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Sächsische Volkszeitung : 12.02.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-02-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192502125
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250212
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250212
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-02
- Tag 1925-02-12
-
Monat
1925-02
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 12.02.1925
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UriLerlnaltunA "»6 Silken iiiittinttütttiitttüüttütttüüNtitttnttttjüünntttünnttttittMtiMtttütnütttttünttttütnMiNtünitiiittiiiitttiittttttttütttüttüttittttijüütttimttitütit Vom Leben der Tiessee Von welchen irrtümlichen Vorstellungen man bis ungefähr ln die Mitte des 19. Jahrhunderts Uber die Verhältnisse in den grös;eren Tiesen des Ozeans besangen war, kennzeichnen am besten die Worte, welche Schiller in seinem „Taucher" dem jungen Ritter in den Mund logt. Glaubte man damals, daß Roche, Hai, Klippensisch und andere in den Abgründen des Meeres Hausen, so war man späterhin der Meinung, das; cs dort unten überhaupt kein Leben, weder pflanzliches noch tierisches geben könne mit Rücksicht vor allem auf den Mangel an Licht und den ungeheueren Druck, den die darüber lastenden gewalti gen Wassermassen ausüben. Selbst ein Mann, wie Eduard Ford es, gab sich der Meinung hin, daß der Ozean von 509 Meter abwärts still und tot wäre. Ein Umschwung in diesen Anschauungen trat erst dann ein, als große Expeditionen ausgerüstet wurden, welche, mit den besten Apparaten und den feinsten Meßinstrumenten versehen, das Rätsel der Tiefsee zu lösen unternahmen. Vor allem zu nennen ist dabei die englische Expedition, welche auf dem „Challenger" 1873 bis 1879 gründliche Untersuchungen in den meisten Meeren anstellte, und ungefähr gleichzeitig eine amerikanische auf der „Tuskarora". welche hauptsächlich den Pazifischen Ozean und besonders die Westküste entlang der japanischen und der anderen ostasiatischen Inselgruppen er forschte. Zu den wichtigsten Ergebnissen ihrer Untersuchungen muß dabei die Tatsache gerechnet werden, daß man endlich klarere und sichere Vorstellungen über die Tiefenverhältnisse überhaupt gewann, denn während man bisher der Meinung ge wesen war, daß die tiefsten Stellen inmitten der Ozeane zu suchen seien, zeigte es sich nun, daß der Grund der Ozeane ver hältnismäßig flach sei und eine durchschnittliche Tiefe von 4500 bis 6000 Meter habe, während die großen Tiesen am Rande der Kontinente grabenförmig sich hinziehen. Dazu gehören unter anderem die bekannte Tonyarinne und die Guamrinne, östlich der Marianen, welch letzte die amerikanische Expedition des „Nero" 1898 mit 9642 Nietern bestimmte. Von späteren For schungen, die sich vor allem mit der Untersuchung des Lebens in der Tiefsee befassen, sind zu erwähnen die vielfachen Reisen des Prinzen Albert von Monaco und die deutsche Expedition unter K. Kuhn auf der „Valdwia". Nach all diesen Untersuchungen endet nun alles pflanzliche Leben in einer Tiefe von 4 00 Metern, da die Wasserpflanzen eben so wie die Land- pslanzen aus das Sonnenlicht angewiesen sind, welches bei dieser Tiefe seine unterste Grenze erreicht, wenn auch die blauen und violetten Strahlen noch tiefer dringen. Entsprechend der ver schiedenen Lichtstärke hat man dabei drei