rundschau. Dresden, den 6. Januar l'-OO. — Der Reichskanzler hat dem Kaiser über den Stand de-a prerßischru Wahlrrform letzthin Vortrag gehalten. Die bisherigen Verhandlungen des preußischen Ministerrates, die noch nicht abgeschlossen sind, haben das einmütige Fest halten an der öffentlichen Abstimmung ergeben. Die Arbeiten -sind soweit gediehen, daß man die Einbringung des Entwurfes im Landtage aller Voraussicht nach in einigen Wochen erwarten kann. — Zu Ehren der am 6. d. M. in Berlin auf dem Lnhattcr Bahnhof von Wien aus eintresfenden chinesischen M«rive-StuL>icnkowniission wird, da ein Bruder des Prinz- regenten und Oheim des jungen Kaisers an ihrer Spitze sielst, auf dem Bahnhof großer Empfang stattfinden. Gegen mittag empfängt der Oaiser den Prinzen und die Kommission. Nachmittags werden die Herren beim Reichskanzler den Tee eimrehmen und abends Gäste des Staatssekretärs von Tirpitz skin. Lm Donnerstag früh verläßt die Kommission Berlin, um in Stettin die Werkstätten des Vulkan zu besichtigen und abends nach Hamburg zu fahren, wo die Werft kan Blohm L Voß und die Stadt Hamburg besichtigt und abends die Stndiensahrt nach Kiel fortgesetzt wcrdcn wird. Am Scumabend werden Prinz Heinrich und seine Gemahlin di« Gäste zum Frühstück empfangen. Abends findet beim Prinzen ein Ball fiat!. Am Sonnabend reist die Kommission nach Essen zur Be- sichtrgnng der Kruppschen Werke, für die zwei Tage in Aussicht genommen sind. Am Sonnabend den ll. Januar fahreii die Herren über Danzig nach Petersburg. Von dort aus reifen dis Herren über Sibirien und die Man- dschurei nach Peking zurück. Der Rcgicriingspräsidcilt in Lppcl» soll den ge- maßregelten vier Lehrern in Kattowitz gesagt haben: „Sie miißlen den Kreisschiilinspektar fragen, wie Sie iväblen sollen!" — Dazu schreibt man »ns: „Das paßt ganz in das System hinein. Der Beamt» bat nach der Aiifsasiiing gewisser Kreise gar keine Rechte, er bat nur ans Gnade Anspruch, auch wenn es sich nni die erste» staatsbürgerlichen Freiheiten handelt. Seine Vorgesetzten soll er fragen, wie er zu wähle» hat! Eine solche Zumutung wird nicht einmal mehr in Rußland gestellt. Ter Oppelner Negieriingspräsideiit will durch diesen Ratschlag und die Strafen das Wahlresnlft.t fälschen; es fragt sich daher, ob nicht die Staatsanwalt schaft gegen dieses Gebaren cinziischreiten hat. Denn ein moralischer Unterschied besteht zwischen dem Stini- menkanf vor der Wahl und diesem Verhalten nicht. Sollten die bestehenden Strafvorschriftcn aber nicht aus- reichen, so muß der Reichstag neue und weitergehende schaffen. Tenn keine Behörde hat das Recht, ibre Unter gebenen zu drangsalieren und schikanieren." Der Zivliisteiikongrcß. I» Hambnrg bat der nennte Weltkongreß der Zionisten um die Weilmachtstage stattgc- ftinden, der von 4000 Personen besucht war, davon etwa die Hälfte Delegierte anS alle» Ländern der Welt. Die Zio nisten bilden denjenigen Teil des Judentums, der die Juden nach Palästina zurückfübren will, um dort im Unter- lanenverband der Türkei einen jüdischen Nationalstaat mit Jerusalem als Ha»vlstadt zu gründen. Sie werden in ihren Bestrebungen aufs schärfste bekämpft van einem Teile des Judentums, der die Idee eines jüdischen National- sraates für niidurchsübrbar hält und sie im Interesse des Judentums selbst bekämpft, das in seiner Zerstreuung über die Kulturländer ei» glänzendes wirtschaftliches Fort kommen bat und durch einen jüdischen Nationalstaat mit seinein nach dem schrittweise» Erstarken bervortretenden Machtbestrebnngen die Zirkel des Jndentnmes in Handel und Industrie gestört sieht. Daß aber die Zionisten» bewegung dennoch einen starke» Rückhalt besitzt, beweist dieser ihr Hamburger Weltkongreß. Ans deniselben wurde als das Ziel der zionistischen Inden bingestellt: Sie wollen im Lande