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Donnerstag, den 86. Februar 1925. Sir. 47, Seite r» brutaler Weise zwischen die beiden antiken Bauwerk«, Vesta- und Fortuna-Tempel genannt, «ingezwängt ist. — Am Meeres strand ist in Dunen und Pinienwäldern der neue Badeort Ostia Marittima im Bau begriffen: er wird mit der Stadt durch eine elektrische Schnellbahn verbunden, deren Eröffnung bevorsteht. In etwa einer halben Stunde wird der Römer demnächst am Tyrrhenischen Meer sein, und der Altertumsfreund an den neuen Ausgrabungen des Doktors Calza im antiken Ostia sich erfreuen können Für Rom selbst stehen noch zwei außerordentlich wichtige Pläne in Behandlung: der Bau eines Untergrundbahn netzes, das der unleidigen Verkehrsübersüllung der Haupt- straften abhelfen soll, und die Schaffung eines Grüngürtels rings um die Stadt, der die vorhandenen und geplanten Parkanlagen aus dem Gianicolo, am Gehänge des Monte Mario, an den Villen Borghese. Lancelotti und Torlonia, an der Porta Maggiore und in der „Zona monumentale" mit einander verbinden soll. Die aus den schädlichen Nathan gefolgte neue Stadtverwal tung scheint eine gewisse Bürgschaft dafür zu bieten, daß ein brauchbarer Stadtbauplan zustande komme und daft solche Pläne, wie die erwähnten, der Verwirklichung entgegengeführt werden. Möge es mit der Vorsicht und Zurückhaltung geschehen, die der Ewigen Stadt gebührt: denn Nom ist nicht nur die Hauptstadt des Königreichs Italien Nom ist weit mehr. Es ist der Mittel punkt der Christenheit, die Residenz des irdischen Stellvertreters Christi, der Hort unermeftlicher Schätze religiöser und künstleri scher Art aus allen christlichen Jahrhunderten, zugleich aber die Wjege der Weltgeschichte des Altertums, von welchem die Zona monumentale, vom Kapitol über das Kolosteum an den Cara- calla-Thcrmen vorüber bis zum Appischen Tor sich erstreckend und die Grabmale der Appischen Strafte einschlieftend, eine stei nerne Sprache von unvergleichlicher Eindringlichkeit redet. Die Konfessionen des Erdkreises In Europa ist der Westen, Süden und ein Teil von Mittel europa katholisch, das ist Irland, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien. Palen und Oesterreich, der Norden evangelisch oder pro testantisch, das ist England, Schottland. Norddeutschland und Skandinavien und der Osten orthodox, das ist Ruftland. Weite Gebiete Mitteleuropas sind gemischt, so daft dort die Katholiken zwischen Lv und 70 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Der Südosten, die Valkanhalbinsel, hat in der Hauptsache orthodoxe Christen in schwankenden Prozentsätzen eingebettet in die über- wiegende türkische Bevölkerung, wenn man von Griechenland und den selbständigen Balkanstaaten absieht. Nmerika ist in der Mitte und im Süden ganz katholisch, der Prozentsatz der noch vorhandenen Heiden ist nicht sehr groß. Nordamerika hat geschlossen katholische Bevölkcrungsgruppen nur in Kanada. In den Vereinigten Staaten ist jeder sechste Einwohner katholisch, die anderen gehören unzähligen Sekte» an. Während Europa und Amerika als christliche Erdteile be zeichnet werden können, muß man Asien und Afrika als heid nische ansprechen. In Asien, wo die Wiege des Christentums stand, gibt es auffallender Weise den geringsten Prozentsatz von Christen gegenüber den anderen Weltteilen. Unter der erdrücken den Menge von Heiden aller Art oder nicht christlichen Mono- tehisten, von Buddhisten. Brahmanen, Schiiten, Mohammedanern usw. in Asien gibt es im Norden eins beschränkte Zahl Ortho doxer, im Süden große Gruppen englischer Protestanten und im Westen Ueberreste alter, christlicher Sekten. Dazwischen