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Donnerstag, den 2S. Februar 1V28. Nr. 47. Seite 7 Mahakma Gandhi Die Freiheitsbewegung in Indien ... Von Fritz Erhärt. Aegypten ist nicht bas einzige Land des britische» Reiches, das nut aller Macht Englands Joch ablchütteln Witt. Die Revolution ln Aegypten bedeutet auch nicht die schwerste Gefahr filr Eng land. Weit gefährlicher für den Bestand des britischen Weltre'ches ist die indische Fre'heitsbewegung. Sir ist eine friedliche Revo lution, von der >elbst der „Manchester Guardian" im Februar 1924 schrieb, daß sie danach angetan sei, die Negierung Indiens abzusetzen. Roman, Rolland nennt sie die größte sektische Belve- gung der letzten zwei Jahrtausende menschlicher Politik. Tie indilche Freiheitsbewegung ist eine religiöse Be wegung, welche eine seelische Erneuerung zur Heransietzung der politischen Freiheit macht. Gerade hierin ist sie jeder anderen Revolution und letzten Endes auch der militärischen Macht Eng lands unterlegen. Diese Vorgänge in Indien sind nicht zu verstehe» ohne ihren Führer Mahatma Gandhi. Romain Rolland schil dert ihn: „Ruhige, dunkle Augen. Ein schmächtiger Le>b, ein hageres Gesicht und weitabstehende Ohren. Er hüllt sich in grobes Leinen, nährt sich von Reis und Früchten und trinkt nur Wasser. Er schläft auf dem nackten Boden und arbeitet ohne Unterlaß. Nichts fällt an diesem Manne auk als ein Ausdruck unendlicher Geduld und Liebe. Er ist einfach wie ein Kind, sanft und höflich, selbst mit seinen Gegnern, und von makelloser Aufrichtigkeit. Er denkt von sich äußerst bescheiden, verbirgt nie einen Fehler, kennt keine Diplomatie. Er ist m'ßtrauilch gegenüber der Menge und fühlt sich nur in der Einsamkeit glücklich, wo er seiner inne ren Stimme lauscht. So sicht der Mensch aus", fügt Rolland hinzu, „der dreihundert Millionen Menschen erweckt, das bri tische Weltreich erschüttert und in der Geschichte der menschliche» Politik die größte Bewegung ausgelöst hat." Als Gandhi 1919 den Kampf gegen England organisierte, war er fünfzig Jahre alt. Davon hatte er zwanzig Jahre in Afrika verbracht, wo er ivährcnd dieser ganzen Zeit in einem erbitterten Kampfe mit der englisch-afrikanischen Regierung gestanden hatte wegen des Anti-Astaten-GesetzeS, das allen Asiavn die Freiheit nahm und ihnen groß- Steuerlasten auferlegte. Da mals erfand er seine politische Methode, die ihm in Afrika zum Siege perhalf. Sie ist nichts anderes als Einführung der Religion in die Politik. Sie verkündete die Botschaft der Liebe an Stelle der Lehre des Hasses. Sie setzt Aufopferung an Stelle der Gewalttätigkeit. Sir ruft die Kräfte der Seele wach. In den Jahren 1893-1914 schlossen sich in Afrika nicht nur sämtliche Inder, sondern auch sämtliche andere» Asiaten dieser Lehre an und gebrauchten sie im Kampfe gegen die llnterdrückun- gen Englands. Sie erhoben kein« Waffe gegen die Engländer. Sie widersctzten sich ihnen, indem sie der Regierung den Gehorsam kündigten, sich weigerten, für sie zu arbeiten und Steuern zu zahlen, sich aus den Städten ins Hinterland zurückzogen und so die Industrie lahmlegten. Doch erforderte das eine Heldengeiin- n»ng des Leidens, die größer ist, als dir des Kämpfers. Gandhi selbst wurde dreimal ekngekerkert, Tausgnde seiner Anhänger verhaftet. Alle Gefängnisse waren überfüllt. Man sperrte die Ge>angenen i» die Minen. Aber diese Seelenkraft begann zu wir ken. 1914 gewährte England den Indern vollständig« Freiheit, Kahm die Steuer von drei Pfund zurück. Gandhis politische Methode hatte gesiegt, trotzdem er keine Waffen hatte, nur eine .Schar von aufopferungsvollen Menschen. Im Jahre 1914 nahm Gandhi im Dienste Englands am Kriege gegen Deutschland teil. England hatte Indien für den Fall der Teilnahme Selbstverwaltung versprochen. Im Jahre 1918 wurde sogar unter dem Druck der Verhältnisse von de», Vizekönig ein offizieller Bericht über Verfassungsreformen gegeben. Es geschah nur wegen der großen Gefahr, m der sich die Alliierten damals befanden, Truppen von Indien zu bekom men. England crhieTc eine Million Mann. Als es aber als Sieger aus dem Kriege hervorguig, wurde