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Sine berechligie Mahnung Dresden, 20. September. Das Presseamt des Polizeiprrisi. diumv teilt uns mit: Es wird erneut daraus hingewiesen, daß die auf den verkehrsreichsten und wichtigsten Kreuzungspunkten der Stadt aufgestellten Verkehrsposten ihre ganz« Auf merksamkeit dem Straßenverkehrs zu widmen haben und von dieser sckpvierigen, die größte Umsicht erfordernden Aufgabe nicht dadurch abgelenkt werden dürfen, daß man sie um Aus- künite angeht. Hierdurch können der Verkehr gestört und unter Umständen schivere Ungliickssäil« hervorgerusen werden. Es wird deshalb im Interesse der Allgemeinheit die Bitte an das Publikum gerichtet, die Verkehrsposten nicht mit Fragen und sonstigen Anliegen zu behelligen. Dresden-Eotta. (Marienkirche.) Sonntag. 22. September: 7.30 Uhr hl. Messe. 0 Uhr Hochamt mit Predigt. : Personalveränderungen im Wehrkreis IV. Mit dem 30 Sep tember d. I. scheidet aus: Hauptmann Strohdach, I. R. 10; Stabs arzt Dr. Fab»., §. A. Mit dem 1 Oktober d. I. werden verseht: Oberstleutnant Hiclscher, St- d. Art. Führ. 4, i. d St. d. Gr. Kdos. 2: Hauptmonn Schuhe, A. R. 4, i. d. St. d. Art Führ. 4. : Geheimrat Dr. Bach 70 Fahre alt. Geheimer Mcdizinalrat Dr. Hugo Bach, der Erfinder der Quarzlampe, der künstlichen Höhensonne, begebt am 22. d. M. in voller Frische seinen 70. Ge burtstag. Geheimrat Dr. Bach lebt seit einem Jahre in Dresden im Ruhestand. I-eiprig und Umgebung Leipziger Finanzpolitik Leipzig. 20. September. In der letzten Sitzung der Leip ziger Stadtverordneten erklärte Oberbürgermeister Tr. Rothe u. a.: „Wenn ich eine Tagesordnung wie die lxutige anseh« und zusammenzähle, was in einer einzigen solchen Sitzung beantragt ist, so komme ich dabei zu einem Millionenbetrag. Es ist doch ganz ausgeschlossen, daß man Projekte beantragt, von denen man von vornherein weiß, daß man die nötigen Mittel nicht besclmffen kann. Sie glauben vielleicht, wenn Sie beschlossen haben, dann brauchen wir nur den Gelbschrank zu öffnen, um die Mittel bereitzustellen. Ich aber sage Ihnen: Der Inlands- onleihemarkt ist vollständig erschöpft: langfristige Anleihen sind überhaupt nicht unterzubringen und Leipzig kann von Glück sagen, daß es ihm gelungen ist. im Frühjahr seine 10-Millionen- Anleihe noch zu erhalten. Wechselkredite mird der Rat der Stadt Leipzig in seiner derzeitigen Zusammensetzung nie in Anlvruch nehmen! Eine solche Finanzpolitik machen wir nicht mit!" * Der Rot der Stadt Leipzig hatte Einspruch erhoben gegen einen Beschluß der Stadtverordneten, demzufolge die Erwerbs losen auch weiterhin verbilligte Straßenbahnfahrkarten erhalten sollen. Es wurde ein Einigungsansschuß eingesetzt, und dieser Einigungsoussckuß Hot mit allen gegen eine Stimme folgenden Einigungsnorscklag angenommen: „Da die Erwerbslosenfür- sorge mit dem 1. Oktober 1929 auf die Reichsanstalt übergegan« gen ist. und mit Rücksicht auf die Finanzlage der Straßenbahn soll auf die Ausgabe von verbilligten Straßenbahnkarten an Erwerbslose nicht wieder zugekommen werden." Zeppelin-Wettfahrk-Gedenkrnlinze Leipzig, 20 September. Die Zentralstelle Deutscher Eiedenk- müuzcn hat eine Zeppelin-Weltsahrt-Gedenkmünzc hcrausgebracht, -die