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Nummer 38 ' — 25. Jahrgang 6mal wöch. Bezugspreis: für Februar 3.— einschl« Bestellgelo. Anzeigenpreis«: Die Igesp. Petitzeile Stellengesuche 20 L. Die Petitreklamezeile. 89 Mill^ Meter breit. 1 X. Offertengebühren für Selbstabholer 20 L. bei Uebersendung durch di« Post ouhevdei, Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 L. Sonntags-Nr. 15 ^!.' Geschäftlicher Teij: Io/ef Fo hmann. Dresde«. Dienstag, 16. Februar 1926 .Im Falle höherer Gewalt erlischt sed« Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenauftrüge^ u. Leistung v. Schadenersatz. Für unüeutl. u. d. Fern^ ruf Udermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver, antwortung. Unverlangt eingesandt« u. m. Rückporta nicht versehen« Manuskripte werd. nicht aufbewahr^ Sprechstunde d. Redaktion K bis 6 Uhr nachmittags Hauptschristleit.: Dr. IosePh Al.d .LresH^ «Ärlchästsftell«, Druck und Berlaa, Saxonia. »nchdriilkrroi «mbH., DreSden-il. IS. Howelnstrab« 4«. ,"or„rn! SS722. PolttKeMonto Drr-d.» I47N? BanNo,ilo: «assenae » glrlatckir. Dre«tx>n. Für chrislliche Politik um- Kuliur «edakti.» d»r «ä«sts«»» Drr-de».Allst. 10, Holbetnstratze tk. Frrnnis M7V und SS638. Skeuerabbau und Sparsamkeit Von uns. wirtschaftspolitifchen Mitarbeiter. Die Ausführungen des neuen Reichsfinanzministers, die auf der einen Sette Sparsamkeit verlangten, anderer seits einer Verringerung der Einnahmen in Gestalt des Steuerabbaues das Wort redeten, haben eine zwiespäl tige Aufnahme gefunden. Man ist etwas mißtrauisch gegenüber den in Aussicht gestellten Ergebnissen dieser neuen finanzpolitischen Methoden und äußert sich vielfach besorgt über die näheren und ferneren Rückwirkungen dieser Politik. Augenblicklich erleben wir im Reichstag eine ganz sicherlich nicht erfreuliche erste Folge der Reinholdschen Ankündigungen: Von den in Opposition zu dieser Regie rung stehenden Parteien rechts und links hageln nur so die Anträge einerseits — von der äußeren Rechten — auf Steuerermäßigungen, namentlich bezüglich der Einkommensteuer. und von der anderen Seite her — von der Linken — die Anträge auf Erhöhung der sozialen, insbesondere der Erwerbslosen- und Kurzarbeiterunterstützungen. Wenn das so weiter geht, dann kann die Regierung bei der unmittelbar bevorstehenden Regelung dieser Un terstützungsfrage in eine sehr kritische Lage kommen. Denn dann kann sich unter Umständen die Situation ergeben, daß die Deutschnationalen für die sozialdemo kratischen Erhöhungssätze stimmen, und damit wäre die Gefahr der Schaffung einer Mehrheit gegen die Regie rung und die hinter ihr stehenden Regierungsparteien aufgeworfen. Es ist allerdings eine sehr eigenartige Si tuation. daß auf der einen Seite über eine halbe Mil liarde bisher fließender Steuern nun mit einem Male wegfallen sollen, während auf der anderen Seite das Reich keine Mittel zu haben erklärt für die Unterstützung derjenigen, die arbeiten wollen, aber nicht arbeiten können. Ueberhaupt begegnet man bei Behandlung all die ser Fragen immer wieder noch gewissen Inflation»- Auffassungen. Bei der Regelung von Tariffragen fällt es ganz besonders auf. Erhöhungen, die früher etwas ganz außerordentliches bedeutet haben würden, werden heute als nichts geachtet. Wir overieren immer noch so. als wenn wir gar keine stabile Währung hätten. Gewiß ist unsere Geldlage noch nicht zu voller normaler Funk tion zurückgekehrt. Das drückt sich ja unter anderem