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Intel« billig zu verkaufen Ein parlamentarisches Genre-Bit» aus Frankreich. Der elsässisdbe Deputierte Altdorfer veröffentlicht in der „Neuen Straßburger Zeitung" einen Artikel „Frank reich verkauft Inseln , der amüsant und interessant ist, einmal der Sache selbst ivegen und dann durch die rührende Fürsorge, die gerade die Sozialisten in Frank reich der Landesverteidigung widmen: „Die Republik", ichreibt Alltdorfer, „verkauft vier Dutzend kleine Königreiche. Uriprüngllich waren e» zwei- undfünzig, inzwischen aber sind die übrigen von der Liste abgei'etzt worden. Jetzt sind cs nur noch 44. Bereits 1923 k>!l die Regierung das Projekt zum Verkauf der Inseln in der Kammer niedergelegt. Das Parlament muh das Peojelt zum Ge'etz erheben, aber die Vorbereitung der Wah len für 1924 lies; der Kammer keine Zeit dazu. Da keine Wähler darauf wohnen, konnte man darauf verzichten!, sich damit abzngebcn, und der Entwurf sank in Bergessenl- heit. Jetzt wird die Sache w:eder ausgerührt, aber wieder im Augenblick, wo neun Zehntel aller DeputeS von nichts anderen; als von der Sorge um ihre Wiederwahl beherrscht sind und da die Inseln damit nichts zu tun haben, glaube ich, bleiben sie noch einmal im Wasser vergessen. Das ist schade, denn viele darunter sind verlockend. Die einen liegen im Norden von Künkirchen und Le Havre, andeve an der Küste von Bretagne vor Concarneau und St. Brevin. Wieder andere gehören zur Pendee und zur Charentctt Jnferieure. Wer den blauen Himmel und die blauen Walser des Mittel,»ecres vorzieht, kann auch dort etwas finden, vor Eette. Marsaillle, HyTres, St. Raphael, Antikes oder Cannes. Er kann sogar ein Stückchen Korsika ev- wi cheu und bekommt vielleicht einen au-rangierteu Banditen drein. Oder er siedelt sich vor der Nordrüste von Afrika an, etwa Constantine, Philippev'-lle oder Djedjelli gegen über. Die genauen Preise, bei denen der Zuschlag erteilt werden soll, kenne ich nicht, weis; jedoch, daß zwei ganz billige darunter sind, denn zusammen kosten j.e nur 3609 Franks. Soviel sind allein die Name« wert, die sie tra gen. Die eine heisst: Roch-ar-ou und d.e andere: Roch- o'hroum. Wie mau das ausipricht, ohne sich d:e Zunge zu zerbrechen, weis; ich nicht. Jedenfalls liegen beide in der Bretagne. Ob Häuser darauf stehen oder auch nur eine Hütte, weist ich ebensow:n:,g, aber an Eisenbeton wird es wohl nicht fehlen, da cs sich durchweg um alte Küsten schutz-Batterien handelt, die „ach Auffassung des Obersten Kriegsrates überflüssig geworden sind. Aber nun kommt das Schönste: Man bezweifelt die Nichtigkeit der Angaben des Obersten Kriegsrates. Er ver ficht sein Geschäft nicht und cs ist ein grosses Glück, daß w.r ein Parlament haben, um ihn zu kontrollieren. Wer's nicht glaubt, der leie de« Rapport des Sozialisten Pelissier und wird fcststellen, das; diese sozial'.stische Kassandra ein Heer von Spione,; sieht, die sich dort nieidserlassei; und ungestört die Sicherheit nmeres Landes gefährden könnten, wenn man ihnen ertaubte, diese Insel» käuflich zu erwerbe;;.. Wie konnte nur der Oberste Kriegs not io unvorsichtig sein und nicht einmal au d ese Gefahr denken! Ich Haide mich bereits mit dem Gedanken getragen, mit Hilfe meiner bedeutenden Deputo-Eriparnisse eine dieser Inseln zu er werben und dort, fern von der Politik i»; allgemeinen und Autonomie und