als besondere Ehrung sür den Grafen Zeppelin alz Schöpfer. Dr. Dürr als Erbauer und Dr. Eckencr als Führer des Lustschisses „Gras Zeppelin" jedem Deutschen ci» willkommenes Andenken an das weltgeschichtliche Ereignis der Weltlufifahrt sein wird. Die Ausprägung der Münze ist in der Preußischen Staatsmünzc in Ber lin nach dem künstlerischen Entwurf des Bildhauers Glöckler er folgt. Den Vertrieb der Münzen hat der Lanücsbürc errat Sachsen, Leipzig E 1. übernommen. Ter Versand erfolgt auch nach auswärts unter Anrechnung des Portos. Gefahren -er langen Trockenheit Noch nicht ein Dreißigstel -er normalen Feuchiigkeii erreich» ) Werbeabend des Vereins für das Deutschtum in Leipzig. Die Leipziger Ortsgruppe des Vereins sür das Deutschtum im Auslande veranstaltete am Donnerstag im Festsaal des Neuen Rathauses einen Werbeabend, bei dem der Reichsministcr a. d. Dr. K ii l z — der Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen des V. d. A. — zu dem Thema „Auslondsdeutschtum und Hei mat" sprachen. Die anhaltende Trockenheit in ganz Deutschland läßt bereit« die ernstesten Befürchtungen auskommen. Bleibt daz Wetter weiter so, dann müssen schwer« Schäden bei der Landwirt, schaft eintrelen, die nicht wieder guizmnache» sind. Seit Mcn- schcngcdenkcn ist im Monat September noch nicht derartig wenig Rege,, gefallen. Die normale Regenmenge im September beträgt im Durchschnitt 43 Millimeter, während bisher im Monat September nur 1.9 Millimeter zu verzeichnen sind. Das ist noch nicht ein Dreißigstel der normalen Feuchtigkeit. Die Hacksruchiernle wird unter der Trockenheit sebr leiden, vor allem auf leichten Böden. In Brandenburg, Hinterpommcrn. Meck lenburg und Hannover liegen die Verhältnisse besonders schlecht.. Vor allem leiden die Rübe» in ihrem Wachstum durch die anhaltende Trockenlxit. und auch sür die Kartoffeln sind die gegenwärtigen Wciterverhältnisse nicht günstig. Vor allem aber leidet die Feldbestellung für die Wintersaaten, die aus sandige» Vöde» gegenwärtig unmög lich ist. Hält das trockene Weller länger an, dann wird es vor Ein tritt des Frostes nicht möglich sein, die ganze Winterbestcllung durch zuführen. Die Weiden sind fast völlig ausgetrocknet. so daß die Land» wirte bereits über starken Futtermangel klagen und zur Stallsütterung übergehen müssen, tvas einmal die Viehhaltung wesentlich verteuert, zum anderen die Wintcrfuttcrvorräie vorzeitig verknappt. Es wird viele» Landwirten nichts andere? übrig blei ben. als einen Teil ihrer Viehbestände abzustaßcn, da nickt das ge- uüoende Futter vorhanden ist. Dadurch wird voraussichllich auch ein starker Druck auf den Viehmarkt auSgcübt werden: wodurch die Landwirtschaft neuen schweren Verlusten ausgesctzt wird. Das Obst wird unter der Hitze zu schnell reis und ist daun leicht der Fäulnis ausocsctzt. Ei» Teil de? lchnellreilendes Sommer, obste? kann!« der Vcrbrauchcrsckail aar nickt zugcfübrt werden, da cS sckon aus dem Transport orösiteuteils verdarb. Selbst die Neben der Weinbaugcbicte. die an sick nickt gemia Sonne bekommen kön nen. fanaen an, unter der Hitze zu leiden. Jmmerbin wird die die?