hinein ragen nun fast in allen Teilen Asiens die katholischen Missionen, die im Westen durch kleinere Stämme der uniertcn Orientalen verstärkt werden. Die protestantische Missionstätigkeit hat sich ebenfalls in sehr vielen Gebieten entfaltet, doch ist der numerische Erfolg beider Missionsbestrebungen im Vergleich zur Bevöl kerungsziffer Assiens ein geringer zu nennen. Die Philippinen inseln sind die einzige Gegend ganz Assiens. in der wir eine ge schlossene katholische Bevölkerung von über sieben Millionen finden. In Afrika weisen nur Algier, Aegypten und einzelne portugisische Kolonien größere Gruppen von Katholiken auf, Aegypten und Südafrika haben größere Kolonien von Pro testanten. Madagaskar wird von beiden Konfessionen mit eini gem Erfolg missioniert. Ein Netz von Katholischen und protestan tischen Missionsstationen ist über den ganzen Erdteil zerstreut. Die Missionen der Weiften Bäter in Ientralafrika sind weitaus die bedeutendsten von allen. Auch in Afrika ist das Verhältnis der Zahl der Christen zu der der Heiden und Mohammedaner ein geringes. Aus dem Festlande Australien, wo die Urbevölkerung fast gänzlich ausgerottet ist, wohnen nur Eingewanderte. Es Buchstaben lesen können, da Mienenlesen fast ihr einziges Stu dium sei . . . Ganz besonders aber will er von den Künstlern nichts wissen — oder rät jedenfalls zur größten Vorsicht vor sol chen — deren Tätigkeit doch l-auptsächlich dem Vergnügen gelte. Also: „Sänger. Virtuosen, Tänzer und Schauspieler." Er wirft ihnen Arroganz und Ueberheblichkeit vor und meint, daß es kaum befremden könne, wenn ein Sänger, der höher bezahlt wird als ein Staatsminister, sich über diesen erhaben dünkt. Es muß also schon damals so merkwürdig in der Welt zugcgangen sein! Er weih nicht eindringlich genug zu raten. „. . . einen vertrauten Umgang mit dieser Mcnsclienklasse nur nach der strengsten Auswahl zu suchen"! Und überhaupt ist er gegen das Theater: freilich aus Gründen, die nicht so absurd erscheinen: „Da aber die nieisten Theaterschriststeller nur Rollen für ge feierte Schauspieler scl)affen. und unter diesen Schauspielern auch die besten schwach genug sind, vorzugsweise solche Rollen zu wählen, in denen sie glänzen können, so kann nieder beim Besuch eines Theaters, noch beim Umgang mit Schauspielern viel Gesck-eites herauskommen.". Aber — am besten — man Krame sich den Folianten des Freiherrn v. Knigge selbst hervor und begnüge sich nicht damit, immer nur den andern di« Lektüre zu empfehlen. Man wird eine Fülle von herrlichster Lebensbcobachtung darin finden uno viel auf den eigenen Weg mitnehmcn können. Man besorge ja nicht, daft die Maximen des „Knigge" doch nicht mehr in unsere heutige Zeit passen! Ich glaube, mir wissen heute noch nicht einmal mit den zehn Geboten Bescheid. Vielleicht, daß wir in ein paar tausend Jahren beim „Knigge" halten werden. Wilhelm Li ch ten der g. Der Ileberbandil Die amerikanischen Zeitungen haben sich in der letzten Zeit mit dem berüchtigten Banditen. Räuber und Mörder Gerald Chapman. dessen Verhaftung vor kurzem erfolgte, ausführ lich beschäftigt. Chapmans Bild war aus der ersten Seite der Blätter zu sehen und einige der größten Zeitungen widmeten ihm Leitartikel, in denen er als einer der Ersten. Geschicktesten, Kühnsten und Geistreichsten seiner Art gefeiert wurde. Chapman, der auch schon drei oder vier andere Namen gehabt hat, zog zum erstenmal die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich, als er im Jahre 1912 wegen Diebstahles für zehn Jahre nach Sing- Sing geschickt wurde 1919 wurde er begnadigt. Im Oktober 1921 schuf er sein „Meisterwerk", indem er im Herzen