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Eonnabend, den 7. Juni 1V24. Wir uns dann auf den Standpunkt stellen, das; allmählich doch die Qualitätsarbeit wieder gebührend berücksichtigt werden müsse, so werden wir auch verstehen, wenn die oberen Beamtengruppen heute sich deswegen wehren, daß ihre Gehälter besser gestellt leien als die der übrigen Beamtengruppe». Die in der Naclckriegszeit geschaffenen Gehälter waren letzte» Endes nur ein durch die Not der Zeit bedingtes Intermezzo. Von dem Zeitpunkt an, wo der Staat überhaupt in der Lage ist, wieder genügend Geld für die Beamtenbesoldung zur Verfügung zu stellen, hat offenbar die höhere Beamtenschaii den Anspruch auf einen Ausgleich an die Fricdensgchälter. Letzten Endes aber haben wir alle, ob hoch oder niedrig, unter der Nachkriegszeit zu leiden gehabt. Und weiter hin dürfen wir nicht vergessen, das; der höhere Beamte eine Un summe von Geld sür seine Ausbildung, für sein Studium usw. hat ausgcbcn müssen. Er brauchte eine lange Lebenszeit, in der er nichts verdiente, um die geistige Ausbildung für seinen späteren Beruf zu schaffen. Während derselben Zeit aber verdienten andere bereits. Hinzu kommt noch, das; in der Nachkriegszeit unendlich viele Studierende sich ihr Studiengeld auf die härteste Art habe» verdienen müssen, das; sie gehungert und gedarbt haben, in Berg werke» und allen möglichen Nebenberufen tätig uaren, nur »in ihre geistige Ausbildung zu ermöglichen. Das schafft einen ge wissen seelischen Zustand und ein gewisses Recht, später, wenn sie einmal ihren Beruf erreicht haben, eine entsprechende Anerkennung für ihre Leistung zu finden. " Wir führen alle diese Dinge an, um ein gegenseitiges Verständnis für die Belange der einzelnen Gruppen zu erwecken. Man muh stets die Vorbedingungen für einen Zustand genau Hennen, um sich ein Urteil über die Verhältnisse zu erlauben. Das wird an manchen Klippen der sozialen Gegensätze vorbei führen. Die mittleren und unteren Beamten verdienen zweifel los heute noch zu wenig, besonders wenn man auch in Betracht zieht, das; die Preise teilweise bedeutend über den Friedens sätzen liegen. Aber wir wollen auch den anderen ihr verdien tes Recht gönnen. Kämpfe jeder für seinen Stand, keiner aber lasse die Bedürfnisse des anderen Stades außer acht. I. A. Wahl der Fraktionsvorsttzenden , Berlin. 6. Juni. Die Zentrumssraktion des Reichs tages wählte gestern den Abgeordneten Fchrenbach einstimmig zum Vorsitzenden. Berlin, 6. Juni. Die ReichStagSfrakNon der Deutsch« nationalen Bolksparte- hielt gestern nach der Plenar sitzung des Hwlses eine Sitzung ab, in welcher Staatsminister a. D. Hergt zum Vorsitzenoen, der Abgeordnete Graf Westarp, Schultz und Vehrends zu stellvertretenden Vorsitzenden gewählt ivurden- Dr. Seipel Wien, 6. Juni. In dem gestern abend von den Aerzten veröffentlichten Bulletin über das Befinden des ^Kanzlers Dr. Seipel wird zum ersten Male von einer Rippenfellrcizung ge sprochen. Das scheint darauf hinzuweisen, dah in dem Befinden des Kanzlers eine Verschlimmerung eingetreten ist. LmliMtlilWe RiiptlsM« im MW» Llittilliikl Dresden. 