- iährioe Weinernte recht aut werden, sowohl was die Güte wie auch die Menge aubelrisst. Das Jabr 1929 wird voraussichtlich ebenso ein gutes Wein>abr lein wie das berübmte Weiniahr 1921 Abschluß -er Oan-eswohlfahrlskagung Meißen. 20. September. In Fortsetzung der Beratungen führte am Donnerstag die Sächsisch« LandeSwohIfahrtsIagung die Erörterung des Problems der Asozialen an deren einzelne Gruppen Heia». Zuerst sprach Stadlrat R ö n sch - Stollborg i. E. iider die Aufgaben der Fürsorge bei den Wanderern. Der Vor tragende forderte bis zum Erlaß eines Reichsbewahrung,sgesetzss eine Zwis<I>cnregelung insofern, als die dauernd Arbeits unfähigen ans dem Wandcrcrslrom auszuschciden sind und ihr« zwangsweise Unterbringung in geeigneten Anstalten im Ver waltungswege möglich ist. Für die geordneten Wanderer sollen die Arbeitsämter mehr als bisher der Arbeitsvermittlung dienstbar gemacht werden. Auch 'das geordnete Wände--» soll zeitlich begrenzt und durch die E i n f ü h r u n g e i n e r Wan derkarte übersehbar gestaltet werden. Eoritasdirektor Ca rl s-Elberfeld sprach dann über den fürsorgerilchen Standpunkt gegenüber dem Stadtbeitel. Es gebe heute eine weit ausgebreitete wohloraanisierte Bettler gilde. Der organisierte Beitier habe seine eigene Zinken- spracbe mit 24 verschiedenen Zeichen, einen Listenaustausch» der gebefreudigen Familien, eine Bettlerbörse, einen eiaenen Ehrenkodex. indem der eine Bettler Rücksicht nimmt auf das Arbeitsgebiet des anderen, ja eine eiaene Ausbildiingsmögiich» kkit in dem Bettlerinstitut Lhuilier in Poris. Die Fürsorge erstrebe zunächst einen pädagogischen und moralischen Einfluß aus den Bettler, um ihn dann wieder zur produktiven Nibeik zurückführen zu können. Es folgten noch Vorträge üb-r die fürsorgerilchen Aufgaben bei der Behandlung der Trunksüchtigen und bei der Durchs»« rung des Gesetzes zur Bekämpfung der (Geschlechtskrankheiten. Den Schluß der Taguna bildete di> durch Ministerialrat Dr. M a i e r aufschlutzreich ersolaend- B-'nttnrn-tnna non Zwei- felsiroaen au? der Dnrchsühruno der Woklsakr'svklege. An genommen und dem Landes,rivhttab'-'santt zur Ettedwung über wiesen wurde eine Entschließung, die inr die Konuuendeu Min» tennonate die Schollung ausren-hercke'- A'-b-tt-umigli-blwiten und von den Reichsstellen keinerlei Echschu-änkung der Leistun gen aus der Arbeitslosenversicheruno forderte s. Staubvergiftungen beim Dreschen. Unter eigenariiacn Begleitumständen erkrankten in Düben fünf Drescher. Die Körper der Arbeiter schwollen unter Vergiftungserscheinungen stark an. Der ärztliche M'fund ergab eine Staubvorgis- tung. die sich die Drescher bei ihrer Arbeit zugezoaen Izatten. Den ärztlichen Bemühungen gelang es -bald, die Erkrankten wieder herzustelle». 800« Mark verunkreuk Zwickau, 20. September. Wegen fortgesetzten Betrugs hatte sich der 39 Jahre alte Handlungsgehilfe Kurt Bernhard H. aus Zwickau zu verantworten. — H.. der bei dem städtisch)«» Gaswerk seit längerer Zeit als Handlungsgehilfe — Dauer angestellter — in Stellung ivar. beging gegenüber der Stadt gemeinde einen groben Vertrauensbruch. Obwohl er nicht zum Einkassieren von Geldern berechtigt war — und auch eine In kasso-Vollmacht nicht besaß — kassierte er nahezu drei Jahre lang (vom Juni 1920 bis April 1929) von drei Gasabnehmern die von