Volltext Seite (XML)
Donnerstag, den 12. Februar 1925. Nr. 38. Seil« 0 Die masurischen Seen Zum 10jährigen Gedächtnis des 7. bis 21. Februar ISIS 1. Die Kerbstschlachk <1. Fortsetzung) Vergeblich suchte der Oberquartiermeister General Grünert und der Erste Generalstabsoffizier. der später so bekanntgewor- dcne General Hoffmann, >oie er in seinen Erinnerungen berichtet, den Armeeführer zu überzeugen, die Fortsetzung des Kampfes werde sicher zum Ziele führen, «ine Auffassung, deren Nichtigkeit im Hinblick auf den inzwischen bekanntgewordenen damaligen Zustand der russisäzen 1. Armee nicht bezweifelt werden kann. General von Prittwitz schnitt jedoch alle Einwendungen mit der Erklärung äb, „sein Entschluß, hinter die Weichsel zu gehen, sei gefaßt. Für die taktischen Entschlüsse der Führung trage nur er und der Chef des Generalstabes die Verantwortung, nicht aber der Erste Generalstabsoffizier und die Oberquarliermeister." „Hieran schloß sich", berichtet General Hoffmann, „der Befehl des Generalstabschess, Grafen Waldersee, an mich, die nötigen An ordnungen für den Rückzug der Armee hinter die Weichsel zu entwerfen. Ich erklärte, daß ich einen einfachen Rückzug der Armee hinter die Weichsel nicht für möglich hielte, und daß ich deshalb um Weisungen bäte, wie sich der Oberbefehlshaber diesen Rück'i" dächte." Es kam zu einer Erörterung über die Frage, wie l Rückzug angeordnet werden solle. General Grünert und ich wiesen mit dem Zirkel nach, daß ein einfacher Rückzug hinter die Weichsel in der Tat nicht möglich sei, sondern, daß um diesen Rückzug gekämpft werden müsse, da der linke Flügel der russi schen Warschauer Armee es näher an die Weichsel habe als wir, daß es also nötig sein würde, den Vormarsch der Warschauer Armee aufzuhalten, und zwar am besten durch einen Ossensivstoß gegen den linken Flügel dieser Armee. General von Prittwitz, der, ebenso wie Graf Waldersee, einen Augenblick die Nerven verloren hatte, sah die Notwendig keit der von uns vorgeschlagenen Maßnahme ein. Auf Grund dieser geänderten Ansicht wurden am 20. abends die Anordnun gen getroffen, die die Grundlagen für die Schlacht bei Tannen berg abgeben. Sie waren damit jetzt schon geschaffen. Demgemäß traten die deutschen Truppen noch In der Nacht den Rückzug an, das 1. Korps, in Insterburg verladen, wurde über Königsberg, Dtarienburg, Grauendz, und die 3. Neserve- division, in Angerburg verladen, über Allenstein auf den linken und rechten Flügel des 20. Korps in di« Gegend von Hohenstein gefahren, während das 17. und 1. Neservekorps mit Fußmarsch nach Westen zurückgesührt wurden. Auf die Meldung hiervon an das große Hauptquartier in Koblenz wurde der Armeeführer und sein Generalstabschef ihrer Stellungen enthoben und durch die Generäle v. Hindenburg und Ludendorff ersetzt. Ludendorfs erhielt seine Ernennung am 22. 8. vormittags 9 Uhr in der Ge gend von Namur. In einer Viertelstunde saß er. wie er in seine» Erinnerungen erzählt, im Kraftwagen und um 6 Uhr abends war er in Koblenz. Er erfuhr, daß General von Hindenburg als Oberbefehlshaber ausersehen sei, man wisse jedoch nicht, ob er zu finden sei und annehmen würde. Ludendorff veranlaßte mit be wundernswerter Entschlußkraft, es müsse sogleich nach dem Osten befohlen werden, daß der Rückmarsch des 17. und 1. Reserve korps für den 23. 8. eingestellt, daß das 1. Korps in der Gegend Dcutsch-Eylau ausgeladcn und alle noch verfügbaren Teile der Kriegsbesetzungen von Thorn. Kulm, Graudenz, Marienburg nach Luulenburg südlich von Deutsch-Eylau gefahren werden sollten. Um 9 Uhr abends fuhr er im Ex tranig von Koblenz nach Osten, lieber Hannover. Dort werde um 4 Uhr morgens der neue Ober befehlshaber. General von Hindenburg, Ansteigen. Das geschah. Ludendorff meldete sich bei Hindenburg. Beide Männer salzen sich zum erstenmal. Am 23. 