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Sonnabend, den 11. Oktober 1924. Nr. 237. Seite 3 Tagesneuigkeilen Die Zeppelinfahrl am Sonnaben-früh Berlin. 10. Oktober. Wie aus Friedrichshasen gemeldet wird, ist die Ausfahrt des Z. R. S von Dr. Eckener aus Sonn- abendsriih 8 Uhr festgesetzt worden. Friedrichshofen, 10. Oktober. Die gestrige zweistündige Probefahrt des Z. R. 3 erstreckte sich auf das Bodenseegebiet bis Konstanz und Ueberliugen. Die Fahrt ist durchaus zur Zufriedenheit der Leitung verlausen. Die Motoren haben ein wandfrei gearbeitet. Das Luftschiff ist setzt zur Ueberfahrt nach Amerika klar. 5» Jahre Weltpostverein Berlin, 10. Oktober. Aus Anlatz des 50jährigen Bestehens des Weltpostvereins fand gestern abend im Lichthofe des Post museums eine Feier statt, zu der autzer dem Reichspräsidenten und mehrere» Vertretern der Behörden auch die Witwe des ersten deutschen Generalpostmeisters von Stephan erschienen war. Bern. 10. Oktober. Die schweizerische Presse veröffentlicht heute Gedenkartikel anlählich der vor 50 Fahre» erfolgten Gründung des Weltpostvereins. Am internationalen Welt- postdenkmal wurden Kränze niedergelegt. Jugzusammenstosr am Anhaller Dahnhof Berlin, 10. Oktober. Vor dem Anl>alter Bahnhof hat sich gestern morgen ein schwerer Unfall ereignet. Ein Güterzug wartete vor dem Mittelstellwerk darauf, daß das Gleis 3 zum Rangieren freigegeben würde. Eine Lokomotive mit zehn Eil gutwagen stand ebenfalls bis zur Freigabe dieses Gleises in der Nähe. Als dann vom Mittelstellwerk die Einfahrt sreigegeben wurde, rollten, offenbar durch einen Irrtum des Weichenstellers am Blockwerk, beide Züge in der Dunkelheit ans das Gleis 3 zu und prallten dicht hinter dem Mittelstellwerk zusa m m e n. Der 36 Jahre alte Bremser Emil Schwänzer, der auf dom letzten Güterivagen des einen Zuges stand, wurde dabei so heftig gegen den anderen Güterzug gedrückt, datz er auf der Stelle tot war. Zehn Güterwagen wurden aus den Schienen gehoben, so datz eine längere Verkehrsstörung ent stand. s Eröffnung der Bremer Textilaussdeliung. Die simste „Breda", die in diesem Jahre am 9. und 10. Oktober im Pack haus zu Bremen abgehalten wiro, wurde heute mit einer kleine» Feier und mit einem Rnndgang durch die Ausstellung eröffnet. s Die niederschlesischen Pilger beim Papste. Der Papst hat gestern die niederschlesischen Pilger empfangen. s Minengesahr im finnischen Meerbusen. Nachdem kürzlich ein norwegischer Dampfer einer Mine im finnischen Meerbusen zum Opfer siel, sind jetzt die Wrackteile des lettischen Seglers „Andreas" an die Küste gespült worden. Die Zersplitterung der Teile lätzt auf eine Minenkatastrophe schließen 1° Streikunruhen In Pretzburg. Bei einem Zusammenstotz von streikenden Arbeitern mit Gendarmen wurde ein Arbeiter getötet und vier wurden leicht verletzt. Die Gendarmen, die fünf Verletzte hatten, stellten mit Hilfe des Militärs die Ruhe wieder her. s Der Ausstand In den belgischen Kohlenrevieren. In Borinage ist die Streiklage unverändert. Auch Donnerstag nachmittag ist es zu heftigen Zusammenstötzen gekommen zwischen den Streikenden und der Polizei. In Anwesenheit ves Ministerpräsidenten und des Arbeitsministers fand eine neue Besprechung zwischen den Beauftragten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer statt, in der nahezu zwei Stunden über die Möglichkeiten eines Ausgleiches verhandelt wurde. Schließlich einigte man sich dahin, daß der gemischte nationale Gruben ausschuß Freitagvormittag etnberufen wird, um einen Ausgleich aus der Situation zu finden. s Erdbeben registriert. Wie die Potsdamer Erd bebenwarte mitteilt, verzeichneten die Apparate ein starkes Erdbeben vom 