Volltext Seite (XML)
Onter^ältunb und V^/i88en k>1r. ?8Z — 7. veremker 1030 . 8iicii8l8eiie V.)lk?re,Ninq Kümmel äurcll OnZananö LL»r6«», V^sin unä Oastliekkeit Man möchte es gar nicht glauben I Es sind doch bereits Stunden vergangen, seitdem der tschechische Schaffner sein „viatislava" in die tiefverschlafene 1) Zugswelt hinein- gerufen hatte. Gefühlsmäßigen! .... «ltösterreichischem Er innern nach müßte doch bald die ungarische Grenze kommen Beim Hinaussehen sieht man zwar typische, ungarische Land schaft, aber auf den kleinen Stationen noch immer unaussprech- ^ liche tschechische Namen und tschechische Uniformen. Der Zug rast also durch die ungarische Tschechoslowakei! Bei uns in Deutschland war es gestern noch kalt und regnerisch, hier scheint ein Morgen anzubrechen, wie man ihn s um diese Zeit sonst nur in Südtirol oder Norditalien kennt. ! Voller, schwerer, reifer Herbstwärme. Man hält das Liegen einfach nicht mehr aus. — Also heraus. — und die Landschaft studiert, die uns grüßt. Ungarische Baucrnwagen in langen s Kolonnen zum Markte. Kriegsbildcr tauchen wieder auf. Die berühmten „Panje"-Wagen der österreichisch-ungarischen Trains stammten aus diesen Gegenden. Zu Hunderten rollen sie hier, von schlanken, flinken Pferden gezogen, neben der Bahn. Viel . Volk kauert aus ihnen. Typisch magyarisches Marttvolk. In Kisten und Steigen quiekt und gackert es vergnüglich und ! ahnungslos, während die Frau oder Tochter des Bauern ängst lich die großen Wassermelonen vor dem Herunterkollern hütet. — Gen Süden traben alle Pferde. Een Süden ziehen die Marktkolonnen, der Grenze, . . . dem Vaterlande zu. Ein silbernes Band zieht sich in einem großen Vogen lang sam am Horizont dahin. Die liebe, alte Donau! Einstmals Ungarns Strom . . . jetzt Ungarns Grenze. Festungswälle links und rechts erinnern an vergangene Zeiten. Doch halt! Die neumodischen Lavernen, Drahtverhaue und Batterien sind nicht von damals. Komärom, früher Komorn, ist auch heute eines jener be sonders gelungenen Produkte der Friedensverträge. Stadl und Insel tschechisch — der Bahnhof ungarisch. Strenge, aber sehr höfliche Grenzkontrolle wird gehalten. ! Auf die etwas naive Frage einer Berliner Dame, ob Vieser Fluß denn die Donau sei, die doch ihres Wissens in der Tschechoslowakei liege 00, dreht sich der ungarische Grenz offizier brüsk im Waggongange herum und antwortet etwas empört: „Diese Donau ist unser Fluß, denen da drüben hat sie nie gehört!" Budapest wie immer die Königin des Südostens, aber das Abendbild in Budapest ist leider das gleiche, wie in Wien. Kein Glanz, kein lachendes Volk mehr sondern kleinstädtische Stille und leere Lokale. Freilich in den Treff punkten der eleganten Welt, des Fremdenpublikums, da haben die unermüdlichen Zigeuner zu tun .... Da klingt unauf hörlich die Fiedel und reißt der Czardas schöne Frauen und elegante Männer immer wieder ins tollste Jubilieren. Der Ungar ist gastlich . . . und wenn der Fremde bei ihm zu Besuch weilt, darf dieser nur Freude, Weine, Heiterkeit und leuchtendes Leben vorfinden. Ungarn will auch Fremde. Mehr und mehr finden sich hier Amerikaner und neuerdings auch deutsches Publikum ein, die die herrliche Stadt und das so romantische Land besuchen. Es ist gut so für beide Teile, denn, nochmals: Der Ungar ist vielleicht der großzügigste Gast geber der Welt, und das Land und sein Volk braucht Geld ... viel Geld, das heute nur der Fremde bringen kann. Die Schönheiten Budapests selbst sind anziehend genug. Besonders jetzt, da man dort allabendlich die Fischcrbastei, die Burg und die Zitadelle mit Scheinwerfern