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Beilage z« -tr. der „Sae^fische« BolkSzettnng- as«, 1. September LNE-tt. AuS Stadt und Land. —* Montag, den 3. September d. I., tritt der erste H e r b st f a h r p l a n der Sächsisch-Böhmischen Dampfschiff- fahrts-Gesellscl-aft in Kraft, dessen Gültigkeit sich bis zum 7. Oktober erstreckt. In Anbetracht der vorgeschrittenen Jahreszeit müssen die Fahrgelegenheiten, welche der Herbst- fahrplan bietet, als recht ausreichend bezeichnet werden, so daß durch die festgelegte Fahrordnung ztveifelloS allen be rechtigten Wünsckxm des Publikums entsprochen wird. Auch die so beliebten Luxussahrten sind in diesem Herbstfahrplane noch für die Zeit bis Mitte September vorgesehen. Es wird daher Naturfreunden noch Gelegenheit geboten, fich vom -Oberdeck der Lurusdainpfer aus an dem herrlichen Elbge lände und den einzigartigen Flußszenerien zu ergötzen, die sich gerade in der vorzugsweisen klaren Luft der zeitigen Herbsttage dem Auge so prachtvoll darbieten. — Zur Er leichterung für das Publikum werden auch fernerhin Monatskarten und Abonnemcntsfahrscheine ausgegeben, wobei besonders darauf hingewiesen werden soll, das; die Sächsisch-Böhmiscl>e Tanipfsckstsfahrts-Gesellsckxlst die Fahr- kartcnsteuer für die Monatskarten auf sich genommen hat, so daß eine Verteuerung dieser Karten nicht eingetreten ist. Ebensowenig sind die Abonnementsfahrscheine teurer ge worden; denn diese sind wegen ihrer Billigkeit steuerfrei geblieben. — Ueber sonst Wissenswertes kann man sich leicht und bequem aus den allerorten veröffentlichten Fahrplänen, aus den unentgeltlich zur Ausgabe gelangenden Taschen- fahrplänen, sowie an den zahlreichen Geschäftsstellen münd lich verorientieren. — Ter Erpreß-Eilgutbeförberung von Frachtgütern wird die Gesellschaft auch weiterhin ihr Inter esse zuwenden. Dieser außergewöhnlich raschen Beförderung bei verhältnismäßig bescheidenen Frachtsätzen verdankt die Gesellschaft in der Geschäftswelt, der an einer Expreß-Eil- gutbeförderung gelegen ist, zahlreiche Freunde. >vas der Umstand beweist, daß der Frachtverkehr bei der Gesellsck-aft von Jahr zu Jahr zunimmt. —* Alldeutscher Verband. Tic Ortsgruppe Dresden des Alldeutschen Verbandes empfing noch in diesen Tagen Feldpostkarten ans Deutsch-Südwestafrika, ans denen sich unsere braven Mannschaften und Unteroffiziere für Liebesgaben bedanken, welck>e ihnen von der Dresdner Orts gruppe gespendet worden waren. Obwohl diese Sendung Anfang Dezember abgegangeu ist. scheinen Teile derselben doch erst im Jnli in die Hände der Empfänger gelangt zu sein. Absenderin der letzten Kartengrüßc ist die 4. Etappen kompagnie auf der Station Narnchas, Bezirk Lahnstcin. Der Gesamtverband hat im ganzen für unsere Südlvest- asrikakrieger gegen 1-10 000 Mark gesammelt und hauptsäch lich in der Form von praktischen Liebesgaben unter die Truppen verteilt. So arbeitet der Alldeutsche Verband auch auf dem völkisch-wohltätigem Gebiete in umfangreicher Weise. Wer sich über seine allgemeine Tätigkeit näher unterrichten will, dem ist hierzu in Dresden bald Gelegen heit gegeben. Vom 31. August ab hält nämlich der All deutsche Verband seine Jahreshauptversammlung in Dres den ab. Die.Hauptgeschäftsstelle, welck-e Auskünfte gern er ! 7 teilt, befindet sich am 31. August und 1. September in den „Drei Naben", Sonntag, den 2. September, auf dem König lichen Belvedere. Näheres besagen Anschlagssäulen und Fest ordnung. (:) Eine Stiftung für die Dresdner Straßenbahner. Herr Straßenbahndirektor Paul Elauß bat bekanntlich dem Rate zu Dresden aus Anlaß seines kürzlich stattgefundenen 25jährigcn Dienstjubilüums als Straßenbahndirektor die Summe von 10 000 Mark zum Besten der Angestellten und Bediensteten der Dresdner Straßenbahn schenknngsiveise übergeben. Nachdem die Stadtgemeinde Dresden die Schenkung angenommen hat, errichtet sie eine rechtsfähige Stiftung unter dem Namen „Clauß-Stiftung" mit dem Sitze in Dresden. Nach den nunmehr feststehenden Bestimmungen ist der Nat zu Dresden Vorstand der Stiftung und das Stiftungsvermögen be steht in einen; Kapitol von 10 000 Mark, das vom Vor stande gesondert veruxsttet wird. Der Zweck der Stiftung ist, schwächlichen Kindern von Angestellten und Bediensteten der Dresdner Städtischen Straßenbahn Aufnahme und Ver pflegung und dadurch Kräftigung ihrer Gesundheit in den Ferienkolonien des Dresdner Gemeinnützigen Vereins oder in anderen vom Rate zu Dresden zu bestimmenden Er holungsstätten zu ermöglichen. Alljährlich einige Monate vor Beginn der großen Schulferien, ist durch geeignete nicht öffentliche Bekanntmachung den Beamten und Bediensteten der Städtischen Straßenbahn im Einvernehmen mit der Direktion derselben der Zweck der Stiftung unter gleich zeitiger Aufforderung zur Anmeldung mitzuteilen. Aus der Zahl der angemeldeten Kinder sollen zunächst diejenigen Be rücksichtigung finden, welche auf Grund ärztlicher Unter suchung als dringend bedürftig bezeichnet werden und Kin- der von solchen Angestellten und Bediensteten sind, die vor dem 1. Januar 1906 dem Personal der vormaliger; Dresdner Straßenbahngesellschaft angchört haben. Erst wenn aus diesem 5kreise keine genügende Zahl erholungsbedürftige Kinder vorhanden ist, können auch die Kinder von Beamten und Bediensteten der vormaligen Deutschen Straßenbahn- gesellsckxrft und von solchen Beamten und Bediensteten der Dresdner Städtischen Straßenbahngesellschaft nach dem Grade ihrer Bedürftigkeit in gesundheitlicher Beziehung berücksichtigt werden, die nach dem 1. Januar 1906 in den Dienst der Städtischen Straßenbahn getreten sind. Tic ärztlichen Untersuchungen erfolgen durch die bei der Städti schen Straßenbahn tätigen Kassenärzte. (:) Die Heide blüht I Wer jetzt in den schönen Spätsommertagen einen Gang durch die Dresdner Heide macht, der wird überrascht sein von der reickmr Blütenpracht, die das Heidekraut in diesem Jahre entwickelt hat. Weite Flächen des prächtigen, lange noch nicht genug gewürdigten Waldes zeigt das zarte Lila der Iieblick>en Erika, die auf dem Sandboden unserer Dresdner Heide besonders gut ge deiht. Namentlich, wenn man den alten Kannbenkelweg einschlägt, der an den Militärschießständen vorbeiführt, und nach den; sagenhaften „Schivarzen Kreuz", einem alten Wahrzeichen der Dresdner Heide, zu geht, dann trifft man auf einen seltenen Blütenreichtum des Heidekrautes. Auch die mit Birken bewachsenen Schneisen, die nach dem viel- besuchten Kurort Klotzsche.Köuigsn'ald mit seinem prächtig gelegenen König - Friedrich - August - Bad führen, bieten wundervolle Blicke auf weite Strecken blühenden Heide landes. Dazu steht der Wald trotz der immerhin sckron vor gerückten Jahreszeit noch im üppigsten Soinmerschmucke. Infolge der feuchten und nicht zu heißen Witterung des Sommers tragen die Buchen und Birken noch; ihr saftig grünes Laub und noch kein gelbes Blättcl>en mahnt an den nahenden Herbst. Die günstige Witterung ist aber auch den Nadelhölzern zugute gekommen, denn Kiefern und Fichten l>aben dieses Jahr besonders große Triebe angesetzt nnd sind um ein tüchtiges Stück getvachsen. Ersreulicherlveisc hat auch die Nonne, jener gefürchtete Waldsckrädling, bis jetzt unsere Heide verschont. Leipzig. Tie Frau eines Leipzigers Verlagsbuch händlers hatte sich zusammen mit der Eiattst; eines Post- sekretärs vor Gericht zu verantworten, weil beide in einem Schokoladengesckräft die Begriffe von Mein nnd Tein nicht genau genommen hatten. Als die Verlagsbuchlstindlers- galtst; nun auf der Anklagebank saß, und sich der Gerichtshof zurückgezogen hatte, um über sie sein Urteil zn fällen, langte sie aus ihrer Tasche nicht etna das Taschentuch heraus, um ihre Tränen zn trocknen, sondern einer; — Roman, um sich — die Langeweile zn vertreiben. Dieses etums eigenartige Benehmen zog ihr eine ernste richterliche Rüge