Zonen unterschiede», von denen die erste, die sogenannte euphotische, bis 80 Meter hinabreicht und durch reiches pelagisches Tier- und Pflanzen leben gekennzeichnet ist, während die zweite, wegen ihres schwa chen Lichtes dysphotische genannt, bis zu 400 Meter hinab geht und schon schwächeres pflanzliches, aber noch reiches tierisches Leben, aufweist. Unterhalb von 400 Metern befindet sich dann die aphotische Zone, die lichtlose, in der nur mehr tieri sches Leben anzutreffen ist. Dies ist die eigentliche Region der Tiefsee. Charak terisiert ist sie vor allem neben dem Fehlen der Pflanzen und der vollkommenen Dunkelheit durch einen ungeheueren Druck der darüber lastenden Wassermassen. Denn abgesehen von dem o">wfvhäriscb'n Druck, übt das Wasser in einer Tiefe von 10 Metern auf jeden Quadratzentimeter Bodenslüche einen Druck von 10 Kilogramm aus. Man kann sich daraus leicht berechnen, welch' ungeheuren Druck in einer Tiefe von 500 oder 600 Nietern herrschen muß. Dieser Druck aber wird ausgewogen durch den Gegendruck von innen heraus, so daß sich die betreffenden Tiere dort gewiß ebenso wohl fühlen wie wir, die wir ja auch einen atmosphärischen Druck von 20 000 Kilogramm ohne Beschwerden auszuhalten vermögen. Wird natürlich ein Tier aus so großer Tiefe plötzlich an die Oberfläche gebracht, wo der äußere Druck auf ein Geringes des früheren reduziert erscheint, so tritt infolge des gleichgebliebenen Druckes von innen vielfach ein Zerplatzen des ganzen Tieres oder ein Hervorquellen der inneren Teile aus dem Mund ein, das Tier wird „trommelsüchtig". Als weitere charakteristische Merkmale des Wassers ist seine geringe Tem peratur <0 bis 4 Grads, sein völliger Mangel an Bewegung und sein starker Kohlensäure- und Kieselsäuregehalt zu erwähnen, welche ebenfalls in weitgehendem Maße dem Leben ihren Stem pel aufdrücken. Auch der Kalkgehalt ist ein viel stärkerer und Kalk, Kohlensäure und Kieselsäure sind die wichtigsten Bestand teile des Skeletts dieser Tiere. All diesen Bedingungen entsprechend, zeigt natürlich der Bau und das Leben der Tiesseebewohner ein ganz sonderbares Gepräge. Vor allem sind die Sinneswerkzeuge eigenartig ent- weckelt. Riesig lange Fühler und oft ebenso lange Gliedmaßen geben den Krabben und ähnlich gebauten Tieren das Aussehen eines Weberknechles. Der Gesichtssinn fehlt infolge Verküm merung der Augen einerseits ganz, anderseits zeigt er gesteigerte Empfindlichkeit und sind die Augen aus Pyramiden- oder kegel förmigen Auswüchsen des Kopfes angebracht (Teleskopaugen). Viele der Tiere zeigen eine intensive, prachtvolle Färbung und sind vielfach mit Lichtorganen versehen, welche ein magisches Licht in die purpurne Finsternis der Tiefe ausstrahlen. Der Körperbau, zart und porös, ist vielfach verändert und erinnert an Zeichnungen spiritistischer Medien. Bei den Fischen ist der eigentliche Rumps fast durchweg schmal und lang, während der Kopf, und besonders die Kiefer, übermäßig vergrößert erscheinen, so daß sie ein ungewohntes, geradezu greuliches Aussehen haben. An Größe können sie sich mit ihren Verwandten in den höheren Regionen nicht messen, nur die Asseln, die bei uns in der Form der Mauerassel allgemein bekannt sind, erreichen gewaltige Dimensionen: Exemplare von 30 Zentimeter Höhe werden oft gefunden. Die am häufigsten angetroffenen Arten sind: Spinnen- Krabben, Krebse, verschiedene