Sprachensrage im besonderen, meinen Kohl zu bauen, vorausgesetzt, das; etwas dort wächst; aber meine Hoffnung auf solch eine friedliche Insel i»; Ozean zerrinnt immer mehr, wie eine Fara mvrgana." Der Erwetternigsbau -er Reichskanzlei Ein Wettbewerb ausgeschrieben. In; Rcichshaushaltplau für 192.7 ist für einen Erwei terungsbau der Reichskanzlei auf den; Grundstück Willhelm- strelste 78 der erste Teilbetrag der Baukosten eingesetzte Um mit den Vorarbeiten für den Bau zu beginnen, erfolgt' in diesen Tagen in de» Fachzeitschriften, der Deutschen Ban zeitung und der Bauwelt, im Zentralblatt der Bauver- wa-ltung des Verlages Guido Hackebeil A.-G. sowie un Dentichen Reiche- und Preußischen Staatsanzeiger die Ver öffentlichung für den Wettbewerb zur Erlangung von Vor- entwürfen für den Bau. Der Wettbewerb wird für deutsche Architekten, die zurzeit in Grosz-Berlin ihren Wohnsitz oder eine ständige Zweign.ederlajsnng haben, ausgeschrie ben. Außerdem wird je ein Arckstikt von Bayern, Sach sen, Württemberg, Baden und Hessen sowie des west lichen und östlichen Teutichland zu dem Wettbewerb ein- gc Wden werden. Mit Rücksicht aus das an sich nAt sehr umfangreiche Bauprojekt wurde davon abgesehen, eine,; allgemeinen Wettbewerb für die gesamte deutsche Architekten- jch.ist anszujchrei.be>;. Erziehung zur Totalikäl Schluß -es Artikels „Enlschie-ene Schulreformer" Don Sludienral Dr. «ermann Roll«, Bautzen !>,ai oam,r auch nur einen Lchr:r; rnnerucy nay^v rommen Jene rein formale pädagogische Formel ist für alle rnhalllic noch so verschiedenen Zielsetzungen verwendbar. Sie täusch dem, der wicht zu sehe,, vermag, dast dahinter erst di Ebensowenig wie der Erziehung mit der negativen, Pessimistischen Kulturkritlk gedient ist, die Oestreich gab, ebensowenig kann seine posit.ve Bestimmung der päda gogischen Aufgabe befriedigen: denn sie macht gerade dort Halt, wo das eigentliche Problein beginnt und hie tragi'che Situation offenbar wird, in der sich heute alle Erziehung befindet. „Helfen ka„» nur die Erziehung zum neuen Menschen". Wie aber sieht dieser „neue Mensch" ans? Da rüber vermag uns Oestreich wenig Positives zu sage». Es ist für ihn derjenige Mensch, der sich zur „Totalitär' seines Wesens entfaltet hat, d. h. der alle seine persönlichen Kräfte und Anlagen zur höchstmöglichen Ausbildung gebracht hat. In dieser Zielsetzung für die Aufgabe der Erziehung darf Oestreich weitestgehender Zustimmung sicher sein. Ater was ist damit gewonnen'? Die Forderung der Erziehung zur „Totalität" ist eine rein formale Bestimmung der Er- ziehungsanfgabe, die inhattbch darüber, wie denn nun in Wirklichkeit der „neue Mcnich" anssehen soll, gar nichts ansi'agt. Ihr können die Vertreter der verschiedensten Er ziehungsauffassungen unbedenklich zustimmcn. ohne daß sie sich damit auch nur einen Schritt innerlich näher kommen. haltlich täuscht rst d;e Probleme anfängen, die Möglichkett einer einheitlichen Ziel-- bestimmung vor, die es doch i» Wirklichkeit gar nicht gibt. Man nehme etwas von der Pestalozzi'ichen Erziehungsanis fassung, daß sich die „allgemeine Menschenbildung" oder die Erziehung zur „Totalität" verwirkliche durch die Bildung von Kopf, Hand und Herz die dritte Teilaufgabc, d. h. d:e religiös-sittliche Erziehung für sich, und inan wird sofort erkennen, dast hierin eben die Geister sich sche den, je nach dem, was der eine oder andere unter