8. Oktober 9 Uhr 50 Minuten 50 Sekunden nach mittags in einer Entfernung von 3500 bis 4000 Kilometer. ^ Zur Entgleisung des Paris—Rom-Expresses. Bei der Entgleisung des Expreßzuges Paris—Rom unweit Santa Mar gerita in Ligurien sind autzer drei Eisenbahnbeamten ein römi- scher Grotzindustrieller und die Frau des Gesandten von Kolum bien in Rom getötet worden. Verletzt wurden 15 Personen, die bis auf drei wieder aus dem Krankenhause entlassen worden sind. Die Ursache des Unglücks liegt laut Tribuns darin, datz der Zug die Weiche am Eingang der Station Santa Margerita mit zu großer Schnelligkeit durchfuhr. Dem Messaggero zufolge ist der Vorsteher der Station Santa Margerita geflüchtet. s Die SV Kanonen von Königsbrück. Auf Grund einer Denun ziation hatte die Interalliierte Militärkommission Vertreter nach Königsbrück entsandt, weil dort angeblich 80 Kanonen verborgen sein sollten. Die Kommission fand in der Tat zwanzig Geschütze vor, nur waren sie leider schon 20 Jahre alt und wurden nur als Schießscheiben (!) noch verwendet. Die Kommission war von dieser Feststellung so betroffen, datz sie sogar selbst ihr Be fremden über diese Denunziation aussprach. Trotzdem Kat man diese kleine Irreführung in Paris umgesälscht zu einer schönen Havaslüge. Denn heute wird von Havas die Meldung ver breitet, „in einer Dresdner Kaserne seien 20 Geschütze Modell 98 aufgefunden worden." Daran ist, wie von zuständiger Stelle verlautet, kein wahres Wort. s Wieder ein schweres Autounglück. Das Auto einer Leit- meritzer Firma kam bei Ratschitz ins Schleudern. Der Chauf feur wollte es auf die andere Seite reitzen, doch wurden dadurch die Insassen alle herausgeschleudert. Der Geschäftsmann Trovitzsch erlitt einen Schädelbruch und war auf der Stelle tot, seine Frau blieb ganz unverletzt, dagegen wurden der Chauf feur und ein anderer Mitfahrer schmerzhaft aber leichter verletzt. -s- Bater und Tochter verbrannt. Aus Neichenberg wird gemeldet: Im Hause des Heizers Krapka in Benoschau bei Semit brach am Bode» Fauer aus. Der Vater wollte die in der Dachkammer schlafende und schreiende Tochter retten und eilte dahin. Das Feuer griff aber so rasch um sich, datz beide verbrannten. -s- Zum Vilderdiebstahl in Düsseldorf. Die in Amsterdam verhafteten Bilderdiebe sind Dr. Imhuppert, geboren am 11. November 1883 in Wien, jetzt in Neuyork ansässig, und der Kaufmann Martin Berccwzki, geboren am 12. November 1893 in Neusalz a. d. O.. jetzt in Hamburg ansässig. Beide geben zu, am Diebstahl beteiligt zu sein, behaupten aber, die Bilder nur von Düsseldorf nach Amsterdam gebracht zu haben, ohne zu wissen, datz sie gestohlen ivaren. Sie wollen in Düsseldorfer Kunstkreisen verkehrt haben. s Brandstiftung eines Polizeiwachtmeisters. Vom Schwur- aericht in Köslin wurde der Polizeiwachtmeister M üllcr aus Belgard wegen vorsätzlicher Brandstiftung zu vier Jahren Zuchthaus und seine Frau zu zwei Jahren Zucht haus verurteilt. Beiden wurden die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von fünf Jahren aberkannt. Müller wollte sich eine Villa bauen lassen und war hierdurch in Schulden geraten. Er wohnte als Polizeibeamter im Belaarder Rathaus. Am Ostersonntag steckte er die Wohnung in B and. in der Hoffnung, sich hierdurch in den Besitz der hohen Versicherungssumme zu setzen. s Das Märchen von Eberts Rittergütern. Der Landwir! tzoferichter wurde lt. „Voss. Zig." in Hirschberg (Schieß) wegen Beleidigung des Reichspräsidenten zu 150 Mark Geldstrafe ver urteilt. Der Angeklagte war beschuldigt, in einer Wahlversamm lung am 6. April diefes Jahres geäußert zu haben. Ebert habe es durch seine Tätigkeit für Sozialdemokratie und Republik be reits bis auf 33 