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Nummer 19k — 27. Jahrgang Erichetni emal WSchentl. mit den Ilwslr. BraltSbeNagen .Dl« Well' und .Für unsere Netnen Leute'. livvle de» Tertbellagen .EI. Penno-Biatl', .Unterhaltung und Wessen'. .Die Welt der Frau'. .Aerzlllcher Ratgeber'. .Da» gute Buch' .Ftlinrund. schau'. Monatltcher Be^ngSPretS 3 Mt. elnschl. Bestellgeld, riuzelnummer 10 4. Sonnabend- u. Sonnlagnummer 80 Hauvlschrlstlelter- Dr. G. DeSezyl. Dresden. SüchMye Mittwoch, den 29. August 1928 >0«»l»gSorti Dresden Anzeigenpreise, Dt« igespaltene Petttzeile 80 z.Famttten. anzeig«» ».Stellengesuche 80 4. Die Petitrellamezeile. 83mm breit. I Für Anzeigen auszerhalb des VerbreitungSgebiele» 404. die Petitreklaniezeile I.ltO^e. Ofserlengeb.80 4 Im Fall« höherer Bclvalt erlischt iede Verpflichtung auf Lieferung iowt« Erfüllung v. Anzeigen.Aufträgen u. Leistung v. Schadenersatz, Beschüstlicher Dell: Artur Lenz. Dresden. II o > rss e «tun a iSeichästSftelle, Druttu.ivrrlag: Germania, A^S. tür Berlag und Druckerei,Filiale Dresden, Dresden.A. l. Polierstraße 17. FernnitLlOlS. Postschecktonto Dresden ?7a3. Bauttonto Stadtbant Dresden Nr. «1713 Für christliche Politik uni» Kultur Redaktion der Sächsischen ivolkSzettung >t 1. Polierstraße >7. Fernru- 2071' und riOIL DreSden.AItstadt Der „Pakt von Paris" Der Krieg geiichlel im Gedenken an die Toten des Weltkrieges Die Unterzeichnung Paris» 28. August. Die Vertreter von 14 großen Nationen haben an, Montag Nachmittag in Paris den Kelloggpakt unterzeichnet. Der feier liche Akt fand im Uhrensaal des Außenministeriums statt. Es wird uns darüber berichtet: Es ist drei Uhr. Das vielsprachige Gemurmel verstummt im Saal, denn die Delegierten treten ein. Ihnen voran schreitet in prunkvoller Uniform, die blitzende Hellebarde in der rechten Hand, ein riesiger Schweizer. In dem grellen, geradezu sinnverwirrenden Licht erscheinen die 14 Delegierten gemessenen Schrittes: geführt von Briand und Kellogg treten sie in den Saal ein. Die Anwesenden erheben sich von den Stühlen und setzen sich erst, als die Delegierten Platz genommen haben. In der Mitte der Schmalseite, genau unterhalb der Uhr, fitzt Briand, ihm zur Rechten Dr. Stresemann, ihm zur Linken Staatssekretär Kellogg. Neben dem Reichsaußenminister «i»mt der Belgier Hymans Platz, neben Kellogg Englands Bevollmächtigter, der überlebensgroße Lord Lushendnn. Auf der linken Längsseite Italiens Botschafter, Gras Manzoni, der Sonderdelegierte des Mikado, Graf Uschida, der polnisch« Außen minister Zaleski, der Tscheche Dr. Vcnesch. Die übrigen Dele gierten an der anderen Seite des Tisches. An dem freien Jnnenraum des Hufeisens ein Tisch, auf dessen Glasplatte das Dokument des Kriegsächtungspaktes liegt. Golden blitzt der Federhalter, den der Bürgermeister von Le Havre dem Washingtoner Staatssekretär überreichte. Ein schmuckloses Tintenfaß dabei, das gleiche, das Vergennes im Jahre 1783 benutzte, um den ersten zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossenen Vertrag zu unterzeichnen. Unter atemloser Spannung der Menge erhebt sich Vriand. Er begrüßt die Vertreter der Nationen, zuerst Kellogg, der die moralische Autorität seines Landes für diesen Pakt in die Wagschale geworfen hat, dann Stresemann: „Könnte", so sagt er, „ein erhabeneres