Sittlichkeit und Re ligion versteht und welchen Platz er ihnen und besonders de« letzteren im Reiche der Güter und Werbe gibt. Auch Oeäreich gestand selbst zu, dast man auch auf den, Boden katholisch:r Pädagogik die Erziehung zur „Totalität" anstrebe. Aber er brach da ab, wo der ganze grotze Unter chied zwischen dic'er Art von Totalität und der eigenen hätte offenbar, werden müssen. Denn es ist durchaus eine inhaltlich', objektive Totalität der Güter und Werte, die Pädagogische Konsequenz ans einer normativen Ethik, die von «.nein Pädagogen wie Heinrich Kautz als Ziel und Ausgabe ka tholischer Erziehung verkündet wird. (Bcrgl. Heinrich Kautz, Neubau des katholischen Religionsunterrichts, 3 Bände, Butzon und Bercker Kevelaer a. Rh. 1923, 1926.) Und die es Reich objektiver Güter und Werte, diele inhaltliche Totalität ersteht aus dem Grunde katholischer Welvanschauung, die so dafür, wie dieser totale Mensch, d. h. der katholische Mensch, durch die Erziehung gestaltet worden soll, entscheidend wird. So ist die Weltanschauung für diese Erziehungsanil- fai-sung nicht, wie Oestreich meint, lediglich eine letzte Ent scheidungsfrage, sondern latsäch'ich die Grundfrage. Und darum vermag die katholische Erziehnngsanfsassung s ch nicht mit jener lediglich formalen Totalit'ätÄdee zusviedci; zu geben, der die weltliche Schule oder die „Produkttons- schule" der entschiedenen Schittresormcr zur Durchführung verhelfen will. 'Aber selbst eine Pädagogik, die, von jener höchsten religiösen Orientierung ganz absehend, auch nur der Kultur dienen will, darf sich nicht bloß mit rein for maler Totalität begnügen »nd für das Kind lediglich „Pädagogik seines Wesens" sei» wollen. S'e must das Kind für die objektiven Werte und Güter der Kultur aufichliesten, es dafür empfänglich machen. Sie darf dis Kontinuität des Knttnrprozesses nicht opfern; und die Schule, die so wahre Kultnrschule sein will, kann auch nicht lediglich „Produkt tionsjchule" sein, sie must vielmehr neben den Kräften der Produktivität und der Selbsttätigkeit auch die Aufnahme fähigkeit und Empfänglichkeit für die Werte der Kultur lm Kinde erwecke» und entwickeln. Ihre Arbeit geht nach zwei Richtungen, die Eduard Spranger als Evweöknng von Wertempsänglichkeit und Wertgestaltungsfähigkeit bezeichnet, damit die einseitige Ueberbetonung der Produktivität durch die Hinznnahme ihres Gegenpols ergänzend, ohne den dieie selbst gar nicht möglich ist. Indem aber die Schule be'.vußt in den Dienst der Kultur gestellt wird, anstatt unter Ab lehnung der bestehenden Kultur auf das inhaltlich völlig unbestimmte Ideal des „neuen Meuchen" hin orientier; zu werden, wird gerade die gegenwärtige Krisis offenbar. Te n, diese liegt eben darin, dast wir in der Schätzung dieser ob jektiven Werte nicht einig sind. Was den einen der höchst« absolute Wert ist, das ist den anderen ein Aergernis, ein Richtwert. An der abweichenden und gegensätzlichen Wertung der kulturellen Gehalte, an der sich widersprechenden Ein schätzung der objektive» Bitdungsgllter scheitert notivendia die Idee einer gemeinsame» Erziehung. Das mag lestauerlich sei». Aber die Schule hat nicht die Kraft, von sich ansi und mit ihren eigene,, Mittel» diese kulturelle Zerrisseiy- lsett zu überwinde». Sie hat nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: als gemeinsame Schule diese inner« Zwie spältigkeit in sich selbst