auch aus in den immer noch viel zu hohen Zins sätzen. Dadurch und durch die Belastung der Wirtschaft und der Produktion mit außerordentlich hohen Steuern, die in diesem Ausmaß als Opfer für die Ueberwindung der Inflation und die Sicherung der neugeschaffenen Währung notwendig war, hat sich eine Erhöhung des Preisniveaus herausgebildet, dessen Abbau das ausgesprochene Ziel des neuen Finanzministers ist. In der Verfolgung dieses Zieles wird man mit dem Sach verwalter der Reichsfinanzen ein gutes Stück gehen kön nen, aber es fragt sich doch, ob man die aufgezeigte Finanzpolitik in allen ihren Teilen mitmacken kann. Der neue Reichsetat sieht an Ausgaben 7 Milliarden Mark vor. Davon erfordert die allgemeine Verwaltung an persönlichen Ausgaben etwa 2 Milliarden Mark, von denen aber nahezu IN Milliarde auf die Versorgung der Kleinrentner und Militärpensionäre kommt. Die eigentlichen Ausgaben für die Beamtenschaft beziffern sich auf etwa 600 Millionen, sind also bei weitem nicht so hoch im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Rei ches, wie man vielfach annimmt. Die wirklich großen Kosten der Verwal tung entstehen durch die Sachausgaben, und diese sind wieder begründet in der ungeheuren Auf bauschung dereinz einen Aemter. So ist es auch zu verstehen und durchaus zu billigen, wenn der neue Reichsfinanzminister erklärte, daß es nicht so sehr auf den Abbau von Personen, sondern auf den Abbau von Aemtern ankomme. Im einzelnen muß man nur einmal folgende Ziffern hören: Das Reichs finanzministerium selber erfordert einen sach lichen Aufwand von 430 Millionen Mark, also nahezu soviel, als die Besoldung sämtlicher Reichsbeamten erfordert. Von diesen 430 Millionen entfallen nicht weniger als 380 Millionen allein auf die Unterhaltung der Landesfinanzämter. Die größten Ausgaben erfordert das Wehr Ministerium mit 860 Millionen Mark. Das Reichsarbeitsmini sterium erscheint mit 400 Million. Mark, von denen in dessen mehr als die Hälfte auf die sozialeVersiche- rung und 100 Millionen auf die Erwerbslosenfürsorge entfallen. Bringt man diese Beträge von der Haupt summe in Abzug, dann sieht man, daß: dieses Mini- st e r i u m, übrigens eines der größten und schwierigsten, noch, mit am billigsten arbeitet. Eine wichtige Mission Der Generalsekretär -es Genf, 15. Februar Der Generalsekretär des Völkerbundes ist am Sonntagvor mittag aus Genf abgereist. Die Zeit seiner Ankunft in Berlin wird nicht bekanntgegeben, da man Demonstrationen des Publi kums befürchtet. Dem Generalsekretär wird während seines Berliner Aufenthaltes ein Herr des Auswärtigen Amtes atta- chiert. Der Generalsekretär reist allein, doch wird ihn während seines Aufenthaltes in Berlin ein Herr der Informationsabtei lung in Genf, der Holländer Pelt unterstützen. Pelt wird vor aussichtlich einen Tag später als Sir Drnmmond in Berlin ein- treffen; er befindet sich zurzeit im Haag. Berlin, 15. Februar. Sir Eric Drummond ist heute 8.14 Uhr früh mit dem fahrplanmäßigen Genfer Zuge auf dem Anhalter Bahn hof eingetroffen. In seiner Begleitung befanden sich ledig lich einige Sekretärinnen. Ein offizieller Empfang auf dem Bahnhofe fand nicht statt. Während seines Aufent haltes in Berlin ist ihm Konsul Poensgen von der Völker bundastteilung des Auswärtigen Amtes attachiert worden. Der Holländer Pelt von der Informationsabteilung des Völkerbundes, der Sir Eric Drummond während seines Berliner Aufenthaltes unterstützen wird und der sich