Neuyorks einen Postwagen überfiel und sich mit Iss Millionen Dollar aus dem Staube machte. Fünf Wochen später wiederholte er den Streich in Niagara Falls und erbeutete 70 000 Dollar. Nachdem er überdies zwei Iuwelierladcn ausgeplllndert hatte, schickte er sich an. in Europa sein Vermögen zu genießen. Aber vorher noch wurde er von der Polizei überrascht und hinter Schloß und Riegel gesetzt. ist dieser Erdteil, mit seiner unverhältnismäßig kleinen Ein wohnerzahl, daher ein christlicher zu nennen. Die Katholiken bilden dort einen nicht unerheblichen Bruchteil der Bevölkerung. Eine katholische Sensation in Berlin Unter dieser Ueb-'rschrist lesen wir in der „Kölnischen Bvlks- zeitung": Tw Reichshauptstodt mutz in diesen Zeiten der Millen- niumSstimmungen immer wieder neue Seniattonen haben. Man weiß, wie eine Zeitlang Strlndberg ein geradezu sensationelles Ereignis war. Tann folgten die Senlatione,, der östlichen Kultur. Nun scheint auch der Katholizismus diesem Sensat'onsbediirfnls für eine Weile Nahrung geben zu sollen. So weis, die „Frankfurter Zeitung" in Nummer 118 (13. Februar, Abendblatt) von einem katholische,, Kaplan Fahsel zu berichten, er setz« durch seine Vorträge im Saale des Reichs- wlrtschaftsrates Berlin in Erregung. Bisher habe er Über Bernard Shaivs „Heilige Johanna", Spinoza und über Rousseau gesprochen. Schon eine halbe Stunde vor Beginn der Vorträge ier der Saal beseht gewesen, und viele hätten au der Kasse aus Mangel an Raum wieder umkehreu mülsen. Tie „Frank furter Zeitung" gibt eine sehr sympathische Charakteristik des jungen Redners. Neben der „Frankfurter Zeitung" habe,, natu» sich auch alle großen Berliner Zeitungen, zum Beispiel das „Berliner Tageblatt" und die „Teutsche Mlgemeine Zeitung" Belprechuiigen der Borträge gebracht. Zudem bringt auch die letzte Nummer der „Berliner Illustriert-,, Zeitung" ein B>ld von Kaolan Fah'cl, das einen äußerst gewinnenden Tenkerkopf zeigt. Wie man aus alledem sieht, hat heute der Katholizismus sogar in Berlin Aussicht auf eine besondere Aufmerksamkeit, wenn er nur Leute von einem besonderen Format in die Front zu schicken weiß. Und wenn auch die Sache durch die Sensationsgier dieser merkwürdigen Berliner Geistigkeit etwas von ihrer Be deutung einbüßt, so bleibt doch immerhin tue Tatsache bestehen, daß man selbst in diesem Zentrum des Protestantismus heute auf- horcht, wenn e'n Katholik auftritt, der ctivas Besonderes z» sagen hat. Vermischles ---- Ausgrabung'» am Euphrat. In Mesopotamien wurde eine Entdeckung gemacht, die jene des Tutenchamon-Grgbes an kunstgeschichtlicher und religion-wissenschaftlicher Bedeutung zwei fellos übcrtrifft. Es handelt sich um die Aufdeckung von Hand- Malereien des ersten Jahrhunderts nach Christi in der Festung der Stadt Tara am mittleren Euphrat, alw um Kuustdenkmäler einer denkmalmäßig viel ärmeren, daher dunkleren Zeit, als etwa die altägyptiichc oder babylonisch-assyrische. Es »st die Zeit der kaum bekannten religiösen Mischkulte, die tm hellenistisch«,, Orient der ersten Jahrhunderte „„lerer Zeitrechnung herrschten. Die Wandmalereien stellen Kulthandlungen dar, und ihre Anfdek- k»»g und farbige Aufnahme sind für die ReligronS- und Kunst geschichte von epochaler Bedeutung. — Aus Dankbarkeit in den Tod g-gangen. Am 29. Dezem ber wurde in Madrid die Leiche der Witwe Leonora Gran aus dem Flusse gezogen. Seuora Grau, eine strenggläubige Katho likin, hatte der heiligen Jungfrau von Carniel versprochen, ihr eigenes Lebe» zu opfern, falls ihr Sohn, der in Marokko ein- gerückk war, gesund heimkehren würde. Am heiligen Abend traf der Ersehnte ein und zeigte seinen