6. Juni Ans Befehl Moskaus veranstalten die Kommunisten in alle» Parlamente» des Reiches, der Staaten und der Gemeinden Radau szenen, um den Parlamentarismus zu diskreditieren. Man kann allerdings sage,,, das; diese Methode, dem Parlamentarismus zu schaoen, aus die Tauer ihre Wirkung nicht versohlen kann: be sonders aus die Tibünenbesncher, die angcekelt von solchem Posscnton entweder nie wieder in den Landtag kommen oder höchstens zu IInterhaltu»gszwe<ken, etwa wie in einem schlechten Zirkus. Auf der anderen Seite ist das Gute bei diesen Flegelei?», dag die Kommunisten in einer breiteren Ocffentlichkeit endlich als das erkannt werden, was sie sind. Ter Tribünenbesuchcr, der jeinem Herzen Luft machte dur den Zuruf: „Ihr Schulbuben, geht aus eure Spielplätze zurück," dürste den typischen kommuni stischen Abgeordneten zu einem Teil ganz richtig gekennzeichnet habe». Ter andere Teil dieser Leute ist allerdings alles andere als kindisch und komisch, sondern nachgerade gcmeingesährlich ge worden. Das Verbot der kommunistischen Zeitungen in Sachsen durch das Innenministerium wirft ein grelles Schlaglicht darauf, bis zu welchem Grade die skrupellosen Jünger Moskaus die Verhetzung und den Kampf gegen die Staatsform in Deutschland betrieben haben. Das Verbot war guch der Anlass zu den Nüpelszenen der Kommunisten, die zuerst verlangten, das; das Verbot noch heute im Landtag besprochen würde. Als sic nicht dnrchkamcn, auf eine Sitzung am Freitag oder Sonnabend bestanden und schliesslich sich doch unter den abscheuliche,, Flege leien mit der Tatsache abfinden mussten, das; die nächste Sitzung des Landtages e rst in 14 Tagen stattfindet. Ter Chronist, der Zeuge der widerwärtigen Szenen sein ninsste, wird froh sei», auf 14 Tage von dieser Art politischer Arbeit, wie sie die Kom munisten Pflegen, befreit zu sein. Die Kommunisten arbeiteten nicht nur mit den zu ihrem Sprachschatz gehörenden Schimpf wörtern. Der kommunistische Abgeordnete Bertz »erstieg sich sogar dazu, gegen den Präsidenten tätlich vorzugehen, ihm den Hamnk.r zu entreißen, den er nach den Negierungsbänken schleud- dcrte. Das hatte den Au s sch l ns; dieses edlen Volksver treters zunächst sür die heutige Sitzung und — infolge dessen Weigerung, den Saal zu verlassen — schließlich sür sechs Sitzungstage zur Folge. Herrn Bertz sockst auch das nicht an. Er blieb in edler Kämpsermanier in der Arena und musste schließlich mit Polizeigewalt aus denk Saa.e entfernt werde». Daß die koiiink.mistischeu Fraktionsbrüder dabei eine regelrechte Schlägerei mie der Polizei provozierten, bei der unsere Sipo natürlich obenauf blieb, war auch nicht anders zu erwarten. Herr Bartz hat nun sür die nächsten Wochen Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie sich ein halbwegs gesitteter Mensch als Volksvertreter in Parlamenten zu benehmen hat. Das; es bei hm viel fruchten wird, wagen wir nicht zu hoffen. Man wird alsv für d'e nächste Zeit noch mit manch solcher Szene im Landtag rechne» müssen, die sachliche Arbeit, die nach unserer bescheidenen Meinung die eigentliche Aufgabe eines Parlaments sein sollte, dürfte darunter am meisten leiden; waren cs doch fast vier Stunde» Geschäftsordnungsdebatten und Tumulte, ehe der Landtag überhaupt in die Tagesordnung der sachlichen Beratun gen eintretcn konnte. Gegen ü Uhr kommt dann als erster Punkt der Tages ordnung endlich ei» Antrag auf Genehmigung der Strasveriolgung der kommunistischen Abgeordneten Ellrvdt, Zipfel, Sieunrt und Schneller zur Beratung. Das unverbesserliche Verhalten oer Kommunisten hat die Rechtssozialisten veranlasst, zun, erste» Male im Sächsischen Landtage mit sür die Strafverfolgung zu stimmen, so das, der Antrag gegen die Stimmen der Kommunisten und