Rittergüter gebracht. s Riesenfeuer in Gelsenkirchen. Ans der Zeche Hollano- Schacht 3 und 4 brach gestern nachmittag 2 Uhr im Anthrazitlagcr Feuer aus, das in kurzer Zeit das ganze Lager in Brand setzte. Die hinter dem Lager liegende Teerdestillation geriet gleichfalls in Brand. Riesige schwarze Rauchwolken zogen in Richtung des Bahnhofes Gelsenkirchen und Wattenscheid. Zeitweise mutzte der Straßen- und Automobilverkehr infolge der dichten Rauchwolken eingestellt werden. Neben der Wattenscheider Feuerwehr waren sämtliche Feuerwehren der Umgegend erschienen, die aber erst gegen 4 Uhr des Brandes Herr werden konnten. Der entstandene Schaden dürfte sehr groß sein. Menschenleben sind nicht in Ge fahr gekommen. s Zur Angelegenheit der Aktienschwindler Vöck und von Blumenthal teilen die Morgcnblätter noch mit, datz die beiden mit Kraftwagen gefluchteten Fälscher noch nicht ergriffen worden sind. Die Polizei vermutet, datz sich Beide noch innerhalb der deutschen Grenz« befinden. Die falschen Aktienstücke sollen lt. „Lokalanzeiger" in einer Druckerei in Grüna i. Sa. hergestellt worden sein. Es sollen noch ganze Bündel von Falschstücken in Spekulantenkreisen der Berliner Friedeichste-dt im Handel sein. Die Fälschungen wurden dadurch erkannt, datz Aktien von der selben Sorte in vier verschiedenen Drucken ausgesertigt worden waren. Die Papierholz-A.-G. in Berli teilt den Blättern mit, daß sie mit der Viktoria-G. m. b. H. in keinerlei Zusammenhang stehe, auch in keiner Weis« durch die Aktiensälschung in Mit leidenschaft gezogen sei. s Milde Bestrafung eines Chauffeurs. Im Juli ereignete sich, wie berichtet, in der Sächsischen Schweiz ein schweres Auto mobilunglück, bei dem drei Personen, der Hotelier Kubisch, seine Schwester und seine Schwägerin getötet und vier andere In sassen zum Teil schwer verletzt wurden. Wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung hatte sich deswegen der Wagen führer Vogel vor Gericht zu verantworten. In der Verhand lung ergab sich, datz der Besitzer des Automobils den Chauffeur engagiert hatte, trotzdem er zu wenig Erfahrung in der Steue rung eines Automobils hatte. Mit Rücksicht darauf erkannte das Gericht nur auf drei Monate Gefängnis wegen fahrlässiger Tötung unter Anrechnung von zwei Monaten Untersuchungshast. M«Il«r-AW in Liinehms In Lüneburg fand in den letzten Tagen die Hauptveli.inim- lung des Bundes deutscher Bodeuresoriiier statt. Im Mittel- punkr der Verhandlungen stand der Bortrag von Damaschke über Bauerntum »uv Bodenreform. Zum Schluß dieses Vortrages, der mit stürmischem Beifall aus genommen wurde und eine reiche Aussprache zeitigte, stellte er folgende zehn Gebote für Bodenreform«»: aus. 1. Eine unb.'greiflicherweise immer noch fehlende Ausnahme über die Verteilung des Eigentumsrechts am deutschen Boden. 2. Eine Einschätzung des Wertes des deiitühen Bodens mit Hilfe der Selbstcinschätzung, die der Oessenilirhleit .zugäng lich sei» muß. Tabei ist alles, was durch Arbeiis- oder KapitalSauswendnng des Besitzers erzeugt ist, wie Ver besserungen, Baulichkeiten aller Art, in Abzug zu bringen. 3. Eine Steuer aus den nackten Bodcnwert, die das Arbe ts- land der Bauern, Par.zeltenbesitzer und Pächter schont, den großen Renten-Landbesitz gerecht ersaßt. 4. Eine Ersetzung aller anderen Steuern für den schassenden Landwirt durch diese r eine G rundwert st euer. 5. Eine Znwachsstener, die bei jedem Beiitzive h>'el die unser- diente Steigerung der Grniidrente erfaßt. Ihre Erträge sind in erster Reihe siir die Errichtung von Wohn Äirt- schnftsheiniftütlen zu verwenden. 6 Ter Steuerwerk des B'denS bildet die Grundlage oer Entschädigung, wenn Land siir ösfenltiche Zwecke erworben werde» mi ß, insbesondere auch bei Abgabe von Siedtnngs- laud, auch dem Großgrundbesttz. 