Temobillsationsschei,,. In sreniuger Ekstale begrüß« ihn die Mutter und perh-achle den Abend icherzend und lachend in seiner Gesellschaft. Als «c zu Beti gegangen war, ging sie in die Kirche und wurde seither lebend nicht mehr gesehen. Sie glaubte ein Gelübte erfülle,, zu müssen, das sie in Wirklichkeit nicht erfüllen durfte. — Neues Heilmittel zur Bekämpfung der Krippe. Ein dent- icher Arzt hat ein Mittel zur erfolgreichen Bekämpfung der Grippe entdeckt. Es soll zunächst in Japan verwendet werden, das zur Zeit in bedeutende,,. Umfange von der Grippe heim- geiucht wird, die allein in Tok'.o und Hingebung über 4000 Todes opfer ,n zwe, Wochen gefordert hat. Tic Japaner sind kür der artige Infektionskrankheiten leicht empfänglich, weil durch ,hre Lebeiisgewohnheit.'», so zum Beispiel durch die Sitte des sehr heißen Badens, das Herz übermäßig angestrengt und die physische Widerstandskraft stark geschwächt wird. — Ein katholisches Tag bialt in Lyon. Mit nächstem März wird zu Lyon ein großes katholisches Tagesorgan erscheinen, da? die bisherigen beiden Blätter „Erpreß" und „Sud-Est" erietzen w'-rd, um mit mehr Gewicht die lir-.m-nseindlt-he Wühlarbeit unter den Massen bekämpfe,, zu können. Leier ist Marias Gon n, die Seele der „Sozialen Wochen" in Frankreich und Tiretior der „Chroniaue Sociale". — Entdeck»»',; eines Krcuzfahrergrabes. Aus London wird berichtet: Nack) Vlättermrldungcn »st in Jerusalem das einzige bisher bekannte Kreuzsahrergrab am Eingang der Grab.'Skirche gesunden worden. Es handelt sich um das Grab Philipp« Tau- bignes, eines der Räte 'König Johanns bei der Unterzeichnung der Magna Charta und Helfers des jung«,, Königs Heinrich llk.. der versuchte, Jerusalem Gefolge Kaiser Friedrichs II. 1229 einzunehmen und dort ,,ebe„ Jahre später starb. Die Ueberiragung -er Kerzlöne auf drahtlosem Lveqe Bekanntlich ist es gelungen, die Herztöne des Mensche» ans drahtlosem Weg« zu übertrage,, und durch Lautsprecher ,,ne,n wen entfernten Publikum hörbar zu mache». Wenn auch die Tonreinheit noch nicht allen Ansprüche,, genüge» konnte, so >var doch die Lautstärke ausreichend und rbenw der Rhythmus des schlagenden Herzens klar erkennbar. Vom Bc» lmer Rundfunk wurde lchon vor längerer Zeit ein gesundes „nd e>n im Galopprhythmus schlagendes Herz vorgeftthrt, „nd all« Hörer, La'en wie Aerzte, vernahmen einwandfrei de,, Taltunlcr- sch'ed Tiese Errungenschaft eröffnet Aussichten von un absehbarer Trag weit es Nur einige seien hie genannt: In Zukunft werden mehrere Aerzte glcich-eitig das ,erz des Kranken kontrollieren könne», sie brauche» sich gar nicht e st zu emem Konsilium zu versammeln. Vom Sprechzimmer ans kann der Arzt einen gefährdeten Patienten unter dauernder ss.-her- wachuug halten, ohne seine Zeit den übrigen Kranken entziehen zu mü!se». Eine wichtige Nolle ist der Lantverstärlnng m Ope- ratwnssaale Vorbehalten. Mit ihrer Hilfe vermag der Operateur dauernd daS Herz des Narkvt'sierten selbst zu beobachten, uno dnS wird die Gefahren der Narkose erheblich herabsetzen. Endlich ,st es sogar gelungen, di« Herztöne des Kindes vor der Geburt hörbar zu machen und damit der operativen Gcburishils« eine wertvoUr Unterstützung zu leisten. Kumor Scherzhafte Braut. Bekannter: „Welcher von den Herren ist eigentlich der Beamte, mit dem Sie verlobt sind?" Braut: „Dieser hier ist meine zuständige Behörde." » Die Gebildete. „Was sehe ich. Frau Rafske, schon zurück aus dem Süden?" „Ach ja, leider! Die schönen Tage von Orangutang sind vorüber." » Schlimm. Frau Müller: „Mein Schwiegersohn ist ein un ausstehlicher Lügner. Ich glaube ihm nicht einmal das Gegen teil!" » Die Sachkundige. Das