8. nachmitlans 2 Uhr trafen sie in Marienburg ein, wohin die Offiziere des Stabes befohlen waren. Der Empfang war frostig, die Stimmung gedrückt. Es fand Bortrag über die Lage statt. Die Ansichten des Oberquartier meisters und des Ersten Generalstabsoffirieres stimmten mit de nen ihrer neuen Vorgesetzten überein. Die Narew-Armce mußte bei Hohenstein angegriffen werden. Der Tagesbefehl, durch welchen General von Hindenburg den Truppen die Ucbernahme des Oberbefehls bekanntgab, war kurz und lautete: „Wir wollen zueinander Vertrauen fassen und gemeinsam unsere Schuldigkeit tun." Am folgenden Tage, dem 24. 8., suchten General von Hin- denburg und General Ludendorff den Führer des 20. Korps, von Scholz, zwecks Rücksprache auf. Di« Russen hatten seine 37. Di vision angegriffen, ivaren aber abgeschlagen worden. Nach dem abgeschlagenen Angriff wurde die Division in eine bessere Stel lung zurückgenommen. Das erweckte bei den Russen den Ein druck eines allgemeinen deutschen Rückzuges. Samsonow erließ den Verfolgungsbefehl. Diesen Befehl gab die russische Funken station unchisfriert und er wurde von den Deutschen mitgelesen. Darnach sollte das links Flügelkorps, das 1. links gestaffelt, die Deckung gegen Thorn übernehmen und das rechte Flügelkorps, das 6., di« Deckung geoen Lötzen übernehmen und die masu rischen Seen, und die Verbindung mit der Njemen-Armee Her stellen. Ein freundliches Geschick wollte, daß am 25. 8. vormit tags ein weiterer, nachts aufgefangener russischer Funkspruch einging, der einen vollständigen Armeebefehl Nennenkampfs ent hielt. Darnach wollte die Niemen-Armee nur langsam Vorgehen und am 26. 8. erst die Linie Gerdauen—Wehlau erreichen, so daß das 17. und 1. Oieservekorps unverfolqt abziehen konnten. Noch bevor dieser willkommene Funkspruch eingegangen war am 24. 8., hatten diese beiden Korps den Befehl bekommen, nach Süden abzumarschieren, um bei den Operationen gegen die Narew-Armee mitzumirken. Dieser grandiose Entschluß der neuen Führung, die siegreiche und zur Verfolgung bereite Njemenen-Armee als Lust zu betrachten, ihr auch nicht einen Mann entgegen,zustellen — anstandshalber ließ man die 1. Kavalleriedivision dort stehen, die durch «inen voraufgegangcne» tagelangen abenteuerlichen Ritt völlig erschöpft war — sondern beide Korps zu einer neuen Aufgabe auf einem neuen Schlachtfeld zu verwenden, war aus schlaggebend für die Größe des in den nächsten Tagen zu erivar- tenden Erfolges. Am 25. 8. vormittags 8 Uhr suchten General von Hinden burg und General Ludendorsf den Führer des 1. Korps, v. Fran cois, auf seinem Gefechtsstande bei Montowo, südlich Löbau auf, um die Lage zu besprechen. Diesmal stand das 1. Korps auf dem rechten Flügel, das 20. in der Mitte und die 3. Neseroc- Division auf den: linken Flügel in einer Nordsüdlinie. Die Ge neräle erörterten die Mc>glichkeiten und Aussichten. Sie waren gut bekannt miteinander. Als General von Hindenburg das 4. Korps in 'Magdeburg kommandierte, war v. Francois sein Ge neralstabschef gewesen, und als v. Francois in 'Magdeburg Erster Generalstabsoffizier war. war der damalige Hauptmann Ludcn- dorsf zweiter Generalstabschef, v. Francois, der mit seinen ab weichenden Absichten nicht durchdrang, erhielt den Auftrag, Us- dau, die russische Hauptstellung, zu nehmen, geradeaus nach Osten, etwa entlang der