Fische, Tintenfisch, Stachelhäuter (Seegurken), Seelilien und Polypen. Peler -er Große Zum 200stihrigcn Todestage am 8. Februar 1925 Von Tr. Waldemar G urian, Godesberg (Nachdruck verboten) Einer riickwärtslchanenbcn Nachwelt erscheint das, was von den Zeitgenosten als radikaler Bruch mit der Tradit'vn, als revolutionäre Tat angelcheii wurde, als Sichtbarwerden schon vorhandener, aber unauffälliger Tendenzen einqr langdanern- den histvrtzchen Entwicklung. Ein deutl'ches Beispiel für dieses allgemeine Geich der Geschichte ist Peter der Große. Vielen Russe», die während seiner Regiernng (1689—1725) lebten, er schien er als ein unerhörter Neuerer. Tabei kann heute jeoer, der sich mit russischer Geschichte befaßt, leicht Nachweisen, das; schon lange vor der Thronbesteigung, ja vor der Geburt des größten der Romanoffs, in Rußland ausländische, westeuro päische Einrichtungen »nd Erfindungen nicht unbekannt waren; hatte doch schon Iwan der Schreckliche im 16. Jahrhundert das tatari>che Kasan mit Hilfe fremdländischer Ingenieure erobert. Und >o eigentümlich es auch uns erscheinen mag, die wir in Peter dem Großeil jenen Zaren zn sehen gewohnt sind, der das asiatische Rußland in einen europäischen Staat verwandelte: Peter der Große verdankte d:e Zarenkrone der Abneigung weiter Kreisa des russischen Adels und Militärs gegen seine Schwester Sophie, die als Regentin im Namen ihres schwachsinnigen Bru ders Iwan die Geschicke Rußlands lenkte, und von der nian fürchtete, daß sie mit Hilfe ihres als poleufreundlich verschrienen Münsters Fürst Golitzyn Rußland europäisieren und katholisch machen würde. So har auch in Rußland der Romhaß Geschichte gemacht, allerdings wie überall eine Geschichte, die ganz anders aussah, als d'.e von ihm Befallenen erwarteten. » Peter der Große hatte schon als Kind eine tiefe Abneigung gegeii alles allrussische Wesen eingeprägt bekommen. Sein gan zes Leben lang hat er nicht den Aufstand der S tre listen vergessen können, jener Kronrcgimcnter des russischen Heeres, bin eine ähnliche Rolle spielten w'.e jm alten Nom die Präto- rtanergarden der Imperatoren und in der Türkei die Jc»üt- scharen der Sultane. Dieser Aufstand, der mit unerhörter Grau samkeit dnrchgssührt wurde und seine Mutter zur Niederligung der Regentschaft zwang, hatte zur Folge, daß Peter, sich selbst überlassen, >n der kleinen Ortschaft P rcobraschenskoje aufwuchS. So brauchte er nicht unter der Enge des Lebens im Moskauer Zarcnsiste, dem Kreml, zn leiden, sondern konnte sich lin Gegenteil, unbehindert von einer beschränkten Tradition, nach allen Richtungen hin frei entfalten. In Preobrascheuskoje ent stand Peters Liebe zur Schiffahrt. In Preobrascheuskoje cernt.' er die Ausländer näher kenne»: Söhne europäischer gciusleute und Handwerker waren seine Spielgefährten. Und auch d>r Hei- rar mit Eudoxia Lopuchin, die einem alten Adelsgeschlechte ent stammte, konnte Peter nicht allrussische Bahnen zurücllenleu, zumal die junge Gemahlin bald rücksichtslos verstoßen wurde. Wer.sollte Peter für diese Tat zur Rechenschaft ziehen, da er im Jahre der Heirat den Thron bestieg? Tie ersten Jahre der Regierung Peters vergingen, ohne daß eine Aenderung in den staatlichen Verhältnissen Rußlands ver sucht wurde. Der neue Zar weilte meistens in dem einzigen Seehafen seines Reiches, in dem am Eismeer gelegene» Archan gelsk. Er führte selber