beleuchtet. Es gibt kein un- voll »eltssmor 8ol,onl,«lt auslöschlichercs Bild als das geisterhafte Licht über den For men, Kirchen und Festungsmauern des Osener Berges im Abenddunkel spielen zu sehen. Dabei tönt die Musik aus den eleganten Cajc-s der Donau-Kai-Lokale, schwermütig, an den Sinnen und in den Nerven reißend .... Zigeunerweisen. Wenn man bei Tageslicht, abseits vom großen Fremden strom. der den herrlichen Bauten und geschichtlichen Denkmälern der Stadt zuslutet, durch die Straßen schlendert, da kommt es einem hier eigentlich erst zum Bewußtsein, daß man doch auch noch in europäischen Metropolen billig und gut leben kann. Ich lade meine besten Freunde in den kleinen Restaurants der Osener Seite zu Paprika-Hühnern und Tatschkerln ein, denn so viel und so gut hat selten einer für nicht ganz zwei Mark gegessen, wie ein Berliner Weltenbummler in Budapests kleinen, tippsauberen Restaurants. — Fast vor den Toren der Hauptstadt liegt ein vom Fremden verkehr noch »»erschlossenes Gebiet. — Die Gestade des wunder baren Plattensees! — Läge der Balaton, das ungarische Meer, in Deutschland, so wäre dort wohl kein Plätzchen mehr zu haben. Aber so! So kann man es dort in den Dorschen am User des blauen Wassers erleben, daß in den schweine- und gänsebcvölkerten Ortschaften der Fremde von den Bauern literweise mit Ungarwein vollgcgossen wird . ohne daß er es nur wagen darf, die Geldbörse zu ziehen! „Das wäre che schwerste Beleidigung der ungarischen Gastfreundschaft" ... er klärte mir ein Dauer! Sympathisches Land, wo cs im 20. Jahrhundert noch solche Menschen gibt. Der Hauptort des Plattenseelandes ist der Badeort Siöfok. Dort hat ein „Schwabe", ein Deutscher, mit kluger Berechnung Hotel an Hotel erbaut und so die Grundlagen zu einem ganz neuen, zukunftsreichen Badeort geschossen. Zukunstsrcich schon deshalb, weil man am 15. September dort noch... in 25 Grad baden kann! Was man in diesem Jahr vom Berliner Wannsee wenigstens nicht behaupten konnte. — Dann . . . die landschaftliche Schönheit des Plattensees! Man glaubt oft, in Italien zu sein. Besonders wenn man das Nationalheiligtum der Ungarn, die Abtei Tihäny, besucht. — Dort, hoch oben auf einer Halbinsel weit ins Ungarland hineinschauend, erhebt sich die Benediktinerablci, in deren Mauern auch der unglückliche Kaiser Karl mit seiner Gemahlin Zita gefangen gehalten morden war, bevor er 1921 nach Ma deira gebracht wurde. — Ein kleines Priesterzimmer, ein paar einfache Stühle, ein Schreibtisch und ein kleines Bett, das ist Karls letztes Prunkgemach als apostolischer Ungarkönig ge- Abenteuer unter ?a!meu Von Ernst Hoserichter. Im Salon meiner Tante Nosalie stand unter dem bron zierten Trompeter von Säckingen eine Strohpalme, die ständig aus einem Nickeltopf hervorwuchs und dabei weder größer noch kleiner wurde. Wenn ich zu Besuch kam, setzte ich mich stundenlang unter dies Gewächs aus erträumten Zonen, und wenn die Tante in der Küche mit dem Mädchen Krach hatte, berührte ich ihre spitzen Blätter verstohlen. Bei festlichen Anlässen wurde der Trompeter zwischen den Reitstiefeln aufgezogen, und im Pinken des Spiclwcrks wedelte die Palme vor Heimweh. Sie wurde von der Tante persönlich gepflegt, und wenn Handwerker zu Reparaturen in den Salon kamen, setzte sie sich in ihren Schatten und bewachte sie. wesen. Der Raum wirkt erschütternd. Fast störend wirkt dis große Gedenktafel im niedrigen Zimmerchen. Der Blick aus den Fenstern weist, vorbei an Pinien, Zy pressen, weiß leuchtenden Häuschen und goldgelb schimmernden Maishängen an den Hügeln, hinaus auf den blaugrünen