Landesgrenze, vorzustoßen und alles, was sich an Russen nördlich dieser Linie befand, abzuschneiden. Das war bei vier russischen Korps, dem 1., 23., 15. und 13. der Fall und der Auftrag ließ an Schwierigkeiten nichts zu wünschen übrig, zumal das Korps Francois noch gar nicht vollständig zu sammen ivar und besonders die Artillerie und die Munitions kolonnen noch fehlten: die letzten Bahntransporte sind dann auch bis auf das Gefechtsfeld gefahren worden. Aber dieser ausgr- zeichnete Korpsführer wurde aller Schwierigkeiten Herr, nahm oni 27. 8. die Schlüsselstellung bei Usdau, am 28. vormittags Soldau, am S"ätnachmittap Nsidenburg und erreichte in der Nacht gegen 3 Uhr morgens Muschaken. Gegen 7 Uhr abends am 29. 8. war auch Wilkenberg genommen und damit sämtliche Rück zugslinien nach Süden gesperrt. Das alles geschah, obwohl in der Flanke dieser Bewegung keine 20 Kilometer südlich von Sol dau Mlawa lag, der Endpunkt der Bahn von Warschau und Aus schiffungspunkt zahlloser Truppentransporte. Diese brennende Lunte in der Flanke bedeutete für General von Francois eine schwere Nervenprobe, und cs ist wohl nur dem Umstande, daß General Artamanow, der Führer des gegenüberstehenden 1. rus sischen Korps, die Nerven verlor und mit seinem Korps nach Sü den auf Mlawa zurückging und die Flanken seiner Armee preis Die Soldaken der Kaiserin Roman von Juliana von Stockhaui«» (12. Fortsetzung.) Ter daraus: „Es lebe die Königin! Tod ihre» Feinden!" „Ich danke Ihm," wandte sich Maria Theresia an den Kurier. „Wir werden Ihn noch sehen! Er kann gehen." „Sie schellte, besuhl dem Pagen: „Sechs Läufer!" Die Läufer traten ein. „Schreib Er die Zettel, Herr von Cetto: „Zu sogleichem Erscheinen befohlen sind: Oberseldmarschall Gras Neipperg — General Graf von Bärenklau — der Feldmarschall Joses von Harrach — Hofkammerpräsident Gras von Dietrichstein — Hof rat Bartenstein." — Fort, Page! — Sogleich laß er vor die Grafen von Sinzendorf, Harrach und Uhlfrld! — Er kann gehen, Cetto!" Das Gemach füllte sich mit Mensche». „Alsdann," sagte der Graf von Dietrichstein, und hob das Binokle an die schwachen Augen, „das ist eine Katastroph', b'hllte unsere liebe Majestät!" „Das Wasser um uns steigt bedrohlich." orakelte Sinzen- dors und streichelte seine birnförmige Nase, „ich weiß kaum mehr einen Kanal, es abfließcn zu machen!" „Der König von Preußen", begeisterte sich der Hosrat von Bartenstein, „soll Zusehen, daß die Truppen der Majestät ikn nicht überschwemmen!" Der Oberfeldmarschall von Neipperg kam, kurz daraus Franz Stefan. „Küste in Devotion die Hände von Dero Majestät! Ja, da werde ich mit gnädiger Permission wohl zur Armee gehen. — Ja, das ist sehr unkommod jetzt im Winter, auch für die arme Armee! Der Pr-niß ist komplett närrisch, im Winter eine Kam- pcwne zu machen! No, bitt' Sie, gnädigster Herr, was steht dafür?" - Franz Stefan beschäftigte fick, mit dem Grcsten Dietrich stein. „Sie werden sogleich die Fouragierungen in die Wege leiten: schreiben Sie nach Ungarn an Esterhozn eine Eilstafette, daß man auf dem Wasserwege Fouroge herschafft." „Ja, aber gnädigster Herr." Dietrichstein ließ in seinen dürren Greisenhänden das Binokle zittern, „im Winter ist es nicht gebräuchlich, donauaus- oder -abwärts z» schissen! Das war noch nie!" „Meiner Seel'," ries Franz Stefan, „aber wenn's doch not wendig ist!" „Erlebt bat man's noch nit!" schüttelte der Alte den periick- ten Kopf: „und überhaupt, ich weiß absolutement nit. wie man mitten im Winter die Trunve soll incnagieren, montieren und armieren! Ja, das ist horrible, einfach horrible!" näselte