als Kapitän Schiffe und verkehrte weiter viel mit Ausländern, vor allem mit holländischen Seeleute,,. Erst 1695 wagte er ein ernsteres Unternehmen: Er begann mit der Belagerung der türkischen Festung Asoff. Doch erwies sich bald, daß die russischen Seestreitkräfte nicht ausrejchten, um diese Seestadt cinzunehm-ii. Toch Peter der Große verzweifelte nicht. Jm nächsten Jahre schivammen russische Schiffe auf dem Schwarzen Meere, und Aioss mußte sich der HartnäckigieU oes rnsssichen Zaren beugen. Asolf war die erste Tat Peters des Großen. Als zweite entscheidende Tat muß man seine E uropa reise von 1697—1698 betrachten. Tenn es war etwas bis dahin »och nicht Gekanntes, daß ein russischer Zar eine Auslandsreise unternahm. Durch sie belundete Peter der Große, daß er den bisher nur langsam fortschreitenden Europäisierungsprozeß se - nes Reiches beschleunigen, ja, daß er ihn mit aller Gewalt und allen nur möglichen Mitteln vorwärts treiben wolle. In Europa erregte Peter der Große durch ,elu exzentri sches Benehmen größtes Anssehe!,. Er wollte alles sehsiy alles wissen, alles erklärt haben. Er war beleidigt, als der Komma»- danr des damals schwedischen Riga eine Besicht'gung der Fe- stnngswerke nicht zuließ. Er arbeitete in Zaanda», (Holland) als Schissszinlinerman» und erregt in England die Me'nuug, daß er sich besser z„m Kapitän eines Schiffes als zum Zaren alter Reußen eigne. Lcibniz aber, der Philosoph am Höre des Knrsürsteu von Hannover, bewies seinen Scharfblick auch für politische Tinge dadurch, daß er die Größe Peters gleich erkannte, obwohl er ihn nicht persönlich gesehen hatte. Tie Europareise Peters war das Vorbild für die Europa« reisen :dwS jungen russischen Adels. Wer nicht fcejw.llig den Westen kennen lernen tvollte, wurde dazu gezwungen. Gleich zeitig wurden sine Menge ausländischer Instruktoren auf allen Gebieten (Verwaltung-;-, Militär, und Marinewejen, Handwerk und Handel) nach Rußland eiugeladen. ES wurde besohlen, sich westeuropäisch zn kleiden. Kein Adl'ger durfte einen langen Bart »nd einen russischen Kaftan tragen. Auch die Geiellschasts- lind BerkchrSformen der höhere» Schichten wurde,, europäi siert. Von einschneidender Bedeutung war die Schaffung e'nes festen bürolratischeu Systems: der Tschin mit seine,, 14 Rangklnsscu gab während der gesamten nachpetrinische,, Zarenzeit dem rus sischen Leben eine charakteristisch: Note. Gleichzeitig mit den Reformen t». Inner,, des russischen Staates lief eine energische Anßenpolit'.k, 1700 begann der Nor dische Krieg gegen Schweden, der nach anfängliche,, Mißerfolgen im Jahre 1724 in, Frieden von Nhstadt mit der Gewinnung Livlands, Esthlands und Inger,nanlandS endete, also Rußland endlich eine» eisfreien Hafen verschätz'te. Mitten im Kriege hatte Pcter d:r (große auf erobertem (gebiete den Grundstein zur neuen Hanplstadt seines Reiches, die zugleich sc'i, Hanvthafe,, weroen sollte, zn Sankt Petersburg gelegt. Als 1725 der Zar starb, war die En r o p ä i>, c r u n g Rußlands entschieden. Tas Fenster nach Europa konnte „icht mehr zugemanert wer den. Es hätte nicht der Hinrichtung seines altrnsj'sch gesinnten Sohnes Alerer (er wurde zn Tode gekantet) bedurft, um eine Wiederkehr früherer Zustände zu verhindern. Es wäre falsch, zu glauben, Peter der Große hätte ein inneres Verhältnis zur europäischen Kultur gehabt. Er sah nur ihre praktischen