das Versprechen der Selbstverivaltung nicht nur nicht elngelöst, solcher» man unler- vtuckte Indien mit allen Mitteln. Jetzt Drachen die revokUlionDren Kräfte, die se.kk ene», Jahrhundert in Indien lebendig waren, mit einem Mcue tos. Gandhi, der durcy seine erfolgreiche Mission in Afrika anerkannte Führer, organisierte sie. Wieder wandte er seine Methode an: Berivelgcrung der Zusammenarbeit mit der englischen Regierung. Und als Grundlage d>e grundsätzliche Ablehnung von Geivalt- mitteln. Ehe jedoch überhaupt die Rede sein konnte von einem Vor gehen gegen England, mußte Indien erst aufgeweckt werden. Es hatte sich an seine Versklavung gewöhnt und war wirtschaft lich, geistig und politisch von England so abhängig, daß es einer durchgreifenden Reform bedurfte, um den Kampf durchz»- führen. Tie wirtschaftliche Abhängigkeit war so verheerend, das ein Zehntel der Inder normalerweise am Verhungern war. Indien, das vor 50 Jahren noch seinen eigenen Vorrat an Baumwolle rn der Hcimindnstrie nnd großen Webereien verar beitete und sogar noch Gewebe ansführte, mußte im Jahre 1918 für 6 Millionen Rupien Gewebe einsühren. Well die englische» Unternehmer profitieren müssen, wird die blühende Industrie eines Landes zugrunde gerichtet, sämtliche Baumwolle ausge- führt. Dadurch werden Tausende um ihr Brot gebracht, und der Reichtum des Landes fließt ins Ausland für nichts. Daher ist Gandhis erster Schritt die Verselbständigung der indischen Wcb- rndustrie. Seine Lösung ist einfach. Er gibt die Parole aus. In allen Familien muß gesponnen werden, an allen Schulen muß Unterricht im Spinnen erteilt werde», jeder muß selbstgespon nenes Tuch tragen. So verhalf Gandhi Tansenden zu Brot, sammelte die Kräfte, dir sonst in Müßiggang vertan wurden, die Kräfte der Hausfrauen und Bauern, die sechs Monat« des Jahres wegen Ungunst der Witterung ohne Arbeit waren. Mit dieser wirtschaftlichen Reform geht die geistige Reform. Das indische Geistesleben lebte in Versklavung, dl« durch die englische Schulbildung hrrbeigeführt war. Auf den Mfruf Gandhi» hin, eigene nationale Schulen upd Uniprrft« (Nachdruck verboten.) Schulen täten zu gründen, verließen Tausende die englische,, und besuchten die indische». Tann lag Gandhi viel daran, ein religiös und in seiner sozialen Zusammensetzung einiges Indien zu schaffe». Er führte eine Einigung der bisher immer sich bekämpfenden Religions gemeinschaften herbei, der Hindus und der Mohaniedaner. Di« Engländer hatten diesen Streit der Religionen oft ihrem eigenen Interesse gebraucht zun, Schabe» Indiens. Tann erreichte Gandhi, daß das Vorurteil der Unberührharkeit mehr und mehr verschwand, so daß ein einiges Indien nicht mehr fern ist. Tie Aufrufe, die Tagesbefehle und Rehen Mahatma Gandhis erniahnen »niner wieder zu sittlich retuem Lehen, zur Nächsten liebe, zur Feindeslirbr, zur Sanftmut und Geduld und Demut. Allen gehört seine Sorge, vor allem dem niederen und ver armten Volke. Er ist wirklich geworden der Vater ganz In diens. Für die Arbeiter fetzt «r sich ganz besonders e>», und die Forderungen, die er an sie lote an die Arbeitgeber stellt, können uns als Muster bienen. »>.1 lst es de,,n auch nicht wun derbar, baß ganz Indien hinter Gandhi 'steht, ihn vere'yct wie einen Heiligen, daß die Engländer kh„ fürchte», nnd doch große Achtung und Hochschätzung vor ihm habe». Dem indischen Volke wurde sein« Gefolgschaft sehr schiver gemacht. Die Engländer verfolgten alle Anhänger Gandhis mit nnerbittlicher Strenge. Aber es nützt nichts. I» heiligem Eifer drängen sich die Inder zu den Gefängnissen. Sie wollen leide» und opfern. Ei» heiliger Fanatismus hat das Volk ergr'ffen. Wie Gandhi seinem Volk in allem e n Vorbild ist, so mußte er auch mit seinem Volke leiden. Im Jahre 1922 wurde er verhaftet und zu 6 Jahre» Zuchthaus verurteilt. Bis zu Anfang des Jahres 1924 blieb Gandhi im Gefängnis. Als ihn e-»e schwere Krankheit befiel und man um sein Leben bangte, ließ man ihn frei aus Furcht vor dem indischen Volke. Nun ist Gandhis Lebenskraft zwar gebrochen, aber er wirkt fort für sein Volk, für di« Freiheit Indiens. Und England? Es ist