Beispiel der zivilisierten Welt geboten werden, das das Bilden einer Vereinigung, in der Deutschland aus freiem Willen und in voller Gleichberechtigung unter den früheren Gegnern Platz nimmt zur Unterzeichnung eines Paktes gegen den Krieg? Zum ersten Male seit einem halben Jahrhundert begrüßt Frankreich einen deutschen Außenminister auf fran zösischem Boden: es begrüßt in Dr. Stresemann einen Staatsmann, der seit mehr als drei Jahren seine ganze Verantwortlichkeit für das Werk der europäischen Zusam menarbeit und für die Aufrechterhaltung des Friedens ein gesetzt hat." Briand schildert dann den Gang der E n t w i cke l u n g, der zu der Poktbildung geführt hat und kennzeichnet die Be tz e u t u n g des Kelloggpaktes folgendermaßen: „Zum ersten Male wird vor der Welt in einem feierlichen Akt, der die Ehre der großen Nationen, die alle eine schwere Vergangenheit politischer Kämpfe hinter sich haben, verpflichtet, derKriegohneVorbehaltalsWerk zeugnatio naler Politik verurteilt, d. h. in seiner spezifischen und fürchterlichsten Form, des egoistischen, des gewollten Krieges. Ein solcher Krieg, der früher als ein Ausfluß gött lichen Rechts galt und in der internationalen Ethik als ein Vor recht der Souveränität sortlebte» wird endlich von Rechts wegen dessen entkleidet, was seine größte Gefahr darstellte: seiner Legitimität. Bon nun an als rechtswidrig gebrandmarkt, unter liegt er dem vertraglichen Regime einer wahren Rechtlosigkeit, die den Rechtsbrecher der sicheren Verleugnung, der wahrschein lichen Feindschaft aller seiner Mitkontrahenten aussetzt. Es handelt sich nicht mehr lediglich um eine Defensioorganisation gegen diese Geißel, sondern um die Bekämpfung des Uedels an seiner Wurzel. Somit wir- die Berechtigung der Inanspruchnahme des Krieges als Mittel willkürlicher und egoistischer Aktion auf hören mit ihrer latenten Drohnung auf dem wirtschaftlichen, politischen und sozialen Leben der Völker zu lasten. Befreit »on einer solchen Eigenschaft werden die Völker, die dem neuen Vertrag beigetreten sind, sich nach und nach daran gewöhnen, den Begriff nationales Prestige, nationales Interesse nicht mehr mit dem der Gewalt zu verbinden. Und diese eine psychologische Tatsache wird nicht den geringsten Gewinn in der notwendigen Entwicklung zu einer wirklichen Stabilisierung des Friedens darstellen. Dieser Pakt ich nicht realistisch? Fehlt ihm die Erzwingbarkeit? Mer ist es wirklich realistisch gedacht, aus dem Gebiet der Tatsachen die moralischen Kräfte, darunter die jenigen der öffentlichen Meinung auszuschließen? In der Tat. der Staat, der sich über die Mißbilligung aller seiner Mitkon- trahcnten hinwegsetzen wollte, würde sich der positiven Gefahr aussetzen, nach und nach freiwillig eine Art allgemeiner Soli darität entstehen zu sehen, deren fürchterliche Wirkungen er bald verspüren würde. Und in welchem dem Pakt angohören- den Lande möchten leitende Staatsmänner die Verantwortlich keit für die Heraufbcschwörung einer solchen Gefahr über nehmen? Das moderne Gesetz der Interessenverflechtung der Nationen macht cs jedem Staatsmann zur Pflicht, sich die denk würdigen Worte des Präsidenten Coolidge zu eigen zu machen: ^.Eine Kriegshandlung, wo immer in der Welt sie auch statt- sindet, ist «ine Handlung, die die Interessen meines