Seite». Ueberhaupt war ihm der Pl'ck für das, was jenseits des Praktisch-Politischen liegt, verschloß, fen. So betrachtete er die orthodoxe Kirche „„r als Instru ment zur Beeinflussung der Bolksmassen. Er ordnete sie der staatlichen Bürokratie unter, indem er an Stelle ihres Ober hauptes, des Patriarchen, einen sogenannten „Synod" setzte, in dem der weltliche Vertreter des Staates fast alles zu sagen hatte. So wurde Peter der Große schuld an jener Entfremdung zwischen Volk und Staat, d'.e in Rußland in dem Maße j'ch steigerte, als der mystische Glaube an die Gottgcsandtheit des Zaren verloren ging. Ist mit dem S turze des Zaris »i n S das Werk Peters des Großen vernichtet? Es ist ebensowenig vrrnichtet, w'e der Namen Leningrad den Namen Petersburg vergessen ma chen. kann. Rußland ist ein Land mit europäischer Z vjllsation geworden, trotz aller Unvollkommenheit i„ der Turchsührnug. Dadurch, daß es die westlichen Einrichtungen schon srühze'tjg, »» 17. Jahrhundert, nbernahi», bat es sich vor den, Geschicke, eine »olonie des Auslandes zu sei», bewahrt. Außerdem hat Pe:.-r der Große der tiefsten Tendenz aller russischen Pol'.cik: Ge winnung eines Hafens, einen nicht auSznlöschendeu Nachdruck verliehen. So ist sein Werk auch heute noch lebendig, mag auch im Petersburger Wüitervalaste Sinowjcss, das Haupt der loni- munistischen Internationale, Hause». Tenn in Peier dem Gro ßen sind unvergängliche Kräfte der russisch.'» Geschichte sichtbar geworden. Und so wurden auch die Bolschewisten nur se.v.c Nachfolger. Sie mögen znm Beüpicl die baltischen NaudstaaGn am Namen der Weltrevolution erobern wollen, — aber ist da ein wesentlicher Unterschied von de» Ziele,, PeterS de; .große», der die Ostscclüste seinem Reich einverle'-ben wollte? Es gibt Maler Müller, eia rdeliWer Wer Bon Dr. Heinz Stephan „Kreuznach! Geburtsort! Wie selig du bist! Dir nach sich hebt im Fluge meine Seele, ich seh' dich, vor mir du stehest jetzt in deiner Feste! Deine bewachsenen Türme, verfall'ne Mauern steigen neu vor niir empor Ich hör' das Rauschen deines dich teilenden Stroms, das Wehen deiner Winde vom Berge herüber. O süße Luft! Ah! Wolkenstürmer: Kühner Rheingrafenstein! Ihr Wellen der Nah! Gesänge des Hartwaldes!" Das ist der Gruß, den der Dichter und Maler Johann Friedrich Müller, dessen Todestag sich am 23. April dieses Jahres zum 100. Male jährt, seiner Geburtsstadt, wo er am 13. Januar 1749 das Licht der Welt erblickt hat, weihte. Wie spricht aus diesen Sätzen, aus der ganzen Hymne „Kreuznach" überhaupt innigste Heimatliebe, das Gefühl innerlichster Wesensverbunden heit, das aus dem Bewußtsein quillt, daß er alles, was er als Mensch und als Künstler geworden ist, dem mütterlichen Heimat- boden verdankt! Kräfte der rheinischen, damals pfälzischen Heimaterde machten ihn zum deutschen Dichter, zu einem für seine Zeit eminent neuartigen und fortschrittlichen Dichter, zu einem rheinischen Dichter — trotz seiner Schäfer-, Faun- und Pa radies-Idyllen, seiner Bacchuslieder und seines lyrifchen (musi kalischen) Dramas „Niobe"; und was er als Dichter war, gab auch dem Maler seinen Charakter — trotz seiner römisch-klassi zistischen Neigungen. Wenn ich diesen urwüchsigsten Poeten der Geniezeit einen Vorläufer impressionistisch-naturalistischer Kunst- strebungen, der fast 150 Jahre früher zukünftige Prinzipien vor wegnahm, nennen würde, so würde