ihnen zu entrichtenden Gasgelder ein und behielt sie für sich. H., der den Gasabnehmern bekannt war. gab an. daß er zürn Kassieren berechtigt sei. Insgesamt verschaffte sich der Angeklagte auf diese Weise ülrer 8000 NM., die er, wenigstens ist ihm das Gegenteil nicht nachzmveifen, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes für seine Familie verwandt haben will. H. gab an, das; er seinerzeit in Schulden geraten wäre: sein Geholt, das damals 200 NR!, betragen habe theute jedoch 325, NM. monatlich) hätte nicht ansgereicht: aus diesem Grunde habe er sich aus die obenbezcichnete Weise Gelder verschafft. Das Schöffengericht warf gegen de» Angeklagten, der als Dauer angestellter Anspruch auf Pension hatte, eine (Gefängnisstrafe von drei Monaten ans. Durch eine Geldstrafe hielt das Ge richt den Slrafzwcck nicht sür erreicht. Bei der Strafzumessung wurde zugunsten H. berücksichtigt, das; die Kontrolle mangel haft war. tz. Ein Neuausleben der Natur bringt der merkwürdig warme Nachsommer mit sich. So Hot sich jetzt in Zwickau am Graben bei Pcnzlcrs Garten ein Kastaniendaum frisch belaubt und Dlütenkerzen getrieben, die sich zum Teil schon voilkvmmeik entwickelt haben. Chemnitz. Kack. Gc'ellcnvereiu. Sonntag, den 22 September^ abends 7 libr Herbstvergnügeu im Tbaliakaus. Sonncnstraße 42. Tragischer To- Rcick,enbach (O.-L.), 20. September. Der Sehrankenivörte» Oswald Alttis aus Riedersohland benutzte am Mittwochabend zwischen 0 und 7 llhr, wie üblich den Bahnkörpcr als Heimweg, als er einem Güterzug ausweichen wollte, ivnrde er von einer auf dem Nebengleis daherkommenden Maschine ersaßt und auf der Stelle getötet. l. Schadenfeuer. Durch Feuer zerstört wurde in Cu ne* ivalde auf dem Hcbaidschen Gute tzie mit Erutcvorräten gefüllt«! Scheune und ein Schuppen. Drei Motorspritzen und sechs Handdrnckspritzen waren an der Brandstelle erschienen. Tis Brandursache ist noch nicht geklärt. l. Das schwere Bauunglück beim Neubau der GEG. in Oppeln, hat ein Todesopfer gefordert. Der Maurer Karl Schläger aus Crostau ist seinen Vertetzungeu erlegen. Ec hatte sehr schwer« Schädclver!et;u»gc» sonne One!schlingen ani ganzen Körper und einen rechtsseitigen kompliperlen Unter schenkelbruch davangelrage». — Bei dem Riesenbau, der 700 Arbeiter beschäftigt, sind bereits mehrere schivere Unfälle zu verzeichnen und einige Todesopfer zu beklagen. Das neue Unglück erregt um so größeres Aufsehen, als der Bau» sachverständige der Staalsanwall-sügrft und Vertrcier der Be rufsgenossenschaft sestgestellt haben, das; die Gerüste technisch einwandfrei errichtet worden lind. l. Die Ursacti« des Eisenbahnunglücks in Eiban wirb nach dem bisherige» Ergebnis der Untersuchungen a»i einen A ck i e n- brnch am Zug-führerivagen zuriickgesührt. Man nimm: an, daß der Wagen dadurch ins Schleudern gekommen ist und die Lokomotive so stark «rschütter hat. daß die Räder ani das Herzstück der Weiche gestoßen und aus der Gleisführung ge drängt morden sind. Die Aufräumungsaübetton lind übrigens noch nicht ganz beendet. I Mensch unter Menschen Roman von Victor Hugo. :I2I. Fortsetzung.» Ein Gedanke zuckte Jean Valjean durch den Kopf. „Ich warte aus einen Brief? Bringst du ihn?" „Sie? Denk' nicht