zu. Im übrigen kamen beide Langfinger nur die Strafe herum, da die Sacl>e von den; Berufungsgericht nicht als Diebstahl, sondern als Genußmittelentwendung bewertet wurde und in den; Sinne kein Strafantrag vorlag. Ehrmnitz, 29. August. Das zehnjährige Mädckxm einer hiesigen Familie hatte an; Sonntag abend mit 51 nackstreich- hölzern gespielt. Hierbei fingen die Kleider Feuer und verbrannten das bedauernswerte Kind derart, daß es sofort ins Stadtkrankenlxuls gebracht werden mußte. Naclx schreck lichen Schinerzen ist es gestern nun dort gestorben. — In hiesiger Stadt ist eine außerordentliche Steigerung der Selbstmorde zu verzeichnen. Während in; Jahre 1904 sich 35> Personen entleibten, sind es in; Jahre 190b insgesamt 79 gewesen. Ehemnitz, 29. August. Die hiesigen Lüllweber be schlossen in einer startbesuchten Versammlung, bei den Fabri kanten Lohnforderungen zu stellen und dieselben sofort ein- zureichen. Von den Fabrikbesitzern wird bis zun; 13. Sep tember Antwort verlangt. — Weiter beschloß in einer gut besuchten Versammlung die Arbeiterschaft der Wirkwaren fabrik von Samuel Esche auch Forderungen einzureichcn. Sie verlangen Erhöhung des Lohnes und Verkürzung der Arbeitszeit. Lugau. In einem Dorfe der Umgebung trat ein halb reifer Bursche, der seit kurzem durch seine regelmäßigen Anfragen: „.Haben Sie ringfreics Bier?" die Wirte ge ärgert lmtte, in einen Fleischerladen mit der Frage: „Haben Sie ringsreies Fleisch?" Der Meister antwortet: „Einen Augenblick bitte," zog seinen Trauring von; Finger, versetzte dein Neugierigen ein Paar sck-allende Ohrfeigen ins Gesicht nnd ineinte: „Da lxiben Sie einige ringfreie Der 48 — 4b — sprach einige beruhigende Worte, eine heiße Angst aber sprach aus ihren Augen und die Bitte: laßt mich! Angesichts des erreichten Zieles ihres Ertvähltcn kam ihr wohl der Ver zicht auf ihn doppelt schwer an, und das kam nun zum zügellosen Ausdruck. Wir standen erschüttert, keines sagte ein Wort. Der junge Künstler wagte cs nicht, ihr näher zu treten, wohl aus Furcht, daß er selbst die Beherrschung verlieren könnte. Mit verschränkten Armen, finster vor sich hinblickend, lehnte er an; Flügel; ick; dacht-: schon daran, in mein Studierzimmer zu gehen und estren beruhigenden Trank für das aufgeregte Mädchen zu mischen, da raffte sich Joachim Herting empor. Ein heißer umfassender Blick auf das schmerz- zuckende Mädchen und dann riß er, wie in plötzlicher Eingebung, die Geige an sich und — begann zu spielen. T-en Kopf geneigt, den Arm erhoben, die schöne kraftvolle Gestalt zur Ruhe zwingend, begann er mit einigen schrillen, zitternden Tönen, die durch alle Nerven gingen. Erika schrak znsainmcn. Beider Augen suchten und fände;; sich. Der göttliche Funken, Liebe genannt, flog herüber und hinüber und das in Glut getauchte Herz des gottbegnadeten Künstlers drängte sich mit seinem Empfin den, seinen Wünschen und Begehren auf die Saiten, deren Klang in nie ge- hätten, wunderbaren Tönen das Zimmer erfüllte. Wir »varen wie gebannt. Ich sah, ;vie Erikas Hände herabsanken, wie der wilde starre Schmcrzensausdruck des Gesichtes sich löste, und atemloses Lauschen, Staunen und Bewunderung auf den schönen Zügen wechselten. Sophie hatte sich still neben sie gesetzt. Sie legte ihren Kopf an die Freundin und selbstvergessenes, seliges Genießen lag auf ihrem Antlitz. Ich hatte für den Augenblick nur einen Wunsch — meine Frau. Hätte ich sie doch herbeizaubern könne;;, ohne auch nur mit einem Atemzug die Weihe dieses Augenblickes stören zu müssen. Die aber waltete treulich ihres Amtes als wackere Hausfrau und so verblieb ich denn, wo ich gerade stand und wünschte nur, daß gütige Feen über dem Eingang wachen möchten, damit uns dieser kostbare Augenblick nicht verkürzt werde durch irgend einen neidisckscn Zufall. Mein Gesellschaftszimmer schien ein Tempel der Kunst geworden zu sein — nur das bestrickende Silben und Klingen der Geige — kein