man mir nicht ohne Berechti gung vorwerfen, ich fasse damit nicht die volle künstlerische Per sönlichkeit Maler Müllers und entiverte zudem jedes weitere Wort, weil ich in der Beurteilung Müllers auf die Ahnensuche gehe für eine Kunstrichtung, die durch Verneinung ihrer Grund prinzipien von unserer Zeit überwunden ist. aber ein Ehrentitel wird daraus, wenn ich sage, daß er das Beste, ivas aus der ver gangenen Kunstepoche geläutert in unsere Zeit übernommen worden ist, aus seiner Persönlichkeit heraus künstlerisch ge formt hat: Heimatkunst. Nicht nur stofflich ist Müllers Dich tung aus heimatlichen Quellen genährt, sondern rheinische Art spricht aus dem ganzen Wesen, ja aus Form und Rhythmus die ser Poesie; rheinische Atmosphäre erfüllt selbst die antikisieren den Idyllen und Gedichte, rheinisch ist die Seele aller Gestalten, mögen sie auftreten im klassisch-mythologischen Gewände, im Bilde rheinischer oder nordischer Sagenfiguren, oder im groben Kittel der Mäkler Bauern. In einer Zeit, die im allgemeinen noch die Inhalte ihrer Dichtung aus entlegenen Regionen hcrholte, tastete dieser Sturm- und Drangpoet sich vor zu den unendlich reich strömenden Quel len volkhafter Dichtkunst. In seinen „Gedanken und Bildern" schrieb er: „Deutschland verschmäht, erniedrigt sich selbst. Deutsch lands Schöne riecht nur an ausländischen Blumen und verachtet die nahen, holden, vaterländischen Fluren. Der deutsche Sohn horscht auf die Töne fremder Barden, und indem er sich den hei ßen. vaterländischen Liedern entwöhnt, verlernt er nach und »ach. ein Deutscher und tapfer zu sein." Was Müller an anderen tadelt, sucht er selbst zu vermeiden. In ländlicher Umgebung, ivie er sie in seinen „Pfälzer Idyllen" dichterisch erfaßte, war er ausgewachsen, selbst oft genug als Hirte mit dem Vieh auf der Weide, von früher Jugend an durch Streifereien zu jeder Jahres- und Tageszeit im Wald und Feld aufs innigste mit der Natur verwachsen, im Wirtschaftsbetrieb des Vaters hatte er Gelegenheit, Menschen aller Art kennen zu lernen, das Volks leben in allen seinen Aeußerungen zu beobachten: die berühmten Volksbücher fanden sein lebhaftes Interesse und bereicherten seine Kenntnisse von den Sagen und Mären des Volkes, die er von der Amme gehört oder in der Epinnstube und bei sonstigen geselligen Zusammenkünften erlauscht hatte. Von diefen Tat sachen zeugen eine Reihe von Radierungen der frühen Zeit, zum Beispiel „Die Bänkelsänger". So entkeimten auch seine Idyllen, seine volksliederartige Lyrik und Balladendichtung, seine Dramen „Golo und Genoveva" und „Faust" dieser heimai- lichcn Atmosphäre »nd konnten sich in Zweibrückc» (1767/74) und Mannheim (1774/78), wo er unbeschränkte Entwicklungs- möglichkeiten hatte, und sich in der ihm durch Geburt und Er ziehung gewiesenen Richtung fortbildete, in kräftiger Eigenart entfalten. Innigstes Heimatgefühl, ivie es ein Wesensmcrkmal rheinischer Menschen zu allen Zeiten ivar, ist Wurzelgrund und Keimzelle der ganzen Dichtung Müllers. Wie ergreifend bricht cs aus seiner Seele hervor in der hymnischen Klage um die Zer störung des Heidelberger Schlosses: „Schlüg' ein Pfälzer Herz in meiner Brust, wenn ich nicht klagte? War' ich wert, daß ich Pfälzer Luft geatmet, daß Brot, gewachsen ln Pfälzer Erde, mich gesättigt, Wein mich erquickt, den die Sonne an Pfälzer stieben geläutert zu Geist? Wär' ich's wert, wenn