hineii;zu»ehmen, oder ihre Arbeit auf dem Boden einer eindeutigen Weltanschauung aufzn- bauen für diejenige», die ihr in dieer ihrer Einstellung zu folgen vermögen. Für ihre künftige Gestattung aber hat die Ne.chsveri- fassung die Grundlinien festgelegt, und Schulpolitik treiben und dabei diese Festsetzungen geflissentlich über ese», ist das Gegenteil von Realpolitik, ohne die heute auch der radikalste Idealismus die Dinge nicht zu gestalten vermag. Zn»; Schluß ein Wort zu dem Lichtbildcrvortrag des Herrn Lehrers Willy Sreiger über „Die Lebensschule". Mir will scheinen: hier hat der Wegbereiter „neuer Schule" der Sache, der er dienen will, einen schlechten D'enst geleistet. Wie wurde hier die Arbeit de- Lehrers enttre-.tet! In „neuer Schule" geht „alles von selbst!" Ter Lehrer gibt den Kindern nur das Material »nd sagt: „Fangt an!" Dann kann er nach Hause gehen! Der Geschichtsunterricht in Gestalt einer fastnachts»,ästigen Maskerade ist eine Karikatur und hat mit dem Prinzip der Amchaulichkeit nichts mehr zu tu». Er fordert geradezu heraus zur Pietätlosigkeit gegen die Ver gangenheit. Wo bleibt die „Neutralität" der weltlichen Schule, wenn die Pcr;ö»lichieit Papst Gregor» VII. durch ein Mädchen dargestellt wird zu dem Zwecke, damit die Tatsache zum 'Ausdruck zu bringe», das; dieser Papst das Eheverbot für die Geistlichen eingeführt habe (was so übrigens gar nicht zutreffend ist)? E:»e überaus üble Ent gleisung leistete sich der Vortragende, als er im Zusammen hang der Schilderung der Schulfahrt in die Alpen der Schwierigkeit gedachte, die steirische Mundart zu persstclen. Da charakterisierte Herr Steiger die mundartlich? Rcdevcise des Bauern, der seiner Schar Unterkunft gewährt hatte, mit der Bemerkung: „Er sprach katholisch durch die Nase!" Ich must gestehen: ein nntanglich.'res Mittel, die Sache der „neutralen" weltliche» Schule den noch Widerstrebenden schmackhafr zu machen, hätte Herr Steiger schwerlich ans- frndig »rachen können. Solange — um kein schärferes Wort zur Bewertung solchen Verhaltens zu gebrauchen — der artige Geschmacklosigkeiten möglich sind, verschone man uns doch mit den Nenträlitätsbetencrungen und denTiraden dar über, daß die weltliche Schule das einzige Mittel zur Er ziehung zu wahrer Gemeinühastsgesinnnng sei! Picllechr läßt sich Herr Steiger von Prof. Oestreich, dessen wohltuend duldsame Anerkennung der pädagogischen Leistungen des Katholizismus sich über seine eigene Haltung»,vc -e weit emporhob, darüber belehren, dast mit Seitenhiebei, der 'Art. wie er sie ansznteilen für gut fand, weder der Macht des Gegners Abbruch getan noch viel weniger der eige, en Sache genutzt werden kann. Seinen Ncformüberichwang wird viel leicht die Zeit allmählich in ruhigere Bahnen zurücklenken. Dann wird auch für eine Pägadvgik die Grenze „wiedeo entdeckt" werden, die andere von ähnlichen; Reforine.feu erfüllte pädagogische Neutöner bereits wieder zu respek tieren bereit find. (Bergt. Kurt Zeidler: Die Wiederenö- deckung der Grenze. Zeitwende. Schriften zum Aufbau »euer Erziebnng. Engen Diedrichs, Jena 1926.) W.e lagt doch Ker chensteiner in seinem Buche: „Die Seele des Er ziehers und das Problem der LehreroMnng" (Teubner, Leip zig 1921)? „Es gibt auch ans de»; Gebiet« der Pädagogik und der Schule Uraltes, das ewig neu ist, und noch mehr Neues, das niemals alr werden wird." (S. 140 s.) /Utierl l.sngs vorm, kttiese