zurzeit noch im Haag befindet, trifft voraussichtlich morgen vormit tag hier ein. Wie Sir Eric Drummond Pressevertretern initteilte, beabsichtigt er, einige Tage in Berlin zu bleiben, jedoch müsse er wegen dringlicher Angelegenheiten bereits in kurzer Frist wieder in Genf sein. Sir Eric Drummond ist in der englischen Botschaft abgestiegen. Chamberlain wir- sprechen Ein deutsä) er Schritt in London London, 15. Februar. Wie der Verlreter der Telegraphen- Union erfährt, wird am kommenden Donnerstag die Foreign Preß Association zu Ehren Sir Austen Chamberlains ein Mittag essen geben. Bei dieser Gelegenheit wird Eliambcrlain eine bedeutsame politische Rede halten. Auch die Vertreter der deut schen Presse werden dazu eingeladen werden. Der diplomatische Korrespondent des „Observer" bringt anscheinend halbamtlich oder zumindsstens inspirierte Ausfüh rungen über die Pariser Besprechungen Chamberlains und schreibt: Die Ausführungen der französischen Presse über den angeblichen englischen Standpunkt in der Frage der Vermeh rung der Ratssitze 'haben schon jetzt die Wirkung gehabt, daß die englische Regierung von ihrem Entschluß, über ihren Stand punkt absolutes Stillschweigen zu bewahren, abgekommen ist. Es würde nicht überraschend sein, wenn in den nächsten Tagen eine amtliche Erklärung erfolgt, die einige Behauptun gen über Englands Haltung widerlegt. Die englische Regierung gehe von der Voraussetzung aus, daß die Völkevbundsversammlung am 8. März zur Wahl Deutschlands zum Mitglied des Völkerbundes zusam mentrete. Der Völ'kerbundsrat werde gleichzeitig zusammen treten, und da die Signatarmächte des Locarnovertrages zur sofortigen Wahl Deutschlands verpflichtet sind, werde diese Wahl im März stattfinden und gleichzeitig von der Völkerbundsver sammlung ratifiziert werden. Das sei der gesamte Inhalt der englischen Verpflichtungen. Die französische Diplomatie l-abe indessen in der Zwischen zeit den Versuch gemacht, die Wirkung -es deutschen Eintritts in den Völkerbund durch einen Plan zur Vermehrung der stän digen Ratssitze aufzuheben. Der englische amtliche Stand punkt sei der, daß die Zuweisung der ständigen Ratssitze an Polen und Spanien eine völlig neue Frage darstellt. Im gege- Also man sieht schon, wo eine Sparsamkeit Platz greifen kann: in dem Abbau der Ueberorganisation, die vom Kriege her noch bei uns in Hebung ist, und die noch in der Inflationszeit unnatürlich hochgezüchtet wurde. Es kann sich also nicht um Abstriche bei den einzelnen Positionen, sondern es muß eine systematische und organische Umformung unseres Ver waltungswesens Platz greifen. Nur auf diese Weise ist letzten Endes auch eine Einsparung an bisher fließenden Steuern zu rechtfertigen und nur dann können die von der Wirtschaft auf diese Weise meggenommenen Lasten sich wieder produktiv in einer Hebung der Wirtschaftlichkeit und in einer damit Völkerbundes in Berlin denen Augenblick werde die englische Politik durch Treue zur Locarnopolitik, ferner durch eine ehrliche Auslegung der ver- sprochenen Wiederaufrichtung der Großmachtstellung Deutschland» und durch Rücksichten auf die Interessen des Völkerbundes ge leitet sein. Wenn überhaupt eine derartige Zuwahl in Frag« käme, so könne sie nicht vor dem Herbst erörtert werden, wo di« ordentliche Versammlung des Völkerbundes stattfinde. Wenn der satzungsmäßige Weg gewühlt werde, so entspreche das den englischen Interessen. Wenn aber Frankreich. Polen Spanien den Versuch