ich nicht mit- klagte, daß Frevlerhand die Brandfackel geschleudert in diese Räume und gesprengt mit des Pulvers unbändiger Gewalt diese Ricsenmauern?" — Und wie überschwänglich ist seine Freude über die „Errichtung einer deutschen Nationalbühne in der Pfalz", die in dem Aussatz „Zur Begründung des deutschen Nationaltheaters in Mannheim" zum Ausdruck kommt, wo er dann weiterhin den Gedanken entwickelt, man iverde durch Einrichtung einer entsprechenden Thcaterschule „mit der Zeit ein eigenes, neues Theater besitzen, ganz Natur, ganz Wahrheit", eine Hoffnung, die wiederum zeigt, wie Müller in der Verwur zelung in der Natur das Grundprinzip jeder Kunst sah. Rheinische schausrohe und bildsrcudige Art spricht sich auch in der Behandlung des Landschaftlichen in Müllers Dichtung aus. In seiner oftmals volksliedhastcn Lyrik wnd heimische Landschast lebendig: die „mollig weiße Herde" weidet aus saftig- grüner Wiese, die kleine Quelle sprudelt „ganz in dem Busch versteckt", von Schmetterling und Mücke umschwärml, üben» Bachstrom hängen Weiden, „es horchen die Klippen im schwar zen, schwarzen Tale", sogar in der aniisicrcndcn Idylle „Bae- chidou und Milan" spielt der Rhein eine Rolle. Betont rhei nische Landschast ist Motiv oder Hintergrund in de» „Heidel berger Strophen", in den hymnischen landschaftlich kuiturhislori- fchen Bildern „Kreuznach", „Neckarau", „Tas Heidelberger Schloß", in der Schilderung des Blickes aus Rhein und Nahe, Bingen und den Mänsetnrm. in der deutschen Idylle „Ulrich non Coßheim" und in dem musikalischen Drama „Ter Riese Rodau", mit dem Müller in erstaunlicher Weise die Idee des Waguecschen Musikdramas vorweg nahm. Wie Müller als Maler in Zweibrücken nalurvolle und lebendige Tierstücke und Hirtenbilder schuf, so gestaltete er auch — die von Geßner in Deutschland cingeführte Idylleudichiung in ganz persönlicher Eigenart wciterführend - pfälzische Bilder in seinen Idyllen „Die Schafschur". „Das Nußkerneu", „Ulrich von Coßheim" und dem gesellfchasllichen Drama iür den Christ abend „Die Hirten von Bethlehem". Psäizer Bauern und Hir ten werden in ihrer Hantierung und Unterhaltung vorgcsüyrt: Volksleben, Volkssprache, ja bisweilen ein paar Brocken Dia lekt, Bolksgefühl und Volksdichtung Professor Max Ocser sagt über das Wesen der antiken Idylle» Müllers: „Die ganze aus gelassene Wcinsröhlichkcit der Pfalz und die unerschöpfliche Na turkraft bezeugende, durchaus gesunde Lebenslust des Psälzcr- landcs versinnbildlichen die grotesk komischen Gestalten dieser Idyllen". Das wäre im einzelnen leicht zu belegen, am leich teste» der „Bacchidon und Milan", von der Müller selbst i» einem Vorwort sagt, daß cs dem Verfasser gefallen habe, „unge achtet er ein Maler ist. das Kostüm mit Fleiß zu verletzen und seinen Satyr sowohl als den Schäfer in Mützen pfälzischer Bau ern aufzusühren". lind wie erzählt er in der Idylle „Der Faun Molon" von Maienfesten und dem Wahrsage- und Heischegang der Faune in fast karnevalistischer Verkleidung. Der rheinische Charakter der Volkslieder ist im einzelnen schwer nachzuweife< aber im Gesang Guntcls vom Pfalzgraf Friedrich in der „Schaf schur" und im „Ritt von dreißig Meilen" ist das Motiv rheinisch. Auch Müllers Wein- und Trinklieder sind trotz der Einklei dung in antike Formen und trotz der Verbrämung mit grirH
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