Landes schädigt." So erweitert sich in unserem Geiste die feierliche Ver sammlung der Erstunterzeichner des allgemeinen Paktes zum Verzicht aus den Krieg, und über die Mauern dieses Saales und über alle Land- und Seegrenzen hinaus wird diese menschliche Gemeinschaft fühlbar genug, damit mir aufrichtig das Recht haben, uns als mehr denn 14 an diesem Tisch zu betrachten. Deshalb haben Sie auch bemerken können, daß di« Regierung der Republik das Gebäude, das uns beherbergt, in den Farben aller Nationen geflaggt hat. Den Frieden zu proklamieren, ist gut, ist viel, aber man wird ihn organisieren müssen. An die Stelle der Gewaltordnungen wird man Rechts ordnungen setzen müssen. Das ist die Arbeit von morgen. In dieser denkwürdigen Stunde schwingt sich das Gewissen der Völker, geläutert von jeder nationalen Selbst sucht in a u f r i ch t i ge in Frieden zu den reinen Gefilden auf, wo die menschliche Brüderlichkeit sich im Schlagen des selben Herzens ansdrückt. Es ist unter den hier vertretenen Nationen nicht eine, die nicht ihr Blut aus den Schlachtfeldern des letzten Krieges vergossen hätte. Ist schlage vor, den Toten, allen Toten des großen Krieges das Ereignis zu weihen, das wir durch unsere Unterschrift besiegeln." » Nachdem die Rede Briands noch n englischer Ucbcrsetzuiig verlese» worden war, wurde »och der Text des Paktes in sranzii- sischcr und englischer Sprache vorgclcsen. Dan» schlug Minister FouquiöreS die Urkunde aus, öfsnete das Tintenfaß und ent nahm den goldenen Federhalter dem Futteral. Dr. Stresemann begab sich ans Einladung Briands als erster an den Untcrzeich- nungSt sch. Als er die Feder ergriffen hatte und die Unterschrift vollzog, setzte lebhafter Beifall ein. I» alphabetischer Reihenfolge Unterzeichneten sodann die Bevollmächtigten der übrigen Staaten. Gegen 4 Uhr war der Akt vollendet. Dr. Stresemann kehrte sofort »ach der deutschen Botschaft zurück. Vor dem Außenministerium jubelte ihm de Menge zu. Das Ianushaupk -es Pakles Die Kirchlichen Gemeinfchasten betonen seine moralische, nicht juristische Seite I- London» 26. August. In den Kirchen Englands, ohne Unterschied des Bekennt nisses, werden heute und morgen Dankgottesdienste zur Unterzeichnung des Kriegsächtungspaktes abgehalten wer den. In der katholischen Westminsterkathedrale findet morgen ein feierliches Hochamt statt. Während des Abendgottesdienstes in St. Martin am Trafalgar-Square, den die Geistlichkeiten von acht verschiedenen ausländischen Gemeinden Londons und die diplomatischen Vertreter Deutschlands, der Vereinigten Staaten, Frankreichs und Japans beiwohnen, wird der Wort laut des Kriegsächtungspaktes verlesen rver- den. Da alle Reden, Interviews und Leitartikel darin über- einstimmen, daß der Pakt soviel wert sein wird, als die öffent liche Meinung aus ihm zu machen gewillt ist, ist die Anteil nahme der religiösen Gemeinschaften durchaus am Platze. Je deutlicher dabei zum Ausdruck kommt, daß die Kirchen unter der Aechtung des Krieges etwas anderes verstehen, als die diplomatischen Kanzleien der Unter zeichnerstaaten, um so mehr. Nur, wenn sie an diesem Unter schiede fcsthalten, wird ihr Optimismus eine nützliche Ergänzung zu der politischen Kritik bilden, welche die Begleitumstände des Kriegsächtnngspaktes seinen besten Freunden ausgezwungen