machtlos. Drohungen, Bom ben und Maschinengewehre nützen nichts. Sie sehen ein, daß nichts zu retten ist, daß sie machtlos sind gegen solch «inen Heroismus der Selbstaufopferung und des freiwillige» Leidens. Sine Schnellbahn mler ben Lnsnnen non Benebln Hinter Mestre, das einen vom Lagunenwasser bespülten lan gen steinernen Arm sehnsüchtig nach dem nächsten Staatsbahnhof streckt, beginnt der bizarre Zauber der herrlichen Ansichtskarte Gottes, d>e Venedig heißt. In Spitzbogen auslaufende Fenster ichanen schwermütig in die Kanäle, auf denen die stillen Gondeln immer mehr den neuzeitlichen Motorbooten und stamp fenden Baporettos aus den, Weg gehen müssen. Das soll nun anders werden. Man will zurück zum stillen alten Venedig, in der Stadt soll wieder wie früher nur die Gondel herrschen! Es wirc jetzt geplant, vom venezianiichen Bild alles wegzunehme», was in ästhetischem nnd historischem Widerspruch mit der Umgebung steht. Ta aber der Fremdenverkehr in Venedig und »ach dem Lido, dieser schönen Badeinsel ständig znn'mmt, die Gondel» als alleiniges Verkehrsmittel bei we'iem nicht ansretchen würden, den Stadtverkehr auch nur in den stille» Monate» zu bewältigen, so beschäftigt sich zur Zeit der Stadtinagistrat von Vened'g mit dc»: interessanten Plane, das neuzeitliche Verkehrsgctriebe unter die Stadt, unter den Canal graude und unter die Lagunen zu verlegen. Wird dies möglich sein? D'e italienischen Techniker, die den Bauplan bereits fertiggestcllt haben, bejahen die Frage ohne Einschränkung, nnd auch di- venezianische Geschichte hat Aehnliches gesehen. Im alten Venedig waren unterirdische Pas sagen nichts Neues. Vor sechshundert Jahre», da man noch nichts vom Kommen moderner Tiefbohranlagen und kunstvollen Stahltunnels ahnte, gab es unter dein Prunkparkett der Fee Venezia, der Piazza San Marco, ausgedehnte unterirdische Pas sagen; die bekannteste verband den HerzogSpalast mit d«c Crypia von San Marco, und die alten Bücher des Venediger Stadt- »iilseums erzählen genaue Einzelheiten von den, geheimnisvol len Weg, durch den Pietro Candiano der Vierte, 976 schrieb man, flüchtete, um sich vor dem Rieienbrand in Sicherheit zu bringen, den die Rebellen im Herzogspalais gelegt hatte». Wohl ge langte er ins Atrium der Kirche, dort wurde er aber, so meldet die Chronik, umzingelt und niedergcmetz-lt. Auch G>acomo Boni erzählt recht anschaulich von der Entdeckung einer bei einer Grnndaushebung anfgefundenen längs der Kriegsbrücke zwilchen der Calle Casellaria und der Tasca gut zweieinhalb Meter unter dem Lagunengrund verlaufenden Calleria, die die ganz« Insel von San Lido durchquerte. Die Pläne, die jetzt zur Besprechung stehe», sind alles Ge heimnisvollen entkleidet. Eine elektrisch« Schnellbahn ist vorgesehen, die teils unterirdisch, teils unter Wasser geführt und nach dem Muster der Nenyorker Untergrundbahnen technisch ansgestattet wird. Tie Kosten der Durchführung dieies Baues belaufe» sich auf 105 Millionen Lire, die Bauzeit ist aut nicht ganz fünlFahre veranschlagt. Kommt dieser Vahn- bau zustande, dann wird das oberirdische Venedig ein stilles und verträumtes lein. Tie dunklen Paläste und schweigenden Häuser werden wieder unter sich sein, sobald sich der technisch« Fort schritt unter die Erde verkrochen haben wird- --- Das Kloster ider Mondgöltin. Die vom Britische» Mu seum nach llr in Jrrak entsandte Expedition hat ein Kloster ent deckt, das etwa zweieinhalb Jahrtausende alt ist. Auf Grund der angcstelltcn Nachforschungen ist anzunehmen, daß der l«tzte König von Babylon, Nabouidns, das Kloster für seine Tochier Bel-Shalti-iNannar erbauen ließ, di« er zur Hohenpriesteri» des Mondgottcs in llr ernannt hatte. Nabonidus regierte von 55V bis 538 v- Ehr. »onallivk« pi'Sniisn-VsnGsilung in, «lonal Msn- 1S2S t. ppZmisi 8V Olank in kan 2. 88 Kla» k in Kai« 3. bnLmiai 10 Olank in kan 10 bnLmivni Vensvkiv- «Ivn» «»snivolla Sllvkan Va8 l8t Ikl' I-08I ^uesobneiclen uncl autbewabnenl 8>n6 mir 6l'ejem'z;eri kerileber. vvelclie 6en vollen Le2Uj;sm'e>8 für Dliirr 1925 big rum 5. Mir: 1925 ein§S2ttIiIt baden. 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