7. Ter Steuerwert gilt als Grundlage für eine gerechte Bemessung der Pacht. Daneben ist der Pachtschntz zu erhalten und auszubauen 8. Ter Steuerwert des BodenS bestimmt die Höbe der B er füllt l d u u g s g r e n z e, die einer erncnteu lleberschuldung unserer Landirurtschaft Vorbeuge» muß. 9. Tic Sparkraft des Volkes ist für die Beleihung des Bodens zu organisieren. Zur Verhütung der mit der Kreditgewährung für die Landwirtschaft verbundene» Oie fahren soll die Ausgabe von Hlipothekenpsandbriesen zu diesem Zwecke össentlicb rechtlichen und gemeinnützigen An stalten Vorbehalten sein. Ter Lanowirtschast, insbesondere den kleinen Landlvirien, sollen für alle Verbesserungen des Bodens, für alle »nterstützung der Arbeit billige, nn- lündbare Tilgungshiipotlieken erschlossen werden. 10. Ter öffentliche Grundbesitz ist planmäßig zu ver mehren, damit Landarbeiter, Kleiiibaneriisöhne „>tv durch Zilvachtnng von össentlichem Land auch ohne kavital ans der sozialen Slnfenleitcr auswärts steige» tonnen. Nur die entschlossene Tnrchsührnilg die'er Bodenresorm- grundsätze lverde verhindern, daß der denticke Boden, die Otrnid- lage alles nationalen Seins, oen Charakter als Ware behält, der es früher oder später in die Gewalt des in- und aus ländischen Spcfnlatiitlskcipitals führen müßte. Einen bedeutsamen Vortrag hielt Landtagsabgeordneter Bartels, Hannover, über Oedlandkultivieriing. Wenn die Knstivierung deS siskatiicbcn Oedlands in dem jetzigen Zeilmaß weitergehe, werde in etwa zwölf Jahren das gesamte fislniischc Oedland kultiviert sein. Bei der private» Kulliviecnitg werde cs jedoch noch 100 Jahre dauern. Redner beleuchtele vi- Schwierigkeiten, die nicht in den niangetnden Oiesetze,,, sondern nur in Personen, LandesknlturamtSvorstehern, Sachverständigen der Landwirtschastskaimiicr» »sw. liege» Oldenburg biete ein gutes Beispiel für Oedland- und Moorlaiidknltivierung. Zinn Schluß behandelte er daS Tmnpspslnggesetz, das die Möglichsect biete, ohne oen Gang etwaiger Verhandlungen abzuwarten, so fort staakticherseits mit Kultivierung zu beginnen. Geheimrat Gagel vom Gevlogischen Institut in Berlin führte zur Jiinenkolonisation reiches Zableiimatcricil über Ge- burtenrückgang, Säuglingssterblichleit, Bevölkerungsdichte, Wob- nnngsmattgel, Auswanderung »sw. an und kam zu dein Schluß, daß wir durch planmäßige I n n e n k o l o » i s a t i o » ins friedlichem Wega eine ganze Provinz erobern könne». Wer nicht wolle, daß wir z» den auSsterbenden Völkern gehören, 0er müsse seine Kräfte in den Dienst der Jnnenkolonisatiott stelle». In einer stark besuchten Volksversammlung beleuchtete Stu dienrat Möllenhoff (Frankfurt a. d. Oß die bodenresormerische Ge,neinbearbeit, indem er ans den segensreiche» Einstuß des He-mstättenbaus und d>ec Schrebergärten hintvies. Leine Aus führungen wurden durch den an^stischen Landtagspräsidenten Pens ergänzt. Im letzten B.-cic-z entwickelte Professor Er mann das neue Bodenrccht aus dein Artikel 155 der Neichover- fassun,. Kurk Striegler, -er Dresdner Kvmpontst Bon Franz Zickler. Anläßlich der bevorstehenden Uraufführungen »euer Werke unseres heimischen Komponisten Kurt Striegler — der achtstimmigen Vokalmesse am 11. Oktober in der Frauenkirche und der Oper „Hand und Herz" im Dezember in der Staatsoper — brin gen wir diesen aus der Feder des Jugendfreund«? de» Komponisten stammenden Artikel. 1. Täe Redaktion. 