jungverheiratete Frauchen geht cin- kaufen und will dem Händler trotz ihrer Jugend ii» uueren. „Warum sind die Eier eigentlich so furchtbar klein?" sengt l«e mißbilligend. „Ich bekomme sie nun mal nicht größer vom Lande," antwortet der Händler, „sie komm?» jeden Morgen ganz frisch." „Tas ist eben das Unrecht von den Bauern," erwidert unsere Kennerin. „Sie haben es so eilig drmit, ihre Eier zu verkaufen, daß sie sie immer zu früh ans dein Nest nehmen!" » Pech. Schiilze ist zum Elsen eingeladcn. Er ist lehr ichüch- tern und nervös und kein großer Held in der Unterhaltung. Stumm sitzt er neben der Hausfrau und zerbricht sich de-, gan zen Abend den Kopf, weil er ihr etwas recht Angenehmes sagen will. Wie er so grübelt, sagt die Dame lächelnd zu ihm: „Sie haben ja so wenig Aovetit, Herr Schulz«!" Ta kommt ihm die Erleuchtung: er rafft sich ans und flötet verliiidl'ch: „Wer neben Ihnen sitzt, mein« Gnädigste, muß de» Appetit verlieren!" » Enttäuscht. „Können Sie kochen, Fräulein Gerda, ,'iben und einen Haushalt führen?" fragt Georg die junge Tome, d'r er den Hof macht. „Aber gewiß, das kann ich alles." «c.-ndert »e gespannter Erwartung. „Nun, dann kann es Ihne» ja nickt fehlen," erwidert er tröstend, „eine gute Stellung zu sinde», wcnn's Ihnen mal schlecht geht." Hilles - isiMl - »Kisch Oroö- u. X e n „»sei bernzpeeever 2^929 KI re.I li'emm llc Aebvrga« eöil EMM Im März 1923 versck>asste sich Chapman auf eine bisher nicht aufgeklärte Art eine Säge, entfernte mit ihr dos Zcllen- gitter, kroch aus dem Fenster und ließ sich an aneinandergc- knüpften Bettüchern zebn Meter bis zum Boden hinab und ent kam. Tas ganze Land machte Jagd aus ihn. Es war eine Treibjagd mit Polizisten, Privatdetektiven und Bluthunden. Am 18. Januar 1925 wurde er endlich in Mundie ausgcsorscht und überrumpelt, als sein Browning versagte. Das Gesängnis von Muncis wurde als zu schwach für eine Persönlichkeit vom Ka liber Chapmans erachtet und Indianapolis erhielt die Ehre, ihn in vorläufige Verwahrung zu nehmen. Im ganzen Lande war ein Seufzer der Erleichterung vernehmbar und nun, da man sich seinerseits versichert hatte, begann man ihn, den man als den größten Banditen bezeichnet halte, als „Sportsmann feines Be rufes" zu verherrlichen. - Ein Zyklus von Legenden hat sich allmählich um Chap man gesponnen So groß war seine kriminelle Geschicklichkeit, so unerhört sein Wagemut, daß zahlreiche unaufgehellte Ver brechen ohne weiteres ihm zur Last gelegt wurden. Chapman war im selben Augenblick an allen möglichen Orten. Sein Re volver spie Feuer in Neuyork und Chicago im gleichen Moment. Die Kugeln der Justiz verwundeten ihn tödlich zu gleicher Zeit in Philadelphia und Minneapolis. Nichtsdestoweniger iebte er in St. Louis und in Sl. Paul weiter. Er wurde der Ueber- bandit, der das Geheimnis besah, sich plötzlich unsichtbar zu machen. Die Blätter nennen ihn einen „tapferen Haudegen". Krank, mit 41 Grad Fieber im Inquisitcnspital liegend, wagte er es, aus einem Fenster zu springen und zwei Stockwerke tieser seinen Bewacher» zu entschlüpfe» Er war inlelligent und halte fo gute Manieren, daß er als der „Dand y" unter seinen Ge nossen bezeichnet werden kann. Auch besaß er Geistesgegenwart. Als er einmal mit einem rauchenden Revolver auf frischer Tut ertappt wurde, schwenkte er die Masse ausgeregt hin und her und rief: „Hier ist jemand erschossen worden!" Dabei wies er auf eine Tür. Sobald der andere seine Blicke in die angedeutete Richtung gewendet hatte, war Chapman verschwunden. Er war auch freigebig. Aus seiner letzten Flucht zahlte er dem Chauffeur, der ihn aus Atlanta wcgführte, tausend