ihrer Väter national leben, und sich national anslebe». Sie wollen im türkischen Staatenverbande eine Nationalität bilden, wie andere Nationalitäten. Die An erkennung ihrer Nationalität verlangen sie als Grund bedingung. Wenn die zionistischen Inden in Palästina wobiien, so »vollen sie das nur als türkische Reichsange- börige, als palästinische Inden, nicht aber, nm sich assimi- Ueren zu lassen. Palästina soll eine öffentlich rechtliche Heimstätte des Judentums werden. Aus der türkischen Provinz Palästina ein Königreich oder eine Republik d?r Jude» zu machen, sei nicht ihr Streben; das wurde mii^ feierlichen Worten ziirückgewiesen. Es ist interessant, diesen Gedankengang zu vernehme». Daß ein nationaler Juden staat in Palästina, der seinen Rückhalt in der Wirtschaft» licben Macht des internationalen Judentums hat, mit dev Zeit eine bedrohliche Gestalt für die Türkei annchmen und' sich selbständig machen würde, sobald die Verhältnisse dazu angetan, versteht sich doch eigentlich ganz von selbst. Die Wendung der Türkei znm Verfassungsstaat und dis freiere Gestaltung der Tinge wurde auf dem Zionistenkongreß' mit dröhnendem Jubel gefeiert. Und der Lockruf erscholl die Türkei brauche steuerzahlendc Bürger, die Inden wollen sie ihr geben, indem sie als Pioniere der Zivilisation Palä stina fruchtbar machen und industrielle Werte schaffen. Das ist ein hochgestecktes Ziel. Auf dem Zionistenkoiigres; wurde aber erörtert, daß mit der Industrie in Palästina nicht viel zu machen sei. da Eisen und Kohlen fehlen. Daß durch Auf forstungen mit Oelwaldnngen das Land die alte Fruchtbar keit wieder erlangen würde, ist wohl sicher. Aber wer von den Inden geht bin und nimmt diesen harten und kost spieligen Pionierdienst ans? Auf dem Kongreß wurden heftige Erörterungen darüber geführt, daß die Geschäfts führung des Zionisteiibnndes für die Judeneinwaiiderung in Palästina gar nichts tue, daß in Palästina nicht das ge ringste geschehen sei. Man verlegt sich aufs Abwarten. Daß diese Zionistenbewegnng die wohlhabenden Inden aus den K»lt»rstaaten der Welt nicht nach Palästina verpflanzen wird, ist selbstverständlich. Man möchte das jüdische Prole tariat, namentlich ans Rußland und Galizien, dorthin bringen, um de» wirtschaftlich starken Inden das Dasein z» erleichtern und ein Reservoir schaffen in Palästina, aus welchem das Judentum der Welt immer anfs neue ergänzt werden kann mit wirtschaftlich brauchbaren Kräften. — Die Alldeutschen sind nervös und schnuppern in den Visitenkarten der Diplomaten herum; da bat denn einer entdeckt: „Bei E. Günther, Berlin, Leipziger Straße Nr. 108 klinks am Eingang), befinden sich unter den im Schaukasten ansgestellten Visitenkarten, die folgenden: 1. To ftarnn clo Knolromiorlk, Tnvovö plömpotontairo nsw.. 2. I)r. Oiimpronlit. Oonmil nllomaml. Hlmiri«!, 3. eine analoge Karte, von der der Name mir enlsallen ist. Danach scheinen noch vi.le Ve.ireter des Reiches a»s die stolze Zvrachc ihres Volkes wenig Wert zu legen." Wir legen auf solche Nebensächlichkeiten keinen Wert; wenn die Herre>i nur g.ne Politik in chcn. In der Diplomatie war stets daS Französische die Nma.-.ng-o'prache ru.d das ändert alles Geichr. I d-r iiatioiiollib.i.il»n . Tag! Rundschau" nicht. Nrnjnlirsrniidschn'.i i» der Prcnc. Die protestan- ti'che .Deutsche Tage-r-ftg." bringt einen NeiijabiSartikel (ähnlich wie die „Kren'ztg."). den wir nls sehr erfreulich an die Spitze stellen müssen: da lesen wir die erbebenden Wvrle: „Am letzten Ende gelten g»ch unsere Kämpfe nur dem Reiche Golies ans Erden. Wer dieses große, hehre, bimmlische Ziel an? dem Auge verliert, der verzehrt und zermürbt sich im stampfe. Wer cs aber immer fest in Wegen dcS Festes der Hl. Drei Könige erscheint die nächste Nummer erst Freitag den 7. Januar 1010 nachmittags.