haben. Es ist eine große Gelegenheit für die Kirchen, ihre geistige Unabhängigkeit zu bekräftigen. Der^verschärft« Anspruch auf das sogenannte Recht zur Selbstverteidigung-, auf freie Hand gegen die macht losen Völker der britischen Interessensphäre, wo immer die Grenzen dieser Interessensphäre heute oder morgen liegen mögen, diese beiden Vorbehalte Englands haben das Gesicht des Paktes geändert. Es wäre ungerecht, zu sagen, daß die Pariser Feierlichkeiten in England nur bei den Liberalen und bei der Labour Party eine pessimistische Begleitmusik aus- lösen. Die Stimmen der heutigen Sonntagspresse lassen zur Ge nüge erkennen, daß Sir Austin Ehamberlains Politik in der Paktfrage eine amtliche Politik ist und wenig mehr. Abgesehen von ganz vereinzelten Ausnahmen liegt es allerdings dem englischen Journalismus nicht, sich in unreifen Zynismen zu ergehen, an denen die italienischen Blätter zur Zeit so viel Vergnügen finden. Die Grundstimmung in England ist daher ein gekrampste» Bedauern. Wilckha-m Sted glaubt, daß die Annäherung der Ver einigten Staaten an Europa trotz alledem noch ihre Früchte tragen könnte, insbesondere in der Reparationsfrage, wenn e» nur gelänge, di« durch den englisch-französischen Flotten kompromiß getrübte Atmosphäre zu reinigen. Der „OLserver" möchte selbst die englisch-französischen Vorbehalt« nur für den Ausdruck einer vorübergehenden internationalen Lage halten, die den Kriegsächtungspakt nur in den Anfaugs- stadien seiner Wirksamkeit behindern werden. Im allgemeinen aber gehen die Hoffnungen nicht darüber hinaus, daß der Pakt dem populären Verlangen nach Abrüstung einen neuen Antrieb geben werde. Das ist zum Beispiel der einzige Vorzug, den Philipp Snowden, der ehemalige Schatzkanzler im Kabinett Macdonald ihm abgewinnen kann, nachdem die Vorbehalte der Unterzeichner „ein ausgesprochen rückschritt liche» Instrument" aus dem Pakt gemacht haben. Die konservative „Sundey Times" unterstützt die Schlußfolgerung mit einem Hinweis auf die gedrückte Jndustrielage in England. Als eine Stimme aus einflußreichen Finanz- und Wirtschafts- kreison ist dieser Hinweis nicht uninteressant. „Der Wieder aufstieg Deutschlands", schreibt die „Sunday Times", „sei der beste Beweis dafür, wieviel bester ein Land mit wirtschaft lichen Problemen fertig werde, wenn es von seinen Rüstungs lasten befreit fei." Abgesehen von der Ungewißheit über das Schicksal des Kelloggpaktes im amerikanischen Senat richtet sich die englische Kritik nur in einem Punkte an die Adresse Amerikas. Das ist hinsichtlich jener „friedlichen Mittel" zur Beilegung internationaler Streitigkeiten, die der Pakt zwar erwähnt, deren Schaffung und Organisation er aber mit Stillschwei gen übergeht. Für die Amerikaner ist dieses Thema bekanntlich heißer Boden, da es sich eng mit ihrem Verhältnis zum Völker bund berührt. Staatssekretär Kellogg liefert'jedoch in einem Artikel der „Sundaytimes" eine Art Antwort. „Die amerika nische Politik zur Förderung des Friedens," so sllhrt er aus, „be wegt sich auf zwei parallelen Linien. Sie verfolgt einmal den Abschluß von Schiedsverträgen von dem bekannten neuen Typus. Sie enthalten in der Präambel schon einen Kriegsverzicht. Aber die Präambeln sind nicht rechtsverbindlich, daher di« Notwendigkeit eines allgemein?» Kri-gsLchtunas-