anderer Laut war vernehmbar. Wie lange tvir so standen und lauschten, wie in edelschönen Schwin gungen seine Seele sich vor unS offenbarte, wie viel Zeit dies in Anspruch ge nommen, das fühlte keines, bis ein jäher Mißklang uns in die Wirklicksteit zurückries. Eine alte, kunstvolle Uhr, auf welche ich so stolz war, hob aus und ver- kistchete in aufdringlicher Weise die zwölfte Stunde des Tages. Ich tobte innerlich und mit Reckst — der Künstler brach jäh sein Spiel ab und legte die Geige hin. Ich war stets ein begeisterter Verehrer wahrer Kunst — nun fühlte ich mein Auge feucht werden, als ich die Erschütterung wahrnahm, welche diese halbe Stunde auf den starken Mann — des Volkes hervorgcbracht hatte. Er saß auf einem Stuhl, tief herabgebeugt und schluchzte wie ein Kind, wobei er das Taschentuch krampfhaft an die Augen drückte, um womöglich den Ausbrnch zu dämmen. Wir ließe;; ihn ungestört, Ixtttcn wir doch selbst mit den; Auf ruhr zu kämpfen, den diese machtvollen Töne in unserer Seele erweckt. „Es muß doch irgend eine Reaktion eintrctcn l" sagte er. „So kann doch das nickst fortgehen I" „Ein merkwürdiger Zustand!" pflichtete ich bei. Er winkte mit dein Kopfe und kaute au den; silbernen Knopf seines Stockes. „Es ist da estvas anderes auch nicht in Ordnung" sagte er. Ich dackste mir dasselbe. „Er wird dock; nicht ctna mit Gcschftsangelegenheiten behelligt, die ihn nicderdrmken könnten?" fragte er. „Ich habe Anordnung gegeben, daß ihm daS alles fern bleibt!" be richtete ich. „Da müssen wir es eben noch ablvarten, ich komme bald wieder. Halten Sie gute Wacht, Herr Kollege!" Ich aber hielt cS für geraten, Frau Franke zu fragen, ob irgend jemand den Kranken gesprochen habe. „Niemand, außer Herting!" „Wieso — konnte derselbe nicht tvatten? Konnte er sich nickst an der; Buchhalter wenden?" „Mein Mann hat keinen Duckst-alter, er bewältigte das Gesckstist ganz allein!" „Nicht möglich! Solch ein großes Gesckxift erfordert eine bedeutend: Arbeitskraft." „Ernar eS gewöhnt, viel und schnell zu arbeiten. Zeitweise lxflf ihm inest; Schwiegersohn und einzelne unwichtige Arbeiten gab er auf^'r Haus. Herting hat übrigens stets bei ihm Zutritt, falls mein Monn allein war; ich durfte ihn nie abweiscn, auch jetzt nicht." Was hätte ich iwch fragen sollen? Inzwischen war der Verkehr Erikas mit Sophie immer reger und herz licher geworden. Erikas Wangen aber blieben bleich und ihre Augen trüb und freudlos wie sonst, bis eines Tages wieder Leben und Interesse daraus her vorbrach, wie die Soniw durch den Nebel. Die beiden jungen Tarnen befanden sich in Sophiens Zimmer, in welchen; die Freundin nun auch heimisch geworden und ;nochten wohl da .Herzensgeheimnisse auStauschen. Ich saß in meinem Studierzimmer und ließ die letzten Vorgänge an meiner Seele vorüberziehen. Ta hörte ich ein Ge räusch in; Vorflur und hörte meinen Namen nennen. Das war eine bekannte Stimme, schnell stand ich auf und trat hinaus. Ich sah ztvei Männer vor mir und erkannte sofort .Herting, der zun; ersten Male in; Festtagsrock vor nur stand. Mit schüchterner Verlegenheit und dennoch auch wieder mit stolzer Genugtuung erzählte er mir, daß er sich nun erlaube, ;nir seinen heimgekehrten Sohn vorzustellen. Ich nötigte beid> ins GesellsckxlstSzimmer und nahm nun mit Befriedigung den jungen Gast in Augenschein. Noch um einen halben.Kopf überragte er seinen Vater, der das Attribut der Künstlerscliaft seines Sohnes, seinen Geigenkasten, noch in Händen hielt. Ein ccküer Künstlerkopf, von blonden Locken umwallt, mit feinen durch geistigten Zügen, den klaren, stahlblauen Augen seines Vaters, auf der lvcißrn Stirn den volle;; Jdealisnrus der Jugend, bot der junge Mann ein ebenso fckwucs als anziehendes Bild und ich konnte eS wohl begreiflich finden, daß ihm zn L;ebc so nmnches junges Mädchen geneigt sein würde, Heimat und Eltern zu verlassen, uni ihn ans seiner Künstlerlaufbahn zu begleiten.