L s.an§e Plauen i. Vogll. LctiilcistlLÜe ZO ?ernruk 2208 Vke;Ilst»tt kür lcanstleriseke Qissmaleeei unä KunKver- ßlLsangen, »perisll kllr Kirchen, prima Uekerenren. Kleinen unä VorsekILge gern ru Diensten ^uslükrung eigener, sowie ge gebene; Lntwdrks Rvmola Ei» R«nalssance-Roman von George Eliot. Fre; nach de»; Englische» von H. Ricsch. (Verlag Joseph Habbel, RegenSburg) (60. Fortsetzung.) Klar aber leis« begann er di« ersten Absolutions wort« „Mi-sereatnr vestri" — und steh«, seine Stimme ge wann die alte Macht über das Volk, je länger, je lauter er sprach, desto mehr Häupter neigten sich. In einem Auf schrei — gleichsam ein Protest gegen jene, die ihm d e Ge walt zu segnen abstritte», — klang das Benedicat vos aus. Nach den; Segen kniete der Prior abermals nieder und barg sein Gesicht in den Händen, offenbar erschöpft von dem Sturm der Enstrfindnngen, der in ch»; tobte. „Ich kann nicht leben, ohne zu predigen", hatte er einst gezagt, und doch untergrub das Predigen seine Lebenskraft. Nach einer kurzen Panse sing er, eine konsekrierte Hostie in ree Hand haltend, zu reden an: „Ihr entsinnt euch, meine Kinder, bas, ich euch vor drei Tagen ausforderte, zu Gott zu beten, daß er ein Jener sende» möge, um mich zu vcrzeh.ien» wenn ineine Lehre nicht die seine ist. Ich bitte euch, nun dieses Gebet zu wiederholen." Atemlose Stille entstand. Vielleicht betete nicht einer der Anwesende,,, wen» es auch manche versuchten. Ein jeder sah in aufs höchste gespannter Erwartung zu der Kanzel empor, wo Savonarola halblaut und doch klar vernehmlich flehte; „O Herr, wenn ich nicht aus vollster Ueberzeugung handle, wenn meine Worte nicht von dir komme», jo vernicht« mich in diesem A> senblicke." Tiefe Erregung malte ,jch in seinen Zügen, als er dann stumm und mit zun; Himmel gerichteten Angen die heilige Hostie in der Hand hielt. In diesem Augenblick brach d e Sonne durch die Wolken und nmwob Savonarolas Haupd mit Hellem Strahlenschimmer. „Sieh die 'AnNvort von oben," klang es über de» Platz bei diese»; Anblicke. Dtti Prior schien ein Freudenschauerl zu durchzucken — es war sein letzter Triumph! Einige Se kunden blieb er »och stehen, dann verschwand er vaph im Innern der Kirche, unfähig, die Nervenanipannung länger und Zweifel stimmen regte,; sich unter den Zuschauern, ob woh; die Strahlen in der Tat als Antwort Gottes ans die kühne Herausforderung des Paters anzniehen wäre». „Mich dünkr, das Publikum bekommt kritische Anwand lungen", meinte Tito, der mit einigen Bekannten anfmerdam z»gesehen hatte. „Immerhin war e» ein eigentümliches Zu sammentreffen, nicht, Messer Pietro?" „Gewiß," stimmte Pietro Cennin! bei, „was mich an be langt, bin ich überzeugt, das; des Priors Gottvertranen echt ilst, er würde nicht gewagt Haben, den Himmel in so feier licher Weile zum Zeugen anzurufen, wenn er sich schuld beladen fühlte." Etwa vier Woche» nach diesem Karnevalsdienstag ging Ttto eines Morgens vom Signorienpalast aus nach San Marco. Er tvühlte jedoch nicht die direkten Straßen, >ow- dern ging vor der Kirche Sänke Croce vorbei, wo eben die Frühpredigt zu End« war. Seit kurzem erfreute sich der Franziskaner P. Francesco von ,Apulien dort eines außer gewöhnlichen 'Andranges. Nächst de» Predigten Pater Hiero nymus' selbst hatte nichts größere Anziehungskraft als die Predigten gegen Pater Hieronymus, und an 'Angriffen liest eS Pater Francesco