machen sollten einen anderen Weg zu wüh len. d. h. in der Marzversammlung bereits die Frage der Ver mehrung der ständigen Sitze aufzuwerfen, so würde die englisch Regierung in eine sehr schwierige Lage kommen und zwar vor allem deshalb, weil Deutschland einer Vermehrung der Nalssihe nicht zustimmen würde. Eine Zurücknahme des deutschen An trages oder eine Verzögerung des deutschen Eintritts käme aber einer Aufhebung des Locarnovertrages gleich. London, 15. Februar Nach dem „Sundan Expreß" wird Deutschland in der Frag, der Ratssitze einen diplomatischen Schritt unternehmen. Her' Sthamer, der deutsche Botschafter in LLondon. wird die Empsin düngen seiner Regierung Chamberlain anfangs dieser Woch übermitteln. Er werde vielleicht sogar zu verstehen geben, daß wenn die Intrigen wegen der Ratssitze fortgesetzt werden sollten, Deutschland seine Stellungnahme zum Völkerbund einer neuen Prüfung unterwerfen werde. Das könnte das Ende des Lo carnopaktes bedeuten. (?) Die österkeichische Frage Mussolini auf dem Rückzüge Wien, 15. Februar. Am Freitag erschien der italienische Gesandte beim österreichischen Bundeskanzler und gab im Namen der italienischen Regierung eine Reihe Erklärungen ab, wobei er betonte, daß von irgendwelchen aggressiven Absichten Italiens Oesterreich gegenüber keine Rede sei. Tic italie nische Regierung werde, wie das Blatt erfährt, von der praktischen Durchführung der in der letzten Zeit viel er örterten beiden Verordnungen absehen, und zwar der Ver ordnung betr. den Handel im Südtiroler Grenzgebiet und bctr. die Aberkennung der italienischen Staatsbürgerschaft. London, 15. Februar. Der diplomatische Korrespon dent des „Daily Telegraph" weist darauf hin, daß im Zu sammenhänge mit dem italienisch-deutschen Streit wegen Südtiroi in den Donaustaaten die Frage einer Teilung Oesterreichs wieder akut geworden sei. Als Ausgangspunkt dieser Erörterungen dient die Möglichkeit eines wirtschaft lichen oder politischen Zusammenbruchs Oesterreichs. Der Korrespondent weist auf die Schwierigkeiten der österreichi schen Lage hin, meint aber, daß der Plan als solcher keine ernstliche Beachtung verdiene. London, 15. Februar. Den Enthüllungen einer polnischen Zeitung, wonach angeblich zwischen Deutschland und Oesterreich ein geheimer Vertrag als Vorbereitung des Anschlusses abgeschlossen worden sei, finden in London keinen Glauben. Die „Sun-dah Times" schreibt, daß von der Richtigkeit der Mel dung niemand überzeugt sei. Die Kenntnis eines Geheim vertrages sei im allgemeinen auf wenige Minister be schränkt und werde niemals einer gesetzgebenden Körper schaft bekanntgegeben. Der Vorschlag, daß Sachsen Oester reich im deutschen Reichstag vertreten solle, sei eine Ab surdität und im übrigen widerspreche das angebliche Ab kommen der gegenwärtigen politischen Lage. begründeten Stärkung der Reichsfinanzen auswirken. Aber nicht allein auf das Reich kommt es an. sondern in den Ländern und Gemeinden, wo man viel fach einen unnatürlich aufgeblähten Ver waltungsapparat mit allen seinen persönlichen und sachlichen Aufwendungen besitzt, mutz diese orga nische und systematische Reform durchgeführt werden. Ohne große persönliche und nicht zuletzt auch parlamen tarische Schwierigkeiten wird sich das ja sicherlich nicht durchführen lassen können, aber das Ziel muß aufgezeigt und die Mittel zu seiner Erreichung müssen unter starker Betätigung aller politischen und wirtschaftlichen Kräfte angewandt werden.