er. Der General Bärenklau warf den Kopf zurück, seine run den scharfen Augen flammten, die breiten Nasenflügel blökten sich. „Ener liebe, glorreiche Majestät, fürchten Sie nichts, hoffen Sie alles! Ihr standhaftes Herz ist unsere beste Wehr!" „Ich dank Ihm, Graf Bärenklau." freute sich die Königin. Neipperg redete: „Dero liebe Majestät, daß der Browne hinter der Neiße liegt, ist ja ganz gut — besser aber lag' er in Breslau." „Trottel," dachte Bärenklau, sagte laut: „Bitt' Sie, Mar schall. die Breslauer Festungswerke sind zum ersten miserabel instand — zum zweiten ist die Bürgerschaft lutherisch und somit für uns unzuverlässig — summa: zum dritten sind die Truppen zu schwach, Breslau zu halten." „Ihre Kritik ist zwar scharf, aber ist sie auch berechtigt?" meinte Franz Stefan. „Browne hat völlig recht," rief Khevenhüller: „hinter der Neiße hat er scstes Quartier, das kann er sogar mit wenigen Truppen behaupten!" „Gut," sagte die Königin, „er soll defensiv bleiben, so lange er nur wenige Truppen hat. Wenn aber Unser lieber Neipperg wird mit seinen Regimentern zu ihm stoße», soll man Vorgehen." „Dero Majestät." fragte ängstlich der Minister von Harrach, „wollen nicht mehr geruhen über eine friedliche Abtretung Schlesiens?" „Nein, seht nicht mehr," ries die Königin; „jetzt handeln Wir nur noch mit dem Schwert um Schlesien." „Es lebe die Königin!" schrie Bärenklau; die Generäle stimmten ein: „Es lebe die Königin!" Lächelnd hochaufgerichtet, stand Maria Theresia: „Meine Lieben und Getreuen, so werfen Wir die letzte Planke, die zu rückführt, ab und stoßen mit dem Kriegsschiff in das Meer der Zukunft! Gott soll Uns gnädig sein und Unser Schiff sicher durch die bewegten Wasser lenken! Seien Sic treu, meine Her ren, treu zu Oesterreich, standhaft Unsere Politik, geben Sie im Glück Gott die Ehre, und !m Unglück vertrauen Sie auf Ihn! — Sie Kämpfen nicht nur für Ihre Ehre, Sie Kämpfen auch für meine Ehre, die an den Schwur gebunden ist: Oesterreich zu be wahre» und zu beschützen, Oesterreich ganz und ungeteilt zu er halten!" Der Grgf Neipperg küßte die .Hände seiner Königin mit leidenschaftlicher Hingabe, — Bärenklau kniete nieder und zog ihren Rocksaum an die Lippen. Hingerissen schwor Kheven hüller: „Mit meinem Leben verbinde Ich Eueren Namen. Köni gin — und nicht der Tod wird ihn aus meinem Herzen reißen." « «- » Belm türkischen Cafetier hasadierten Studenten und Gri- setten. Es roch nach Parfüm, scharfem Tabak, Kaffee und Bäckereien. Dorlne. vom Pelz die schmalen Schultern umrandet, hatte wehmütige Gedanken. „Wien, „ado — rable Vienna!" Stadt des Leichtsinns und der süßen Grazie " „Warum wehmütig. Dorine?" fragte Hector. „Weil Dorine nach Schlesien geht," sagte ihr Freund, ein junger Offizier. „Es gibt Frauen, die uns mehr als ihr« Behaglichkeit lieben." „Vielleicht ist auch die Lust nach nsuem Erleben größer als alle Bequemlichkeit und Liebe," ironisierte Dorine sich selbst. Die Gasten waren schwarz von Menschen, verworrenes Geschrei drang bis ins stille Hinterstübchen beim türkischen Cafetier. Husaren ritten durch die Stadt. Die Fenster klirrten vom Geratter ihrer Trommeln und Trompeten. Die Menge trieb . mit ihnen, lachend, lärmend. Die Husaren warfen mit feurigen gab. statt sich auf deren Rückzugslinie, nach Osten, zurtickdriicken zu lassen, zuzuschreiben, daß dag Wagnis glückte. In noch höheren« Maße glückte das Wagnis, das General von Hindenburg unternommen hatte, als er das 17. und 1. Re- seroekorps am 24. 