ihrer linksgerichteten sozialistische» Bruder Genehmigung findet. Bei der anschließenden Beratung über die Erhöhung der Beamtenbezüge gibt Ministerpräsident Heidt eine Erklärung ab, daß die vom Reich getroffene Regelung untragbar sei. Der' Ein spruch der Reichsregierung gegen die sächsische Regelung sei irrig, weil Sachsen kein« höheren Sätze als das Reich, sondern lediglich Vorschüsse gewährt habe. Selbstverständlich werde sich Sachsen den Reichsgehältern anpassen müssen. Die Vorlage wurde darauf hin angenommen. Ter Schluß der Sitzung brachte di« Genehmigung einer Anzahl von Notverordnungen, so der über die Mietzins- steuer und der sehr wichtigen über die Staats forsten. Be- merkenswert ist, daß die durch die Vereinfachung der Staats verwaltung frei werdenden Gehöfte als Jugendheime oder Lindererholu»gsstätte« eingerichtet werden solle». — Nr. 132, Seite 2 > >» > — —— Ein Großkampftag DknWr Reichstag Sitzung vom 5. Juni Unser parlamentarischer Vertreter schreibt unS: Der Reichstag hat eine» Großkamps allererster Ordnung hinter sich. Die Debatte über die Regierungs erklärung gestaltete sich zu den, ersten großen Kräslemessen unler den Parteien. — Das Haus bringt den vielstündigen Debatten ein starkes Interesse entgegen. Unter Führung des Reichskanzlers waren säst sämtliche Minister zugegen, unter den Abgeordneten sieht man die am meisten genannten Vertreter Tzrpitz und Ludendorsf sehr eifrig den Ver handlungen folgen. Weder Tirpitz noch Ludendorsf beteiligen sich au irgendwelchen Kundgebungen. Oftmals hat es den An schein, als ginge der Lärm, der um sie Herumtod, sie nichts an. Der Volksparteiler Scholz gibt für die drei Mittel parteien: Deutsche Volkspartei, Zentrum und Demokraten, eine Erklärung ab, die ihr Bedauern ausspricht, daß das Ziel der Einigung des Reichstages aus möglichst breiter Front nicht zu erzielen gewesen wäre, weil es unmöglich gewesen sei, von den Deutsch nationalen eine klare und eindeutige Verlaut barung über ihre Haltung zu den vordringlichen außenpolitischen Fragen zu erlangen. Schon diese Feststellung rust im Hause große Unruhe hervor, die aber in einen Tumult ausartet, als Scholz geendet hat. Wie aus Kommando erheben sich d;e Deutsch- völkischen und rusen: Wo bleibt die Schuld lüge? Sehr aufgeregt tun vor allem Wulie, Gräfe und Henning, die in wilde persönliche Händel mst der Deutschen Volkspartei kom men. Harte Worte fliegen von den Bänken der Volkspartei, zu den benachbarten Bänken der Völkischen. Die Deutsch- nationalen sitzep währenddessen auffallend ruhig da. Umsomehr fällt es auf, daß Westarp sofort die von den Völkischen hingeworfene Parole aufnimmt und noch weiter Oel in das Feuer gießt. Westaro hat dabei weniger Echo bei seinen eigenen Leuten als bei den Völkischen, die sich geradezu rabiat gebärden. Ein grüner Junge, der sich gestern schon von dem alten Kahl hat anrüffein lassen müssen, ergeht sich in den un flätigsten Zuruien gegenüber dem Kanzler Marx persönlich. Schreit wie besessen: Gerichtsvollzieher der Entente und andere auswendig gelernte Schimpfworts, denen man in der deutsch- völkischen Presse Tag für Tag begegnet. Daß Graf Westarp statt Hergt als Redner gewählt wurde, wird als Sieg der schär feren Richtung innerhalb der Deutschnationaien Partei gedeutet. Hergt verleugnet freilich nicht eine große Nervosität. Zuweilen geraten auch die Deutschnationaien mit den Völkischen in Wort wechsel. Ost haben die