8' >:jahr 1896. Im S. Stock de» geistlichen HauseS in der Schloßstraße zu Dresden. Der Junge mit der dicken Pelzkappe, geführt von seinem Vater, zeigt keine Spur von Augst. Wie sie andere empfinden, die hierher kommen, um dem gestrengen Instruktor de- Kgl. Kapellknabeninstituts, Professor Edmund Kretschmer, vorznsingen. Klug ist sein Gesicht, lieb sind die blauen Kinderaugen. Kretschmer nimmt die beiden mit in den großen Saal, lvo bei ihrem Eintritt der Lärm von 16 wohlgenährten, gesunden Buben verstummt. Der Meister setzt sich an den Flü gel, der Knabe singt. Singt musikalischer als der gestrenge Mann am Klavier da- gewöhnt zu sein scheint, denn seine Miene hellt sich auf. Uno dann muß der Prüfling spielen. Ohne Furcht tut er'S. Kretschmer und der mitanwesende Hof- vrganist Paul Brendler nicken beifällig. Ein Wunderkind? O neinl Schlacken sind da. Gott sei Tank. — Die Prüfung ist be standen. Dem Bater ist eine materielle Sorge genvmme», denn ein Musiker mit reichem Kindersegen weiß, was darben l>eißt. Also: Ter kleine Kurt Striegler ist Kapcllknabe. In diesem durch königliche Muniiizenz erhaltenen Institut herrschte immer Froh sinn. Keiner wird diese sonnige Kindheit je bergess«,,. Bei spä teren Zusammenkünften ehemaliger Kapellknaben spürt« man'S. Und Kurt Striegler gedieh hier prächtig. Er wurde freilich eine Art „Star'ß weil er eben von HauS au- erzmusikalisch war. Aber deshalb blieb er ein richtiger Junge, neigt« zu losen Streichen, wie das bei richtigen Jungen Rechtens ist. Natür« ltch genügte dem Knaben der hier empfangene musikalische Unter richt nicht. ES kam ja nur darauf an, die zum Blattsingen »»forderliche Sicherheit zu erzielen. Und in den Klavi«rstunden trieb man Allotria. Schon damals strebte der begabte Junge Nach etwas, das man «in Werk nennen könnte. Im kindlichen Spiel entstanden sogar Dramen. Ein „Julius Cäsar" war dabei, bei, Emanuel Stnese sicher akquiriert hätte, und «in« schlimme vperett« „Dresdner Kinder", ,u der «in Klassenkamerad «in«» höchst schaudervollen Text verbrochen hatte. Dennoch: Diese Kin derei ohne jede Kenntnis kompositorischer Technik, dieser „Ver such im Dunklen" zeigte eigene Melodien und Leitmotive. Pri- vatstunben waren die Folge. (T-as kommt davon.) StrieglerS Bruder, der hochverehrte Meister Kretschmer und Arthur Hoher gaben dem Knaben Privatunterricht. Bald war er so weit, baß das Eilers-Orchester im AusstellungSpalast sein erstes „Werk", eine Romanze für Englisch-Hvrn mit Orchester aufsührtc. Und dann war es aus mit der Kapellkuabenjeit. Stimmbruch. Was nun? 2. Musiker werden? Knappes Brot verdienen? Ter Bater wollte es nicht. Lehrer soll er werden, Beamter mit festem Ge- halt. Aber daS Schicksal dachte anders. Es wies den angehenden Jüngling auf etwa? unbarmherzige Weise auf de» rechten Weg. Wie eS daS Schicksal immer macht, auch wenn eS günstig ist. T«r Progymnasiast Kurt Striegler, ein Borzugsschüler, bestaub die Seminarprüfung nicht. (Wir wußte» eS besser: er wollte sie nicht bestehen.) Und zur Strafe gewissermaßen mußt« er jetzt Musiker werden. Selten wird es einen Jüngling gebe», der sich mit gleichem Eifer in die Arme der geliebten Fron Musika gestürzt hat. In stannenerrcgender Schnelligkeit über flügelte er, der immerhin mäßig Vorbereitete, all« Mitschüler. Professor Urbach, sein Klaviermeister, oer geniale Draes«ck«, s«m Kompositionslehrer, Fährmann, oer ihn die Orgel lehrte, die Flötisten Wunderlich und Philipp und zuletzt auch seine Tärigier- lehrer Remm-lie, Schreiner und Kutzschbach haben das Ver dienst, StrieglerS bedeutendes Talent sofort erkannt und — jeder auf seine Art — begeistert gefördert zu Hab«». AnS dem normalen Knaben wurde nun ein — „fit venia verbo! - rich tiger „Wniiderjüngling". Diese erste Zeit ernsthaften Studiums bringt schon ganz ansehnliche Kompositionen zutage, so die 1. Sinfonie in D-Dur, ein Capriccio