8. nach Süden in Richtung Bischossstein—Bi schofsburg abmarschieren ließ. Aus dem am folgenden Tage aus- gefangenen russischen Funkspruch war zu entnehmen, daß Gene- ral Samsonow sein rechtes Flügelkorps, das 6., zur Ausnahme der Verbindung mit General von 'Rennenkamps in Richtung Bi- schossburg—Bischofsstein dirigierte. Dieses Korps mußte dar nach schon am nächste» Tage dem 17. und 1. Neservekorps in die Hände laufen. Das geschah am 26. 8. bei Gr.-Bössau. Es wurde geschlagen und ging in vollem Rückzuge Uber Ortei-burg bis an die Landesgrenze zurück. Damit war die rechte Flanke und der Rücken der Karew-Armee an Hindenburg ansgeliesert, welcher augenblicklich an dieser Stelle den tätlichen Ecklag gegen Sam- sonow führte. Das 17. und 1. Oieservekorps erhielten den Auf- trag, gleichwie das 1. Korps die Schranke Neidenburg—Muscha ken—Willenberg von Nord nach Süd zu ziehen und alle Rück- Zugslinien nach Osten zu sperren. Die Ausgabe wurde gelöst. Während sich das Gros in glühender Auguslhitze auf den liefen Sandwcgen vormärtsarbeitete, wurde Kavallerie, Artillerie und Infanterie auf Wagen vorausgcschickt, General von Mackensen an ihrer Spitze, Pastenheim in der 'Nacht vom 28. zum 29. 8. und Orteisburg gegen 'Morgen besetzt, entsprechend dem Befehl Lu- dendorsfs vom 28. 8. nachmittags 2 Uhr. welcher „Berfolouna bis znm letzten Atemzug" vorschrieb. Uni Mitternacht des 29. 8. konnten sich die Spitzen des 17. (1. Batlaillon des Infanterie- Regiments Nr. 21) und das 1. Korps die Hand reichen, sie stan den sich bei Kannwiesen unweit Willcnberg auf vier Kilometer gegenüber. Aber sie wußten nichts voneinander, waren zu Tode erschöpft und die Nacht machte eine Orientierung unmöglich. Zwischen beiden ergoß sich die ivilde Flut der zuriickgehenden Russen, bis am Morgen auch diese letzte Pforte geschlossen wurde. Die Voraussetzung für die Ausrichtung der West Ost- und der Norü-Südschranke war natürlich, daß der Feind nicht nach vor wärts in Richtung Hohenstein durchbrach, bevor die Schranken geschlossen ivaren. Diese Voraussetzung wurde von« 20. Korps, wenn auch unter mannigfachen Krisen und Rückschlägen, beson ders bei der 41. Division erfüllt. So war denn am 30. 8. der Ring geschlossen. Nach verzwei felten Durchbruchsversuchen, die aussichtslos waren, weil Füh rung und Gliederung längst ausgehört hatten, und nach entsetz lichen Verlusten, die aus 50 000 Mann veranschlagt werden, er gaben sich 13 Generäle und 92000 Mann mit 350 Ge schütz« n. Hierzu kam ein unermeßliches Nlaterial an Maschi- nengeivehren, Feldküchen, Pferden, Fahrzeugen und Ausrüstungs stücken aller Art, die besonders den deutschen Landwehrsorinatio- nen zu statten kam. Der Armeesührer hat seine Niederlage nicht überlebt. General Danilofs widmet ihm in seinen Erinnerungen folgende Worte: „Sich zu Pferde, nachher zu Fuß auf Umwegen durch den Wald schlagend, hat er sich hier laut Zeugnis der ihn begleitenden Stabsoffiziere, nicht imstande, die Last des Mißer folges. der ihn betroffen hatte, weiter durchs Leben zu schleppen, am 30. 8., unweit Willenberg, erschossen . . . Diesem mar- kanten Führer der russischen Armee, mit dessen Namen viele zu Grabe getragenen Hoffnungen verknüpft sind, verleihe Gott di« ewige Ruhe." Er wurde unerkannt beerdigt. Durch ein Medail lon. welches ihm bei seiner Bestattung als Erkennungszeichen aboenommen ivar. konnte später seine Gattin sein Grab fest stellen. In der 6tügigen Schlacht bei Tannenberg standen 150 000 Deutsche 200 000 Russen gegenüber, bei Sedan 190 000 Deutsche 120 000 Franzosen, bei Metz 240 000 Deutsche 200 000 Fran'osen, bei Leipzig 275 000 Verbündete 150 000 Franzosen gegenüber. Der Sieg bei Tannenberg