alten Führer der Deutschnationaien auf ihre eigenen Leute dämpfend einzuwirken. Bald dreht sich das Bild und Westarp kommt mit der Linken, und zwar nicht nur mit den Kommunisten, sondern auch mit den Sozialdemokraten, ins Gedränge. Westarps Dar stellungen über das Sachverständigengutachten finden nämlich die schärfste Kritik. Westarp versagt namens der deutsch nationalen Fraktion der Negierung das Vertrauen. Sofort nach Graf Westarp ergreift das Wort zur Ent gegnung Reichskanzler Marx Die Wahrheit über den Ursprung des Welt krieges aufzuklären, wird jede Neichsregierung als eine selbstverständliche Aufgabe betrachten. Die im Versailler Vertrag formulierte Anschuldigung, daß Deutschland den Weltkrieg durch seinen Angriff entfesselt habe, ist, wie überall bekannt, von der damaligen deutschen Regierung nur unter dem Drucke übermächtiger Gemalt unterzeichnet worden. Niemand wird behaupten, daß diese erzwungene Unter zeichnung objektiven Wahrheitsbeweis besäße. Seitdem ist nie mals von der deutschen Negierungsseite eine Erklärung ab gegeben worden, die anerkannte, dah der Krieg auf einen An griff Deutschlands zurückzuführen wäre. Wiederholt ist sowohl von Dr. Stresemann wie von mir unter voller Zustimmung der Regierungsparteien in Reden dm Frage in diesem Sinne be handelt worden, um die Frage nicht durch leidenschaftliche Reden, sondern auf dem Wege nüchterner historischer Forschung zu klären. (Lärmender Widerspruch bei den Nationalsozialisten.) Zahllose Veröffentlichungen über die Entstehung der Katastrophe von 1914 haben bereits den klaren Beweis erbracht, daß das Verdikt von Versailles über die Schuldfrage vor den Tatsachen der Geschichte nicht zu bestehen vermag. Die deutsche Regierung ist entschlossen, ihrerseits alles zu tun, was der Wahrheit vollends zum Siege verhelfen kann. Das deutsche Aktenmaterial wird In kurzer Frist restlos der Oeffentüchkeit unterbreitet sein und der Regierung die Mög lichkeit bieten, die Rolle, die Deutschland in der Weitpolitik der Vorkriegszeit gespielt hat, lückenlos klar zu stellen. Es wird sodann Sache unserer ehemaligen Kriegsgegner sein, in gleicher Aufrichtigkeit die Archive zu öffnen. Der gestern von mir abgegebenen Erklärung habe ich nichts hinzuzufügen. Sie ist klar und eindeutig. Der Vor redner hat gegen den Reichspräsidenten Borwürfe erhoben, als habe dieser irgendwie nicht sachgemäß gehandelt. Der Reichs präsident war vor Rücktritt des Kabinetts nicht in der Lage und nicht berechtigt, und er hielt sich auch nicht für berechtigt, irgendwelche Schritte zu tun, um ein Kabinett zu bilden. Der Reichspräsident hat Wert darauf gelegt, und darin stimmt das ganze Kabinett mit ihm überein, daß cs nicht Ausgabe des Reichspräsidenten sein kann, stets der größten Partei des Hauses den Auftrag zur Bildung eines neuen Kabinetts zu geben. Ich erhebe den schärfsten Widerspruch gegen die Be hauptung des Borredners, daß ich nicht von vornherein den festen Willen gehckbt hätte, mit den Deutschnationaien eine Negierungskoalition herbeizuführen. Ich l>abe Kurse Wuchten Flugabstürze. Reuter meldet aus Tokio, daß das Wasser flugzeug Nr. 5 gestern früh abgestürzt ist. Fünf Insassen sind um das Leben gekommen. Gestern nachmittag sind über dem Flugplatz Spitiiegate bei Granham britische Flugzeuge zu sammengestoßen. 