brau! Sie sind kein Frauenzimmer." „Der Brief ist an Fräulein Lafette adressiert." „Cossette? Hm! Ich glaube ja, so heitzt sie." „Gut. So gib ihn her. Ich soll ihn in Empfang nehmen." „In dem Fall müssen Sie wissen, daß ich von der Barri- Katze hevkomme?" ,,Selbstredend." Gavroche schob die Faust in die Tasche und holte ein ge lastetes Papier hervor, dem er die militärischen Honeurs machte. „Alle Achtung vor der Depcsck-e, die kommt von der pro-vi- sorisäien Regierung." „Her damit!" rief Jean Valjean. Gavroche zögerte noch. „Eigentlich scheine» Sie es wert zu sein, daß man Ihnen Vertrauen sckstmkt — da!" „Muß die Antwort bei der Kirche Saint-Merrq abgegeben . erden?" fragte Jean Daljean. „Mitnichten. Sie würden da einen Weg wandeln, den das gemeine Volk den Holzweg nennt. Der Brief kommt von der Barrikade und dahin gehe ich jetzt zurück." Mit diesen Worten ging oder flitzte vielmehr Gavroche davon. Slber er ließ sich noch die Zeit, unterwegs verschiedene Loicrnen zu „zcrtöppern" und die „anständigen" Leute zu ängstigen. Nachdem Iea» Valjean in seiner Wohnung mit zitternden Händen Licht gemacht hotte, faltete er das Papier auseinander. Wcnn man hcstig erregt ist, liest man nicht, sondern sucht de» Jnlmlt dcs Geschriebenen sozusagen mit einem Ruck zu ersoffen, springt ans Ende, eilt wieder zurück, und ist zufrieden, wenn man mit dem ersten Blick di« Hauptsache l>era»sgrrist. Auch Jean Valjcan las zu Anfang nur folgende Worte: „Ich will sterben. Wenn du diese Worte liest, wird mein Geist schon bei dir weilen " Eine wild«, fürchterliche Freud« ergriff ihn. Co fand die Cache einen schnelleren Abschluß, als zu erwarten gewesen war. Der Mensch, der seinem Glück so hinderlich war, ging ihm von selber, freiwillig aus dem Wege. Ob er vielleicht schon in diciem Augen blick das Feld geräumt hatte? Nein. Noch konnte er nicht tot sein. Aber ein Stein siel Jean Valsean vom Herzen. Er brauchte den Zettel bloß in der Tasche behalle». so erfuhr Eoscltc nie, ums aus ,tzcm Menschen" geworden nmr. Welch ein Glück, daß sich alles so gefügt hatte! Aber cs kam keine wahre Freude in ihm auf. Er sah sinster und traurig aus. Nacktem er den Brief gelesen, ging er hinunter und weckt« den Portier. Eine Stunde später ging Jean Valjcan in seiner Bürgerwehr- unisorm und in Massen aus. Der Portier batte ihm alles verschafft, was er zur Vervollständigung seiner Ausrüstung noch brauchte. Er trug ein geladenes Etznvehr und eine volle Patronentasche. So mar schierte er in der Richtung der Marklliall«. Eine Schlacht Mischen vier Wänden. Es >var keine Frage, daß die Bejahung der tBarrikade bei der Eiastwirtschast „Corinlhe" verloren war. Aber keiner d«r dreißig bis vierzig Männer dachte daran, seinen Posten auszugcben. Sic litten die Nacht hindurch Ruhe gelebt, aber am Morgen würde der Angriff niit Artillerie beginnen, und am nächsten Mittag würden sie all« ihre Ucberzeugung mit dem Tode lxsicgelt haben. EnjolraS ging aus Erkundigung aus und erklärte bei seiner Rückkehr: „Die ganz« Armee, di« in Poris ist, wird tun, was man ihr befehle» wird. Ein Drittel dieser Armee ist bestimmt, aus euch los- zugclst». Außerdem »och die Bürgcrwchr. Ich habe die Tschackos des fünften Liiiienregimenls