ist insofern einzig in der Weltgeschichte, als sich der Untergang der rustischen Armee vor den Augen der Schwesternarmee vollzog. Sie brauchte nur anzutreten und Hin- dcnburg und Ludendorsf hatten ihr Spiel verloren. Die Nerven belastung, die darin lag, eine mehrtägige an Krisen. Wechselfüstcn und Rückschlägen reiche Schlacht zu leiten und dabei 6 Tage und 'Nächte jeden Augenblick befürchten zu müssen, daß die alle Hoff nungen vernichtende Meldung eintrifft, Rennenkampf marschiert, vermochten nur die außerordentlichen Naturen von Hindenburg und Ludendorsf zu ertragen. Der moralische Eindruck der Nie derlage aus die Russen. Mannsäzoft wie Führung, war groß und wirkte in den Operationen der nächsten Zukunst nach. (Fortsetzung folgt.) Blicken und lustigen Worten um sich: „Aus! Auf sür Maria Theres! Es lebe unsere Königin!" „Unsere Husaren sollen leben!" — „Hüt' dich, Preuß', vor unseren Husaren!" — „Schö nes Kind, wenn wir ivieder kommen, feiern wir Hochzeit! Pfleg' deine Näglein und Rosmarien!" — Bei den Augustinern predigte der Prior in hocheigener Person. Kopf an Kopf staute sich die Menge. Iin Licht vieler Wachskerzen des großen Redners. Seine Hand wies gegen den Himmel. „Flehet zum Allmächtigen, daß die Heiligste Mutter aus ihren fternengleichen Händen Segen niederfließen läßt auf das junge Haupt unsrer Mutter hier, der hochgnädigen Königin Maria Theresia! Den heiligen Michael ruft an, den Ritter und Cherub der gerechten Sache, daß seine heilige Faust das Schwert Oesterreichs führe gegen alle Bedränger! Ich aber sage Euch, betet! Der Herr hat uns diese Prüfung gesandt, unter der wir «ms demütig-beugen; er fügt unseren Willen unter den Seinen!" » » » In den Gemächern der Königin wogten die Menschen. Franz Stefan war bereits erschienen; die Königin wollte erst später kommen. Man sah die bewegte Geste des Oberhosmeisters, des älteren Khevenhüller, man Härte den Grafen Uhlseld heftig reden, auf Augenblicke erschien Bärenklau, um gleich wieder zu verschwin den, die meisten Generäle fehlten. „Quell' desastres!" stöhnte der Oberhofmeister zu Franz Stefan. „Mein gnädiger Herr, ist das erhört, wo ist die Etiket ten? Wo? Ohne dcro Majestät kann man nicht speise» gehen und mit dero Majestät — es wird Mitternacht, bis dero Maje stät kommt! Das Hab ich noch nit erlebt, daß die Politik die Etiketten umwarf. Das ist absolut ungeheuerlich. Wenn das der hochselige Herr Kaiser erlebt Hütten!" „Mon tres cher!" „Halten's Ihre Predigt dem Preußen, da dürste es besser angebracht sein," mokierte sich Franz Stefan. „Aber ich Hab' Hunger! Lassen's zum mindesten eine Scho kolad servieren!" Anna Mariavon Hapdt saß auf dem schmalen, langge- sckweiftcn Sofa: die weiche Seide ihres weiten Nockes bauschte sich anmutig über den resedagrünen Polstern. Feiner Puder dämpfte den Glanz ihres goldigen Haar"«' und erhöhte das Dun kel ihrer Augen; ihre Lippen brannten in der Höhe tief Karmin, in den leidenschaftlich geschwungenen Winkeln blasser. Bei ihr stand der junge Graf Hark. „Wie schön Sie sind!" sagte er, sie andächtig betrachtend. „Wie langweilig Sie sind!" gab sie spöttisch zurück. „Wann» sind Sie so hart zu mir, Gräfin?" „Wieso hart, Graf?" „Gut dann: so abweisend?" „Nielleicht weil Ich Sie nicht anziehend finde. Graf." „Mutz ich das glauben?" „Nu» werden Sie tragisch, Graf. Weshalb?" „Weil -" „Was, weil?" „Weil ich Sie liebe. Anna Maria von Handt!" sagte de< Junge mit mühsam rußiger, aber zitternder Stimme. „Darf ich die Königin um Ihre Hand bitten?" .Sie überraschen mich.« sagte die Haqdt verwundert. (Fortsetzung folgt.)