Dollar. Jetzt sitzt cr, sicher eingeschlosscn, hinter verstärkten Zellentüren unter beson derer Bewachung. Und die Presse sucht nach der Moral des Falles. „Wir können nicht annchmcn." schreibt die liberale „World", „daß dieses rohe Material so reich an Verstand, Mut und Energie, nicht zu einem besseren Zweck verwendet werden könnte. Das Problem Chapman ist das Problem, wie man große menschliche Kräfte in gute Bahnen leitet." Der neue GeneraMsimus -er roten Armee Der Telegraph hat kürzlich gemeldet, daß an Stelle von Lew Trotzki, der bekanntlich seinen Posten als Oberbefehls haber der russischen roten Armee niedergelegt hat, das Mitglied der Zentrallcitung der russischen kommunistische» Partei, der Volkskommissar Frunse, ernannt worden ist. Der neue Ge neralissimus ist verhältnismäßig noch ein junger Mensch, er ist im Jahre 1885 in Tiirkesian geboren, rumänischer Abstammung, da sein Vater ein noch Turbeslan eingcwondert.r Moldavone war. Nach Beendigung der Mittelschule trat Frunse in das Polytechnische Institut in Petersburg als Student ein. Dort schloß er sich den Menschewiken an. Er wurde wegen Teilnahme an regierungsseindiichen Demonstrationen aus Petersburg ans gewiesen und dusrte nicht in den Hauplftädlen leben. Im Jahre 1905, als die erste russische Revolution ausbrach, kehrte Frunse heimlich nach Petersburg zurück und nahm an dem Aufstand teil. Später trat er als Agitator unter den Arbeitern in Iwa- nowow-Wosnesensk aus und wurde von der zaristischen Polizei, da er bewaffneten Widerstand leistete, verhaltet und aus zehn Jahre nach Sibirien verbannt. Im Jahre 1915 gelang cs Frunse. aus seinem Berbannungsort zu flüchten. . . Unter sal- chem Namen arbeitete er als politischer Agitator in der aristi- chen russischen Armee und wiegelte die Soldaten gegen dos da mals herrschende System auf. Dank seinem Einflüsse entstanden im zaristischen Heere die geheimen revolutionären Orgonisotio- neu, die sich mit unheimlicher Schnelle verbreiteten. Während des Bürgerkrieges war Frunse Kommandant der Sudivesisront und kämpfte gegen den General Koltschak, dann war er eine Zeit an der Turkestansront tätig und zuletzt trat er gegen Gene ral Wrangcl auf. Von 1920 bis 1924 war Frunse der Höckst- kommandiercnde der gesamten bewaffneten Kräfte der Ukraine und im Jahre 1924 wurde er zum Stellvertreter Trabbis als „politischer" Dtzegeneralissimus der roten Armee ernannt. Frunse ist durch und durch Pcnteimann und kennt sich in mili tärischen Angelegenheiten wenig ans. Seine Ern-nn'mg zum Führer und Generalissimus der roten Armee Hot in de,, russi schen militärisch-revolutionären Kreisen peinliches Aussehen eregt. Dene-etto Croce der frühere italienisch« Unterrichtsmiuister, tsi von der Prenßi- Ichen Akademie der Wissenschaften zum korrespondiere,de» Mit glied der philosophisch-historischen Klasse ernannt worden Diese erste NachlricgSehrung eines Italieners durch de preußische Aka demie wird überall lynipatyücki berühren. Geschieht he hoch einem Manne, der als einer her führende» Köpfe des geistim'» Italien und als Hanptvertretcr der idealistischen Ph'to'ophe em internationales Ansehen genießt »nd der auch ie'ne Tenticki- frenndtichkeit niemals verleugnet hat. Ihm vor allem war es zu danken, daß die Angelegenheit der zoologischen Station 'n Neapel bcsricd'gend geregelt werden konnte. Crvce, der in Tentöch- land besonders auch durch seine Werke zur L>terat„r bekannt geworden ist, hat erst unlängst tbe> Meyer und Jessen iu Mün chen, eine aiifseheiierregende Schrift über die „Grundlagen der Politik" veröffentlicht. (Wir haben le'nrrzcit Auszüge ans vie lem Buche veröffentlicht. Die Red.)