und die Fahnen der sechsten Legion erkannt. Der Angriff witzd in einer Stunde erfolgen. Was das Volk anbetrifft, so hat es gestern Lcbens.zeiche» gegeben; heute ver hält cs sich still. Also nichts zu erwarten, nichts zu hoffen. Ihr seid im Stich gelassen." Diese Worte ficken auf die Illusionen der Barrikadenkämpfer wie Gcwittcrregcn aus einen Schwarm Bienen, und alles ver stummte. Es trat ein« Stille ein. in der man die Fittich« dcs Todes hätte rauschen höre» können. Aus dem dunkelsten Hintergründe ries jemand: „Nun gut. So »vollen wir die Llarrikade zivanzig Fuß hoch machen und uns olle unter den Trümmern begraben lassen. Mögen dann unsere Leichen gegen di« Thrannei protestieren. Wenn das Volk di« Republikaner verläßt, so laßt uns beweisen, daß di« Re publikaner das Volk nickst im Stich lassen." Diese unbeugsame Entschlossenheit sctzmebtc am 0. Juni 1-^32 sozusagen in der Luft. Den» uugeiähr in derselben Stunde iaßien die Kämpfer der Barrikade Saint-Mcrr» den gleichen Beichluß Alle wollten bleibe». Es kam Hinz», daß alle, die die Barri kade jetzt verließen, damit rechnen mußten, daß die Abspcrrtruvvcn sie festmehmc» und sofort erschießen würde». EujotraZ aber wollte unnötige Opser sperren. Es genügte, wen» hier dreißig Blau» mit Opfermut sielen. Er winkte Eombeserrc Zu »ick:, ging mit ihm in den Saal des Erdgeschosses und bald kamen beide mit den vier Uniformen zurück, die sie lxillcu aushcbeu lasten. Dazu brachte» sie auch das Lcderzcug und die Tschakos. Aber auch jetzt wollte sich keiner melden. Währenddem »var Marius, von Hunger und Fieber gepeinigt, aller Hoffnung bar. aufgeregt durch die tstftigstcn Gefühle ins ln der Ahnung des nahen Eudes, mehr und mehr in jene traumtafte Stumpfheit versunken, die dem willige» Untergänge vorangehl. So gleichgültig nun ib» auch alles ließ — der edle Weltkampf, der sich zwischen seinen Gefährten entspannen lmtte, war lo ergrei fend, daß er aus seinem Sccleuschlummcr gcivcckt wurde. Wollt« cv sich von seinem Entschluß zu sterbe» durch nichts al'lenken tasten, s» blieb cs ihm doch unverivehrt. andere vor demselben Verderben zit bcivahren. „Ensolras und Eombescrre", begann er init lauter Stimme, „haben recht. Kein« »»nützen Opicr! Ick pflichte ihnen bei und bin dafür, daß wir uns beeilen. Was Eombcse^re gesagt trat, muß den Ausscklag geben. Mögen diejenige,, unter euch, die eine Mutter, Schwcstcrii. Weib und Kind haben, vortrctcu!" Nichts lmlf; sie wollte» nicht oder schämten sich, die anderen im Stich zu lasten. Endlich, als Ensolras bcsabl. sie iolltc» unter einander fünf auSnxiblc», da traten diese lxrvor. Dock cS umrcn nur vier Uniformen da. Da sie sich nicht entscheide» konnten, wandten sic sich schließlich an Marius, der bestimme» sollte, wer Zurückbleiben müsse. Marius halte geglaubt, er iei keiner neuen Empfindung mehr zugänglich. Bei dem Gedanken aber, er solle eine» Meuscki-e» dem Tod« weihen, strömte ihm alles Blut nach dem Kerzen. Hätte er noch bleick)«r werden können, als er schon »var, letzt wäre «s ge» schchcn. Er könnt« sich nicht entscheiden. Da siel, als käme sie von» Hinuuel herab, ein« fünfte Uniform aus di« vier anderen Der süust« Mann »var gerettet. (Fortsetzung solgt.) - ' HZ