und eine sinfonische Phan tasie für großes Orchester neben mehreren Chören. Grund legend siir diesen überraschenden Aufstieg war wohl die innig« Freundschaft, die den Jüngling mit seinem Meister Draesecke ver band. Unwillkürlich — wie ihm überhaupt alles im Leben selbst- verständlich erscheint — spürte Striegler den wohltuenden Ein fluß, den dieser geniale Musiker ans ihn auSübte und der für sein ganzes ferneres Schaffen bestimmend war. Er hat trotz seines enormen Fleißes nie aus den Menschen verzichtet, und manche unvergeßliche Freundschaftsstunde wird den Gefährten aus jener köstlickM Zeit unwiderbringlich erscheinen. Als Di plome und PreiszeugniS erreicht waren, kam abermals die Entscheidung. Sie siel nicht schwer. 3. Kurt Striegler hatte am Konserpatorium schon recht be merkenswerte Proben umsichtiger Tirigierkunst abgelegt und als Schüler ostmal» sein« Lehrer „vertreten". Er war auch dem großen Ernst Schuch ansgesallen. Ter holte sich den suiigen Künstler an dessen 19. Geburtstag i» die Oper als Korrepetitor- Volontär. Damit begann die eigentliche Ausbildungszeit Strieg- lers, die ihn dem verewigte» Meister Schuch sehr nah« brachte. Schuch tvar fortan sein Führer und Förderer. Ec hielt oen jungen Mann zu Großem berufe» und machte daraus auch kein Hehl. Schon im ersten Jabr übertrug er ihm eine sür den kaum Zwanzigjährigen recht schwierige Ausgabe: Striegler mußte plötzlich und unvorbereitet eine durch Absagen zustandegekomme»« Aufführung der „Regimentstochter" dirigieren. Seine Musikali tät bewährte sich glänzend, und der im Orchester sitzende Pater hätte keine Angst haben brauchen. Um diesen Sohn nicht! Kurt StrieglerS Talentprobe hatte die günstigsten Folgen. Bald wurde der Volontär fest angestellt, und die längere Krankheit des da maligen HofkapellmeisterS Hagen gab ihm säst alle Repertoir- Opern dieses Dirigenten in oie Hand. Gleichzeitig wurde ihm die Musik im Kgl. Schauspielhaus »»terstellt. In diese Zeit siel auch die Uraufführung von StrieglerS 2. Sinfonie A Mol.1 in der Hosoper. Schuch dirigierte daS in der alten klassische» Form geschriebene Werk persönlich. Allgemein überrascht hat damals die motivische Verwendung der Pauke, mit der Strieg- ler eine bedeutende Wirkung erzielt«. 4. Tiefe Eindrücke, die sich auch in» späteren Lebe» und Schassen des Komponisten widerspiegel», vermittelte» einige Reisen. Zuerst nach Ungarn, Serbien und Rumänien, später nach der Türkei und Aegypten. Hier war Kammersänger Buss- Gießen StrieglerS Reisegefährte, und di« beiden Künstler dursten sogar vor dem Khedive konzertieren. Mit Buff-Gießen hat Strieg. ler später noch öfters Konzertreisen unternommen. Dieser be gnadete Sänger war eS auch, der die Verbreitung der Lieder des jungen Tondichters besorgte, w» er nur konnte und eine Gejamt- aufführung der Werke des jungen Striegler ist seiner tatkräf tigen Mitarbeit zu danken. Kurt Striegler wurde Dirigent deS Dresdner Männergesangvereins. Der stattliche Verein blühte unter seiner begeisterten Führung auf und stand mit an der Spitze der ersten Dresdner Männerchöre. In diesen Konzerte» fanden die Uraufführungen zweier berühmt gewordener Chor werke StrieglerS, veS „Gonger" und „Elfenried" statt. DaS Wichtigste im Schassen des Komponisten zu damaliger Zeit tvar aber die als 4. Sinfonie bezeichnete Kamtnersinsvnie mit mehr fach besetztem Streichquartett, die später als Nonett umge- arbeitet oft in Dresden aufgeführt wurde. Die Uraussührung deS sehr gedankcntiejen Werkes vera»stalt«te, wenn ich mich recht erinnere, der Tonkünstlerverei». k>. HochzcitSsackeln leiteten die »weit« Schasfensixriode Stcikg- ler» «in. 1912 reichte er der Jngenbgespieltn bi« Hand zu»