4 Flieger sind dabei ums Leben gekommen. — Aus San Antonio (Texxas) wird gemeldet: Beim Zu sammenstoß zweier Heeresflugzeuge gerieten diese in Brand und sielen aus einer Höhe von 1300 Fuß zur Erde. Einer der Flie ger und ein Arbeiter, der auf einem Baumwollfcide tätig war, ivurden getötet. Der andere Flieger rettete sich durch Abspringen mittels Fallschirms. Tödlicher Unfall in Hirschselde. Die Pressestelle der Säch sischen Werke teilt uns mit: Im Braunkohlenwerk Hirschfelde verunglückte heute früh in der achten Stunde der Werkstudent Schulze aus Strahivaid bei Herrnhut dadurch tödlich, daß er bei der Ueberholung eines 40-VoIiumspanners auf unerklärliche Weise mit stromführenden Teilen der Leitung in Berührung kam. Die sofort angestellten Wiederbelebungsversuche blieben leider erfolglos. Der beklagenswerte Unglücksfall hatte eine Störung zur Folge, die eine vorübergehende Abschaltung des ge samten von Hirschfelde versorgten 40-Boltgebietes notwendig machte^ I mir die beste Mühe gegeben, das zu erreichen. (Abgeordneter Hergt nickt zu stimmend.) Am Dienstag muhte die I Sache zur endgültigen Lösung gebracht werden, wenn nicht neues unendliches Unheil über Deutschland kommen sollte. Dies habe ick auch den Herren von der deutschnationaien Frak tion dargeiegt. Zwei Gesichtspunkte waren absolut maßgebend und ausschlaggebend sür mich: Es mußte die Sicherheit bestehen und es mußten auch Er klärungen gegenüber dem Auslande abgegeben werden, daß in der Richtung der bisherigen auswärtigen Politik keine Aenderung rintreten werde. Ich befinde mich bei dieser Einstellung in vollkommener Uebereinstimmung mit den jetzigen Regierungsparteien. Eine Zustimmung hierzu war von den Herren der Deutschnationaien Partei nicht zu erreichen. Ich habe allerdings den größten Wert darauf gelegt, Herrn Dr. Stresemann in der Oiegierung zu halten, da er mir die wertvollste Gewähr für eine unveränderte Fortführung der auswärtigen Politik zu bieten schien. An der Person Dr. Strese manns sollte und durste aber die Koa lition nicht scheitern, auch nicht nach dem Willen Dr. Strese- manns. Er hat mir die Erklärung abgegeben, daß seine Person keine Rolle spiele. Wenn Graf Westarp dann zum Schluß sagte, meine Wiege sei am Rhein gestanden, erwidere ich: Ja. Herr Gras Westarp, am Rheinland scheiden sich unsere Wege. Ihre Politik schützt nicht das Rhein land. (Lebhafter Beifall.) Lobe, der frühere wohibewährte Reichstagspräsident, tritt als Sprecher der Sozialdemokraten auf. Auch der Gegner muß ihm zugestehen, dah er seine Aufgabe in geradezu glänzender, ja köstlicher Weise gerecht wird. Wie er aus die Leidenschaften durch einen ausgezeichneten Humor einzuwirken versucht, wie er die Geschichte der Gegner anatomisch zerlegt, wie er die Ent wicklung der Deutschen Volkspartei derjenigen der Deutsch nationalen und umgekehrt gegenüberstellt und wie er die D e n t scho ö i k i sch e n auf ihr national-sozialistisches Programm festnagelt, ist so geschickt und humorvoll heraus gearbeitet, daß er schließlich das ganze Haus als Lacher auf seiner Seite hat. Lobe sieht den Tag kommen, daß Westarp im nächsten Jahre genau dieselbe Rede hält, wie sie Stresemann in diesem Jahre gehalten hat, nachdem ein Jahr vorher das gerade Gegenteil von beiden gesagt worden wäre. Und als er den Nationalsozialisten Vorhalt, daß sie ja ein förmlich sozia listisches Programm hätten, aber beispielsweise nichts zur Be steuerung der Kriegsgewinne getan hätten, und als die Völ kischen energisch widersprechen wollen, da sagt Lobe unter stür mischer