nicht fehlen. Einen Ketzer, Schis matiker und falschen Propheten nannte er den Prior und forderte ihn ichlietzlich sogar zu einer Feuerprobe heraus, um die Wahrheit seiner Worte zu erhärten. Seiner Gewohnheit entsprechend, nahm Savonarola keine Notiz von diese» Schmähungen, wohl aber tat dies sein begeistertster Anhänger, P. Domencio. Kaum hatte dieser von der Herausforderung gehört, als er sich bereit erklärte, seines Meisters Lehre durch eine Feuerprobe zu beiveiseir Der letztere war jedoch damit nicht einverstanden und wies P. Domencio wegen seines Uebecejfers zurecht, während der Franziskaner Ausflüchte machte, als er sah, daß aus seine»; Anerbieten Ernst werden sollte. Das Volk, das lebhaften Anteil an diesen Verhand lungen nahm, strömte in dichten Scharen a;rs der Kirch«, als Tito eben über den Platz ging. Die meiste» steuerten einer Stelle „eben dem Eingang des Franziskanerklostens zu, und diesen schloß sich Tito a„, die Auge,, ständig aus die Pforte gerichtet, als erwarte er irgend jemand aus dem Kloster hcransgehen zu sehen. Der Gegenstand neben dem Tore, der die Neugierde der Menge erregte, war ein auf Befehl der Signoria ang«ichlagener Zettel, der leider zur Enttäuichnng der Wißbegierigen fast ganz in lateinischer „Es handelt sich un; die Lehren des Priors, für die er sich verbrennen lasse» will," behauptet« einer der An- wefenen. „Nein, nicht verbrenne,; will er," widersprach «in anderer, „er must unverletzt wieder heranskommen." „Aber er will nichts davon wissen," meinte ei» Dritter. „Dann ist er ein Feiglrng, und will nur answeichen." begann der erste wieder. „Er hatte an Fastnacht gut reden, das Feuer foll ihn verzehren, es war ja kein Gewitter am Himmel." „Halte deine Lästerzunge, du Schaf," zürnte ein eifriger Aichänger des Priors, „der Pater weicht nicht aus, er wird durch das Feuer gehen, tvenn's drauf ankommt. Wüßten wir doch nur, was ans dem Zettel steht. Ist denn kein Gelehrte« da?" — „Hier kommt einer," verkündete, aus Tito deutend, oin junger Mann, dessen Gewandung den Bildhauer verriet. „Messer," fuhr er zu Tito gewendet fort, „würdet Ihr wohl dis Güte haben, n;es zu sage», was auf de»; Plakat da verkündet wird?" „Gerne," Erwiderte Tito. Die Me»pe gab lh„; Raum, und er begann zu berichte,,. „Es sind die bekannten Lehren, des Priors, ihr kennt sie ja stcher alle. P. Domencio will sie durch die Feuerprobe beweisen." „Nein, Wort für Wort möchten wir alle» höre»," sagte ein mit diesem summarischen Bericht Unzufriedener. ,.Ecclesia Tei indiget renovakionen. D e Kirche Gottes bedarf der Erneuerung." „Das ist war," riefen zahlreiche Stimmen dazwischen. „Die Priester sollten ein heiligeres Leben führen, um das zu beweise», bedarf es keines Wunders," sagte der Bild hauer. „Flagellabitur — sie wird gegeißelt werden, renova- bttur — sie wird erneuert werden. Florentia quoque post flagcllam rcnovabttur et Prosperabitur — Florenz wird nach der Heimsuchung erneuert und alsdann gedeihen." „Das bedeutet, daß wir Pisa wieder erobern." „Und dast wir die Wolle wieder aus England erhalten," warf ein Händler ein, „das Zurückgehen des Handels war« ohnehin ichon Heimsuchung genug gewesen." In diesem Augenblick trat Dolfo Spin; ans der Pforte des Klosters heraus und wechselte einen Blick mit Tito. Dieser schob seine Kappe auf die linke Seite und wandte ich gleich wieder dem Plakat zu, indes di« nmstehenden dem