See. Es ist dasselbe Bild, wie die Dörfchen am Gardasee um Salü und Desenzano. Balatonsöldvar ist das Bad der ungarischen Aristokratie voller stiller, zurückgezogener Vornehmheit. Natürlich . .. die Zigeunermusik fehlt auch hier nicht. Für Nervenkranke und sonstige Gebrechen gibt es hier am Plattensee auch Bäder. Das Schlammbad Heviz und drüben, am anderen User, inmitten lieblicher Gärten, das Mineralbad Balatonsüred. — Da und dort hört man schon deutsch. Unsere Landsleute fangen an, das Land hier zu entdecken. In 22 Stunden ist man hier in Slldwestungarn. Und dann ist es gewiß nicht teuer. In den Siofoker ersten Hotels mit Warm- und Kalt- wassereinrichtung zahlt man bet fürstlicher Verpflegung 16 Pengö, also etwa 12 Mark Pension. Dafür kann man im Ausland . . . im interessantesten, südlichsten Auslande von Mai bis Oktober baden und faulenzen. — Es lohnt sich also. Ein Gasglühstrumpf war nicht so empfindlich wie Viels südliche Pflanze. Seltsamerweise sah ich nie, wie sie gegossen wurde. Wöchentlich einmal streichelte sie die Tante mit einem Flanellappen, und von Besuch zu Besuch wuchs meine heilige Scheu vor dem Wunderbaum, der seine Jugend in Zentral- asrika erlebte, und jetzt zu Füßen eines Gipstrompeters in Tragik alterte . . . bis ich sah, daß die Palme drei Tage vor Tankes Geburtstag frisch gestrichen wurde, am Weihnachts abend zu nahe an den Lhristbaum kam und wie eine bengalische Wunderkerze verbrannte — und nur stechenden Papiergeruch zurückließ . . . Seitdem glaubte ich nicht mehr an Palmen. Und als ich nach-Fahren zum ersten Male in das Palmen haus des Botanischen Gartens kam, hielt ich — noch voll Skep sis — ein brennendes Zündholz unter ein Blatt der Königs- nalme. Der Aufseher näherte sich mit „Strengstens verboten!" Und wieder hob sich mein Argwohn. Und nur der lateinische Name, der auf jener Tafel aus dem Boden stak, verlieh der Pflanze Achtung und wissenschaftliche Echtheit. Denn diele Tafel fehlte bei Tante Rosaliens Gewächs. Die Steppe flimmert wie die Kinowand vor zwanzig Jahren. Vögel ohne Namen fliegen auf. Die Waggons der tunesischen Kolonlalbahn dürfen nicht berührt werde». Sind heiß wie Aluminiumtöpfe über dem Spirituskocher. Fieberthcomometer zerspringen im Schatten. Und doch gibt es Fahrkartenkontrolleure, die wie Bismarck aussehen . . . ! Und zwicken bei Station EanSs ein. Die Bläue des Schwammgolfcs übertrifft alle südlichen An sichtskarten. Hier wurden die Jnsanteriehosen der ganzen Welt gefärbt. In einer Stunde wird die Oase erwartet. Dies Karlmay« gefühl . . .! 90 000 Palmen stehen seit Plinius' Zeiten hier, um dich zu empfangen. Und die Stationen, die im Schulatlas in halber Größe von Paris eingetragen sind, bestehen in natura aus Limonaden hausgröße, Kaktus, Etakheldraht und toten Fliegen am Morse apparat. Der Horizont färbt sich olivengriin . . . k Und in die gelbe Unendlichkeit gebettet liegt eine Gemüsebeilage . . . Oase. . . ! Oase . . . ! Irrsinn der Erfüllung . . . f Endstation. Der Bahnhofplatz ähnelt dem Lagerhof eine» Grabsteinmetz. Turkos und Karrabincr wurden zu Bleisoldaten, aber schmelzen nicht — seltsamerweise. Enttäuschung. Die Oase ist total verstaubt. Ohne Giftig- grüii. Ladenhüter. Jedes Blatt sehnt sich nach Tante Rosa liens Flancllappen . . . Und diesem Dörrgemüse bin ich vier tausend Kilometer nachgefahren . . , ! Ich schwitze vor Ab sacken . . . Der Rand der Oase mar Staubfänger, Schutzwand gegen die Sahara. Auf die Knie . . . Und dann: ich umarme eine Palme, drei, zehn, hundert, hunderttausend. . . l Was fange ich mit drcihunderttausend Palmen an? Ein