Heiterkeit des Hauses: Sie haben doch die Gelder zur Unterstützung ihrer illegalen Organisationen ge braucht! Frau Gohlke, als Ruth Fischer berüchtigt geworden, tritt auf. Es stellen sich ihr aber sehr wenig Kämpfer entgegen, im Gegenteil, man nimmt sofort vor ihr Olcißaus. In den un heiligen Hatten des Restaurants, in denen wirklicher Burg friede herrscht und in denen bei Kaffee und Streusel kuchen — von anderen Dingen schweigen wir! — mehr sür den Ausgleich der Gegensätze getan wird als in irgendeinem andern Raum dieses Labyrinths, stärkt man sich zu neuen Taten. Inzwischen wettert Frau Gohlke, daß die Wände wackeln. Das Publikum hat seinen Spaß, aber in den Sitzungs sälen beginnt schon wieder jene Oede einzuziehen, die man vom letzten Reichstag her kannte. Herr von Gräfe (Nat.-Soz.) reiht sich würdig an Ruth Fischer an. Der von früher her geschätzte völkische Raufer übertrifft sich diesmal selbst. Er findet es sehr gut, nicht nur die Mitglieder der Regierung, sondern auch den Reichskanzler persönlich in geradezu schimpflicher Weise in seinem persönlichen und amtlichen Ansehen herabzuziehen. Die Anwürfe, die er gegen das Zentrum als solches schleudert, sind Dreckspritzer schlimmster Art, die freilich kaum unsere Schuhe berühren kön nen. Herr von Gräfe hat den Geschmack, sogar den toten Erz berger im Grabe in der niederträchtigsten Art zu beschimpfen. Und er findet dazu ein geradezu fanatisches Echo bei seinen Leuten. Wiederholt sieht sich Gräfe einer demonstrativen Ein heitsfront aller übrigen Parteien gegenüber, die ihn mit ihren Pfuirufen erdrückt, was ihm aber den Anlaß gibt, noch schlim mere Hetze zu treiben. Er gefällt sich aus der anderen Seite in einer läppischen Verhimmelung und Vergötterung Ludcn- dorffs, was in dieser Verbindung das ganze Haus in Wal lung bringt, während Ludendorsf geringschätzig lächelnd den Sturm Uber sich ergehen läßt. Die Sozialisten rnfen, als Gräfe den Mannesmut Ludcndorffs preist: „Ausreißer!" Der Abgeordnete Leicht von der Bayrischen Voikspartei hielt sofort nach Gräfe fürchterliche Abrechnung mit diesem. Er sprach aus der Seele der erdrückenden Mehrheit der Ab geordneten, wenn er feststellte, daß noch nie in diesem Hanse eine Rede von solcher Niedrigkeit gehalten worden sei. Er ries Gräfe zu, daß der Haß noch nie etwas war, was ein Volk wieder gesund machte. Der Haß der Deutsch völkischen würde das Volk nicht zueinander führen, sondern auseinanderreißen. Aber auch dabei war der Abgeordnete Leicht der Zielpunkt ge meiner Schmähworte von den Dcntschvölkischen, die er abtat mit den Worten, daß es unter seiner Würde sei, sich gegen solche Gemeinheiten zu wehren. Was sich da im Reichstag von den Deutschvölkischcn voll zog, kommt ihrer moralischen Hinrichtung gleich. — Das Bild, das dieser erste Großkampftag bot, war nicht erfreulich. Er unterstrich die ungeheure 'Verwirrung, wie sie in den Neichstagswahlen zum Ausdruck gekommen ist. Und auch das muß man sagen: Dieser Reichstag zeigte sich bis jetzt den Er wartungen, die das Volk aus ihn setzte, in keiner Weise ge wachsen. Drucksehlerberichtigung. In der Meldung über den Ein- spruch der Reichsregierung gegen die sächsische Besoidnngsvor- iagc muß der letzte Satz richtig heißen: Daß die neuerliche Ge- Haltsregelung der Neichsregierung keine glückliche ist, darüber besteht natürlich nach wie vor kein Zweifel. VerlanHk äie Hulken czi.N0»r NäULä vTUir»UUKL»v1ii1v>» W